Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.großen allgemeinen Entsittlichung des Volks und den politischen 1689, 13. Aug. 1695, 8. Aug. 1703, 27. Sept. 1703, 3. Febr. 1706, 19. April 1708, 26. Juli 1715, 23. Juli 1721 und 26. März 1726 u. s. w. Vgl. Bischof, "Deutsch-Zigeunerisches Wörterbuch", S. 8 u. 9. Endlich Kurbraunschweig: Edict wegen Bestrafung der Hausdieberei d. d. 19. Juni 1709, 7. Jan. 1710, 17. Mai 1710, 8. März 1725, 23. Mai 1725, 27. Aug. 1728, 24. Nov. 1733, 22. März (2. April) 1734, 27. Febr. (9. März) 1736; Edict gegen die Feld- und Gartendieberei vom 27. Juni 1715; Re- script wegen Bestrafung der Dieberei, vom 6. (17.) März 1722, vom 12. (23.) August 1737. Vgl. Krünitz, "Encyklopädie", IX, 245. 1) Grauenhaft ist die Hinrichtung des zwanzigjährigen Juden Löbl Kurtz- handl im October 1694 zu Prag, welcher in Gemeinschaft mit dem Juden Lazar Abeles, den zwölfjährigen Sohn des letztern, Simon Abeles (der zum Christenthum convertiren wollte), erwürgt hatte. Lazar Abeles erhenkte sich im Gefängniß; an Kurtzhandl wurde aber, wie die Acten sagen, gefunden, daß er "einer erschröcklichen Bestraffung höchst nöthig hätte, weilen der Punctus Christianae Religionis mit unterlauffe" u. s. w. Aber noch grauenhafter war das Bemühen des Jesuitenpaters Johannes Brandstätter, Predigers an der deutschen Kirche zu Prag, den Deliquenten zur christlichen Religion zu bekehren. Nachdem Kurtzhandl schon 33 Radstöße auf Arme und Beine und 10 auf die Brust erhalten hatte, ohne auch nur das Bewußtsein zu verlieren, taufte der nicht ablassende Brandstätter den zerschmetterten Delinquenten auf der Richtstätte unter Absingung eines Psalms, wonach Kurtzhandl die drei Ave-Lallemant, Gaunerthum. I. 5
großen allgemeinen Entſittlichung des Volks und den politiſchen 1689, 13. Aug. 1695, 8. Aug. 1703, 27. Sept. 1703, 3. Febr. 1706, 19. April 1708, 26. Juli 1715, 23. Juli 1721 und 26. März 1726 u. ſ. w. Vgl. Biſchof, „Deutſch-Zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 8 u. 9. Endlich Kurbraunſchweig: Edict wegen Beſtrafung der Hausdieberei d. d. 19. Juni 1709, 7. Jan. 1710, 17. Mai 1710, 8. März 1725, 23. Mai 1725, 27. Aug. 1728, 24. Nov. 1733, 22. März (2. April) 1734, 27. Febr. (9. März) 1736; Edict gegen die Feld- und Gartendieberei vom 27. Juni 1715; Re- ſcript wegen Beſtrafung der Dieberei, vom 6. (17.) März 1722, vom 12. (23.) Auguſt 1737. Vgl. Krünitz, „Encyklopädie“, IX, 245. 1) Grauenhaft iſt die Hinrichtung des zwanzigjährigen Juden Löbl Kurtz- handl im October 1694 zu Prag, welcher in Gemeinſchaft mit dem Juden Lazar Abeles, den zwölfjährigen Sohn des letztern, Simon Abeles (der zum Chriſtenthum convertiren wollte), erwürgt hatte. Lazar Abeles erhenkte ſich im Gefängniß; an Kurtzhandl wurde aber, wie die Acten ſagen, gefunden, daß er „einer erſchröcklichen Beſtraffung höchſt nöthig hätte, weilen der Punctus Christianae Religionis mit unterlauffe“ u. ſ. w. Aber noch grauenhafter war das Bemühen des Jeſuitenpaters Johannes Brandſtätter, Predigers an der deutſchen Kirche zu Prag, den Deliquenten zur chriſtlichen Religion zu bekehren. Nachdem Kurtzhandl ſchon 33 Radſtöße auf Arme und Beine und 10 auf die Bruſt erhalten hatte, ohne auch nur das Bewußtſein zu verlieren, taufte der nicht ablaſſende Brandſtätter den zerſchmetterten Delinquenten auf der Richtſtätte unter Abſingung eines Pſalms, wonach Kurtzhandl die drei Avé-Lallemant, Gaunerthum. I. 5
