Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.lei Vorrechte erhielten, sodaß ihre jetzige Lage gegen ihre frühere Alemannen (L. Alam., 29, 7) wird der Knechte als ausschließlicher Hand- werker erwähnt. Auch im Capit. C. M. de villis 45 wird den Richtern zur Pflicht gemacht, für eine ausreichende Anzahl tüchtiger Handwerker in ihrer Dienerschaft zu sorgen: Eisen-, Silber-, Goldarbeiter, Schneider, Schuster, Böttcher, Zimmerleute, Harnischmacher, Fischer, Vogelfänger, Brauer, Seifen- sieder, Bäcker, Netzmacher u. dgl. 1) Der Bischof Otto von Freisingen (+ 1158) bezeichnet in seiner "Chronik zum Jahre 1154" die zünftischen Beschäftigungen als artes con- temtibiles. 2) Ein solches Beispiel findet man bei Ortloff, a. a. O., S. 47, aus Mei- bom, "Scriptores rerum germanicarum", III, 205, citirt: "Otto strenuus primum 1214 cives a servitute, quae tum temporis in hisce regionibus nondum absolverat, emancipatos, liberos scripsit." 3) Die häufigen und ernstlichen Klagen der Fürsten, Grafen und Frei-
herren über das viele Entweichen ihrer Unterthanen veranlaßte den Kaiser in der "Güldenen Bulle", §. 17, die Bestimmungen über die "Phalbürger" zu geben -- freilich mit wenig Erfolg --, nach welchen die Aufnahme eines aus- getretenen Unterthans in die Städte an den Landesfürsten mit 100 Mark Goldes geahndet werden sollte. lei Vorrechte erhielten, ſodaß ihre jetzige Lage gegen ihre frühere Alemannen (L. Alam., 29, 7) wird der Knechte als ausſchließlicher Hand- werker erwähnt. Auch im Capit. C. M. de villis 45 wird den Richtern zur Pflicht gemacht, für eine ausreichende Anzahl tüchtiger Handwerker in ihrer Dienerſchaft zu ſorgen: Eiſen-, Silber-, Goldarbeiter, Schneider, Schuſter, Böttcher, Zimmerleute, Harniſchmacher, Fiſcher, Vogelfänger, Brauer, Seifen- ſieder, Bäcker, Netzmacher u. dgl. 1) Der Biſchof Otto von Freiſingen († 1158) bezeichnet in ſeiner „Chronik zum Jahre 1154“ die zünftiſchen Beſchäftigungen als artes con- temtibiles. 2) Ein ſolches Beiſpiel findet man bei Ortloff, a. a. O., S. 47, aus Mei- bom, „Scriptores rerum germanicarum“, III, 205, citirt: „Otto strenuus primum 1214 cives a servitute, quae tum temporis in hisce regionibus nondum absolverat, emancipatos, liberos scripsit.“ 3) Die häufigen und ernſtlichen Klagen der Fürſten, Grafen und Frei-
herren über das viele Entweichen ihrer Unterthanen veranlaßte den Kaiſer in der „Güldenen Bulle“, §. 17, die Beſtimmungen über die „Phalbürger“ zu geben — freilich mit wenig Erfolg —, nach welchen die Aufnahme eines aus- getretenen Unterthans in die Städte an den Landesfürſten mit 100 Mark Goldes geahndet werden ſollte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0061" n="45"/> lei Vorrechte erhielten, ſodaß ihre jetzige Lage gegen ihre frühere<lb/> verachtete <note place="foot" n="1)">Der Biſchof Otto von Freiſingen († 1158) bezeichnet in ſeiner<lb/> „Chronik zum Jahre 1154“ die zünftiſchen Beſchäftigungen als <hi rendition="#aq">artes con-<lb/> temtibiles.</hi></note> und abhängige Arbeit und Stellung als eine ſehr<lb/> glückliche erſchien, namentlich da ſie nach Einrichtung der Zünfte<lb/> nun auch förmlich von der Knechtſchaft befreiet <note place="foot" n="2)">Ein ſolches Beiſpiel findet man bei Ortloff, a. a. O., S. 47, aus Mei-<lb/> bom, <hi rendition="#aq">„Scriptores rerum germanicarum“, III,</hi> 205, citirt: <hi rendition="#aq">„Otto strenuus<lb/> primum 1214 cives a servitute, quae tum temporis in hisce regionibus<lb/> nondum absolverat, emancipatos, liberos scripsit.</hi>“</note> wurden und<lb/> Bürgerrechte erhielten. Dieſe günſtige Aufnahme verleitete eine<lb/> Menge Knechte zur Flucht, um ihre unfreie und verachtete Stel-<lb/> lung gegen die eines freien Bürgers zu vertauſchen. Die Ent-<lb/> weichungen nahmen maſſenhaft zu, und wenn auch die Städte zu<lb/> ihrer Aufnahme ſtets bereit waren, ſo konnte doch auch eine be-<lb/> deutende Zahl, theils ihrer innerhalb der ſtädtiſchen Mauern nicht<lb/> zu betreibenden Hantierung (z. B. Müller, Gerber, Bäcker u. ſ. w.),<lb/> theils ihrer ſittlichen Verwilderung <supplied>we</supplied>gen, kein Unterkommen finden,<lb/> und mußte ſich entweder in der Nähe der ſchützenden Städte <note place="foot" n="3)">Die häufigen und ernſtlichen Klagen der Fürſten, Grafen und Frei-<lb/> herren über das viele Entweichen ihrer Unterthanen veranlaßte den Kaiſer in<lb/> der „Güldenen Bulle“, §. 