Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.Hausirer, Tabuletkrämer, Olitätenhändler zu verstehen; cotiones Sieht man also schon unter den Merovingern und Caro- sibi poenitentiam vagantes discurrunt. Melius enim videtur, ut si ali- quid inconsuetum etc. 1) Bezeichnend ist auch die Ableitung des Wortes Bettler, von beten, bitten (bedeler, bede). 2) Die ersten Zünfte waren die der Tuchscherer und Krämer zu Ham- burg 1152 und der Gewandschneider zu Magdeburg 1153. Vgl. Ortloff, "Recht der Handwerker", S. 43. 3) Schon bei den Burgundern (Lex Burg., tit. 31, 2) und bei den
Hauſirer, Tabuletkrämer, Olitätenhändler zu verſtehen; cotiones Sieht man alſo ſchon unter den Merovingern und Caro- sibi poenitentiam vagantes discurrunt. Melius enim videtur, ut si ali- quid inconsuetum etc. 1) Bezeichnend iſt auch die Ableitung des Wortes Bettler, von beten, bitten (bedeler, bede). 2) Die erſten Zünfte waren die der Tuchſcherer und Krämer zu Ham- burg 1152 und der Gewandſchneider zu Magdeburg 1153. Vgl. Ortloff, „Recht der Handwerker“, S. 43. 3) Schon bei den Burgundern (Lex Burg., tit. 31, 2) und bei den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0060" n="44"/> Hauſirer, Tabuletkrämer, Olitätenhändler zu verſtehen; <hi rendition="#aq">cotiones</hi><lb/> iſt ziemlich daſſelbe, jedoch wird es ſchon von Plautus im verächt-<lb/> lichen Sinne und geradezu als gemeines Schimpfwort gebraucht.<lb/> Beachtenswerth iſt der ſchon hier vorkommende Vorſchub der<lb/><hi rendition="#g">kirchlichen Pönitenz</hi>, welcher von jetzt an bis zur Erſcheinung<lb/> des <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> faſt durchgehends bei allen Vaganten,<lb/> auch den Zigeunern, wie oben gezeigt iſt, als Deckmantel gaune-<lb/> riſchen Umhertreibens gebraucht wird. <note place="foot" n="1)">Bezeichnend iſt auch die Ableitung des Wortes <hi rendition="#g">Bettler</hi>, von <hi rendition="#g">beten,<lb/> bitten (bedeler, bede)</hi>.</note> Daß aber unter jenen<lb/> Hauſirern ſich auch <hi rendition="#g">Juden</hi> befunden haben, geht aus dem fünften<lb/> fränkiſchen Capitulare vom Jahre 806, <hi rendition="#aq">c. 5, De thesauris eccle-<lb/> siasticis</hi>, und <hi rendition="#aq">c. 117, lib. 1, Capit. C. M. eod. tit.</hi> hervor, wo die<lb/> Biſchöfe, Aebte und Aebtiſſinnen zur ſorgfältigſten Aufſicht auf die<lb/> Kirchenſchätze aufgefordert werden, „damit nicht gewiſſenloſe und<lb/> nachläſſige Wächter von den Edelſteinen oder Gefäßen etwas ver-<lb/> kauften; denn die jüdiſchen und andere Handelsleute thäten groß<lb/> damit, daß ſie von jenen kaufen könnten, was ihnen beliebte“.</p><lb/> <p>Sieht man alſo ſchon unter den Merovingern und Caro-<lb/> lingern das Vaganten- und Gaunerweſen ſich begründen und<lb/> ausbilden, ſo findet man unter den ſächſiſchen Kaiſern eine ſehr<lb/> große und raſche Zunahme deſſelben. Mit der Erbauung der<lb/> Städte und deren gemeinheitlicher Einrichtung ſteigerten ſich die<lb/> Lebensbedürfniſſe im gleichen Verhältniſſe wie auch die Cultur<lb/> vorwärts ging. Die Zahl der Handwerker namentlich wuchs<lb/> außerordentlich raſch in den Städten. Zünfte wurden jedoch erſt<lb/> um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet. <note place="foot" n="2)">Die erſten Zünfte waren die der Tuchſcherer und Krämer zu Ham-<lb/> burg 1152 und der Gewandſchneider zu Magdeburg 1153. Vgl. Ortloff,<lb/> „Recht der Handwerker“, S. 43.