Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

men, wenn nicht zugleich auch zu Tage läge, daß Aberglaube und
Unwissenheit auch in diesen Ständen noch immer den alten Platz
hartnäckig behauptet. Die Wünschelruthe hat noch gar nicht aufge-
hört, ihre alte Rolle zu spielen; sie ist die Basis der modernen Rhab-
domantie, über welche man das Nähere in jedem Conversationslexikon
nachlesen kann, und welche, wenn sie kein Glück mehr macht beim
Auffinden von Metallen, doch noch mindestens dazu dienen muß,
Wasseradern zu Brunnen unter der Erde zu finden, wie denn Bei-
spiele genug sehr nahe liegen, daß solche Rhabdomanten in weite
Ferne zum Wassersuchen verschrieben werden, und von dem Ertrage
ihrer frei und öffentlich betriebenen Praxis ihren wesentlichen Lebens-
unterhalt ziehen. 1)



1) Ein solcher renommirter Rhabdomant lebt in einer der lübecker Vor-
städte, und wird viel auf das Land geholt, woselbst er mit kundigem Blick in
quellenreichen Gegenden, jedoch niemals ohne den unvermeidlichen gabelförmi-
gen Zweig (Wasserschößling) eines Apfel- oder Pflaumenbaumes in der Ge-
stalt eines Y in den Händen, Wasseradern zu finden weiß, wofür ihm häufig
5 bis 10 Thaler gezahlt werden. So wenig dieser Jünger der Wissenschaft
ein Geheimniß aus seiner Kunst und Manipulation macht, so wenig Halt und
Sinn läßt sich in der mir mehr als einmal dargelegten Theorie und Mani-
pulation finden. Der frischgeschnittene gabelförmige Zweig, niederdeutsch
Dweele, wird an den beiden Gabelzweigen zwischen dem dritten und vierten
Finger jeder Hand gefaßt, sodaß das lange Zweigende nach unten hängt. Die
geschlossenen Hände werden auf die Knie gelegt, sodaß die Zweigspitze nahe
über dem Erdboden streicht. Jn dieser gebückten Stellung schreitet der Rhab-
domant langsam einher, und will oberhalb einer Wasserader eine starke Nei-
gung der Zweigspitze gegen die Wasserader empfinden, und von einem Frösteln,
Zittern, Angst und nervösen Prickeln befallen werden, von welchem allen ein
nichtinspirirter Laie auch nicht die geringste Spur empfindet. Eine weitläufige
Beschreibung der Wünschelruthe und ihrer Wirkungen findet man in dem reich-
lich mit Kupferstichen versehenen "Neu-auffgerichteten Zeughaus der Natur"
(Frankfurt a. M. 1714), wo im zweiten Anhange, S. 113--228, die tollsten
Dinge und Begebenheiten mitgetheilt werden.

men, wenn nicht zugleich auch zu Tage läge, daß Aberglaube und
Unwiſſenheit auch in dieſen Ständen noch immer den alten Platz
hartnäckig behauptet. Die Wünſchelruthe hat noch gar nicht aufge-
hört, ihre alte Rolle zu ſpielen; ſie iſt die Baſis der modernen Rhab-
domantie, über welche man das Nähere in jedem Converſationslexikon
nachleſen kann, und welche, wenn ſie kein Glück mehr macht beim
Auffinden von Metallen, doch noch mindeſtens dazu dienen muß,
Waſſeradern zu Brunnen unter der Erde zu finden, wie denn Bei-
ſpiele genug ſehr nahe liegen, daß ſolche Rhabdomanten in weite
Ferne zum Waſſerſuchen verſchrieben werden, und von dem Ertrage
ihrer frei und öffentlich betriebenen Praxis ihren weſentlichen Lebens-
unterhalt ziehen. 1)



1) Ein ſolcher renommirter Rhabdomant lebt in einer der lübecker Vor-
ſtädte, und wird viel auf das Land geholt, woſelbſt er mit kundigem Blick in
quellenreichen Gegenden, jedoch niemals ohne den unvermeidlichen gabelförmi-
gen Zweig (Waſſerſchößling) eines Apfel- oder Pflaumenbaumes in der Ge-
ſtalt eines Y in den Händen, Waſſeradern zu finden weiß, wofür ihm häufig
