Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

mann mit andern Gästen auf der Streu liegt, aufgefahren und
von einem in das Fenster gestellten Lichte, oder auch von einer
Wagenlaterne erleuchtet. Erblicken die Goleschächter im Vorüber-
fahren solche Sicherheitsmaßregeln, so lassen sie in einiger Ent-
fernung einen Chawer absteigen und im Wirthshause Quartier
nehmen, damit er die Hindernisse wegräumen kann, zu denen
übrigens die schlechte, und immer nur von einer Seite fallende
Beleuchtung keineswegs absolut gehört. Meistens beschränkt sich
diese Beihülfe auf das Pegern des Hundes. Sehr oft findet aber
der Chawer dazu noch Gelegenheit, als Torfdrucker gegen den
Fuhrmann oder dessen Schlafkameradschaft zu agiren, oder gegen
den Wirth eine Pleite oder Challe zu handeln. Jst ein Wächter
im Dorfe, so hat ein anderer Chawer diesen zu beobachten und
zu meistern, während die handelnden Chawern die Latsche schäch-
ten, welches oft mit ungemeinem Uebermuth und mit kostbarem
Ertrage geschieht. Für den Fall der Ueberraschung wird wol
noch die Hausthüre zugebunden oder das Schlüsselloch durch
einen Pflock verstopft, damit der gewöhnlich auch im zugeschlosse-
nen Schlosse innen steckengebliebene Hausschlüssel nicht gedreht
werden kann, und die Chawrusse Zeit findet, mit ihrem Masse-
matten davonzugehen.

Die gehörige Bewachung der abgespannten Frachtwagen er-
fordert durchaus einen eigenen Wächter, welcher die Nacht hin-
durch bei dem Wagen zu bleiben hat. Auf Hunde ist kein voller
Verlaß, selbst auch wenn man sie gegen das Peigern durch einen
Maulkorb sichert, oder sie in einen dichten Latten- oder Drahtkäfig
unter oder in den Wagen einsperrt. Bei lebhaftem Verkehr auf
der Landstraße schlägt der wache Hund jedesmal an, wenn ein
Wagen, Reiter oder Fußgänger vorüberkommt, und macht den
Fuhrmann sicher, daß er nicht bei jedem Geräusch aufsteht und
nachsieht. Die Goleschächter versuchen auch durch wiederholtes
Hin- und Herfahren, ob ein Hund überhaupt da, ob er
wach und ob er eingesperrt, angebunden und mit einem Maul-
korbe versehen ist, und nehmen danach ihre Maßregeln, wie schon
beim Schränken angegeben ist. Die Dorfwächter, wozu verkehrte

mann mit andern Gäſten auf der Streu liegt, aufgefahren und
von einem in das Fenſter geſtellten Lichte, oder auch von einer
Wagenlaterne erleuchtet. Erblicken die Goleſchächter im Vorüber-
fahren ſolche Sicherheitsmaßregeln, ſo laſſen ſie in einiger Ent-
fernung einen Chawer abſteigen und im Wirthshauſe Quartier
nehmen, damit er die Hinderniſſe wegräumen kann, zu denen
übrigens die ſchlechte, und immer nur von einer Seite fallende
Beleuchtung keineswegs abſolut gehört. Meiſtens beſchränkt ſich
dieſe Beihülfe auf das Pegern des Hundes. Sehr oft findet aber
der Chawer dazu noch Gelegenheit, als Torfdrucker gegen den
Fuhrmann oder deſſen Schlafkameradſchaft zu agiren, oder gegen
den Wirth eine Pleite oder Challe zu handeln. Jſt ein Wächter
im Dorfe, ſo hat ein anderer Chawer dieſen zu beobachten und
zu meiſtern, während die handelnden Chawern die Latſche ſchäch-
ten, welches oft mit ungemeinem Uebermuth und mit koſtbarem
Ertrage geſchieht. Für den Fall der Ueberraſchung wird wol
noch die Hausthüre zugebunden oder das Schlüſſelloch durch
einen Pflock verſtopft, damit der gewöhnlich auch im zugeſchloſſe-
nen Schloſſe innen ſteckengebliebene Hausſchlüſſel nicht gedreht
werden kann, und die Chawruſſe Zeit findet, mit ihrem Maſſe-
matten davonzugehen.

