ihnen bei dem gemeinen Manne ohnehin schon einen immer sich vergrößernden Ruf und Credit verschafft, ihnen selbst aber auch eine so hohe Meinung von sich einflößt, daß sie sich selbst in der That für wirkliche Heilkünstler halten und mit unvertilgbarer Zähigkeit, trotz aller Vigilanz und Strafen, doch das alte ver- botene Gewerbe, wie aus innerlichem Berufe, immer wieder von neuem beginnen.
Somit bieten sich denn auch häufig bei den Rochlim dieselben psychischen Abweichungen und Sonderbarkeiten dar, welche man bei den Kartenlegerinnen findet. Jn ihrem ganzen Wesen und Walten erscheinen die Rochlim heutigentags als die Hauptträger und Förderer des, besonders auf dem Lande, noch immer weit und tief verbreiteten Zauber- und Aberglaubens, in welchem das stabile Dogma der Verhexung von Menschen und Vieh obenan steht, und nach welchem Menschen und Vieh mit denselben Mitteln, kaum mit Unterschied der Dosen, gegen Verhexung behandelt werden. Das Geheimniß der vielen noch heute bei dem Land- mann in Ansehen und Brauch stehenden sonderbaren, oft unerklär- lich scheinenden Hausmittel und Arcana, namentlich die seltsam- sten und ekelsten Räucherungen, welche durch ihre hundertjährige Vererbung eine gewisse Sanction erhalten haben, beruht wesent- lich auf diesem Dogma, soweit entfernt jene auch in ihrer heuti- gen Form und Anwendung davon zu sein scheinen.
Auch die unselige Quacksalberei zeigt sich als eine directe verderbliche Folge des überall schädlich wirkenden Hausirhan- dels. Eine unerbittlich strenge polizeiliche Controle und Be- strafung des letztern, namentlich auf dem Lande, und eine scharfe Aufsicht über das Treiben der Droguisten und Materialisten, welche der bestehenden Aufsicht über die Apotheken entspricht, sowie eine strenge Regelung und Beaufsichtigung der Veterinär- und Scharfrichterpraxis wird dem nichtswürdigen Betruge mit grö- ßerm Erfolge steuern können, als die nach den meisten deutschen Medicinalordnungen lediglich den Bezirksärzten übertragene, kaum mit einigem Nachdruck, fast niemals aber mit energischer
Ave-Lallemant, Gaunerthum. II. 18
ihnen bei dem gemeinen Manne ohnehin ſchon einen immer ſich vergrößernden Ruf und Credit verſchafft, ihnen ſelbſt aber auch eine ſo hohe Meinung von ſich einflößt, daß ſie ſich ſelbſt in der That für wirkliche Heilkünſtler halten und mit unvertilgbarer Zähigkeit, trotz aller Vigilanz und Strafen, doch das alte ver- botene Gewerbe, wie aus innerlichem Berufe, immer wieder von neuem beginnen.
Somit bieten ſich denn auch häufig bei den Rochlim dieſelben pſychiſchen Abweichungen und Sonderbarkeiten dar, welche man bei den Kartenlegerinnen findet. Jn ihrem ganzen Weſen und Walten erſcheinen die Rochlim heutigentags als die Hauptträger und Förderer des, beſonders auf dem Lande, noch immer weit und tief verbreiteten Zauber- und Aberglaubens, in welchem das ſtabile Dogma der Verhexung von Menſchen und Vieh obenan ſteht, und nach welchem Menſchen und Vieh mit denſelben Mitteln, kaum mit Unterſchied der Doſen, gegen Verhexung behandelt werden. Das Geheimniß der vielen noch heute bei dem Land- mann in Anſehen und Brauch ſtehenden ſonderbaren, oft unerklär- lich ſcheinenden Hausmittel und Arcana, namentlich die ſeltſam- ſten und ekelſten Räucherungen, welche durch ihre hundertjährige Vererbung eine gewiſſe Sanction erhalten haben, beruht weſent- lich auf dieſem Dogma, ſoweit entfernt jene auch in ihrer heuti- gen Form und Anwendung davon zu ſein ſcheinen.
Auch die unſelige Quackſalberei zeigt ſich als eine directe verderbliche Folge des überall ſchädlich wirkenden Hauſirhan- dels. Eine unerbittlich ſtrenge polizeiliche Controle und Be- ſtrafung des letztern, namentlich auf dem Lande, und eine ſcharfe Aufſicht über das Treiben der Droguiſten und Materialiſten, welche der beſtehenden Aufſicht über die Apotheken entſpricht, ſowie eine ſtrenge Regelung und Beaufſichtigung der Veterinär- und Scharfrichterpraxis wird dem nichtswürdigen Betruge mit grö- ßerm Erfolge ſteuern können, als die nach den meiſten deutſchen Medicinalordnungen lediglich den Bezirksärzten übertragene, kaum mit einigem Nachdruck, faſt niemals aber mit energiſcher
Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 18
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ihnen bei dem gemeinen Manne ohnehin ſchon einen immer ſich
vergrößernden Ruf und Credit verſchafft, ihnen ſelbſt aber auch
eine ſo hohe Meinung von ſich einflößt, daß ſie ſich ſelbſt in der
That für wirkliche Heilkünſtler halten und mit unvertilgbarer
Zähigkeit, trotz aller Vigilanz und Strafen, doch das alte ver-
botene Gewerbe, wie aus innerlichem Berufe, immer wieder von
neuem beginnen.
Somit bieten ſich denn auch häufig bei den Rochlim dieſelben
pſychiſchen Abweichungen und Sonderbarkeiten dar, welche man
bei den Kartenlegerinnen findet. Jn ihrem ganzen Weſen und
Walten erſcheinen die Rochlim heutigentags als die Hauptträger
und Förderer des, beſonders auf dem Lande, noch immer weit und
tief verbreiteten Zauber- und Aberglaubens, in welchem das
ſtabile Dogma der Verhexung von Menſchen und Vieh obenan
ſteht, und nach welchem Menſchen und Vieh mit denſelben Mitteln,
kaum mit Unterſchied der Doſen, gegen Verhexung behandelt
werden. Das Geheimniß der vielen noch heute bei dem Land-
mann in Anſehen und Brauch ſtehenden ſonderbaren, oft unerklär-
lich ſcheinenden Hausmittel und Arcana, namentlich die ſeltſam-
ſten und ekelſten Räucherungen, welche durch ihre hundertjährige
Vererbung eine gewiſſe Sanction erhalten haben, beruht weſent-
lich auf dieſem Dogma, ſoweit entfernt jene auch in ihrer heuti-
gen Form und Anwendung davon zu ſein ſcheinen.
Auch die unſelige Quackſalberei zeigt ſich als eine directe
verderbliche Folge des überall ſchädlich wirkenden Hauſirhan-
dels. Eine unerbittlich ſtrenge polizeiliche Controle und Be-
ſtrafung des letztern, namentlich auf dem Lande, und eine ſcharfe
Aufſicht über das Treiben der Droguiſten und Materialiſten,
welche der beſtehenden Aufſicht über die Apotheken entſpricht, ſowie
eine ſtrenge Regelung und Beaufſichtigung der Veterinär- und
Scharfrichterpraxis wird dem nichtswürdigen Betruge mit grö-
ßerm Erfolge ſteuern können, als die nach den meiſten deutſchen
Medicinalordnungen lediglich den Bezirksärzten übertragene,
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Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 18
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/285>, abgerufen am 24.11.2024.
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