doch unbegriffen, vernichtend und unvernichtet, mitten in das so- cial-politische Leben hineingeschritten ist, das gesunde Leben in- ficirt hat und dessen besten Kräfte fortwährend zur Erhaltung seiner verderblichen Existenz absorbirt. Jn der Verbindung, weit weniger in der Kunst, beruht die ganze furchtbare Gewalt des Gaunerthums. Darum wird auch die Verbindung durch das Ge- heimniß geschützt, und das Geheimniß den Geweihten durch alles, was Kunst und Sprache dazu hergeben kann, offen und deutlich erhalten. Kein Opfer ist zu groß, um das Geheimniß zu bewahren und den Verrath zu verhüten und zu bestrafen. Sogar Gefäng- nisse wurden gestürmt, um gefangene Kameraden zu befreien und mit ihnen das Geheimniß zu retten. So befreite Picard einen Kameraden, der Geständnisse zu machen angefangen hatte (einen Wittschen Masser), aus dem Kerker, ging gleich darauf mit ihm auf einen Raub aus und schoß ihn unterwegs nieder. 1) Entsetzlich war die Rache, welche Hann-Bast Hartmann von der Wetterauer Bande mit seinen Genossen an seinem Kameraden Bröschlers nahm, welcher bei einem Diebstahl im März 1807 nur zwei Thaler untermackelt hatte. Der Unglückliche wurde mit einem Pistolenhieb zu Boden gestreckt, mit Messern in die Dick- beine und Waden gestochen, aus dem Wirthshaus in den Hof geschleift, dort auf einen Trog gelegt und ihm eine Sehne nach der andern ausgelöst, bis der so schrecklich Gemishandelte nach zweistündiger entsetzlicher Qual starb. 2) Ein ähnlicher Unterschleif war der Anlaß zur Todfeindschaft zwischen Picard und Schin- derhannes, welcher letzterer daher die kaum geschlossene Ver- bindung mit jenem wiederaufhob und sich mit seinen Genossen zurückzog. 3) Vorgänge der Art sind nicht antiquirt. Bei der
1) Vgl. "Rheinische Räuberbanden", II, 448, wo noch ein anderer Fall der Art erzählt wird vom schelen Jickjack, gleichfalls von der Mersener Bande, der vorher ein Grab grub und dann den Verräther zu einem Raube einlud, abholte, bei dem Grabe niederknien, beten, sich zum Tode vorbereiten ließ, den Unglücklichen, alles Flehens um Gnade ungeachtet, niederschoß und den Körper in das Grab verscharrte.
2) Vgl. Grolman, a. a. O., S. 245.
3) Vgl. "Rheinische Räuberbanden", II, 326.
doch unbegriffen, vernichtend und unvernichtet, mitten in das ſo- cial-politiſche Leben hineingeſchritten iſt, das geſunde Leben in- ficirt hat und deſſen beſten Kräfte fortwährend zur Erhaltung ſeiner verderblichen Exiſtenz abſorbirt. Jn der Verbindung, weit weniger in der Kunſt, beruht die ganze furchtbare Gewalt des Gaunerthums. Darum wird auch die Verbindung durch das Ge- heimniß geſchützt, und das Geheimniß den Geweihten durch alles, was Kunſt und Sprache dazu hergeben kann, offen und deutlich erhalten. Kein Opfer iſt zu groß, um das Geheimniß zu bewahren und den Verrath zu verhüten und zu beſtrafen. Sogar Gefäng- niſſe wurden geſtürmt, um gefangene Kameraden zu befreien und mit ihnen das Geheimniß zu retten. So befreite Picard einen Kameraden, der Geſtändniſſe zu machen angefangen hatte (einen Wittſchen Maſſer), aus dem Kerker, ging gleich darauf mit ihm auf einen Raub aus und ſchoß ihn unterwegs nieder. 1) Entſetzlich war die Rache, welche Hann-Baſt Hartmann von der Wetterauer Bande mit ſeinen Genoſſen an ſeinem Kameraden Bröſchlers nahm, welcher bei einem Diebſtahl im März 1807 nur zwei Thaler untermackelt hatte. Der Unglückliche wurde mit einem Piſtolenhieb zu Boden geſtreckt, mit Meſſern in die Dick- beine und Waden geſtochen, aus dem Wirthshaus in den Hof geſchleift, dort auf einen Trog gelegt und ihm eine Sehne nach der andern ausgelöſt, bis der ſo ſchrecklich Gemishandelte nach zweiſtündiger entſetzlicher Qual ſtarb. 2) Ein ähnlicher Unterſchleif war der Anlaß zur Todfeindſchaft zwiſchen Picard und Schin- derhannes, welcher letzterer daher die kaum geſchloſſene Ver- bindung mit jenem wiederaufhob und ſich mit ſeinen Genoſſen zurückzog. 3) Vorgänge der Art ſind nicht antiquirt. Bei der
1) Vgl. „Rheiniſche Räuberbanden“, II, 448, wo noch ein anderer Fall der Art erzählt wird vom ſchelen Jickjack, gleichfalls von der Merſener Bande, der vorher ein Grab grub und dann den Verräther zu einem Raube einlud, abholte, bei dem Grabe niederknien, beten, ſich zum Tode vorbereiten ließ, den Unglücklichen, alles Flehens um Gnade ungeachtet, niederſchoß und den Körper in das Grab verſcharrte.
