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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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erst von der Napoleonischen Zeit her zu datirende Herstellung von
wirklichen Kunststraßen, welche mit Chaussee- und Posthäusern,
sowie mit Gensdarmeriestationen besetzt und gesichert sind, hat auch
behendere Gefährte und eine beschleunigtere Bewegung derselben
hervorgebracht, sodaß auch die Gaunerkunst ein Uebriges thun
mußte, um gleichen Schritt mit diesen Vervollkommnungen zu
halten. An Stelle der frühern stationären Wegelagerei ist das
Stradehandeln eine ambulante Praxis geworden, deren rührige
Bewegung ganz außerordentlich ist und auch außerordentliche Wach-
samkeit nöthig macht.

Zur raschen Bewegung und zum behendern Transport der
von den Fahrzeugen auf der Landstraße gestohlenen Gegenstände
dienen den Stradehaltern die Agolen, Michsegolen 1), von
deren Ursprung schon oben 2) die Rede gewesen ist. Es sind ge-
wöhnliche leichte Stuhl-, Leiter- oder Korbwagen 3) mit einem
zum Niederschlagen eingerichteten Leinenplan, nach Art der Fracht-
wagen, mit einem oder zwei nicht auffällig gezeichneten Pferden,
welche von der Genossenschaft auf gemeinschaftliche Kosten unter-
halten werden. Der Plan wird bald auf-, bald niedergeschlagen,
je nachdem die Chawrusse sich sehen lassen zu dürfen oder ver-
bergen zu müssen glaubt. Die Agolen haben meistens einen

1) Agole ([fremdsprachliches Material - fehlt]), der Wagen, Frachtwagen, Reisechaise, auch verdorben
Eglo ausgesprochen; davon die Ausdrücke Goleschächter und Golehopser.
Jm Jüdisch-Deutschen kommt noch vor: [fremdsprachliches Material - fehlt] (merchof) und [fremdsprachliches Material - fehlt] (rechof),
in der allgemeinen Bedeutung von Wagen. Dagegen heißt in der deutschen
Gaunersprache der Frachtwagen die Laatsche, von der langsamen Bewegung
(latschen). Die Laatsche belatchenen oder bessachern, den Frachtwagen
bestehlen. [fremdsprachliches Material - fehlt] (michse), ist die Decke des Zelts, Schiffs, Hauses, Dach,
Verdeck, Frachtwagenplan. Michsegole ist der mit einem prakticabeln Leinen-
plan überspannte Gaunerwagen, aber auch Frachtwagen. Golemichse
oder Agolemichse ist der Wagenplan an Gauner- und Frachtwagen.
2) Vgl. S. 37, Note 1.
3) Neuerdings kommen auch Hundefuhrwerke auf, welche ihrer Behendig-
keit wegen ein sehr gefährliches Transportmittel sind, unter die geschlossenen
Chausseebäume durchfahren, und sich schlecht nachspüren lassen. Sie verdienen
sehr genaue Aufmerksamkeit der Sicherheitsbeamten.

erſt von der Napoleoniſchen Zeit her zu datirende Herſtellung von
wirklichen Kunſtſtraßen, welche mit Chauſſee- und Poſthäuſern,
ſowie mit Gensdarmerieſtationen beſetzt und geſichert ſind, hat auch
behendere Gefährte und eine beſchleunigtere Bewegung derſelben
hervorgebracht, ſodaß auch die Gaunerkunſt ein Uebriges thun
mußte, um gleichen Schritt mit dieſen Vervollkommnungen zu
halten. An Stelle der frühern ſtationären Wegelagerei iſt das
Stradehandeln eine ambulante Praxis geworden, deren rührige
Bewegung ganz außerordentlich iſt und auch außerordentliche Wach-
ſamkeit nöthig macht.

Zur raſchen Bewegung und zum behendern Transport der
von den Fahrzeugen auf der Landſtraße geſtohlenen Gegenſtände
dienen den Stradehaltern die Agolen, Michſegolen 1), von
deren Urſprung ſchon oben 2) die Rede geweſen iſt. Es ſind ge-
wöhnliche leichte Stuhl-, Leiter- oder Korbwagen 3) mit einem
zum Niederſchlagen eingerichteten Leinenplan, nach Art der Fracht-
wagen, mit einem oder zwei nicht auffällig gezeichneten Pferden,
welche von der Genoſſenſchaft auf gemeinſchaftliche Koſten unter-
halten werden. Der Plan wird bald auf-, bald niedergeſchlagen,
je nachdem die Chawruſſe ſich ſehen laſſen zu dürfen oder ver-
bergen zu müſſen glaubt. Die Agolen haben meiſtens einen

