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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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werker hervortritt. Selbst dem im Kriege besiegten und unter-
jochten Feinde wurde der Grundbesitz nicht ganz genommen, son-
dern man zwang ihn, nur einen Theil seines Landes herzugeben,
oder ließ die Besiegten sogar im ganzen Besitz und machte sie nur
zinspflichtig. 1) Der Knecht war gewissermaßen durch den
Grund und Boden, welchen er für den Herrn und für sich selbst
zu bearbeiten hatte, Eigenthum seines Herrn, sodaß er mit und
auf diesem Grund und Boden in das Eigenthum eines andern
Grundbesitzers überging. Als Unfreier und Waffenunfähiger hatte
der Knecht keinen Antheil an der Genossenschaft der Volks-
gemeinde, welche allein frei und rechtsfähig machte 2), und hatte
auch für sich selbst kein Wehrgeld und keine Buße. Diese Merk-
male unterscheiden die deutsche Knechtschaft wesentlich von der
römischen Sklaverei, in welcher der Sklave unmittelbares Eigen-
thum, veräußerliche Sache war. Bezeichnend ist noch für den
mildern Charakter der deutschen Knechtschaft, daß sie nicht allein
unfreiwillig, durch Unterjochung, Strafe und Geburt, sondern auch
freiwillig durch Niederlassung unter Unfreien, durch Ergebung und
durch Heirath entstehen konnte, und auf diese Weise häufig
gewählt wurde. 3)

Bei der Abgeschlossenheit und Solidität des durch die Knecht-
schaft keineswegs beeinträchtigten Familienlebens in den deutschen

rare servum ac vinculis et opere coercere rarum. Occidere solent, non
disciplina et severitate, sed impetu et ira, ut inimicum, nisi quod im-
pune est.
1) Vgl. Eichhorn, "Deutsche Staats- und Rechtsgeschichte" (2. Aufl.),
§. 15; Tacit. l. c. Caesar de bello Gall., lib. 1, c. 31, 32, 36; Jakob
Grimm, "Deutsche Rechtsalterthümer", S. 300. Gerade aber hierdurch wird
die Ansicht Eichhorn's, a. a. O., §. 49, widerlegt, wenn er in den Volksrechten
keine Spuren eines Unterschiedes zwischen einem Unfreien im Sinne des deut-
schen Rechts finden will. Die Ausdrücke servus und mancipium sind Be-
zeichnungen römischer Urkunden und Gesetze und willkürlich gewählt zur
Bezeichnung der verschiedenen Grade der deutschen Knechtschaft, für die Grimm,
a. a. O., S. 300 fg., zahlreiche urdeutsche Benennungen, wie manahoupit,
schalk, lite, lasse, hörig, armman, eigen
u. s. w. anführt.
2) Eichhorn, a. a. O., §. 14.
3) Grimm, S. 327.

werker hervortritt. Selbſt dem im Kriege beſiegten und unter-
jochten Feinde wurde der Grundbeſitz nicht ganz genommen, ſon-
dern man zwang ihn, nur einen Theil ſeines Landes herzugeben,
oder ließ die Beſiegten ſogar im ganzen Beſitz und machte ſie nur
zinspflichtig. 1) Der Knecht war gewiſſermaßen durch den
Grund und Boden, welchen er für den Herrn und für ſich ſelbſt
zu bearbeiten hatte, Eigenthum ſeines Herrn, ſodaß er mit und
auf dieſem Grund und Boden in das Eigenthum eines andern
Grundbeſitzers überging. Als Unfreier und Waffenunfähiger hatte
der Knecht keinen Antheil an der Genoſſenſchaft der Volks-
gemeinde, welche allein frei und rechtsfähig machte 2), und hatte
auch für ſich ſelbſt kein Wehrgeld und keine Buße. Dieſe Merk-
male unterſcheiden die deutſche Knechtſchaft weſentlich von der
römiſchen Sklaverei, in welcher der Sklave unmittelbares Eigen-
thum, veräußerliche Sache war. Bezeichnend iſt noch für den
mildern Charakter der deutſchen Knechtſchaft, daß ſie nicht allein
unfreiwillig, durch Unterjochung, Strafe und Geburt, ſondern auch
freiwillig durch Niederlaſſung unter Unfreien, durch Ergebung und
durch Heirath entſtehen konnte, und auf dieſe Weiſe häufig
gewählt wurde. 3)