5 bis 10 Thaler gezahlt werden. So wenig dieſer Jünger der Wiſſenſchaft
ein Geheimniß aus ſeiner Kunſt und Manipulation macht, ſo wenig Halt und
Sinn läßt ſich in der mir mehr als einmal dargelegten Theorie und Mani-
pulation finden. Der friſchgeſchnittene gabelförmige Zweig, niederdeutſch
Dweele, wird an den beiden Gabelzweigen zwiſchen dem dritten und vierten
Finger jeder Hand gefaßt, ſodaß das lange Zweigende nach unten hängt. Die
geſchloſſenen Hände werden auf die Knie gelegt, ſodaß die Zweigſpitze nahe
über dem Erdboden ſtreicht. Jn dieſer gebückten Stellung ſchreitet der Rhab-
domant langſam einher, und will oberhalb einer Waſſerader eine ſtarke Nei-
gung der Zweigſpitze gegen die Waſſerader empfinden, und von einem Fröſteln,
Zittern, Angſt und nervöſen Prickeln befallen werden, von welchem allen ein
nichtinſpirirter Laie auch nicht die geringſte Spur empfindet. Eine weitläufige
Beſchreibung der Wünſchelruthe und ihrer Wirkungen findet man in dem reich-
lich mit Kupferſtichen verſehenen „Neu-auffgerichteten Zeughaus der Natur“
(Frankfurt a. M. 1714), wo im zweiten Anhange, S. 113—228, die tollſten
Dinge und Begebenheiten mitgetheilt werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0281" n="269"/>
men, wenn nicht zugleich auch zu Tage läge, daß Aberglaube und<lb/>
Unwi&#x017F;&#x017F;enheit auch in die&#x017F;en Ständen noch immer den alten Platz<lb/>
hartnäckig behauptet. Die Wün&#x017F;chelruthe hat noch gar nicht aufge-<lb/>
hört, ihre alte Rolle zu &#x017F;pielen; &#x017F;ie i&#x017F;t die Ba&#x017F;is der modernen Rhab-<lb/>
domantie, über welche man das Nähere in jedem Conver&#x017F;ationslexikon<lb/>
nachle&#x017F;en kann, und welche, wenn &#x017F;ie kein Glück mehr macht beim<lb/>
Auffinden von Metallen, doch noch minde&#x017F;tens dazu dienen muß,<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;eradern zu Brunnen unter der Erde zu finden, wie denn Bei-<lb/>
&#x017F;piele genug &#x017F;ehr nahe liegen, daß &#x017F;olche Rhabdomanten in weite<lb/>
Ferne zum Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;uchen ver&#x017F;chrieben werden, und von dem Ertrage<lb/>
ihrer frei und öffentlich betriebenen Praxis ihren we&#x017F;entlichen Lebens-<lb/>
unterhalt ziehen. <note place="foot" n="1)">Ein &#x017F;olcher renommirter Rhabdomant lebt in einer der lübecker Vor-<lb/>
&#x017F;tädte, und wird viel auf das Land geholt, wo&#x017F;elb&#x017F;t er mit kundigem Blick in<lb/>
quellenreichen Gegenden, jedoch niemals ohne den unvermeidlichen gabelförmi-<lb/>
gen Zweig (Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;chößling) eines Apfel- oder Pflaumenbaumes in der Ge-<lb/>
&#x017F;talt eines <hi rendition="#aq">Y</hi> in den Händen, Wa&#x017F;&#x017F;eradern zu finden weiß, wofür ihm häufig<lb/>
5 bis 10 Thaler gezahlt werden. So wenig die&#x017F;er Jünger der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
ein Geheimniß aus &#x017F;einer Kun&#x017F;t und Manipulation macht, &#x017F;o wenig Halt und<lb/>
Sinn läßt &#x017F;ich in der mir mehr als einmal dargelegten Theorie und Mani-<lb/>
pulation finden. Der fri&#x017F;chge&#x017F;chnittene gabelförmige Zweig, niederdeut&#x017F;ch<lb/>
Dweele, wird an den beiden Gabelzweigen zwi&#x017F;chen dem dritten und vierten<lb/>
Finger jeder Hand gefaßt, &#x017F;odaß das lange Zweigende nach unten hängt. Die<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Hände werden auf die Knie gelegt, &#x017F;odaß die Zweig&#x017F;pitze nahe<lb/>
