ein Sieb gefaßt hielt, auf der Spitze der gerade gestreckten rechten Zeigefinger schweben, und sprachen dann die völlig unverständlichen sechs Wörter: "Dies Mies Jeschet Benedoefet, Dovvima, Enite- maus". Dadurch sollte der Dämon in das Sieb getrieben wer- den, und bewirken, daß, sobald der Name des Diebes genannt wurde, das Sieb, zum Zeichen der Schuld, sich herumdrehte und mit der Schere oder Zange von den Fingern herabfiel.
Diese geistlose Propheterei hat sich noch heute, mindestens in Norddeutschland, stark in Gebrauch erhalten. Sie wird aber gerade von den Gaunern selbst, besonders unter dem aber- gläubischen Landvolke, cultivirt, um den Verdacht der von ihnen selbst verübten Diebstähle desto sicherer auf andere zu schieben. Die Kunst besteht darin, daß man einen großen Schlüssel so in ein Buch legt, daß der Schlüssel mit der Reithe und etwa dem dritten Theil des Rohres oben aus dem Buche herausragt. Beide Stücke, Buch und Schlüssel, dürfen aber nicht neu, sondern müssen alt und ererbt sein, daher der Name Erbschlüssel. Um das Buch wird stillschweigends beliebigemal ein Band gewickelt, und nun lassen zwei Personen, A. und B., auf der Spitze der unter die Reithe gesetzten rechten Zeigefinger den Schlüssel mit dem Buche schweben. A. sagt nun, indem er den Namen des ersten Verdächtigen nennt: "NN. hat den Geldbeutel (u. dgl.) ge- stohlen", worauf B. antwortet: "Das hat er nicht gethan." Dies wird bei jedem Verdächtigen funfzehnmal gesagt und beantwortet, bis die ganze Reihe der Verdächtigen durchgemacht ist, oder der Schlüssel von den Fingern gleitet, wodurch der beim Abgleiten Genannte als Schuldiger angezeigt ist. So läppisch diese ganze Procedur ist, so verdient sie doch, wo sie nach einem Diebstahle vorgenommen wird, genaue Beachtung der Sicherheitsbeamten, da, wie erwähnt, meistens die diebischen Gauner selbst die Erbschlüsselpropheten zu spielen pflegen. 1)
1) Wie alt die Metamorphose der Coscinomantie in diese Erbschlüssel- operation ist, habe ich nicht ermitteln können. Wahrscheinlich war wol zuerst ein Getruden- oder Zauberbuch, oder wol auch ein Gebetbuch dazu erforder-
ein Sieb gefaßt hielt, auf der Spitze der gerade geſtreckten rechten Zeigefinger ſchweben, und ſprachen dann die völlig unverſtändlichen ſechs Wörter: „Dies Mies Jeschet Benedoefet, Dovvima, Enite- maus“. Dadurch ſollte der Dämon in das Sieb getrieben wer- den, und bewirken, daß, ſobald der Name des Diebes genannt wurde, das Sieb, zum Zeichen der Schuld, ſich herumdrehte und mit der Schere oder Zange von den Fingern herabfiel.
