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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Aufblick auf die Menge Hexenprocesse, Gespenstergeschichten und
Zauberbücher klarer, und begreift die vielen abgeschmackten feier-
lichen und geheimnißvollen Plattheiten, zu welchen das Gauner-
thum, wie zum Spott und aus Jronie, sowol gegen den blöd-
sinnigen Aberglauben des Volks, als auch gegen den lächerlichen
Abschluß der geheimen Zaubergelehrsamkeit sich herbeiließ. So
darf man sich denn auch nicht wundern, wie äußerst wenige
platte und elend kümmerliche Reste aus Dr. Hartlieb's (Leibarztes
des Herzogs Albrecht von Baiern) "Buch aller verboten Kunst
ungelaubens vnd zauberei" (1455) -- vgl. Grimm, "Mythologie",
Anhang lviii -- und aus der "Goetie" des Arztes Georg Pictor
von Villingen (geb. 1500), welcher alle Gattungen der "Cere-
monialmagie" aufzählt 1), übriggeblieben sind, welche sich aus
dem gelehrten mystischen Nimbus heraus endlich in das platte
Kartenspiel und in den dicken Kaffeesatz geflüchtet haben!

Eine Aufzählung aller dieser trivialen und sinnlosen Dogmen
und Kunststücke, die man bei Hartlieb, Pictor, Schalitz, Peuschel
und unzähligen andern ältern und neuern Schriftstellern findet,
kann nicht die Aufgabe sein. 2) Je platter die ganze Weise ist,
desto mehr gefällt sich aber auch der moderne Spott in der unab-
lässigen verschiedenartigsten Darlegung und Ausbreitung des ver-

1) Einen kurzen Auszug findet man in Scheible's "Kloster", Bd. 3,
Abth. 2, S. 615 fg. Jn Horst's "Dämonomagie" und "Zauberbibliothek"
ist viel Material zerstreut, jedoch sehr unklar und mit wenig Geist behandelt.
2) Vgl. auch die sehr interessante und reichhaltige Sammlung bei Grimm,
"Deutsche Mythologie", S. 639 fg., und besonders im Anhange, S. xxix fg.,
cxxvi fg. u. cli fg. Unter der wüsten Masse solcher Zauberschriften zeichnet
sich das in niederdeutscher Sprache geschriebene, in recht eigenthümlicher Frische,
wenn auch im Geiste der damaligen Zeit befangenen Weise gehaltene Werk
aus: "De Panurgia lamiarum, sagarum, strigum ac Veneficarum to-
tiusque cohortis Magicae Cacodaemoniae libri tres.
Dat ys: Nödige vnd
nütte vnderrichtinge I van der Töverschen geschwinden list vnd geschicklicheit
quadt tho donde. II Vnde, dat Töverye eine düvelsche Sünde sy, de wedder
alle teyn Gebade Gades strydet. III Vnde, wo eine Christlike Ouvericheit mit
sodanen Fienden Minschlikes geslechtes ummerghan schöle, durch M. Samuelem
Meigerium,
Pastoren tho Nordtorp in Holstein" (Hamburg 1587). Es be-
findet sich auf der lübecker Stadtbibliothek.

Aufblick auf die Menge Hexenproceſſe, Geſpenſtergeſchichten und
Zauberbücher klarer, und begreift die vielen abgeſchmackten feier-
lichen und geheimnißvollen Plattheiten, zu welchen das Gauner-
thum, wie zum Spott und aus Jronie, ſowol gegen den blöd-
ſinnigen Aberglauben des Volks, als auch gegen den lächerlichen
Abſchluß der geheimen Zaubergelehrſamkeit ſich herbeiließ. So
darf man ſich denn auch nicht wundern, wie äußerſt wenige
platte und elend kümmerliche Reſte aus Dr. Hartlieb’s (Leibarztes
des Herzogs Albrecht von Baiern) „Buch aller verboten Kunſt
ungelaubens vnd zauberei“ (1455) — vgl. Grimm, „Mythologie“,
Anhang lviii — und aus der „Goetie“ des Arztes Georg Pictor
von Villingen (geb. 1500), welcher alle Gattungen der „Cere-
monialmagie“ aufzählt 1), übriggeblieben ſind, welche ſich aus
dem gelehrten myſtiſchen Nimbus heraus endlich in das platte
Kartenſpiel und in den dicken Kaffeeſatz geflüchtet haben!

