Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.an der bloßgelegten Schwäche des social-politischen Lebens heran- Diese schlimme Verwechselung, die wie eine Erbsünde der an der bloßgelegten Schwäche des ſocial-politiſchen Lebens heran- Dieſe ſchlimme Verwechſelung, die wie eine Erbſünde der <TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0007" n="IX"/> an der bloßgelegten Schwäche des ſocial-politiſchen Lebens heran-<lb/> wachſende Verbrechen ſo außerordentlich raſch und gewaltig em-<lb/> porwuchern und ſich zum förmlichen abſoluten Gewerbe mit eigener<lb/> Kunſt und Kunſtſprache zuſammenthun konnte, ohne daß die Po-<lb/> lizei begriff, wie dies gewerbliche Verbrechen, das <hi rendition="#g">Gaunerthum,<lb/> ein ſecundäres Uebel am ſiechenden ſocial-politiſchen<lb/> Körper ſelbſt ſei</hi>, welches nur dann ausgerottet werden konnte,<lb/> wenn die Heilung des ganzen Körpers ſelbſt gelang. So unver-<lb/> kennbar die ſich täglich durch eine Unzahl verwegener Verbrechen<lb/> manifeſtirende Exiſtenz des Gaunerthums vor die Augen der Polizei<lb/> trat, ſo wenig begriff ſie den Urſprung und Sitz des Uebels. So<lb/> kam es, daß bei den offenen Erfolgen des Gaunerthums und bei<lb/> der Unergründlichkeit ihrer Urheberſchaft der forſchende Blick über<lb/> den wahren Sitz des Uebels hinwegglitt, in ſchlimmer Verwechſe-<lb/> lung der farbigen Typen mit der Geſammtmaſſe auf der ver-<lb/> einzelten exoteriſchen Erſcheinung der Juden und Zigeuner haften<lb/> blieb, und ſomit das Gaunerthum wie eine ethnographiſche Erſchei-<lb/> nung betrachtete und behandelte, ohne ſcharf auf die verworfenen<lb/> chriſtlichen Elemente zu ſehen, zu denen jene durchaus nur ac-<lb/> ceſſoriſche Beſtandtheile ſich geſchlagen hatten.</p><lb/> <p>Dieſe ſchlimme Verwechſelung, die wie eine Erbſünde der<lb/> alten Polizei bis auf die neueſte Zeit gerathen iſt, hält auch noch<lb/> jetzt den Blick der heutigen eifrig ſtrebenden Polizei vielfach be-<lb/> fangen, ſodaß nicht einmal den meiſten Polizeimännern die voll-<lb/> ſtändige Kenntniß des Gaunerthums mit ſeiner behenden Kunſt<lb/> und geheimen Sprache geläufig iſt, während letzteres in allen<lb/> Schichten des ſocial-politiſchen Lebens mit immer größerer Mäch-<lb/> tigkeit fortwuchert, das Siechthum dieſes Lebens von Tage zu<lb/> Tage verſchlimmert, und dabei die Wirkſamkeit der Polizei immer<lb/> bedenklicher paralyſirt. Dieſe trübe Wahrnehmung war es beſon-<lb/> ders, welche den Verfaſſer zu vorliegender Arbeit trieb. Als der<lb/> Entſchluß dazu gefaßt war, kam auch die Verzagniß, ob je ein<lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [IX/0007]
an der bloßgelegten Schwäche des ſocial-politiſchen Lebens heran-
wachſende Verbrechen ſo außerordentlich raſch und gewaltig em-
porwuchern und ſich zum förmlichen abſoluten Gewerbe mit eigener
Kunſt und Kunſtſprache zuſammenthun konnte, ohne daß die Po-
lizei begriff, wie dies gewerbliche Verbrechen, das Gaunerthum,
ein ſecundäres Uebel am ſiechenden ſocial-politiſchen
Körper ſelbſt ſei, welches nur dann ausgerottet werden konnte,
wenn die Heilung des ganzen Körpers ſelbſt gelang. So unver-
kennbar die ſich täglich durch eine Unzahl verwegener Verbrechen
manifeſtirende Exiſtenz des Gaunerthums vor die Augen der Polizei
trat, ſo wenig begriff ſie den Urſprung und Sitz des Uebels. So
kam es, daß bei den offenen Erfolgen des Gaunerthums und bei
der Unergründlichkeit ihrer Urheberſchaft der forſchende Blick über
den wahren Sitz des Uebels hinwegglitt, in ſchlimmer Verwechſe-
lung der farbigen Typen mit der Geſammtmaſſe auf der ver-
einzelten exoteriſchen Erſcheinung der Juden und Zigeuner haften
blieb, und ſomit das Gaunerthum wie eine ethnographiſche Erſchei-
nung betrachtete und behandelte, ohne ſcharf auf die verworfenen
chriſtlichen Elemente zu ſehen, zu denen jene durchaus nur ac-
ceſſoriſche Beſtandtheile ſich geſchlagen hatten.
Dieſe ſchlimme Verwechſelung, die wie eine Erbſünde der
alten Polizei bis auf die neueſte Zeit gerathen iſt, hält auch noch
jetzt den Blick der heutigen eifrig ſtrebenden Polizei vielfach be-
fangen, ſodaß nicht einmal den meiſten Polizeimännern die voll-
ſtändige Kenntniß des Gaunerthums mit ſeiner behenden Kunſt
und geheimen Sprache geläufig iſt, während letzteres in allen
Schichten des ſocial-politiſchen Lebens mit immer größerer Mäch-
tigkeit fortwuchert, das Siechthum dieſes Lebens von Tage zu
Tage verſchlimmert, und dabei die Wirkſamkeit der Polizei immer
bedenklicher paralyſirt. Dieſe trübe Wahrnehmung war es beſon-
ders, welche den Verfaſſer zu vorliegender Arbeit trieb. Als der
Entſchluß dazu gefaßt war, kam auch die Verzagniß, ob je ein
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