Dieſe geiſtloſe Propheterei hat ſich noch heute, mindeſtens in Norddeutſchland, ſtark in Gebrauch erhalten. Sie wird aber gerade von den Gaunern ſelbſt, beſonders unter dem aber- gläubiſchen Landvolke, cultivirt, um den Verdacht der von ihnen ſelbſt verübten Diebſtähle deſto ſicherer auf andere zu ſchieben. Die Kunſt beſteht darin, daß man einen großen Schlüſſel ſo in ein Buch legt, daß der Schlüſſel mit der Reithe und etwa dem dritten Theil des Rohres oben aus dem Buche herausragt. Beide Stücke, Buch und Schlüſſel, dürfen aber nicht neu, ſondern müſſen alt und ererbt ſein, daher der Name Erbſchlüſſel. Um das Buch wird ſtillſchweigends beliebigemal ein Band gewickelt, und nun laſſen zwei Perſonen, A. und B., auf der Spitze der unter die Reithe geſetzten rechten Zeigefinger den Schlüſſel mit dem Buche ſchweben. A. ſagt nun, indem er den Namen des erſten Verdächtigen nennt: „NN. hat den Geldbeutel (u. dgl.) ge- ſtohlen“, worauf B. antwortet: „Das hat er nicht gethan.“ Dies wird bei jedem Verdächtigen funfzehnmal geſagt und beantwortet, bis die ganze Reihe der Verdächtigen durchgemacht iſt, oder der Schlüſſel von den Fingern gleitet, wodurch der beim Abgleiten Genannte als Schuldiger angezeigt iſt. So läppiſch dieſe ganze Procedur iſt, ſo verdient ſie doch, wo ſie nach einem Diebſtahle vorgenommen wird, genaue Beachtung der Sicherheitsbeamten, da, wie erwähnt, meiſtens die diebiſchen Gauner ſelbſt die Erbſchlüſſelpropheten zu ſpielen pflegen. 1)
1) Wie alt die Metamorphoſe der Coſcinomantie in dieſe Erbſchlüſſel- operation iſt, habe ich nicht ermitteln können. Wahrſcheinlich war wol zuerſt ein Getruden- oder Zauberbuch, oder wol auch ein Gebetbuch dazu erforder-
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ein Sieb gefaßt hielt, auf der Spitze der gerade geſtreckten rechten
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ſechs Wörter: „Dies Mies Jeschet Benedoefet, Dovvima, Enite-
maus“. Dadurch ſollte der Dämon in das Sieb getrieben wer-
den, und bewirken, daß, ſobald der Name des Diebes genannt
wurde, das Sieb, zum Zeichen der Schuld, ſich herumdrehte und
mit der Schere oder Zange von den Fingern herabfiel.
Dieſe geiſtloſe Propheterei hat ſich noch heute, mindeſtens in
Norddeutſchland, ſtark in Gebrauch erhalten. Sie wird aber
gerade von den Gaunern ſelbſt, beſonders unter dem aber-
gläubiſchen Landvolke, cultivirt, um den Verdacht der von ihnen
ſelbſt verübten Diebſtähle deſto ſicherer auf andere zu ſchieben.
Die Kunſt beſteht darin, daß man einen großen Schlüſſel ſo in
ein Buch legt, daß der Schlüſſel mit der Reithe und etwa dem
dritten Theil des Rohres oben aus dem Buche herausragt. Beide
Stücke, Buch und Schlüſſel, dürfen aber nicht neu, ſondern
müſſen alt und ererbt ſein, daher der Name Erbſchlüſſel. Um
das Buch wird ſtillſchweigends beliebigemal ein Band gewickelt,
und nun laſſen zwei Perſonen, A. und B., auf der Spitze der
unter die Reithe geſetzten rechten Zeigefinger den Schlüſſel mit
dem Buche ſchweben. A. ſagt nun, indem er den Namen des
erſten Verdächtigen nennt: „NN. hat den Geldbeutel (u. dgl.) ge-
ſtohlen“, worauf B. antwortet: „Das hat er nicht gethan.“ Dies
wird bei jedem Verdächtigen funfzehnmal geſagt und beantwortet,
bis die ganze Reihe der Verdächtigen durchgemacht iſt, oder der
Schlüſſel von den Fingern gleitet, wodurch der beim Abgleiten
Genannte als Schuldiger angezeigt iſt. So läppiſch dieſe ganze
Procedur iſt, ſo verdient ſie doch, wo ſie nach einem Diebſtahle
vorgenommen wird, genaue Beachtung der Sicherheitsbeamten,
da, wie erwähnt, meiſtens die diebiſchen Gauner ſelbſt die
Erbſchlüſſelpropheten zu ſpielen pflegen. 1)
1) Wie alt die Metamorphoſe der Coſcinomantie in dieſe Erbſchlüſſel-
operation iſt, habe ich nicht ermitteln können. Wahrſcheinlich war wol zuerſt
ein Getruden- oder Zauberbuch, oder wol auch ein Gebetbuch dazu erforder-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/277>, abgerufen am 08.07.2024.
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