Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

cher der Käufer von Leinwand ausgesetzt ist, verdienen die ein-
fachen Mittel zur Entdeckung des Betrugs, welche neben com-
plicirtern und daher schwierigern aber vollkommen sichern Prü-
fungsmitteln von Friedreich, a. a. O., S. 168, und Percy, a. a. O.,
S. 391 fg. übereinstimmend empfohlen werden, hier einer kurzen
Erwähnung. Um Leinen und Baumwolle in Wollen und Seiden-
stoffen zu erkennen, schneidet man von dem Gewebe ein viereckiges,
1--11/2 Zoll großes Stückchen ab, fädelt es der Quere und
Länge (der Kette und dem Einschlag) nach aus, und verbrennt
einen Faden nach dem andern am Kerzenlicht. Die Baumwollen-,
Hanf- und Leinenfäden verbrennen mit lebhafter Flamme, hinter-
lassen keinen Rückstand und geben den echten Geruch verbrannten
Leinens; die Wollen- und Seidenfäden hingegen brennen schlecht
und bilden an der Spitze eine schwammige Kohle, welche ihre
weitere Verbrennung aufhält; es entwickelt sich dabei ein starker
und unangenehmer Geruch, der zu charakteristisch ist, um auch
nur einen Augenblick einen Jrrthum zuzulassen. Es lassen sich
mithin die Anzahl der Wollen- und Seidenfäden und die der
Baumwollenfäden leicht zählen.

Um Baumwollenfäden in der Leinwand zu erkennen, gibt
man mittels der Feder einen Tropfen Tinte auf die zu prüfende
Leinwand. Fließt die Tinte symmetrisch, das heißt, nach je zwei
Richtungen übereinstimmend aus, so ist der Stoff halbleinen;
fließt derselbe verworren, das heißt, nach allen Seiten aus, so ist
der Stoff ganz leinen oder baumwollen; durch Baumwollenstoffe

Polizeiamte in Lübeck in Untersuchung, der unter vielen andern Waaren auch
ein für 11 Mark 8 Schillinge eingekauftes Tischgedeck einem reichen Bauer für
36 Mark verkauft hatte, welcher letztere, obschon er vom Betruge unterrichtet
wurde, von dem glänzenden Aeußern des Gedecks verlockt, dennoch den Kauf
gelten ließ. Der Pischtimhändler ließ den Handel durch einen gemietheten be-
kannten Judenburschen vermitteln, der als Kutscher figurirte und die Pferde
halten mußte, und hatte unter anderm zur drastischen Bezeichnung, daß er
weither auf der Eisenbahn gekommen, komischerweise mit dem Arme Rad
geschlagen und laut dabei gepfiffen, während er sowol das ihm vollkommen
geläufige Niederdeutsche als auch das Hochdeutsche gänzlich vor den erstaunten
Bauern verleugnete.

cher der Käufer von Leinwand ausgeſetzt iſt, verdienen die ein-
fachen Mittel zur Entdeckung des Betrugs, welche neben com-
plicirtern und daher ſchwierigern aber vollkommen ſichern Prü-
fungsmitteln von Friedreich, a. a. O., S. 168, und Percy, a. a. O.,
S. 391 fg. übereinſtimmend empfohlen werden, hier einer kurzen
Erwähnung. Um Leinen und Baumwolle in Wollen und Seiden-
ſtoffen zu erkennen, ſchneidet man von dem Gewebe ein viereckiges,
1—1½ Zoll großes Stückchen ab, fädelt es der Quere und
Länge (der Kette und dem Einſchlag) nach aus, und verbrennt
einen Faden nach dem andern am Kerzenlicht. Die Baumwollen-,
Hanf- und Leinenfäden verbrennen mit lebhafter Flamme, hinter-
laſſen keinen Rückſtand und geben den echten Geruch verbrannten
Leinens; die Wollen- und Seidenfäden hingegen brennen ſchlecht
und bilden an der Spitze eine ſchwammige Kohle, welche ihre
weitere Verbrennung aufhält; es entwickelt ſich dabei ein ſtarker
und unangenehmer Geruch, der zu charakteriſtiſch iſt, um auch
nur einen Augenblick einen Jrrthum zuzulaſſen. Es laſſen ſich
mithin die Anzahl der Wollen- und Seidenfäden und die der
Baumwollenfäden leicht zählen.

