vor allem aber nicht länger geduldet wird, daß auf Jahrmärkten und Volksfesten öffentlich, wenn auch in scheinbar unverfänglicher Form und Weise, die elende Kunst gehandhabt wird, für welche der große Haufe immer noch Glauben und Geld genug hat, welche aber auch für den Spott zu ernst ist, da um ihretwillen schon Millionen auf der Folter und dem Scheiterhaufen die schrecklich- sten Qualen erlitten haben.
Einundsiebzigstes Kapitel. g) Das Kelefen.
Die Spielkarten, deren starker Gebrauch und Misbrauch zu Glückspielen und Wetten man schon im 14. Jahrhundert aus den mannichfachsten zu Regensburg, Augsburg, Angers, Avignon, Bergamo u. a. erlassenen Verboten 1) erkennt, wurden von den Zigeunern sogleich bei ihrem ersten Auftreten zum Wahrsagen ge- braucht, und dadurch wurde auch das Gaunerthum gelegentlich zum Wahrsagen mit Karten angeleitet, soweit es sich überhaupt zur Wahrsagerei herbeiließ. Bemerkenswerth ist, daß dessenungeachtet die specielle technische Bezeichnung der einzelnen Karten -- zigeune- risch Pelcki oder Pelski2) -- sowol in der Zigeunersprache 3), als auch in der specifischen deutschen Gaunersprache fehlt, mindestens nicht im gängigen Sprachgebrauch ist, und nur die jüdisch-deutschen Bezeichnungen von der Gaunersprache recipirt sind. Auch be- schränken sich diese Bezeichnungen ursprünglich nur auf die deut-
1) Vgl. Hüllmann, "Städtewesen", IV, 257 fg.; Gustav Klemm, "All- gemeine Culturgeschichte", IX, 193.
2) Vgl. Pott, a. a. O., S. 361; Bischoff, "Zigeunerisches Wörterbuch", S. 60.
3) Sogar der zigeunerische Ausdruck kellaf für spielen scheint aus dem Jüdisch-Deutschen aufgenommen zu sein. Vgl. Bischoff, a. a. O., S. 85 und die folgende Note.
vor allem aber nicht länger geduldet wird, daß auf Jahrmärkten und Volksfeſten öffentlich, wenn auch in ſcheinbar unverfänglicher Form und Weiſe, die elende Kunſt gehandhabt wird, für welche der große Haufe immer noch Glauben und Geld genug hat, welche aber auch für den Spott zu ernſt iſt, da um ihretwillen ſchon Millionen auf der Folter und dem Scheiterhaufen die ſchrecklich- ſten Qualen erlitten haben.
Einundſiebzigſtes Kapitel. γ) Das Kelefen.
Die Spielkarten, deren ſtarker Gebrauch und Misbrauch zu Glückſpielen und Wetten man ſchon im 14. Jahrhundert aus den mannichfachſten zu Regensburg, Augsburg, Angers, Avignon, Bergamo u. a. erlaſſenen Verboten 1) erkennt, wurden von den Zigeunern ſogleich bei ihrem erſten Auftreten zum Wahrſagen ge- braucht, und dadurch wurde auch das Gaunerthum gelegentlich zum Wahrſagen mit Karten angeleitet, ſoweit es ſich überhaupt zur Wahrſagerei herbeiließ. Bemerkenswerth iſt, daß deſſenungeachtet die ſpecielle techniſche Bezeichnung der einzelnen Karten — zigeune- riſch Pelcki oder Pelski2) — ſowol in der Zigeunerſprache 3), als auch in der ſpecifiſchen deutſchen Gaunerſprache fehlt, mindeſtens nicht im gängigen Sprachgebrauch iſt, und nur die jüdiſch-deutſchen Bezeichnungen von der Gaunerſprache recipirt ſind. Auch be- ſchränken ſich dieſe Bezeichnungen urſprünglich nur auf die deut-
2) Vgl. Pott, a. a. O., S. 361; Biſchoff, „Zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 60.
3) Sogar der zigeuneriſche Ausdruck kellaf für ſpielen ſcheint aus dem Jüdiſch-Deutſchen aufgenommen zu ſein. Vgl. Biſchoff, a. a. O., S. 85 und die folgende Note.
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vor allem aber nicht länger geduldet wird, daß auf Jahrmärkten
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Form und Weiſe, die elende Kunſt gehandhabt wird, für welche
der große Haufe immer noch Glauben und Geld genug hat, welche
aber auch für den Spott zu ernſt iſt, da um ihretwillen ſchon
Millionen auf der Folter und dem Scheiterhaufen die ſchrecklich-
ſten Qualen erlitten haben.
Einundſiebzigſtes Kapitel.
γ) Das Kelefen.
Die Spielkarten, deren ſtarker Gebrauch und Misbrauch zu
Glückſpielen und Wetten man ſchon im 14. Jahrhundert aus den
mannichfachſten zu Regensburg, Augsburg, Angers, Avignon,
Bergamo u. a. erlaſſenen Verboten 1) erkennt, wurden von den
Zigeunern ſogleich bei ihrem erſten Auftreten zum Wahrſagen ge-
braucht, und dadurch wurde auch das Gaunerthum gelegentlich zum
Wahrſagen mit Karten angeleitet, ſoweit es ſich überhaupt zur
Wahrſagerei herbeiließ. Bemerkenswerth iſt, daß deſſenungeachtet
die ſpecielle techniſche Bezeichnung der einzelnen Karten — zigeune-
riſch Pelcki oder Pelski 2) — ſowol in der Zigeunerſprache 3), als
auch in der ſpecifiſchen deutſchen Gaunerſprache fehlt, mindeſtens
nicht im gängigen Sprachgebrauch iſt, und nur die jüdiſch-deutſchen
Bezeichnungen von der Gaunerſprache recipirt ſind. Auch be-
ſchränken ſich dieſe Bezeichnungen urſprünglich nur auf die deut-
1) Vgl. Hüllmann, „Städteweſen“, IV, 257 fg.; Guſtav Klemm, „All-
gemeine Culturgeſchichte“, IX, 193.
2) Vgl. Pott, a. a. O., S. 361; Biſchoff, „Zigeuneriſches Wörterbuch“,
S. 60.
3) Sogar der zigeuneriſche Ausdruck kellaf für ſpielen ſcheint aus
dem Jüdiſch-Deutſchen aufgenommen zu ſein. Vgl. Biſchoff, a. a. O., S. 85
und die folgende Note.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/270>, abgerufen am 08.07.2024.
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