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großen allgemeinen Entſittlichung des Volks und den politiſchen
Zerwürfniſſen, beſonders aber dem Abgang einer nur leidlich gut
eingerichteten Polizei zuſchreiben. Die Verordnungen wurden nicht
lebendig durch eine kräftige und conſequente Anwendung. Ana-
lyſirt man die deutſchen Polizeiverordnungen vom Anfang des
16. Jahrhunderts an, ſo findet man bis in das 19. Jahrhundert
hinein anfänglich ein ernſtes ſittliches Zürnen der Obrigkeit, und
allmählich einen eifernden orthodoxen Ton, der häufig an den
Kanzelton ſtreift, bis zum Ausdruck offener Entrüſtung ſich ſteigert
und endlich in dieſer Weiſe und Form geradezu Politik derſelben
Obrigkeiten geworden iſt, die, trotz des chriſtlichen Tones ihrer
Mandate, auf der andern Seite mit der unmenſchlichſten Grau-
ſamkeit die Folter handhabten und die qualvollſten und ſcheuß-
lichſten Hinrichtungen vollzogen, zum Beweiſe ihrer eigenen ſitt-
lichen und politiſchen Schwäche. Dabei ſieht man die Geiſtlich-
keit mit gleicher ſittlicher Entrüſtung und mit orthodoxem Eifer 1)
1)
1) Grauenhaft iſt die Hinrichtung des zwanzigjährigen Juden Löbl Kurtz-
handl im October 1694 zu Prag, welcher in Gemeinſchaft mit dem Juden
Lazar Abeles, den zwölfjährigen Sohn des letztern, Simon Abeles (der zum
Chriſtenthum convertiren wollte), erwürgt hatte. Lazar Abeles erhenkte ſich im
Gefängniß; an Kurtzhandl wurde aber, wie die Acten ſagen, gefunden, daß
er „einer erſchröcklichen Beſtraffung höchſt nöthig hätte, weilen der Punctus
Christianae Religionis mit unterlauffe“ u. ſ. w. Aber noch grauenhafter
war das Bemühen des Jeſuitenpaters Johannes Brandſtätter, Predigers an
der deutſchen Kirche zu Prag, den Deliquenten zur chriſtlichen Religion zu
bekehren. Nachdem Kurtzhandl ſchon 33 Radſtöße auf Arme und Beine und
10 auf die Bruſt erhalten hatte, ohne auch nur das Bewußtſein zu verlieren,
taufte der nicht ablaſſende Brandſtätter den zerſchmetterten Delinquenten auf
der Richtſtätte unter Abſingung eines Pſalms, wonach Kurtzhandl die drei
1) 1689, 13. Aug. 1695, 8. Aug. 1703, 27. Sept. 1703, 3. Febr. 1706,
19. April 1708, 26. Juli 1715, 23. Juli 1721 und 26. März 1726 u. ſ. w.
Vgl. Biſchof, „Deutſch-Zigeuneriſches Wörterbuch“, S. 8 u. 9. Endlich
Kurbraunſchweig: Edict wegen Beſtrafung der Hausdieberei d. d. 19. Juni
1709, 7. Jan. 1710, 17. Mai 1710, 8. März 1725, 23. Mai 1725, 27. Aug.
1728, 24. Nov. 1733, 22. März (2. April) 1734, 27. Febr. (9. März)
1736; Edict gegen die Feld- und Gartendieberei vom 27. Juni 1715; Re-
ſcript wegen Beſtrafung der Dieberei, vom 6. (17.) März 1722, vom 12.
(23.) Auguſt 1737. Vgl. Krünitz, „Encyklopädie“, IX, 245.
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