Um Baumwollenfäden in der Leinwand zu erkennen, gibt
man mittels der Feder einen Tropfen Tinte auf die zu prüfende
Leinwand. Fließt die Tinte ſymmetriſch, das heißt, nach je zwei
Richtungen übereinſtimmend aus, ſo iſt der Stoff halbleinen;
fließt derſelbe verworren, das heißt, nach allen Seiten aus, ſo iſt
der Stoff ganz leinen oder baumwollen; durch Baumwollenſtoffe

Polizeiamte in Lübeck in Unterſuchung, der unter vielen andern Waaren auch
ein für 11 Mark 8 Schillinge eingekauftes Tiſchgedeck einem reichen Bauer für
36 Mark verkauft hatte, welcher letztere, obſchon er vom Betruge unterrichtet
wurde, von dem glänzenden Aeußern des Gedecks verlockt, dennoch den Kauf
gelten ließ. Der Piſchtimhändler ließ den Handel durch einen gemietheten be-
kannten Judenburſchen vermitteln, der als Kutſcher figurirte und die Pferde
halten mußte, und hatte unter anderm zur draſtiſchen Bezeichnung, daß er
weither auf der Eiſenbahn gekommen, komiſcherweiſe mit dem Arme Rad
geſchlagen und laut dabei gepfiffen, während er ſowol das ihm vollkommen
geläufige Niederdeutſche als auch das Hochdeutſche gänzlich vor den erſtaunten
Bauern verleugnete.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0232" n="220"/>
cher der Käufer von Leinwand ausge&#x017F;etzt i&#x017F;t, verdienen die ein-<lb/>
fachen Mittel zur Entdeckung des Betrugs, welche neben com-<lb/>
plicirtern und daher &#x017F;chwierigern aber vollkommen &#x017F;ichern Prü-<lb/>
fungsmitteln von Friedreich, a. a. O., S. 168, und Percy, a. a. O.,<lb/>
S. 391 fg. überein&#x017F;timmend empfohlen werden, hier einer kurzen<lb/>
Erwähnung. Um Leinen und Baumwolle in Wollen und Seiden-<lb/>
&#x017F;toffen zu erkennen, &#x017F;chneidet man von dem Gewebe ein viereckiges,<lb/>
1&#x2014;1½ Zoll großes Stückchen ab, fädelt es der Quere und<lb/>
Länge (der Kette und dem Ein&#x017F;chlag) nach aus, und verbrennt<lb/>
einen Faden nach dem andern am Kerzenlicht. Die Baumwollen-,<lb/>
Hanf- und Leinenfäden verbrennen mit lebhafter Flamme, hinter-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en keinen Rück&#x017F;tand und geben den echten Geruch verbrannten<lb/>
Leinens; die Wollen- und Seidenfäden hingegen brennen &#x017F;chlecht<lb/>
und bilden an der Spitze eine &#x017F;chwammige Kohle, welche ihre<lb/>
weitere Verbrennung aufhält; es entwickelt &#x017F;ich dabei ein &#x017F;tarker<lb/>
und unangenehmer Geruch, der zu charakteri&#x017F;ti&#x017F;ch i&#x017F;t, um auch<lb/>
nur einen Augenblick einen Jrrthum zuzula&#x017F;&#x017F;en. Es la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
mithin die Anzahl der Wollen- und Seidenfäden und die der<lb/>
Baumwollenfäden leicht zählen.</p><lb/>
              <p>Um Baumwollenfäden in der Leinwand zu erkennen, gibt<lb/>
man mittels der Feder einen Tropfen Tinte auf die zu prüfende<lb/>
Leinwand. Fließt die Tinte &#x017F;ymmetri&#x017F;ch, das heißt, nach je zwei<lb/>
Richtungen überein&#x017F;timmend aus, &#x017F;o i&#x017F;t der Stoff halbleinen;<lb/>
fließt der&#x017F;elbe verworren, das heißt, nach allen Seiten aus, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
der Stoff ganz leinen oder baumwollen; durch Baumwollen&#x017F;toffe<lb/><note xml:id="seg2pn_27_2" prev="#seg2pn_27_1" place="foot" n="1)">Polizeiamte in Lübeck in Unter&#x017F;uchung, der unter vielen andern Waaren auch<lb/>
