Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.nommen, wie z. B. Damian Hessel und Fetzer sich tagelang Die Anfertigung solcher Schlüssel, über deren Einfachheit 1) Hessel öffnete zum Belege seiner Fertigkeit mit einem Bindfaden und einem Stückchen Holz die innere starke Thür seines Kerkers, wie Rebmann, "Damian Hessel" (2. Ausg.), S. 15, erzählt. Das ist schwer zu glauben; und doch habe ich ebenfalls von einem Raubmörder gesehen, daß er mit einem zusammengedrillten Bindfaden ein sogenanntes Schneckenschloß an seiner Kette wie im Nu öffnete, sodaß er in Fesseln geschmiedet werden mußte. 2) Es ist bemerkenswerth, daß man unter den bei Schränkern angetrof-
fenen Schlüsseln selten andere als alte Schlüssel findet, mit vorne dünn ge- feiltem Rohr und eigens zugefeiltem Bart. Jch habe in meiner Praxis im ganzen nur wenig Schlüssel gefunden, die gleich von Anfang her zu Nach- schlüsseln gearbeitet zu sein schienen. nommen, wie z. B. Damian Heſſel und Fetzer ſich tagelang Die Anfertigung ſolcher Schlüſſel, über deren Einfachheit 1) Heſſel öffnete zum Belege ſeiner Fertigkeit mit einem Bindfaden und einem Stückchen Holz die innere ſtarke Thür ſeines Kerkers, wie Rebmann, „Damian Heſſel“ (2. Ausg.), S. 15, erzählt. Das iſt ſchwer zu glauben; und doch habe ich ebenfalls von einem Raubmörder geſehen, daß er mit einem zuſammengedrillten Bindfaden ein ſogenanntes Schneckenſchloß an ſeiner Kette wie im Nu öffnete, ſodaß er in Feſſeln geſchmiedet werden mußte. 2) Es iſt bemerkenswerth, daß man unter den bei Schränkern angetrof-
fenen Schlüſſeln ſelten andere als alte Schlüſſel findet, mit vorne dünn ge- feiltem Rohr und eigens zugefeiltem Bart. Jch habe in meiner Praxis im ganzen nur wenig Schlüſſel gefunden, die gleich von Anfang her zu Nach- ſchlüſſeln gearbeitet zu ſein ſchienen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0184" n="172"/> nommen, wie z. B. Damian Heſſel und Fetzer ſich tagelang<lb/> übten, Schlöſſer mit Dietrichen, Nägeln und Haken zu öffnen.<lb/> Ja, Heſſel rühmte von ſeinem Kameraden, Johann Müller, gegen<lb/> den er ſich einen Lehrling nannte, daß Müller ein Schloß nur<lb/> „<hi rendition="#g">anzublaſen</hi>“ brauche, um es zu öffnen. <note place="foot" n="1)">Heſſel öffnete zum Belege ſeiner Fertigkeit mit einem Bindfaden und<lb/> einem Stückchen Holz die innere ſtarke Thür ſeines Kerkers, wie Rebmann,<lb/> „Damian Heſſel“ (2. Ausg.), S. 15, erzählt. Das iſt ſchwer zu glauben;<lb/> und doch habe ich ebenfalls von einem Raubmörder geſehen, daß er mit einem<lb/> zuſammengedrillten Bindfaden ein ſogenanntes Schneckenſchloß an ſeiner Kette<lb/><hi rendition="#g">wie im Nu</hi> öffnete, ſodaß er in Feſſeln <hi rendition="#g">geſchmiedet</hi> werden mußte.</note></p><lb/> <p>Die Anfertigung ſolcher Schlüſſel, über deren Einfachheit<lb/> man erſtaunen muß, wenn man ſie mit der künſtlichen und müh-<lb/> ſamen Arbeit des Schloſſes und Schlüſſels, den jene paralyſiren,<lb/> vergleicht, iſt ſehr leicht mit einigen guten Feilen und einer Laub-<lb/> ſäge zu erreichen. Die Hauptrückſicht beim Anfertigen von Kla-<lb/> moniſſ iſt: die Barthöhe als Endpunkt des einen Hebel bildenden<lb/> Schlüſſels, muß nothwendig in feſter Verbindung mit dem Stütz-<lb/> punkt und dem andern Hebelende ſtehen. Es kommt nur darauf<lb/> an, dieſen, wie gezeigt iſt, leicht zu findenden Verbindungsgang<lb/> zu ermitteln, der bei <hi rendition="#g">allen</hi> Schlüſſeln vorhanden iſt und ſich leicht<lb/> paſſend herſtellen läßt. Meiſtens findet man, wie ſchon oben er-<lb/> wähnt, bei den Trödlern eine Menge alter Schlüſſel vorräthig <note place="foot" n="2)">Es iſt bemerkenswerth, daß man unter den bei Schränkern angetrof-<lb/> fenen Schlüſſeln ſelten andere als <hi rendition="#g">alte</hi> Schlüſſel findet, mit vorne dünn ge-<lb/> feiltem Rohr und eigens zugefeiltem Bart. Jch habe in meiner Praxis im<lb/> ganzen nur wenig Schlüſſel gefunden, die gleich von Anfang her zu Nach-<lb/> ſchlüſſeln gearbeitet zu ſein ſchienen.