Bei der Abgeſchloſſenheit und Solidität des durch die Knecht-
ſchaft keineswegs beeinträchtigten Familienlebens in den deutſchen

rare servum ac vinculis et opere coërcere rarum. Occidere solent, non
disciplina et severitate, sed impetu et ira, ut inimicum, nisi quod im-
pune est.
1) Vgl. Eichhorn, „Deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte“ (2. Aufl.),
§. 15; Tacit. l. c. Caesar de bello Gall., lib. 1, c. 31, 32, 36; Jakob
Grimm, „Deutſche Rechtsalterthümer“, S. 300. Gerade aber hierdurch wird
die Anſicht Eichhorn’s, a. a. O., §. 49, widerlegt, wenn er in den Volksrechten
keine Spuren eines Unterſchiedes zwiſchen einem Unfreien im Sinne des deut-
ſchen Rechts finden will. Die Ausdrücke servus und mancipium ſind Be-
zeichnungen römiſcher Urkunden und Geſetze und willkürlich gewählt zur
Bezeichnung der verſchiedenen Grade der deutſchen Knechtſchaft, für die Grimm,
a. a. O., S. 300 fg., zahlreiche urdeutſche Benennungen, wie manahoupit,
schalk, lite, lasse, hörig, armman, eigen
u. ſ. w. anführt.
2) Eichhorn, a. a. O., §. 14.
3) Grimm, S. 327.
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[37/0053] werker hervortritt. Selbſt dem im Kriege beſiegten und unter- jochten Feinde wurde der Grundbeſitz nicht ganz genommen, ſon- dern man zwang ihn, nur einen Theil ſeines Landes herzugeben, oder ließ die Beſiegten ſogar im ganzen Beſitz und machte ſie nur zinspflichtig. 1) Der Knecht war gewiſſermaßen durch den Grund und Boden, welchen er für den Herrn und für ſich ſelbſt zu bearbeiten hatte, Eigenthum ſeines Herrn, ſodaß er mit und auf dieſem Grund und Boden in das Eigenthum eines andern Grundbeſitzers überging. Als Unfreier und Waffenunfähiger hatte der Knecht keinen Antheil an der Genoſſenſchaft der Volks- gemeinde, welche allein frei und rechtsfähig machte 2), und hatte auch für ſich ſelbſt kein Wehrgeld und keine Buße. Dieſe Merk- male unterſcheiden die deutſche Knechtſchaft weſentlich von der römiſchen Sklaverei, in welcher der Sklave unmittelbares Eigen- thum, veräußerliche Sache war. Bezeichnend iſt noch für den mildern Charakter der deutſchen Knechtſchaft, daß ſie nicht allein unfreiwillig, durch Unterjochung, Strafe und Geburt, ſondern auch freiwillig durch Niederlaſſung unter Unfreien, durch Ergebung und durch Heirath entſtehen konnte, und auf dieſe Weiſe häufig gewählt wurde. 3) Bei der Abgeſchloſſenheit und Solidität des durch die Knecht- ſchaft keineswegs beeinträchtigten Familienlebens in den deutſchen 2) 1) Vgl. Eichhorn, „Deutſche Staats- und Rechtsgeſchichte“ (2. Aufl.), §. 15; Tacit. l. c. Caesar de bello Gall., lib. 1, c. 31, 32, 36; Jakob Grimm, „Deutſche Rechtsalterthümer“, S. 300. Gerade aber hierdurch wird die Anſicht Eichhorn’s, a. a. O., §. 49, widerlegt, wenn er in den Volksrechten keine Spuren eines Unterſchiedes zwiſchen einem Unfreien im Sinne des deut- ſchen Rechts finden will. Die Ausdrücke servus und mancipium ſind Be- zeichnungen römiſcher Urkunden und Geſetze und willkürlich gewählt zur Bezeichnung der verſchiedenen Grade der deutſchen Knechtſchaft, für die Grimm, a. a. O., S. 300 fg., zahlreiche urdeutſche Benennungen, wie manahoupit, schalk, lite, lasse, hörig, armman, eigen u. ſ. w. anführt. 2) Eichhorn, a. a. O., §. 14. 3) Grimm, S. 327. 2) rare servum ac vinculis et opere coërcere rarum. Occidere solent, non disciplina et severitate, sed impetu et ira, ut inimicum, nisi quod im- pune est.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/53>, abgerufen am 25.11.2024.