1) Agole ([fremdsprachliches Material – fehlt]), der Wagen, Frachtwagen, Reiſechaiſe, auch verdorben
Eglo ausgeſprochen; davon die Ausdrücke Goleſchächter und Golehopſer.
Jm Jüdiſch-Deutſchen kommt noch vor: [fremdsprachliches Material – fehlt] (merchof) und [fremdsprachliches Material – fehlt] (rechof),
in der allgemeinen Bedeutung von Wagen. Dagegen heißt in der deutſchen
Gaunerſprache der Frachtwagen die Laatſche, von der langſamen Bewegung
(latſchen). Die Laatſche belatchenen oder beſſachern, den Frachtwagen
beſtehlen. [fremdsprachliches Material – fehlt] (michse), iſt die Decke des Zelts, Schiffs, Hauſes, Dach,
Verdeck, Frachtwagenplan. Michſegole iſt der mit einem prakticabeln Leinen-
plan überſpannte Gaunerwagen, aber auch Frachtwagen. Golemichſe
oder Agolemichſe iſt der Wagenplan an Gauner- und Frachtwagen.
2) Vgl. S. 37, Note 1.
3) Neuerdings kommen auch Hundefuhrwerke auf, welche ihrer Behendig-
keit wegen ein ſehr gefährliches Transportmittel ſind, unter die geſchloſſenen
Chauſſeebäume durchfahren, und ſich ſchlecht nachſpüren laſſen. Sie verdienen
ſehr genaue Aufmerkſamkeit der Sicherheitsbeamten.
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[237/0249] erſt von der Napoleoniſchen Zeit her zu datirende Herſtellung von wirklichen Kunſtſtraßen, welche mit Chauſſee- und Poſthäuſern, ſowie mit Gensdarmerieſtationen beſetzt und geſichert ſind, hat auch behendere Gefährte und eine beſchleunigtere Bewegung derſelben hervorgebracht, ſodaß auch die Gaunerkunſt ein Uebriges thun mußte, um gleichen Schritt mit dieſen Vervollkommnungen zu halten. An Stelle der frühern ſtationären Wegelagerei iſt das Stradehandeln eine ambulante Praxis geworden, deren rührige Bewegung ganz außerordentlich iſt und auch außerordentliche Wach- ſamkeit nöthig macht. Zur raſchen Bewegung und zum behendern Transport der von den Fahrzeugen auf der Landſtraße geſtohlenen Gegenſtände dienen den Stradehaltern die Agolen, Michſegolen 1), von deren Urſprung ſchon oben 2) die Rede geweſen iſt. Es ſind ge- wöhnliche leichte Stuhl-, Leiter- oder Korbwagen 3) mit einem zum Niederſchlagen eingerichteten Leinenplan, nach Art der Fracht- wagen, mit einem oder zwei nicht auffällig gezeichneten Pferden, welche von der Genoſſenſchaft auf gemeinſchaftliche Koſten unter- halten werden. Der Plan wird bald auf-, bald niedergeſchlagen, je nachdem die Chawruſſe ſich ſehen laſſen zu dürfen oder ver- bergen zu müſſen glaubt. Die Agolen haben meiſtens einen 1) Agole (_ ), der Wagen, Frachtwagen, Reiſechaiſe, auch verdorben Eglo ausgeſprochen; davon die Ausdrücke Goleſchächter und Golehopſer. Jm Jüdiſch-Deutſchen kommt noch vor: _ (merchof) und _ (rechof), in der allgemeinen Bedeutung von Wagen. Dagegen heißt in der deutſchen Gaunerſprache der Frachtwagen die Laatſche, von der langſamen Bewegung (latſchen). Die Laatſche belatchenen oder beſſachern, den Frachtwagen beſtehlen. _ (michse), iſt die Decke des Zelts, Schiffs, Hauſes, Dach, Verdeck, Frachtwagenplan. Michſegole iſt der mit einem prakticabeln Leinen- plan überſpannte Gaunerwagen, aber auch Frachtwagen. Golemichſe oder Agolemichſe iſt der Wagenplan an Gauner- und Frachtwagen. 2) Vgl. S. 37, Note 1. 3) Neuerdings kommen auch Hundefuhrwerke auf, welche ihrer Behendig- keit wegen ein ſehr gefährliches Transportmittel ſind, unter die geſchloſſenen Chauſſeebäume durchfahren, und ſich ſchlecht nachſpüren laſſen. Sie verdienen ſehr genaue Aufmerkſamkeit der Sicherheitsbeamten.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/249>, abgerufen am 27.11.2024.