Die gehörige Bewachung der abgeſpannten Frachtwagen er-
fordert durchaus einen eigenen Wächter, welcher die Nacht hin-
durch bei dem Wagen zu bleiben hat. Auf Hunde iſt kein voller
Verlaß, ſelbſt auch wenn man ſie gegen das Peigern durch einen
Maulkorb ſichert, oder ſie in einen dichten Latten- oder Drahtkäfig
unter oder in den Wagen einſperrt. Bei lebhaftem Verkehr auf
der Landſtraße ſchlägt der wache Hund jedesmal an, wenn ein
Wagen, Reiter oder Fußgänger vorüberkommt, und macht den
Fuhrmann ſicher, daß er nicht bei jedem Geräuſch aufſteht und
nachſieht. Die Goleſchächter verſuchen auch durch wiederholtes
Hin- und Herfahren, ob ein Hund überhaupt da, ob er
wach und ob er eingeſperrt, angebunden und mit einem Maul-
korbe verſehen iſt, und nehmen danach ihre Maßregeln, wie ſchon
beim Schränken angegeben iſt. Die Dorfwächter, wozu verkehrte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0252" n="240"/>
mann mit andern Gä&#x017F;ten auf der Streu liegt, aufgefahren und<lb/>
von einem in das Fen&#x017F;ter ge&#x017F;tellten Lichte, oder auch von einer<lb/>
Wagenlaterne erleuchtet. Erblicken die Gole&#x017F;chächter im Vorüber-<lb/>
fahren &#x017F;olche Sicherheitsmaßregeln, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie in einiger Ent-<lb/>
fernung einen Chawer ab&#x017F;teigen und im Wirthshau&#x017F;e Quartier<lb/>
nehmen, damit er die Hinderni&#x017F;&#x017F;e wegräumen kann, zu denen<lb/>
übrigens die &#x017F;chlechte, und immer nur von <hi rendition="#g">einer</hi> Seite fallende<lb/>
Beleuchtung keineswegs ab&#x017F;olut gehört. Mei&#x017F;tens be&#x017F;chränkt &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;e Beihülfe auf das Pegern des Hundes. Sehr oft findet aber<lb/>
der Chawer dazu noch Gelegenheit, als Torfdrucker gegen den<lb/>
Fuhrmann oder de&#x017F;&#x017F;en Schlafkamerad&#x017F;chaft zu agiren, oder gegen<lb/>
den Wirth eine Pleite oder Challe zu handeln. J&#x017F;t ein Wächter<lb/>
im Dorfe, &#x017F;o hat ein anderer Chawer die&#x017F;en zu beobachten und<lb/>
zu mei&#x017F;tern, während die handelnden Chawern die Lat&#x017F;che &#x017F;chäch-<lb/>
ten, welches oft mit ungemeinem Uebermuth und mit ko&#x017F;tbarem<lb/>
Ertrage ge&#x017F;chieht. Für den Fall der Ueberra&#x017F;chung wird wol<lb/>
noch die Hausthüre zugebunden oder das Schlü&#x017F;&#x017F;elloch durch<lb/>
einen Pflock ver&#x017F;topft, damit der gewöhnlich auch im zuge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nen Schlo&#x017F;&#x017F;e innen &#x017F;teckengebliebene Haus&#x017F;chlü&#x017F;&#x017F;el nicht gedreht<lb/>
werden kann, und die Chawru&#x017F;&#x017F;e Zeit findet, mit ihrem Ma&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
matten davonzugehen.</p><lb/>
              <p>Die gehörige Bewachung der abge&#x017F;pannten Frachtwagen er-<lb/>
fordert durchaus einen <hi rendition="#g">eigenen</hi> Wächter, welcher die Nacht hin-<lb/>
durch bei dem Wagen zu bleiben hat. Auf Hunde i&#x017F;t kein voller<lb/>
Verlaß, &#x017F;elb&#x017F;t auch wenn man &#x017F;ie gegen das Peigern durch einen<lb/>