</note>,<lb/> bei deren paſſender Auswahl man ſchon viel vorgearbeitet finden<lb/> kann. Auch kann man bei jedem Eiſenwaarenhändler Schlüſſel<lb/> aller Größen mit nicht ausgearbeitetem Bart, die in den Fabriken<lb/> unter Druckſchrauben zu vielen Tauſenden hergeſtellt oder gegoſſen<lb/> werden, für geringes Geld bekommen, um ſie zum beliebigen Ge-<lb/> brauch zuzurichten. Bei der Billigkeit und flüchtigen Arbeit der<lb/> Fabrikſchlöſſer bedarf es oft nur weniger Feil- oder Sägenſtriche,<lb/> um die Nachſchlüſſel zu verfertigen. Die Einförmigkeit der Schlöſſer<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [172/0184]
nommen, wie z. B. Damian Heſſel und Fetzer ſich tagelang
übten, Schlöſſer mit Dietrichen, Nägeln und Haken zu öffnen.
Ja, Heſſel rühmte von ſeinem Kameraden, Johann Müller, gegen
den er ſich einen Lehrling nannte, daß Müller ein Schloß nur
„anzublaſen“ brauche, um es zu öffnen. 1)
Die Anfertigung ſolcher Schlüſſel, über deren Einfachheit
man erſtaunen muß, wenn man ſie mit der künſtlichen und müh-
ſamen Arbeit des Schloſſes und Schlüſſels, den jene paralyſiren,
vergleicht, iſt ſehr leicht mit einigen guten Feilen und einer Laub-
ſäge zu erreichen. Die Hauptrückſicht beim Anfertigen von Kla-
moniſſ iſt: die Barthöhe als Endpunkt des einen Hebel bildenden
Schlüſſels, muß nothwendig in feſter Verbindung mit dem Stütz-
punkt und dem andern Hebelende ſtehen. Es kommt nur darauf
an, dieſen, wie gezeigt iſt, leicht zu findenden Verbindungsgang
zu ermitteln, der bei allen Schlüſſeln vorhanden iſt und ſich leicht
paſſend herſtellen läßt. Meiſtens findet man, wie ſchon oben er-
wähnt, bei den Trödlern eine Menge alter Schlüſſel vorräthig 2),
bei deren paſſender Auswahl man ſchon viel vorgearbeitet finden
kann. Auch kann man bei jedem Eiſenwaarenhändler Schlüſſel
aller Größen mit nicht ausgearbeitetem Bart, die in den Fabriken
unter Druckſchrauben zu vielen Tauſenden hergeſtellt oder gegoſſen
werden, für geringes Geld bekommen, um ſie zum beliebigen Ge-
brauch zuzurichten. Bei der Billigkeit und flüchtigen Arbeit der
Fabrikſchlöſſer bedarf es oft nur weniger Feil- oder Sägenſtriche,
um die Nachſchlüſſel zu verfertigen. Die Einförmigkeit der Schlöſſer
1) Heſſel öffnete zum Belege ſeiner Fertigkeit mit einem Bindfaden und
einem Stückchen Holz die innere ſtarke Thür ſeines Kerkers, wie Rebmann,
„Damian Heſſel“ (2. Ausg.), S. 15, erzählt. Das iſt ſchwer zu glauben;
und doch habe ich ebenfalls von einem Raubmörder geſehen, daß er mit einem
zuſammengedrillten Bindfaden ein ſogenanntes Schneckenſchloß an ſeiner Kette
wie im Nu öffnete, ſodaß er in Feſſeln geſchmiedet werden mußte.
2) Es iſt bemerkenswerth, daß man unter den bei Schränkern angetrof-
fenen Schlüſſeln ſelten andere als alte Schlüſſel findet, mit vorne dünn ge-
feiltem Rohr und eigens zugefeiltem Bart. Jch habe in meiner Praxis im
ganzen nur wenig Schlüſſel gefunden, die gleich von Anfang her zu Nach-
ſchlüſſeln gearbeitet zu ſein ſchienen.
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