17, die Beſtimmungen über die „Phalbürger“ zu<lb/> geben — freilich mit wenig Erfolg —, nach welchen die Aufnahme eines aus-<lb/> getretenen Unterthans in die Städte an den Landesfürſten mit 100 Mark<lb/> Goldes geahndet werden ſollte.</note><lb/> niederlaſſen oder auf dem Lande umherſtreifen, und ſich, um das<lb/> Leben zu friſten, auf Wegelagerei und Räuberei werfen, wozu der<lb/> Adel auf dem Lande das traurigſte Beiſpiel gab. Das Fauſt-<lb/> und Fehderecht iſt ein bedenkliches Symptom der Anarchie, in<lb/> welcher Deutſchland ſich ſchon ſeit dem 11. Jahrhundert befand,<lb/><note xml:id="seg2pn_12_2" prev="#seg2pn_12_1" place="foot" n="3)">Alemannen (<hi rendition="#aq">L. Alam.</hi>, 29, 7) wird der Knechte als ausſchließlicher Hand-<lb/> werker erwähnt. Auch im <hi rendition="#aq">Capit. C. M. de villis</hi> 45 wird den Richtern zur<lb/> Pflicht gemacht, für eine ausreichende Anzahl tüchtiger Handwerker in ihrer<lb/> Dienerſchaft zu ſorgen: Eiſen-, Silber-, Goldarbeiter, Schneider, Schuſter,<lb/> Böttcher, Zimmerleute, Harniſchmacher, Fiſcher, Vogelfänger, Brauer, Seifen-<lb/> ſieder, Bäcker, Netzmacher u. dgl.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0061]
lei Vorrechte erhielten, ſodaß ihre jetzige Lage gegen ihre frühere
verachtete 1) und abhängige Arbeit und Stellung als eine ſehr
glückliche erſchien, namentlich da ſie nach Einrichtung der Zünfte
nun auch förmlich von der Knechtſchaft befreiet 2) wurden und
Bürgerrechte erhielten. Dieſe günſtige Aufnahme verleitete eine
Menge Knechte zur Flucht, um ihre unfreie und verachtete Stel-
lung gegen die eines freien Bürgers zu vertauſchen. Die Ent-
weichungen nahmen maſſenhaft zu, und wenn auch die Städte zu
ihrer Aufnahme ſtets bereit waren, ſo konnte doch auch eine be-
deutende Zahl, theils ihrer innerhalb der ſtädtiſchen Mauern nicht
zu betreibenden Hantierung (z. B. Müller, Gerber, Bäcker u. ſ. w.),
theils ihrer ſittlichen Verwilderung wegen, kein Unterkommen finden,
und mußte ſich entweder in der Nähe der ſchützenden Städte 3)
niederlaſſen oder auf dem Lande umherſtreifen, und ſich, um das
Leben zu friſten, auf Wegelagerei und Räuberei werfen, wozu der
Adel auf dem Lande das traurigſte Beiſpiel gab. Das Fauſt-
und Fehderecht iſt ein bedenkliches Symptom der Anarchie, in
welcher Deutſchland ſich ſchon ſeit dem 11. Jahrhundert befand,
3)
1) Der Biſchof Otto von Freiſingen († 1158) bezeichnet in ſeiner
„Chronik zum Jahre 1154“ die zünftiſchen Beſchäftigungen als artes con-
temtibiles.
2) Ein ſolches Beiſpiel findet man bei Ortloff, a. a. O., S. 47, aus Mei-
bom, „Scriptores rerum germanicarum“, III, 205, citirt: „Otto strenuus
primum 1214 cives a servitute, quae tum temporis in hisce regionibus
nondum absolverat, emancipatos, liberos scripsit.“
3) Die häufigen und ernſtlichen Klagen der Fürſten, Grafen und Frei-
herren über das viele Entweichen ihrer Unterthanen veranlaßte den Kaiſer in
der „Güldenen Bulle“, §. 17, die Beſtimmungen über die „Phalbürger“ zu
geben — freilich mit wenig Erfolg —, nach welchen die Aufnahme eines aus-
getretenen Unterthans in die Städte an den Landesfürſten mit 100 Mark
Goldes geahndet werden ſollte.
3) Alemannen (L. Alam., 29, 7) wird der Knechte als ausſchließlicher Hand-
werker erwähnt. Auch im Capit. C. M. de villis 45 wird den Richtern zur
Pflicht gemacht, für eine ausreichende Anzahl tüchtiger Handwerker in ihrer
Dienerſchaft zu ſorgen: Eiſen-, Silber-, Goldarbeiter, Schneider, Schuſter,
Böttcher, Zimmerleute, Harniſchmacher, Fiſcher, Vogelfänger, Brauer, Seifen-
ſieder, Bäcker, Netzmacher u. dgl.
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