Maulkorb &#x017F;ichert, oder &#x017F;ie in einen dichten Latten- oder Drahtkäfig<lb/>
unter oder in den Wagen ein&#x017F;perrt. Bei lebhaftem Verkehr auf<lb/>
der Land&#x017F;traße &#x017F;chlägt der wache Hund jedesmal an, wenn ein<lb/>
Wagen, Reiter oder Fußgänger vorüberkommt, und macht den<lb/>
Fuhrmann &#x017F;icher, daß er nicht bei jedem Geräu&#x017F;ch auf&#x017F;teht und<lb/>
nach&#x017F;ieht. Die Gole&#x017F;chächter ver&#x017F;uchen auch durch wiederholtes<lb/>
Hin- und Herfahren, ob ein Hund überhaupt da, ob er<lb/>
wach und ob er einge&#x017F;perrt, angebunden und mit einem Maul-<lb/>
korbe ver&#x017F;ehen i&#x017F;t, und nehmen danach ihre Maßregeln, wie &#x017F;chon<lb/>
beim <hi rendition="#g">Schränken</hi> angegeben i&#x017F;t. Die Dorfwächter, wozu verkehrte<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0252] mann mit andern Gäſten auf der Streu liegt, aufgefahren und von einem in das Fenſter geſtellten Lichte, oder auch von einer Wagenlaterne erleuchtet. Erblicken die Goleſchächter im Vorüber- fahren ſolche Sicherheitsmaßregeln, ſo laſſen ſie in einiger Ent- fernung einen Chawer abſteigen und im Wirthshauſe Quartier nehmen, damit er die Hinderniſſe wegräumen kann, zu denen übrigens die ſchlechte, und immer nur von einer Seite fallende Beleuchtung keineswegs abſolut gehört. Meiſtens beſchränkt ſich dieſe Beihülfe auf das Pegern des Hundes. Sehr oft findet aber der Chawer dazu noch Gelegenheit, als Torfdrucker gegen den Fuhrmann oder deſſen Schlafkameradſchaft zu agiren, oder gegen den Wirth eine Pleite oder Challe zu handeln. Jſt ein Wächter im Dorfe, ſo hat ein anderer Chawer dieſen zu beobachten und zu meiſtern, während die handelnden Chawern die Latſche ſchäch- ten, welches oft mit ungemeinem Uebermuth und mit koſtbarem Ertrage geſchieht. Für den Fall der Ueberraſchung wird wol noch die Hausthüre zugebunden oder das Schlüſſelloch durch einen Pflock verſtopft, damit der gewöhnlich auch im zugeſchloſſe- nen Schloſſe innen ſteckengebliebene Hausſchlüſſel nicht gedreht werden kann, und die Chawruſſe Zeit findet, mit ihrem Maſſe- matten davonzugehen. Die gehörige Bewachung der abgeſpannten Frachtwagen er- fordert durchaus einen eigenen Wächter, welcher die Nacht hin- durch bei dem Wagen zu bleiben hat. Auf Hunde iſt kein voller Verlaß, ſelbſt auch wenn man ſie gegen das Peigern durch einen Maulkorb ſichert, oder ſie in einen dichten Latten- oder Drahtkäfig unter oder in den Wagen einſperrt. Bei lebhaftem Verkehr auf der Landſtraße ſchlägt der wache Hund jedesmal an, wenn ein Wagen, Reiter oder Fußgänger vorüberkommt, und macht den Fuhrmann ſicher, daß er nicht bei jedem Geräuſch aufſteht und nachſieht. Die Goleſchächter verſuchen auch durch wiederholtes Hin- und Herfahren, ob ein Hund überhaupt da, ob er wach und ob er eingeſperrt, angebunden und mit einem Maul- korbe verſehen iſt, und nehmen danach ihre Maßregeln, wie ſchon beim Schränken angegeben iſt. Die Dorfwächter, wozu verkehrte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/252
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/252>, abgerufen am 27.11.2024.