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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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er in seinen "Res Germaniae", Thl. 2, sagt: "Was sonst den
väterlichen Boden werth macht, der eigene Herd, fruchtbare
Aecker, reiche Wiesen, ergiebige Gärten, Freunde und Verwandte,
was aus der Vergangenheit erfreut und die Gegenwart erheitert,
Alles war verschwunden und vernichtet! Selbst den Armen und
Verarmten blieb keine Sicherheit: sie wurden, um Andere zu ver-
rathen und Schätze anzuzeigen, oder aus bloßer Grausamkeit nicht
minder gepeinigt. Religion, Tugend, Frömmigkeit, Scham, Ver-
dienst war nirgends geachtet; und so gab man sich nur zu vielen
Lüsten und Lastern hin, und Deutschland frevelte zuletzt am ärgsten
wider Deutschland. Des Friedens und der Ordnung hatten sich
die meisten so entwöhnt, daß sie sich in Krieg, Aufruhr und Un-
gehorsam wohl befanden, und des Lebens Zweck darin suchten,
dafür das Leben auf das Spiel zu setzen. Jedes Geschlecht hatte
sonst gesammelt und der Nachkommen vorsorglich gedacht; jetzt
lag Staat, Kirche, Familie, Kunst, Wissenschaft, Handel, Ge-
werbe -- alles gleichmäßig danieder, und wild ward verschleudert,
was Jahrhunderte erbaut und geschaffen hatten. Selbst Geist-
liche, welche trösten, Richter, welche schützen sollten, wurden hart-
herzig und eigennützig, bis sich sogar die Obrigkeit ganz offen den
Freveln hingab."

Das Räuberthum hatte im Dreißigjährigen Kriege eine so
fürchterliche Einsetzung und Weihe erhalten, daß ihm die richter-
liche Gewalt noch lange nicht über den Schutt nachzuklettern wagte,
den es bei seinem Schwelgen im sittlichen und materiellen Ruin
überall hingeworfen hatte. Erst gegen den Anfang des 18. Jahr-
hunderts konnte man den ernstlichen Kampf gegen die Räuber-
banden des Dreißigjährigen Kriegs beginnen 1) und ihn erst nach

1) Nur im Lande des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Bran-
denburg, obschon es im Kriege am meisten gelitten hatte, kehrte, dank der
Weisheit und Sorgfalt des herrlichen Fürsten, Ordnung und Wohlstand zuerst
zurück durch Regelung der Verwaltung und namentlich einer kräftigen und
verständigen Polizeieinrichtung. (Dittmar, a. a. O., S. 864.) Leider blieb
der Entwurf der 1663 vom Kurfürsten eingesetzten Commission "auf was
weise es mit den Inquisitionibus anzustellen, damit inskünftige die delicta

er in ſeinen „Res Germaniae“, Thl. 2, ſagt: „Was ſonſt den
väterlichen Boden werth macht, der eigene Herd, fruchtbare
Aecker, reiche Wieſen, ergiebige Gärten, Freunde und Verwandte,
was aus der Vergangenheit erfreut und die Gegenwart erheitert,
Alles war verſchwunden und vernichtet! Selbſt den Armen und
Verarmten blieb keine Sicherheit: ſie wurden, um Andere zu ver-
rathen und Schätze anzuzeigen, oder aus bloßer Grauſamkeit nicht
minder gepeinigt. Religion, Tugend, Frömmigkeit, Scham, Ver-
dienſt war nirgends geachtet; und ſo gab man ſich nur zu vielen
Lüſten und Laſtern hin, und Deutſchland frevelte zuletzt am ärgſten
wider Deutſchland. Des Friedens und der Ordnung hatten ſich
die meiſten ſo entwöhnt, daß ſie ſich in Krieg, Aufruhr und Un-
gehorſam wohl befanden, und des Lebens Zweck darin ſuchten,
dafür das Leben auf das Spiel zu ſetzen. Jedes Geſchlecht hatte
ſonſt geſammelt und der Nachkommen vorſorglich gedacht; jetzt
lag Staat, Kirche, Familie, Kunſt, Wiſſenſchaft, Handel, Ge-
werbe — alles gleichmäßig danieder, und wild ward verſchleudert,
was Jahrhunderte erbaut und geſchaffen hatten. Selbſt Geiſt-
liche, welche tröſten, Richter, welche ſchützen ſollten, wurden hart-
herzig und eigennützig, bis ſich ſogar die Obrigkeit ganz offen den
Freveln hingab.“