</note> Die Handwerker,<lb/> welche im 11. Jahrhundert in die Städte gezogen wurden, waren<lb/> meiſtens flüchtige Knechte <note xml:id="seg2pn_12_1" next="#seg2pn_12_2" place="foot" n="3)">Schon bei den Burgundern (<hi rendition="#aq">Lex Burg., tit.</hi> 31, 2) und bei den</note>, die dort mit der Freiheit auch mancher-<lb/><note xml:id="seg2pn_11_2" prev="#seg2pn_11_1" place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">sibi poenitentiam vagantes discurrunt. Melius enim videtur, ut si ali-<lb/> quid inconsuetum etc.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0060]
Hauſirer, Tabuletkrämer, Olitätenhändler zu verſtehen; cotiones
iſt ziemlich daſſelbe, jedoch wird es ſchon von Plautus im verächt-
lichen Sinne und geradezu als gemeines Schimpfwort gebraucht.
Beachtenswerth iſt der ſchon hier vorkommende Vorſchub der
kirchlichen Pönitenz, welcher von jetzt an bis zur Erſcheinung
des Liber Vagatorum faſt durchgehends bei allen Vaganten,
auch den Zigeunern, wie oben gezeigt iſt, als Deckmantel gaune-
riſchen Umhertreibens gebraucht wird. 1) Daß aber unter jenen
Hauſirern ſich auch Juden befunden haben, geht aus dem fünften
fränkiſchen Capitulare vom Jahre 806, c. 5, De thesauris eccle-
siasticis, und c. 117, lib. 1, Capit. C. M. eod. tit. hervor, wo die
Biſchöfe, Aebte und Aebtiſſinnen zur ſorgfältigſten Aufſicht auf die
Kirchenſchätze aufgefordert werden, „damit nicht gewiſſenloſe und
nachläſſige Wächter von den Edelſteinen oder Gefäßen etwas ver-
kauften; denn die jüdiſchen und andere Handelsleute thäten groß
damit, daß ſie von jenen kaufen könnten, was ihnen beliebte“.
Sieht man alſo ſchon unter den Merovingern und Caro-
lingern das Vaganten- und Gaunerweſen ſich begründen und
ausbilden, ſo findet man unter den ſächſiſchen Kaiſern eine ſehr
große und raſche Zunahme deſſelben. Mit der Erbauung der
Städte und deren gemeinheitlicher Einrichtung ſteigerten ſich die
Lebensbedürfniſſe im gleichen Verhältniſſe wie auch die Cultur
vorwärts ging. Die Zahl der Handwerker namentlich wuchs
außerordentlich raſch in den Städten. Zünfte wurden jedoch erſt
um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet. 2) Die Handwerker,
welche im 11. Jahrhundert in die Städte gezogen wurden, waren
meiſtens flüchtige Knechte 3), die dort mit der Freiheit auch mancher-
5)
1) Bezeichnend iſt auch die Ableitung des Wortes Bettler, von beten,
bitten (bedeler, bede).
2) Die erſten Zünfte waren die der Tuchſcherer und Krämer zu Ham-
burg 1152 und der Gewandſchneider zu Magdeburg 1153. Vgl. Ortloff,
„Recht der Handwerker“, S. 43.
3) Schon bei den Burgundern (Lex Burg., tit. 31, 2) und bei den
5) sibi poenitentiam vagantes discurrunt. Melius enim videtur, ut si ali-
quid inconsuetum etc.
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