Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.aufsichtsloser Kinder, welche zu dem Zwecke besonders von Wei- Der Taschendiebstahl ist wegen seiner Heimlichkeit, Apparat- 1) Von [fremdsprachliches Material - fehlt] (sorak), er hat gestreut, gesprengt, geworfen. Kiss ([fremdsprachliches Material - fehlt])
ist der Beutel, Säckel, Geldbeutel, baares Geld, Courantgeld, Scheidemünze, z. B. den Dalles bekiss haben, Armuth im Beutel haben, ein armer Schlucker sein. Das Wort Kies ist nur durch falsche Aussprache und Schrei- bung entstanden und bedeutet nichts anderes als Kiss, obwol Kies ganz beson- ders zur Bezeichnung von baarem Geld, Scheidemünze, Courantgeld, dient (vgl. Thiele, I, 265). Man sagt jedoch nicht etwa "kein Kies bekiss haben", sondern "kein Kies bemulje haben". Von Kiss ist noch abgeleitet Kißler, für Torfdrucker. Das Wort Mulje oder Mulle, Tasche, besonders die ge- füllte Tasche, kommt wol nicht vom hebräischen [fremdsprachliches Material - fehlt] (mole), voll, die Fülle, her, sondern vom hochdeutschen Mulle, Wanne, Trog, zum Aufbewahren von Getreide, Mehl, Teig und Brot (vgl. bei Schmid, a. a. O., S. 393 u. 394, die Formen: Milde, Molle, Mollje, Molge, Molde, Molter [Malter] und Mulde). aufſichtsloſer Kinder, welche zu dem Zwecke beſonders von Wei- Der Taſchendiebſtahl iſt wegen ſeiner Heimlichkeit, Apparat- 1) Von [fremdsprachliches Material – fehlt] (sorak), er hat geſtreut, geſprengt, geworfen. Kiſſ ([fremdsprachliches Material – fehlt])
iſt der Beutel, Säckel, Geldbeutel, baares Geld, Courantgeld, Scheidemünze, z. B. den Dalles bekiſſ haben, Armuth im Beutel haben, ein armer Schlucker ſein. Das Wort Kies iſt nur durch falſche Ausſprache und Schrei- bung entſtanden und bedeutet nichts anderes als Kiſſ, obwol Kies ganz beſon- ders zur Bezeichnung von baarem Geld, Scheidemünze, Courantgeld, dient (vgl. Thiele, I, 265). Man ſagt jedoch nicht etwa „kein Kies bekiſſ haben“, ſondern „kein Kies bemulje haben“. Von Kiſſ iſt noch abgeleitet Kißler, für Torfdrucker. Das Wort Mulje oder Mulle, Taſche, beſonders die ge- füllte Taſche, kommt wol nicht vom hebräiſchen [fremdsprachliches Material – fehlt] (mole), voll, die Fülle, her, ſondern vom hochdeutſchen Mulle, Wanne, Trog, zum Aufbewahren von Getreide, Mehl, Teig und Brot (vgl. bei Schmid, a. a. O., S. 393 u. 394, die Formen: Milde, Molle, Mollje, Molge, Molde, Molter [Malter] und Mulde). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0242" n="230"/> aufſichtsloſer Kinder, welche zu dem Zwecke beſonders von Wei-<lb/> bern beiſeite, in Thorwege, auf Hausfluren u. ſ. w. gelockt, oft<lb/> aber auch auf der Gaſſe ſelbſt, am lichten Tage, ihrer Ohrringe,<lb/> Tücher oder Körbchen beraubt werden. Hierher gehört beſonders<lb/> auch alles, was ſchon früher vom <hi rendition="#g">Vertuß</hi> und <hi rendition="#g">Meiſtern</hi> ge-<lb/> ſagt iſt, und beſonders das <hi rendition="#g">Wandmachen,</hi> d. h. das verabredete<lb/> Verdecken des Diebes vor dem Beobachter oder vor dem Beſtoh-<lb/> lenen, durch Vorſchieben einer Perſonengruppe oder eines andern<lb/> Gegenſtandes, welches, wie ſchon geſagt iſt, auf Meſſen und Märk-<lb/> ten ganz beſonders cultivirt wird.</p><lb/> <p>Der Taſchendiebſtahl iſt wegen ſeiner Heimlichkeit, Apparat-<lb/> loſigkeit, Behendigkeit, ſeiner ausgeſuchten Gelegenheit in der arg-<lb/> loſen Lebensbewegung, und beſonders wegen der durchgängigen<lb/> Kleinheit und Gleichmäßigkeit ſeines Objects, äußerſt ſchwer <hi rendition="#aq">in<lb/> flagranti</hi> zu entdecken, ſelbſt wenn der Beſtohlene den Muth hat,<lb/> den Verdächtigen auf friſcher That anzugreifen. Der Torfdrucker<lb/> weiß im Nu das Geſtohlene ſeinen Genoſſen zuzuplanten, das raſch<lb/> von Hand zu Hand geht, und oft ſchon weit außer dem Bereich der<lb/> ganzen Umgebung iſt, wenn der Diebſtahl bemerkt wird. Jm Fall<lb/> der Bedrängniß und des Alleinſeins <hi rendition="#g">verſarkent</hi> der Torfdrucker<lb/> den <hi rendition="#g">Maſſematten</hi> oder <hi rendition="#g">Kiſſ</hi> <note place="foot" n="1)">Von <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">sorak</hi>), er hat geſtreut, geſprengt, geworfen. <hi rendition="#g">Kiſſ</hi> (<gap reason="fm" unit="words"/>)<lb/> iſt der Beutel, Säckel, Geldbeutel, baares Geld, Courantgeld, Scheidemünze,<lb/> z. B. <hi rendition="#g">den Dalles bekiſſ haben,</hi> Armuth im Beutel haben, ein armer<lb/> Schlucker ſein. Das Wort <hi rendition="#g">Kies</hi> iſt nur durch falſche Ausſprache und Schrei-<lb/> bung entſtanden und bedeutet nichts anderes als Kiſſ, obwol Kies ganz beſon-<lb/> ders zur Bezeichnung von baarem Geld, Scheidemünze, Courantgeld, dient<lb/> (vgl. Thiele, <hi rendition="#aq">I,</hi> 265). Man ſagt jedoch nicht etwa „kein Kies bekiſſ haben“,<lb/> ſondern „kein Kies bemulje haben“. Von Kiſſ iſt noch abgeleitet <hi rendition="#g">Kißler,</hi><lb/> für Torfdrucker. Das Wort <hi rendition="#g">Mulje</hi> oder <hi rendition="#g">Mulle,</hi> Taſche, beſonders die ge-<lb/> füllte Taſche, kommt wol nicht vom hebräiſchen <gap reason="fm" unit="words"/> (<hi rendition="#aq">mole</hi>), voll, die Fülle,<lb/> her, ſondern vom hochdeutſchen <hi rendition="#g">Mulle,</hi> Wanne, Trog, zum Aufbewahren<lb/> von Getreide, Mehl, Teig und Brot (vgl. bei Schmid, a. a. O., S. 393 u.<lb/> 394, die Formen: Milde, Molle, Mollje, Molge, Molde, Molter [Malter]<lb/> und Mulde).</note>, d. h. er wirft das Geſtohlene heim-<lb/> lich fort, damit ihm der Beſitz deſſelben nicht nachgewieſen werden<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0242]
aufſichtsloſer Kinder, welche zu dem Zwecke beſonders von Wei-
bern beiſeite, in Thorwege, auf Hausfluren u. ſ. w. gelockt, oft
aber auch auf der Gaſſe ſelbſt, am lichten Tage, ihrer Ohrringe,
Tücher oder Körbchen beraubt werden. Hierher gehört beſonders
auch alles, was ſchon früher vom Vertuß und Meiſtern ge-
ſagt iſt, und beſonders das Wandmachen, d. h. das verabredete
Verdecken des Diebes vor dem Beobachter oder vor dem Beſtoh-
lenen, durch Vorſchieben einer Perſonengruppe oder eines andern
Gegenſtandes, welches, wie ſchon geſagt iſt, auf Meſſen und Märk-
ten ganz beſonders cultivirt wird.
Der Taſchendiebſtahl iſt wegen ſeiner Heimlichkeit, Apparat-
loſigkeit, Behendigkeit, ſeiner ausgeſuchten Gelegenheit in der arg-
loſen Lebensbewegung, und beſonders wegen der durchgängigen
Kleinheit und Gleichmäßigkeit ſeines Objects, äußerſt ſchwer in
flagranti zu entdecken, ſelbſt wenn der Beſtohlene den Muth hat,
den Verdächtigen auf friſcher That anzugreifen. Der Torfdrucker
weiß im Nu das Geſtohlene ſeinen Genoſſen zuzuplanten, das raſch
von Hand zu Hand geht, und oft ſchon weit außer dem Bereich der
ganzen Umgebung iſt, wenn der Diebſtahl bemerkt wird. Jm Fall
der Bedrängniß und des Alleinſeins verſarkent der Torfdrucker
den Maſſematten oder Kiſſ 1), d. h. er wirft das Geſtohlene heim-
lich fort, damit ihm der Beſitz deſſelben nicht nachgewieſen werden
1) Von _ (sorak), er hat geſtreut, geſprengt, geworfen. Kiſſ (_ )
iſt der Beutel, Säckel, Geldbeutel, baares Geld, Courantgeld, Scheidemünze,
z. B. den Dalles bekiſſ haben, Armuth im Beutel haben, ein armer
Schlucker ſein. Das Wort Kies iſt nur durch falſche Ausſprache und Schrei-
bung entſtanden und bedeutet nichts anderes als Kiſſ, obwol Kies ganz beſon-
ders zur Bezeichnung von baarem Geld, Scheidemünze, Courantgeld, dient
(vgl. Thiele, I, 265). Man ſagt jedoch nicht etwa „kein Kies bekiſſ haben“,
ſondern „kein Kies bemulje haben“. Von Kiſſ iſt noch abgeleitet Kißler,
für Torfdrucker. Das Wort Mulje oder Mulle, Taſche, beſonders die ge-
füllte Taſche, kommt wol nicht vom hebräiſchen _ (mole), voll, die Fülle,
her, ſondern vom hochdeutſchen Mulle, Wanne, Trog, zum Aufbewahren
von Getreide, Mehl, Teig und Brot (vgl. bei Schmid, a. a. O., S. 393 u.
394, die Formen: Milde, Molle, Mollje, Molge, Molde, Molter [Malter]
und Mulde).
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