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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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den untern Volksschichten um sich greifenden Putz- und Glanz-
sucht gegenüber, reichliche Gelegenheit, zahllose Betrügereien aus-
zuüben, deren Entdeckung nur durch den Sachkenner und meistens
erst dann gelingen kann, wenn der Betrug schon vollendet ist.
Die unglaublich vielen und mannichfaltigen Täuschungen, die fast
bie allen nur denkbaren Handelsgegenständen mit ebenso viel
Verschlagenheit, wie mit Gefahr für Gesundheit und Leben seit
Jahrhunderten betrieben werden, und bis auf die neueste Zeit in
ganz ungemeiner Progression zugenommen haben, sind der Haupt-
anlaß zur Verfolgung und Unterdrückung des so überaus schäd-
lichen Hausirhandels geworden, namentlich auf dem Lande, wo
die polizeiliche Controle und die kennermäßige Prüfung der an-
gebotenen Waare am schwierigsten ist. Die raffinirten Betrü-
gereien haben sogar eine eigene Literatur hervorgerufen, in wel-
cher auch die Wissenschaft mit deutlicher Aufklärung und Belehrung
sich dem Betruge gegenüberstellt und ihn bekämpfen hilft. Zur
vollständigen Würdigung des Betrugs, und um einen Begriff zu
bekommen von der Feinheit und Mannichfaltigkeit der Täuschun-
gen im Handel und Wandel, muß man sich mit dieser Literatur 1)
sorgfältig vertraut machen, und dazu die dem Polizeimann noch
immer häufig genug gebotene Gelegenheit nicht vorüberlassen,
den bunten Jnhalt eines Tabuletkastens oder einer Jahrmarkts-
und Glücksbude genau zu durchmustern. Wie man aber erstau-
nen muß über die reißenden Fortschritte, welche die Kunst ge-
macht hat, schlechte, werthlose und unbrauchbare Gegenstände aller
Art in einer glänzenden bestechlichen Form und Hülle darzustellen,

1) Besonders ist zu bemerken: J. B. Friedreich, "Ueber Handels- und
Gewerbs-Objecte in Beziehung auf Verwechselung, Verunreinigung, Verfäl-
schung und Betrug" (Ansbach 1853); Dr. A. B. Percy, "Allgemeines che-
misch-technisch-ökonomisches Recept-Lexikon" (Nürnberg 1856); M. A. Che-
vallier, "Wörterbuch der Verunreinigungen und Verfälschungen der Nahrungs-
mittel, Arzneikörper und Handelswaaren, nebst Angabe der Erkennungen und
Prüfungsmittel. Frei nach dem Französischen bearbeitet und mit Zusätzen ver-
sehen von Dr. A. H. L. Westrumb" (2 Thle., Göttingen 1856--57). Letz-
teres Werk ist besonders für den Polizeimann brauchbar und empfehlenswerth.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. II. 14

den untern Volksſchichten um ſich greifenden Putz- und Glanz-
ſucht gegenüber, reichliche Gelegenheit, zahlloſe Betrügereien aus-
zuüben, deren Entdeckung nur durch den Sachkenner und meiſtens
erſt dann gelingen kann, wenn der Betrug ſchon vollendet iſt.
Die unglaublich vielen und mannichfaltigen Täuſchungen, die faſt
bie allen nur denkbaren Handelsgegenſtänden mit ebenſo viel
Verſchlagenheit, wie mit Gefahr für Geſundheit und Leben ſeit
Jahrhunderten betrieben werden, und bis auf die neueſte Zeit in
ganz ungemeiner Progreſſion zugenommen haben, ſind der Haupt-
anlaß zur Verfolgung und Unterdrückung des ſo überaus ſchäd-
lichen Hauſirhandels geworden, namentlich auf dem Lande, wo
die polizeiliche Controle und die kennermäßige Prüfung der an-
gebotenen Waare am ſchwierigſten iſt. Die raffinirten Betrü-
gereien haben ſogar eine eigene Literatur hervorgerufen, in wel-
cher auch die Wiſſenſchaft mit deutlicher Aufklärung und Belehrung
ſich dem Betruge gegenüberſtellt und ihn bekämpfen hilft. Zur
vollſtändigen Würdigung des Betrugs, und um einen Begriff zu
bekommen von der Feinheit und Mannichfaltigkeit der Täuſchun-
gen im Handel und Wandel, muß man ſich mit dieſer Literatur 1)
ſorgfältig vertraut machen, und dazu die dem Polizeimann noch
immer häufig genug gebotene Gelegenheit nicht vorüberlaſſen,
den bunten Jnhalt eines Tabuletkaſtens oder einer Jahrmarkts-
und Glücksbude genau zu durchmuſtern. Wie man aber erſtau-
nen muß über die reißenden Fortſchritte, welche die Kunſt ge-
macht hat, ſchlechte, werthloſe und unbrauchbare Gegenſtände aller
Art in einer glänzenden beſtechlichen Form und Hülle darzuſtellen,