2) Vgl. Grolman, a. a. O., S. 245.
3) Vgl. „Rheiniſche Räuberbanden“, II, 326.
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ficirt hat und deſſen beſten Kräfte fortwährend zur Erhaltung
ſeiner verderblichen Exiſtenz abſorbirt. Jn der Verbindung, weit
weniger in der Kunſt, beruht die ganze furchtbare Gewalt des
Gaunerthums. Darum wird auch die Verbindung durch das Ge-
heimniß geſchützt, und das Geheimniß den Geweihten durch alles,
was Kunſt und Sprache dazu hergeben kann, offen und deutlich
erhalten. Kein Opfer iſt zu groß, um das Geheimniß zu bewahren
und den Verrath zu verhüten und zu beſtrafen. Sogar Gefäng-
niſſe wurden geſtürmt, um gefangene Kameraden zu befreien und
mit ihnen das Geheimniß zu retten. So befreite Picard einen
Kameraden, der Geſtändniſſe zu machen angefangen hatte (einen
Wittſchen Maſſer), aus dem Kerker, ging gleich darauf mit
ihm auf einen Raub aus und ſchoß ihn unterwegs nieder. 1)
Entſetzlich war die Rache, welche Hann-Baſt Hartmann von
der Wetterauer Bande mit ſeinen Genoſſen an ſeinem Kameraden
Bröſchlers nahm, welcher bei einem Diebſtahl im März 1807
nur zwei Thaler untermackelt hatte. Der Unglückliche wurde mit
einem Piſtolenhieb zu Boden geſtreckt, mit Meſſern in die Dick-
beine und Waden geſtochen, aus dem Wirthshaus in den Hof
geſchleift, dort auf einen Trog gelegt und ihm eine Sehne nach
der andern ausgelöſt, bis der ſo ſchrecklich Gemishandelte nach
zweiſtündiger entſetzlicher Qual ſtarb. 2) Ein ähnlicher Unterſchleif
war der Anlaß zur Todfeindſchaft zwiſchen Picard und Schin-
derhannes, welcher letzterer daher die kaum geſchloſſene Ver-
bindung mit jenem wiederaufhob und ſich mit ſeinen Genoſſen
zurückzog. 3) Vorgänge der Art ſind nicht antiquirt. Bei der
1) Vgl. „Rheiniſche Räuberbanden“, II, 448, wo noch ein anderer
Fall der Art erzählt wird vom ſchelen Jickjack, gleichfalls von der Merſener
Bande, der vorher ein Grab grub und dann den Verräther zu einem Raube
einlud, abholte, bei dem Grabe niederknien, beten, ſich zum Tode vorbereiten
ließ, den Unglücklichen, alles Flehens um Gnade ungeachtet, niederſchoß und
den Körper in das Grab verſcharrte.
2) Vgl. Grolman, a. a. O., S. 245.
3) Vgl. „Rheiniſche Räuberbanden“, II, 326.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/25>, abgerufen am 08.07.2024.
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