Eine Aufzählung aller dieſer trivialen und ſinnloſen Dogmen
und Kunſtſtücke, die man bei Hartlieb, Pictor, Schalitz, Peuſchel
und unzähligen andern ältern und neuern Schriftſtellern findet,
kann nicht die Aufgabe ſein. 2) Je platter die ganze Weiſe iſt,
deſto mehr gefällt ſich aber auch der moderne Spott in der unab-
läſſigen verſchiedenartigſten Darlegung und Ausbreitung des ver-

1) Einen kurzen Auszug findet man in Scheible’s „Kloſter“, Bd. 3,
Abth. 2, S. 615 fg. Jn Horſt’s „Dämonomagie“ und „Zauberbibliothek“
iſt viel Material zerſtreut, jedoch ſehr unklar und mit wenig Geiſt behandelt.
2) Vgl. auch die ſehr intereſſante und reichhaltige Sammlung bei Grimm,
„Deutſche Mythologie“, S. 639 fg., und beſonders im Anhange, S. xxix fg.,
cxxvi fg. u. cli fg. Unter der wüſten Maſſe ſolcher Zauberſchriften zeichnet
ſich das in niederdeutſcher Sprache geſchriebene, in recht eigenthümlicher Friſche,
wenn auch im Geiſte der damaligen Zeit befangenen Weiſe gehaltene Werk
aus: „De Panurgia lamiarum, sagarum, strigum ac Veneficarum to-
tiusque cohortis Magicae Cacodaemoniae libri tres.
Dat ys: Nödige vnd
nütte vnderrichtinge I van der Töverſchen geſchwinden liſt vnd geſchicklicheit
quadt tho donde. II Vnde, dat Töverye eine düvelſche Sünde ſy, de wedder
alle teyn Gebade Gades ſtrydet. III Vnde, wo eine Chriſtlike Ouvericheit mit
ſodanen Fienden Minſchlikes geſlechtes ummerghan ſchöle, durch M. Samuelem
Meigerium,
Paſtoren tho Nordtorp in Holſtein“ (Hamburg 1587). Es be-
findet ſich auf der lübecker Stadtbibliothek.
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[256/0268] Aufblick auf die Menge Hexenproceſſe, Geſpenſtergeſchichten und Zauberbücher klarer, und begreift die vielen abgeſchmackten feier- lichen und geheimnißvollen Plattheiten, zu welchen das Gauner- thum, wie zum Spott und aus Jronie, ſowol gegen den blöd- ſinnigen Aberglauben des Volks, als auch gegen den lächerlichen Abſchluß der geheimen Zaubergelehrſamkeit ſich herbeiließ. So darf man ſich denn auch nicht wundern, wie äußerſt wenige platte und elend kümmerliche Reſte aus Dr. Hartlieb’s (Leibarztes des Herzogs Albrecht von Baiern) „Buch aller verboten Kunſt ungelaubens vnd zauberei“ (1455) — vgl. Grimm, „Mythologie“, Anhang lviii — und aus der „Goetie“ des Arztes Georg Pictor von Villingen (geb. 1500), welcher alle Gattungen der „Cere- monialmagie“ aufzählt 1), übriggeblieben ſind, welche ſich aus dem gelehrten myſtiſchen Nimbus heraus endlich in das platte Kartenſpiel und in den dicken Kaffeeſatz geflüchtet haben! Eine Aufzählung aller dieſer trivialen und ſinnloſen Dogmen und Kunſtſtücke, die man bei Hartlieb, Pictor, Schalitz, Peuſchel und unzähligen andern ältern und neuern Schriftſtellern findet, kann nicht die Aufgabe ſein. 2) Je platter die ganze Weiſe iſt, deſto mehr gefällt ſich aber auch der moderne Spott in der unab- läſſigen verſchiedenartigſten Darlegung und Ausbreitung des ver- 1) Einen kurzen Auszug findet man in Scheible’s „Kloſter“, Bd. 3, Abth. 2, S. 615 fg. Jn Horſt’s „Dämonomagie“ und „Zauberbibliothek“ iſt viel Material zerſtreut, jedoch ſehr unklar und mit wenig Geiſt behandelt. 2) Vgl. auch die ſehr intereſſante und reichhaltige Sammlung bei Grimm, „Deutſche Mythologie“, S. 639 fg., und beſonders im Anhange, S. xxix fg., cxxvi fg. u. cli fg. Unter der wüſten Maſſe ſolcher Zauberſchriften zeichnet ſich das in niederdeutſcher Sprache geſchriebene, in recht eigenthümlicher Friſche, wenn auch im Geiſte der damaligen Zeit befangenen Weiſe gehaltene Werk aus: „De Panurgia lamiarum, sagarum, strigum ac Veneficarum to- tiusque cohortis Magicae Cacodaemoniae libri tres. Dat ys: Nödige vnd nütte vnderrichtinge I van der Töverſchen geſchwinden liſt vnd geſchicklicheit quadt tho donde. II Vnde, dat Töverye eine düvelſche Sünde ſy, de wedder alle teyn Gebade Gades ſtrydet. III Vnde, wo eine Chriſtlike Ouvericheit mit ſodanen Fienden Minſchlikes geſlechtes ummerghan ſchöle, durch M. Samuelem Meigerium, Paſtoren tho Nordtorp in Holſtein“ (Hamburg 1587). Es be- findet ſich auf der lübecker Stadtbibliothek.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/268>, abgerufen am 26.11.2024.