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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Selbst unter den häufig zierlich aufgeflochtenen Mähnen und in
den aufgeknoteten Schwänzen der Pferde kann man Klamoniss
finden. Nichtsdestoweniger bleibt der Raum hinter der Pferde-
krippe
immer zu beachten, da trotz der mannichfachsten Ent-
deckungen doch diese Stelle beständig ihren alten ersten Rang unter
den Kawuren behauptet.

Jn den Gefängnissen bieten schlecht gearbeitete oder schadhaft
gewordene Fußböden, namentlich an den Enden, Seiten und da,
wo sie gegen die Wand stoßen, sowie auch die Rähme und Füße
von Oefen, Gelegenheit zum Kawure legen. Besonders sind aber
die Strohlager und Strohsäcke den Gefangenen sehr willkommene
Versteckmittel. Man sollte, abgesehen von dem Material, welches
das Stroh zu Stricken bietet 1), alle Strohlager und Strohsäcke,
schon der Kostspieligkeit wegen aus den Gefängnissen verbannen.
Zudem ist das Stroh eine stete Schmuzerei im Gefängniß und
sehr schwierig zu durchsuchen, sodaß bequeme Gefangenwärter höch-
stens die obere Schichte nachlesen und auflockern, während das
Stroh in den Ecken zu dichtem feuchten Mist zusammenfault.
Auch ist das Auftrennen und Durchsuchen der Strohsäcke eine zu
umständliche Arbeit, als daß es täglich vorgenommen werden
könnte. Ausgezeichnet bewähren sich die in den trefflichen ham-
burger Gefangenanstalten schon seit Jahren eingeführten Säcke
mit Buchweizenspreu. Diese halb mit dieser gutgesiebten Spreu
gefüllten Säcke können äußerst leicht revidirt und durchfühlt, bei
jeder Ronde des Nachts, wo der Gauner sich sicher fühlt, um-
getauscht werden, und eignen sich deswegen sehr schlecht zum
Kawure legen. Sie sind zudem sehr elastisch, weich, bequem, und
das billigste Material für Gefängnisse, da sie überaus lange vor-
halten und auch sehr wohlfeil herzustellen sind.

Von der Kawure am Körper anderer Personen und an

1) Unglaublich ist die Behendigkeit gefangener Gauner, aus dem Stroh
derbe und dauerhafte Stricke zu flechten. Damian Heffel befreite sich aus
dem mehr als sechzig Fuß hohen Thurme zu Uerdingen mittels eines von
ihm "in den ersten Augenblicken seiner Einsamkeit" zu einer gleichen Länge
geflochtenen Strohseiles.

Selbſt unter den häufig zierlich aufgeflochtenen Mähnen und in
den aufgeknoteten Schwänzen der Pferde kann man Klamoniſſ
finden. Nichtsdeſtoweniger bleibt der Raum hinter der Pferde-
krippe
immer zu beachten, da trotz der mannichfachſten Ent-
deckungen doch dieſe Stelle beſtändig ihren alten erſten Rang unter
den Kawuren behauptet.

Jn den Gefängniſſen bieten ſchlecht gearbeitete oder ſchadhaft
gewordene Fußböden, namentlich an den Enden, Seiten und da,
wo ſie gegen die Wand ſtoßen, ſowie auch die Rähme und Füße
von Oefen, Gelegenheit zum Kawure legen. Beſonders ſind aber
die Strohlager und Strohſäcke den Gefangenen ſehr willkommene
Verſteckmittel. Man ſollte, abgeſehen von dem Material, welches
das Stroh zu Stricken bietet 1), alle Strohlager und Strohſäcke,
ſchon der Koſtſpieligkeit wegen aus den Gefängniſſen verbannen.
Zudem iſt das Stroh eine ſtete Schmuzerei im Gefängniß und
ſehr ſchwierig zu durchſuchen, ſodaß bequeme Gefangenwärter höch-
ſtens die obere Schichte nachleſen und auflockern, während das
Stroh in den Ecken zu dichtem feuchten Miſt zuſammenfault.
Auch iſt das Auftrennen und Durchſuchen der Strohſäcke eine zu
umſtändliche Arbeit, als daß es täglich vorgenommen werden
könnte. Ausgezeichnet bewähren ſich die in den trefflichen ham-
burger Gefangenanſtalten ſchon ſeit Jahren eingeführten Säcke
mit Buchweizenſpreu. Dieſe halb mit dieſer gutgeſiebten Spreu
gefüllten Säcke können äußerſt leicht revidirt und durchfühlt, bei
jeder Ronde des Nachts, wo der Gauner ſich ſicher fühlt, um-
getauſcht werden, und eignen ſich deswegen ſehr ſchlecht zum
Kawure legen. Sie ſind zudem ſehr elaſtiſch, weich, bequem, und
das billigſte Material für Gefängniſſe, da ſie überaus lange vor-
halten und auch ſehr wohlfeil herzuſtellen ſind.

