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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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von außen in die Gefängnisse gelangen, und zwar gerade durch
die Gefängnißbeamten selbst. Solange es elend besoldete Beamte
gibt, solange wird es auch pflichtvergessene, bestechliche Gefängniß-
beamte geben, bei denen für Geld viel zu erlangen ist. 1) Aber
auch der strengste Beamte wird häufig getäuscht, und gegen seinen
Willen zum Vermittler der Verbindung gemacht, wenn er zuläßt,
daß dem Gefangenen Wäsche oder Speisen u. dgl. von angeb-
lichen Verwandten oder sonstigen Glaubensgenossen zukommen. 2)
Besonders bevorzugt sind hierin jüdische Verbrecher, welche grund-
sätzlich alle christliche Gefangenkost als treife verschmähen, und
sich darauf verlassen, Koscher von ihren Glaubensgenossen zuge-
schickt zu bekommen, sobald ihre Gefangenschaft bekannt ist. Man
sollte überall fest darauf halten, daß durchaus keine andere Ver-
pflegung und Wäsche geliefert würde, als unmittelbar durch die
Hausverwaltung selbst. Bei der genauesten Besichtigung der
Wäsche kann noch immer in einer Naht oder Falte irgendein
eingenähtes Papierstreifchen unbemerkt bleiben. Jm Brote, in
einer Kartoffel, einem Kloße, unter dem Mark eines Fleisch-
knochens, im Maule eines gebackenen Fisches, in einer Rübe,
Birne u. s. w. kann irgendein geöltes Papierröllchen oder ein
Kügelchen eingeschoben sein; unter dem metallenen Teller, der
Schüssel, auf dem Grund der Suppenschale können Notizen
gekritzelt sein; selbst unter dem Boden des porzellanen Suppen-
tellers kann mit wässeriger oder öligter Tinte etwas geschrieben
sein, welches der Gefangene, sobald er es gelesen, leicht mit dem
Finger wegwischen kann. Auf dem Boden, oder unter dem Boden

1) Der vollkommenste Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen-
wärter durch Versprechungen und Bestechungen davongetragen hat, ist die von
Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargestellte Reise des Marcus Joel
mit seinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826.
2) Nicht einmal weißes oder sonst scheinbar unverfänglich beschriebenes
Papier darf, als Umschlag um kleine Gegenstände, von außen in die Zellen
gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher sympathetischer
Tinten bekannt sind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über
Licht sichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88.

von außen in die Gefängniſſe gelangen, und zwar gerade durch
die Gefängnißbeamten ſelbſt. Solange es elend beſoldete Beamte
gibt, ſolange wird es auch pflichtvergeſſene, beſtechliche Gefängniß-
beamte geben, bei denen für Geld viel zu erlangen iſt. 1) Aber
auch der ſtrengſte Beamte wird häufig getäuſcht, und gegen ſeinen
Willen zum Vermittler der Verbindung gemacht, wenn er zuläßt,
daß dem Gefangenen Wäſche oder Speiſen u. dgl. von angeb-
lichen Verwandten oder ſonſtigen Glaubensgenoſſen zukommen. 2)
Beſonders bevorzugt ſind hierin jüdiſche Verbrecher, welche grund-
ſätzlich alle chriſtliche Gefangenkoſt als treife verſchmähen, und
ſich darauf verlaſſen, Koſcher von ihren Glaubensgenoſſen zuge-
ſchickt zu bekommen, ſobald ihre Gefangenſchaft bekannt iſt. Man
ſollte überall feſt darauf halten, daß durchaus keine andere Ver-
pflegung und Wäſche geliefert würde, als unmittelbar durch die
Hausverwaltung ſelbſt. Bei der genaueſten Beſichtigung der
Wäſche kann noch immer in einer Naht oder Falte irgendein
eingenähtes Papierſtreifchen unbemerkt bleiben. Jm Brote, in
einer Kartoffel, einem Kloße, unter dem Mark eines Fleiſch-
knochens, im Maule eines gebackenen Fiſches, in einer Rübe,
Birne u. ſ. w. kann irgendein geöltes Papierröllchen oder ein
Kügelchen eingeſchoben ſein; unter dem metallenen Teller, der
Schüſſel, auf dem Grund der Suppenſchale können Notizen
gekritzelt ſein; ſelbſt unter dem Boden des porzellanen Suppen-
tellers kann mit wäſſeriger oder öligter Tinte etwas geſchrieben
ſein, welches der Gefangene, ſobald er es geleſen, leicht mit dem
Finger wegwiſchen kann. Auf dem Boden, oder unter dem Boden