ein für 11 Mark 8 Schillinge eingekauftes Ti&#x017F;chgedeck einem reichen Bauer für<lb/>
36 Mark verkauft hatte, welcher letztere, ob&#x017F;chon er vom Betruge unterrichtet<lb/>
wurde, von dem glänzenden Aeußern des Gedecks verlockt, dennoch den Kauf<lb/>
gelten ließ. Der Pi&#x017F;chtimhändler ließ den Handel durch einen gemietheten be-<lb/>
kannten Judenbur&#x017F;chen vermitteln, der als Kut&#x017F;cher figurirte und die Pferde<lb/>
halten mußte, und hatte unter anderm zur dra&#x017F;ti&#x017F;chen Bezeichnung, daß er<lb/>
weither auf der Ei&#x017F;enbahn gekommen, komi&#x017F;cherwei&#x017F;e mit dem Arme Rad<lb/>
ge&#x017F;chlagen und laut dabei gepfiffen, während er &#x017F;owol das ihm vollkommen<lb/>
geläufige Niederdeut&#x017F;che als auch das Hochdeut&#x017F;che gänzlich vor den er&#x017F;taunten<lb/>
Bauern verleugnete.</note><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0232] cher der Käufer von Leinwand ausgeſetzt iſt, verdienen die ein- fachen Mittel zur Entdeckung des Betrugs, welche neben com- plicirtern und daher ſchwierigern aber vollkommen ſichern Prü- fungsmitteln von Friedreich, a. a. O., S. 168, und Percy, a. a. O., S. 391 fg. übereinſtimmend empfohlen werden, hier einer kurzen Erwähnung. Um Leinen und Baumwolle in Wollen und Seiden- ſtoffen zu erkennen, ſchneidet man von dem Gewebe ein viereckiges, 1—1½ Zoll großes Stückchen ab, fädelt es der Quere und Länge (der Kette und dem Einſchlag) nach aus, und verbrennt einen Faden nach dem andern am Kerzenlicht. Die Baumwollen-, Hanf- und Leinenfäden verbrennen mit lebhafter Flamme, hinter- laſſen keinen Rückſtand und geben den echten Geruch verbrannten Leinens; die Wollen- und Seidenfäden hingegen brennen ſchlecht und bilden an der Spitze eine ſchwammige Kohle, welche ihre weitere Verbrennung aufhält; es entwickelt ſich dabei ein ſtarker und unangenehmer Geruch, der zu charakteriſtiſch iſt, um auch nur einen Augenblick einen Jrrthum zuzulaſſen. Es laſſen ſich mithin die Anzahl der Wollen- und Seidenfäden und die der Baumwollenfäden leicht zählen. Um Baumwollenfäden in der Leinwand zu erkennen, gibt man mittels der Feder einen Tropfen Tinte auf die zu prüfende Leinwand. Fließt die Tinte ſymmetriſch, das heißt, nach je zwei Richtungen übereinſtimmend aus, ſo iſt der Stoff halbleinen; fließt derſelbe verworren, das heißt, nach allen Seiten aus, ſo iſt der Stoff ganz leinen oder baumwollen; durch Baumwollenſtoffe 1) 1) Polizeiamte in Lübeck in Unterſuchung, der unter vielen andern Waaren auch ein für 11 Mark 8 Schillinge eingekauftes Tiſchgedeck einem reichen Bauer für 36 Mark verkauft hatte, welcher letztere, obſchon er vom Betruge unterrichtet wurde, von dem glänzenden Aeußern des Gedecks verlockt, dennoch den Kauf gelten ließ. Der Piſchtimhändler ließ den Handel durch einen gemietheten be- kannten Judenburſchen vermitteln, der als Kutſcher figurirte und die Pferde halten mußte, und hatte unter anderm zur draſtiſchen Bezeichnung, daß er weither auf der Eiſenbahn gekommen, komiſcherweiſe mit dem Arme Rad geſchlagen und laut dabei gepfiffen, während er ſowol das ihm vollkommen geläufige Niederdeutſche als auch das Hochdeutſche gänzlich vor den erſtaunten Bauern verleugnete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/232
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/232>, abgerufen am 15.11.2024.