Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.von außen in die Gefängnisse gelangen, und zwar gerade durch 1) Der vollkommenste Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen- wärter durch Versprechungen und Bestechungen davongetragen hat, ist die von Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargestellte Reise des Marcus Joel mit seinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826. 2) Nicht einmal weißes oder sonst scheinbar unverfänglich beschriebenes
Papier darf, als Umschlag um kleine Gegenstände, von außen in die Zellen gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher sympathetischer Tinten bekannt sind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über Licht sichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88. von außen in die Gefängniſſe gelangen, und zwar gerade durch 1) Der vollkommenſte Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen- wärter durch Verſprechungen und Beſtechungen davongetragen hat, iſt die von Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargeſtellte Reiſe des Marcus Joël mit ſeinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826. 2) Nicht einmal weißes oder ſonſt ſcheinbar unverfänglich beſchriebenes
Papier darf, als Umſchlag um kleine Gegenſtände, von außen in die Zellen gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher ſympathetiſcher Tinten bekannt ſind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über Licht ſichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0104" n="92"/> von außen in die Gefängniſſe gelangen, und zwar gerade durch<lb/> die Gefängnißbeamten ſelbſt. Solange es elend beſoldete Beamte<lb/> gibt, ſolange wird es auch pflichtvergeſſene, beſtechliche Gefängniß-<lb/> beamte geben, bei denen für Geld viel zu erlangen iſt. <note place="foot" n="1)">Der vollkommenſte Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen-<lb/> wärter durch Verſprechungen und Beſtechungen davongetragen hat, iſt die von<lb/> Thiele, a. a. O., <hi rendition="#aq">II,</hi> 245 fg., frappant dargeſtellte Reiſe des Marcus Joël<lb/> mit ſeinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826.</note> Aber<lb/> auch der ſtrengſte Beamte wird häufig getäuſcht, und gegen ſeinen<lb/> Willen zum Vermittler der Verbindung gemacht, wenn er zuläßt,<lb/> daß dem Gefangenen Wäſche oder Speiſen u. dgl. von angeb-<lb/> lichen Verwandten oder ſonſtigen Glaubensgenoſſen zukommen. <note place="foot" n="2)">Nicht einmal weißes oder ſonſt ſcheinbar unverfänglich beſchriebenes<lb/> Papier darf, als Umſchlag um kleine Gegenſtände, von außen in die Zellen<lb/> gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher ſympathetiſcher<lb/> Tinten bekannt ſind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über<lb/> Licht ſichtbar werden. S. das weitere beim <hi rendition="#g">Fleppemelochnen,</hi> Kap. 88.</note><lb/> Beſonders bevorzugt ſind hierin jüdiſche Verbrecher, welche grund-<lb/> ſätzlich alle chriſtliche Gefangenkoſt als <hi rendition="#g">treife</hi> verſchmähen, und<lb/> ſich darauf verlaſſen, <hi rendition="#g">Koſcher</hi> von ihren Glaubensgenoſſen zuge-<lb/> ſchickt zu bekommen, ſobald ihre Gefangenſchaft bekannt iſt. Man<lb/> ſollte überall feſt darauf halten, daß durchaus keine andere Ver-<lb/> pflegung und Wäſche geliefert würde, als unmittelbar durch die<lb/> Hausverwaltung ſelbſt. Bei der genaueſten Beſichtigung der<lb/> Wäſche kann noch immer in einer Naht oder Falte irgendein<lb/> eingenähtes Papierſtreifchen unbemerkt bleiben. Jm Brote, in<lb/> einer Kartoffel, einem Kloße, unter dem Mark eines Fleiſch-<lb/> knochens, im Maule eines gebackenen Fiſches, in einer Rübe,<lb/> Birne u. ſ. w. kann irgendein geöltes Papierröllchen oder ein<lb/> Kügelchen eingeſchoben ſein; unter dem metallenen Teller, der<lb/> Schüſſel, auf dem Grund der Suppenſchale können Notizen<lb/> gekritzelt ſein; ſelbſt unter dem Boden des porzellanen Suppen-<lb/> tellers kann mit wäſſeriger oder öligter Tinte etwas geſchrieben<lb/> ſein, welches der Gefangene, ſobald er es geleſen, leicht mit dem<lb/> Finger wegwiſchen kann. Auf dem Boden, oder unter dem Boden<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [92/0104]
von außen in die Gefängniſſe gelangen, und zwar gerade durch
die Gefängnißbeamten ſelbſt. Solange es elend beſoldete Beamte
gibt, ſolange wird es auch pflichtvergeſſene, beſtechliche Gefängniß-
beamte geben, bei denen für Geld viel zu erlangen iſt. 1) Aber
auch der ſtrengſte Beamte wird häufig getäuſcht, und gegen ſeinen
Willen zum Vermittler der Verbindung gemacht, wenn er zuläßt,
daß dem Gefangenen Wäſche oder Speiſen u. dgl. von angeb-
lichen Verwandten oder ſonſtigen Glaubensgenoſſen zukommen. 2)
Beſonders bevorzugt ſind hierin jüdiſche Verbrecher, welche grund-
ſätzlich alle chriſtliche Gefangenkoſt als treife verſchmähen, und
ſich darauf verlaſſen, Koſcher von ihren Glaubensgenoſſen zuge-
ſchickt zu bekommen, ſobald ihre Gefangenſchaft bekannt iſt. Man
ſollte überall feſt darauf halten, daß durchaus keine andere Ver-
pflegung und Wäſche geliefert würde, als unmittelbar durch die
Hausverwaltung ſelbſt. Bei der genaueſten Beſichtigung der
Wäſche kann noch immer in einer Naht oder Falte irgendein
eingenähtes Papierſtreifchen unbemerkt bleiben. Jm Brote, in
einer Kartoffel, einem Kloße, unter dem Mark eines Fleiſch-
knochens, im Maule eines gebackenen Fiſches, in einer Rübe,
Birne u. ſ. w. kann irgendein geöltes Papierröllchen oder ein
Kügelchen eingeſchoben ſein; unter dem metallenen Teller, der
Schüſſel, auf dem Grund der Suppenſchale können Notizen
gekritzelt ſein; ſelbſt unter dem Boden des porzellanen Suppen-
tellers kann mit wäſſeriger oder öligter Tinte etwas geſchrieben
ſein, welches der Gefangene, ſobald er es geleſen, leicht mit dem
Finger wegwiſchen kann. Auf dem Boden, oder unter dem Boden
1) Der vollkommenſte Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen-
wärter durch Verſprechungen und Beſtechungen davongetragen hat, iſt die von
Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargeſtellte Reiſe des Marcus Joël
mit ſeinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826.
2) Nicht einmal weißes oder ſonſt ſcheinbar unverfänglich beſchriebenes
Papier darf, als Umſchlag um kleine Gegenſtände, von außen in die Zellen
gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher ſympathetiſcher
Tinten bekannt ſind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über
Licht ſichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88.
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