Das Räuberthum hatte im Dreißigjährigen Kriege eine ſo
fürchterliche Einſetzung und Weihe erhalten, daß ihm die richter-
liche Gewalt noch lange nicht über den Schutt nachzuklettern wagte,
den es bei ſeinem Schwelgen im ſittlichen und materiellen Ruin
überall hingeworfen hatte. Erſt gegen den Anfang des 18. Jahr-
hunderts konnte man den ernſtlichen Kampf gegen die Räuber-
banden des Dreißigjährigen Kriegs beginnen 1) und ihn erſt nach

1) Nur im Lande des Großen Kurfürſten Friedrich Wilhelm von Bran-
denburg, obſchon es im Kriege am meiſten gelitten hatte, kehrte, dank der
Weisheit und Sorgfalt des herrlichen Fürſten, Ordnung und Wohlſtand zuerſt
zurück durch Regelung der Verwaltung und namentlich einer kräftigen und
verſtändigen Polizeieinrichtung. (Dittmar, a. a. O., S. 864.) Leider blieb
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[76/0092] er in ſeinen „Res Germaniae“, Thl. 2, ſagt: „Was ſonſt den väterlichen Boden werth macht, der eigene Herd, fruchtbare Aecker, reiche Wieſen, ergiebige Gärten, Freunde und Verwandte, was aus der Vergangenheit erfreut und die Gegenwart erheitert, Alles war verſchwunden und vernichtet! Selbſt den Armen und Verarmten blieb keine Sicherheit: ſie wurden, um Andere zu ver- rathen und Schätze anzuzeigen, oder aus bloßer Grauſamkeit nicht minder gepeinigt. Religion, Tugend, Frömmigkeit, Scham, Ver- dienſt war nirgends geachtet; und ſo gab man ſich nur zu vielen Lüſten und Laſtern hin, und Deutſchland frevelte zuletzt am ärgſten wider Deutſchland. Des Friedens und der Ordnung hatten ſich die meiſten ſo entwöhnt, daß ſie ſich in Krieg, Aufruhr und Un- gehorſam wohl befanden, und des Lebens Zweck darin ſuchten, dafür das Leben auf das Spiel zu ſetzen. Jedes Geſchlecht hatte ſonſt geſammelt und der Nachkommen vorſorglich gedacht; jetzt lag Staat, Kirche, Familie, Kunſt, Wiſſenſchaft, Handel, Ge- werbe — alles gleichmäßig danieder, und wild ward verſchleudert, was Jahrhunderte erbaut und geſchaffen hatten. Selbſt Geiſt- liche, welche tröſten, Richter, welche ſchützen ſollten, wurden hart- herzig und eigennützig, bis ſich ſogar die Obrigkeit ganz offen den Freveln hingab.“ Das Räuberthum hatte im Dreißigjährigen Kriege eine ſo fürchterliche Einſetzung und Weihe erhalten, daß ihm die richter- liche Gewalt noch lange nicht über den Schutt nachzuklettern wagte, den es bei ſeinem Schwelgen im ſittlichen und materiellen Ruin überall hingeworfen hatte. Erſt gegen den Anfang des 18. Jahr- hunderts konnte man den ernſtlichen Kampf gegen die Räuber- banden des Dreißigjährigen Kriegs beginnen 1) und ihn erſt nach 1) Nur im Lande des Großen Kurfürſten Friedrich Wilhelm von Bran- denburg, obſchon es im Kriege am meiſten gelitten hatte, kehrte, dank der Weisheit und Sorgfalt des herrlichen Fürſten, Ordnung und Wohlſtand zuerſt zurück durch Regelung der Verwaltung und namentlich einer kräftigen und verſtändigen Polizeieinrichtung. (Dittmar, a. a. O., S. 864.) Leider blieb der Entwurf der 1663 vom Kurfürſten eingeſetzten Commiſſion „auf was weiſe es mit den Inquisitionibus anzuſtellen, damit inskünftige die delicta

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/92>, abgerufen am 22.11.2024.