über dem Erdboden &#x017F;treicht. Jn die&#x017F;er gebückten Stellung &#x017F;chreitet der Rhab-<lb/>
domant lang&#x017F;am einher, und will oberhalb einer Wa&#x017F;&#x017F;erader eine &#x017F;tarke Nei-<lb/>
gung der Zweig&#x017F;pitze gegen die Wa&#x017F;&#x017F;erader empfinden, und von einem Frö&#x017F;teln,<lb/>
Zittern, Ang&#x017F;t und nervö&#x017F;en Prickeln befallen werden, von welchem allen ein<lb/>
nichtin&#x017F;pirirter Laie auch nicht die gering&#x017F;te Spur empfindet. Eine weitläufige<lb/>
Be&#x017F;chreibung der Wün&#x017F;chelruthe und ihrer Wirkungen findet man in dem reich-<lb/>
lich mit Kupfer&#x017F;tichen ver&#x017F;ehenen &#x201E;Neu-auffgerichteten Zeughaus der Natur&#x201C;<lb/>
(Frankfurt a. M. 1714), wo im zweiten Anhange, S. 113&#x2014;228, die toll&#x017F;ten<lb/>
Dinge und Begebenheiten mitgetheilt werden.</note></p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0281] men, wenn nicht zugleich auch zu Tage läge, daß Aberglaube und Unwiſſenheit auch in dieſen Ständen noch immer den alten Platz hartnäckig behauptet. Die Wünſchelruthe hat noch gar nicht aufge- hört, ihre alte Rolle zu ſpielen; ſie iſt die Baſis der modernen Rhab- domantie, über welche man das Nähere in jedem Converſationslexikon nachleſen kann, und welche, wenn ſie kein Glück mehr macht beim Auffinden von Metallen, doch noch mindeſtens dazu dienen muß, Waſſeradern zu Brunnen unter der Erde zu finden, wie denn Bei- ſpiele genug ſehr nahe liegen, daß ſolche Rhabdomanten in weite Ferne zum Waſſerſuchen verſchrieben werden, und von dem Ertrage ihrer frei und öffentlich betriebenen Praxis ihren weſentlichen Lebens- unterhalt ziehen. 1) 1) Ein ſolcher renommirter Rhabdomant lebt in einer der lübecker Vor- ſtädte, und wird viel auf das Land geholt, woſelbſt er mit kundigem Blick in quellenreichen Gegenden, jedoch niemals ohne den unvermeidlichen gabelförmi- gen Zweig (Waſſerſchößling) eines Apfel- oder Pflaumenbaumes in der Ge- ſtalt eines Y in den Händen, Waſſeradern zu finden weiß, wofür ihm häufig 5 bis 10 Thaler gezahlt werden. So wenig dieſer Jünger der Wiſſenſchaft ein Geheimniß aus ſeiner Kunſt und Manipulation macht, ſo wenig Halt und Sinn läßt ſich in der mir mehr als einmal dargelegten Theorie und Mani- pulation finden. Der friſchgeſchnittene gabelförmige Zweig, niederdeutſch Dweele, wird an den beiden Gabelzweigen zwiſchen dem dritten und vierten Finger jeder Hand gefaßt, ſodaß das lange Zweigende nach unten hängt. Die geſchloſſenen Hände werden auf die Knie gelegt, ſodaß die Zweigſpitze nahe über dem Erdboden ſtreicht. Jn dieſer gebückten Stellung ſchreitet der Rhab- domant langſam einher, und will oberhalb einer Waſſerader eine ſtarke Nei- gung der Zweigſpitze gegen die Waſſerader empfinden, und von einem Fröſteln, Zittern, Angſt und nervöſen Prickeln befallen werden, von welchem allen ein nichtinſpirirter Laie auch nicht die geringſte Spur empfindet. Eine weitläufige Beſchreibung der Wünſchelruthe und ihrer Wirkungen findet man in dem reich- lich mit Kupferſtichen verſehenen „Neu-auffgerichteten Zeughaus der Natur“ (Frankfurt a. M. 1714), wo im zweiten Anhange, S. 113—228, die tollſten Dinge und Begebenheiten mitgetheilt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/281
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/281>, abgerufen am 24.11.2024.