1) Beſonders iſt zu bemerken: J. B. Friedreich, „Ueber Handels- und
Gewerbs-Objecte in Beziehung auf Verwechſelung, Verunreinigung, Verfäl-
ſchung und Betrug“ (Ansbach 1853); Dr. A. B. Percy, „Allgemeines che-
miſch-techniſch-ökonomiſches Recept-Lexikon“ (Nürnberg 1856); M. A. Che-
vallier, „Wörterbuch der Verunreinigungen und Verfälſchungen der Nahrungs-
mittel, Arzneikörper und Handelswaaren, nebſt Angabe der Erkennungen und
Prüfungsmittel. Frei nach dem Franzöſiſchen bearbeitet und mit Zuſätzen ver-
ſehen von Dr. A. H. L. Weſtrumb“ (2 Thle., Göttingen 1856—57). Letz-
teres Werk iſt beſonders für den Polizeimann brauchbar und empfehlenswerth.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 14
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[209/0221] den untern Volksſchichten um ſich greifenden Putz- und Glanz- ſucht gegenüber, reichliche Gelegenheit, zahlloſe Betrügereien aus- zuüben, deren Entdeckung nur durch den Sachkenner und meiſtens erſt dann gelingen kann, wenn der Betrug ſchon vollendet iſt. Die unglaublich vielen und mannichfaltigen Täuſchungen, die faſt bie allen nur denkbaren Handelsgegenſtänden mit ebenſo viel Verſchlagenheit, wie mit Gefahr für Geſundheit und Leben ſeit Jahrhunderten betrieben werden, und bis auf die neueſte Zeit in ganz ungemeiner Progreſſion zugenommen haben, ſind der Haupt- anlaß zur Verfolgung und Unterdrückung des ſo überaus ſchäd- lichen Hauſirhandels geworden, namentlich auf dem Lande, wo die polizeiliche Controle und die kennermäßige Prüfung der an- gebotenen Waare am ſchwierigſten iſt. Die raffinirten Betrü- gereien haben ſogar eine eigene Literatur hervorgerufen, in wel- cher auch die Wiſſenſchaft mit deutlicher Aufklärung und Belehrung ſich dem Betruge gegenüberſtellt und ihn bekämpfen hilft. Zur vollſtändigen Würdigung des Betrugs, und um einen Begriff zu bekommen von der Feinheit und Mannichfaltigkeit der Täuſchun- gen im Handel und Wandel, muß man ſich mit dieſer Literatur 1) ſorgfältig vertraut machen, und dazu die dem Polizeimann noch immer häufig genug gebotene Gelegenheit nicht vorüberlaſſen, den bunten Jnhalt eines Tabuletkaſtens oder einer Jahrmarkts- und Glücksbude genau zu durchmuſtern. Wie man aber erſtau- nen muß über die reißenden Fortſchritte, welche die Kunſt ge- macht hat, ſchlechte, werthloſe und unbrauchbare Gegenſtände aller Art in einer glänzenden beſtechlichen Form und Hülle darzuſtellen, 1) Beſonders iſt zu bemerken: J. B. Friedreich, „Ueber Handels- und Gewerbs-Objecte in Beziehung auf Verwechſelung, Verunreinigung, Verfäl- ſchung und Betrug“ (Ansbach 1853); Dr. A. B. Percy, „Allgemeines che- miſch-techniſch-ökonomiſches Recept-Lexikon“ (Nürnberg 1856); M. A. Che- vallier, „Wörterbuch der Verunreinigungen und Verfälſchungen der Nahrungs- mittel, Arzneikörper und Handelswaaren, nebſt Angabe der Erkennungen und Prüfungsmittel. Frei nach dem Franzöſiſchen bearbeitet und mit Zuſätzen ver- ſehen von Dr. A. H. L. Weſtrumb“ (2 Thle., Göttingen 1856—57). Letz- teres Werk iſt beſonders für den Polizeimann brauchbar und empfehlenswerth. Avé-Lallemant, Gaunerthum. II. 14

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/221>, abgerufen am 16.11.2024.