Von der Kawure am Körper anderer Perſonen und an

1) Unglaublich iſt die Behendigkeit gefangener Gauner, aus dem Stroh
derbe und dauerhafte Stricke zu flechten. Damian Heffel befreite ſich aus
dem mehr als ſechzig Fuß hohen Thurme zu Uerdingen mittels eines von
ihm „in den erſten Augenblicken ſeiner Einſamkeit“ zu einer gleichen Länge
geflochtenen Strohſeiles.
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[117/0129] Selbſt unter den häufig zierlich aufgeflochtenen Mähnen und in den aufgeknoteten Schwänzen der Pferde kann man Klamoniſſ finden. Nichtsdeſtoweniger bleibt der Raum hinter der Pferde- krippe immer zu beachten, da trotz der mannichfachſten Ent- deckungen doch dieſe Stelle beſtändig ihren alten erſten Rang unter den Kawuren behauptet. Jn den Gefängniſſen bieten ſchlecht gearbeitete oder ſchadhaft gewordene Fußböden, namentlich an den Enden, Seiten und da, wo ſie gegen die Wand ſtoßen, ſowie auch die Rähme und Füße von Oefen, Gelegenheit zum Kawure legen. Beſonders ſind aber die Strohlager und Strohſäcke den Gefangenen ſehr willkommene Verſteckmittel. Man ſollte, abgeſehen von dem Material, welches das Stroh zu Stricken bietet 1), alle Strohlager und Strohſäcke, ſchon der Koſtſpieligkeit wegen aus den Gefängniſſen verbannen. Zudem iſt das Stroh eine ſtete Schmuzerei im Gefängniß und ſehr ſchwierig zu durchſuchen, ſodaß bequeme Gefangenwärter höch- ſtens die obere Schichte nachleſen und auflockern, während das Stroh in den Ecken zu dichtem feuchten Miſt zuſammenfault. Auch iſt das Auftrennen und Durchſuchen der Strohſäcke eine zu umſtändliche Arbeit, als daß es täglich vorgenommen werden könnte. Ausgezeichnet bewähren ſich die in den trefflichen ham- burger Gefangenanſtalten ſchon ſeit Jahren eingeführten Säcke mit Buchweizenſpreu. Dieſe halb mit dieſer gutgeſiebten Spreu gefüllten Säcke können äußerſt leicht revidirt und durchfühlt, bei jeder Ronde des Nachts, wo der Gauner ſich ſicher fühlt, um- getauſcht werden, und eignen ſich deswegen ſehr ſchlecht zum Kawure legen. Sie ſind zudem ſehr elaſtiſch, weich, bequem, und das billigſte Material für Gefängniſſe, da ſie überaus lange vor- halten und auch ſehr wohlfeil herzuſtellen ſind. Von der Kawure am Körper anderer Perſonen und an 1) Unglaublich iſt die Behendigkeit gefangener Gauner, aus dem Stroh derbe und dauerhafte Stricke zu flechten. Damian Heffel befreite ſich aus dem mehr als ſechzig Fuß hohen Thurme zu Uerdingen mittels eines von ihm „in den erſten Augenblicken ſeiner Einſamkeit“ zu einer gleichen Länge geflochtenen Strohſeiles.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/129>, abgerufen am 24.11.2024.