1) Der vollkommenſte Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen-
wärter durch Verſprechungen und Beſtechungen davongetragen hat, iſt die von
Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargeſtellte Reiſe des Marcus Joël
mit ſeinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826.
2) Nicht einmal weißes oder ſonſt ſcheinbar unverfänglich beſchriebenes
Papier darf, als Umſchlag um kleine Gegenſtände, von außen in die Zellen
gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher ſympathetiſcher
Tinten bekannt ſind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über
Licht ſichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88.
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[92/0104] von außen in die Gefängniſſe gelangen, und zwar gerade durch die Gefängnißbeamten ſelbſt. Solange es elend beſoldete Beamte gibt, ſolange wird es auch pflichtvergeſſene, beſtechliche Gefängniß- beamte geben, bei denen für Geld viel zu erlangen iſt. 1) Aber auch der ſtrengſte Beamte wird häufig getäuſcht, und gegen ſeinen Willen zum Vermittler der Verbindung gemacht, wenn er zuläßt, daß dem Gefangenen Wäſche oder Speiſen u. dgl. von angeb- lichen Verwandten oder ſonſtigen Glaubensgenoſſen zukommen. 2) Beſonders bevorzugt ſind hierin jüdiſche Verbrecher, welche grund- ſätzlich alle chriſtliche Gefangenkoſt als treife verſchmähen, und ſich darauf verlaſſen, Koſcher von ihren Glaubensgenoſſen zuge- ſchickt zu bekommen, ſobald ihre Gefangenſchaft bekannt iſt. Man ſollte überall feſt darauf halten, daß durchaus keine andere Ver- pflegung und Wäſche geliefert würde, als unmittelbar durch die Hausverwaltung ſelbſt. Bei der genaueſten Beſichtigung der Wäſche kann noch immer in einer Naht oder Falte irgendein eingenähtes Papierſtreifchen unbemerkt bleiben. Jm Brote, in einer Kartoffel, einem Kloße, unter dem Mark eines Fleiſch- knochens, im Maule eines gebackenen Fiſches, in einer Rübe, Birne u. ſ. w. kann irgendein geöltes Papierröllchen oder ein Kügelchen eingeſchoben ſein; unter dem metallenen Teller, der Schüſſel, auf dem Grund der Suppenſchale können Notizen gekritzelt ſein; ſelbſt unter dem Boden des porzellanen Suppen- tellers kann mit wäſſeriger oder öligter Tinte etwas geſchrieben ſein, welches der Gefangene, ſobald er es geleſen, leicht mit dem Finger wegwiſchen kann. Auf dem Boden, oder unter dem Boden 1) Der vollkommenſte Sieg, den je ein Gauner über einen Gefangen- wärter durch Verſprechungen und Beſtechungen davongetragen hat, iſt die von Thiele, a. a. O., II, 245 fg., frappant dargeſtellte Reiſe des Marcus Joël mit ſeinem Gefangenwärter von Freyenwalde nach Berlin am 5. Nov. 1826. 2) Nicht einmal weißes oder ſonſt ſcheinbar unverfänglich beſchriebenes Papier darf, als Umſchlag um kleine Gegenſtände, von außen in die Zellen gebracht werden, da den Gaunern zu viele Arten ganz einfacher ſympathetiſcher Tinten bekannt ſind, welche durch einfache Erwärmung am Ofen oder über Licht ſichtbar werden. S. das weitere beim Fleppemelochnen, Kap. 88.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/104>, abgerufen am 24.11.2024.