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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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ureinfachen Anwendung von neuem wie eine eigene Kunst her-
vorgetreten und, wie die Sprache, eine gemeindeutsche Verstän-
digungsbasis geworden, die noch weit über den Bereich des
Deutsch-Oesterreichischen Telegraphenvereins hinausreicht. So ist dem
gesammten Gaunerthum eine geheime Sprache erhalten, die jetzt
nach ihrer systematischen Organisation nicht mehr zum Schweigen zu
bringen ist, man müßte denn jenen scheußlichen vor hundert Jahren
in wirklichem Ernste gemachten Vorschlag, "allen gefangenen
Gaunern das Trommelfell in den Ohren zu durchbohren" 1), zur
Ausführung bringen und damit die ganze mittelalterliche Barbarei
der Körperverstümmelungen wieder einführen!

Wie in allen Begegnungen des Gaunerthums, so auch hier
gilt es, die genaueste Aufmerksamkeit und Vorsicht anzuwenden.
Scharfe Beobachtungen werden glückliche Erfolge liefern, und den
Fingerzeig zur Verhütung von Collusionen geben, die auch bei
den besten Einrichtungen doch immer noch möglich bleiben. Um
demjenigen, welcher noch keine eigenen Beobachtungen hat an-
stellen können, ein Beispiel zu geben, wie nach obigem System
etwa der aus dem Verhör zurückkommende Gauner, welcher dem
neben, unter oder über seiner Zelle befindlichen Complicen mit-
theilen will, daß er nichts eingestanden habe, sich durch Klopfen
verständlich macht, stehe hier zum Exempel die hier einschlagende
Redensart: "Jch bin unschuldig". Dies drückt der Gauner ent-
weder im unterschiedlichen Wechsel von weichen Schlägen (mit
dem untern weichen Theil der Faust), wozu als Bezeichnung der
Strich () dient, und von harten kurzen Schlägen (mit dem
Fingerknöchel), wozu der Punkt (*) dient, durch Klopfen an die
Thür, an die Wand oder auf den Fußboden so aus:

* * * * ** * ** * ** * *
ichbinuns
* * * * * * ** * *
chuldig

1) Vgl. den ersten Theil, S. 81, Note 3.

ureinfachen Anwendung von neuem wie eine eigene Kunſt her-
vorgetreten und, wie die Sprache, eine gemeindeutſche Verſtän-
digungsbaſis geworden, die noch weit über den Bereich des
Deutſch-Oeſterreichiſchen Telegraphenvereins hinausreicht. So iſt dem
geſammten Gaunerthum eine geheime Sprache erhalten, die jetzt
nach ihrer ſyſtematiſchen Organiſation nicht mehr zum Schweigen zu
bringen iſt, man müßte denn jenen ſcheußlichen vor hundert Jahren
in wirklichem Ernſte gemachten Vorſchlag, „allen gefangenen
Gaunern das Trommelfell in den Ohren zu durchbohren“ 1), zur
Ausführung bringen und damit die ganze mittelalterliche Barbarei
der Körperverſtümmelungen wieder einführen!

Wie in allen Begegnungen des Gaunerthums, ſo auch hier
gilt es, die genaueſte Aufmerkſamkeit und Vorſicht anzuwenden.
Scharfe Beobachtungen werden glückliche Erfolge liefern, und den
Fingerzeig zur Verhütung von Colluſionen geben, die auch bei
den beſten Einrichtungen doch immer noch möglich bleiben. Um
demjenigen, welcher noch keine eigenen Beobachtungen hat an-
ſtellen können, ein Beiſpiel zu geben, wie nach obigem Syſtem
etwa der aus dem Verhör zurückkommende Gauner, welcher dem
neben, unter oder über ſeiner Zelle befindlichen Complicen mit-
theilen will, daß er nichts eingeſtanden habe, ſich durch Klopfen
verſtändlich macht, ſtehe hier zum Exempel die hier einſchlagende
Redensart: „Jch bin unſchuldig“. Dies drückt der Gauner ent-
weder im unterſchiedlichen Wechſel von weichen Schlägen (mit
dem untern weichen Theil der Fauſt), wozu als Bezeichnung der
Strich () dient, und von harten kurzen Schlägen (mit dem
Fingerknöchel), wozu der Punkt (•) dient, durch Klopfen an die
Thür, an die Wand oder auf den Fußboden ſo aus:

• •− − − −− • • •• •− •• • −− •• • •
ichbinunſ
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chuldig

1) Vgl. den erſten Theil, S. 81, Note 3.
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[105/0117] ureinfachen Anwendung von neuem wie eine eigene Kunſt her- vorgetreten und, wie die Sprache, eine gemeindeutſche Verſtän- digungsbaſis geworden, die noch weit über den Bereich des Deutſch-Oeſterreichiſchen Telegraphenvereins hinausreicht. So iſt dem geſammten Gaunerthum eine geheime Sprache erhalten, die jetzt nach ihrer ſyſtematiſchen Organiſation nicht mehr zum Schweigen zu bringen iſt, man müßte denn jenen ſcheußlichen vor hundert Jahren in wirklichem Ernſte gemachten Vorſchlag, „allen gefangenen Gaunern das Trommelfell in den Ohren zu durchbohren“ 1), zur Ausführung bringen und damit die ganze mittelalterliche Barbarei der Körperverſtümmelungen wieder einführen! Wie in allen Begegnungen des Gaunerthums, ſo auch hier gilt es, die genaueſte Aufmerkſamkeit und Vorſicht anzuwenden. Scharfe Beobachtungen werden glückliche Erfolge liefern, und den Fingerzeig zur Verhütung von Colluſionen geben, die auch bei den beſten Einrichtungen doch immer noch möglich bleiben. Um demjenigen, welcher noch keine eigenen Beobachtungen hat an- ſtellen können, ein Beiſpiel zu geben, wie nach obigem Syſtem etwa der aus dem Verhör zurückkommende Gauner, welcher dem neben, unter oder über ſeiner Zelle befindlichen Complicen mit- theilen will, daß er nichts eingeſtanden habe, ſich durch Klopfen verſtändlich macht, ſtehe hier zum Exempel die hier einſchlagende Redensart: „Jch bin unſchuldig“. Dies drückt der Gauner ent- weder im unterſchiedlichen Wechſel von weichen Schlägen (mit dem untern weichen Theil der Fauſt), wozu als Bezeichnung der Strich (−) dient, und von harten kurzen Schlägen (mit dem Fingerknöchel), wozu der Punkt (•) dient, durch Klopfen an die Thür, an die Wand oder auf den Fußboden ſo aus: • • − − − − − • • • • • − • • • − − • • • • i ch b i n u n ſ − − − − • • − • − • • − • • • • − − • ch u l d i g 1) Vgl. den erſten Theil, S. 81, Note 3.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/117>, abgerufen am 24.11.2024.