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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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eine Menge Bestimmungen in Bezug auf die Juden und ihr reli-
giöses und bürgerliches Treiben. Ueber diese Capitularien wird
später noch gesprochen werden.

Man sieht aus diesen Vorschriften, wie tief und wie schon
seit langer Zeit die Juden in das Leben und Treiben der occi-
dentalen Länder eingedrungen waren, und wie fest sie sich darin
gesetzt hatten. Diese Einbürgerung erklärt sich aber, neben der
unverwüstlichen Betriebsamkeit und Regsamkeit des jüdischen Volks,
aus der großen Begünstigung, welche den Juden überhaupt in
den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung von den
römischen Kaisern zu Theil wurde 1), wie das aus Cod. Theod.
de Judaeis L.
2 -- 9, 13, 22, 24, deutlich hervorgeht, bis der
orthodoxe christliche Eifer des Arcadius (398) in Cod. de Judaeis
et coelicolis, L.
8. 1, 8, den Juden die bisherigen Privi-
legien der Autonomie und der eigenen Civiljurisdiction nahm.
Später beschränkte Justinian die Juden noch mehr 2) und stellte sogar
die Ehe zwischen Juden und Christen dem Jncest und Ehebruch
gleich. 3) Dies war die Grundlage, auf welcher die ganze christ-
liche Geistlichkeit, trotz der anfänglichen eigennützigen Protection
der Juden von Seiten einzelner Päpste und auch der fränkischen
Könige, die Verfolgung der Juden begann, bis unter den Karo-
lingern die Juden zu Kammerknechten gemacht wurden. 4) Die
spätere jähe Begeisterung der Kreuzzüge fachte die Abneigung gegen

1) Frappant ist die Stelle bei Juvenal. Sat. 14, 19:
Nunc sacri fontes nemus et delubra locantur
Judaeis, quorum cophinus foenumque suppellex.
2) L. 18, L. 1. Cod. cit.
3) L. 6. Cod. cit. Vgl. hierzu im zweiten Theile des Decret. Grat.,
c. 28, quaest. I,
besonders c. 10--17.
4) Sehr naiv sagt der "Schwabenspiegel" (Kap. 146, §. 4): "Die Jüden
gab der Künig Titus zu eigen in des Künigs Kammer, davor sollen sy noch
des Riches Knecht sin, und er soll sy auch schirmen." Gleichnaiv sagt der
"Sachsenspiegel" (L. 3, a. 7): "Diesen Königsfrieden erwarb Josephus den
Jüden gegen dem Könige Vespasiano, da er seinen Sohn Titum gesund machete
von der Gicht."

eine Menge Beſtimmungen in Bezug auf die Juden und ihr reli-
giöſes und bürgerliches Treiben. Ueber dieſe Capitularien wird
ſpäter noch geſprochen werden.

Man ſieht aus dieſen Vorſchriften, wie tief und wie ſchon
ſeit langer Zeit die Juden in das Leben und Treiben der occi-
dentalen Länder eingedrungen waren, und wie feſt ſie ſich darin
geſetzt hatten. Dieſe Einbürgerung erklärt ſich aber, neben der
unverwüſtlichen Betriebſamkeit und Regſamkeit des jüdiſchen Volks,
aus der großen Begünſtigung, welche den Juden überhaupt in
den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung von den
römiſchen Kaiſern zu Theil wurde 1), wie das aus Cod. Theod.
de Judaeis L.
2 — 9, 13, 22, 24, deutlich hervorgeht, bis der
orthodoxe chriſtliche Eifer des Arcadius (398) in Cod. de Judaeis
et coelicolis, L.
8. 1, 8, den Juden die bisherigen Privi-
legien der Autonomie und der eigenen Civiljurisdiction nahm.
Später beſchränkte Juſtinian die Juden noch mehr 2) und ſtellte ſogar
die Ehe zwiſchen Juden und Chriſten dem Jnceſt und Ehebruch
gleich. 3) Dies war die Grundlage, auf welcher die ganze chriſt-
liche Geiſtlichkeit, trotz der anfänglichen eigennützigen Protection
der Juden von Seiten einzelner Päpſte und auch der fränkiſchen
Könige, die Verfolgung der Juden begann, bis unter den Karo-
lingern die Juden zu Kammerknechten gemacht wurden. 4) Die
ſpätere jähe Begeiſterung der Kreuzzüge fachte die Abneigung gegen

1) Frappant iſt die Stelle bei Juvenal. Sat. 14, 19:
Nunc sacri fontes nemus et delubra locantur
Judaeis, quorum cophinus foenumque suppellex.
2) L. 18, L. 1. Cod. cit.
3) L. 6. Cod. cit. Vgl. hierzu im zweiten Theile des Decret. Grat.,
c. 28, quaest. I,
beſonders c. 10—17.
4) Sehr naiv ſagt der „Schwabenſpiegel“ (Kap. 146, §. 4): „Die Jüden
gab der Künig Titus zu eigen in des Künigs Kammer, davor ſollen ſy noch
des Riches Knecht ſin, und er ſoll ſy auch ſchirmen.“ Gleichnaiv ſagt der
„Sachſenſpiegel“ (L. 3, a. 7): „Dieſen Königsfrieden erwarb Joſephus den
Jüden gegen dem Könige Vespaſiano, da er ſeinen Sohn Titum geſund machete
von der Gicht.“
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[22/0038] eine Menge Beſtimmungen in Bezug auf die Juden und ihr reli- giöſes und bürgerliches Treiben. Ueber dieſe Capitularien wird ſpäter noch geſprochen werden. Man ſieht aus dieſen Vorſchriften, wie tief und wie ſchon ſeit langer Zeit die Juden in das Leben und Treiben der occi- dentalen Länder eingedrungen waren, und wie feſt ſie ſich darin geſetzt hatten. Dieſe Einbürgerung erklärt ſich aber, neben der unverwüſtlichen Betriebſamkeit und Regſamkeit des jüdiſchen Volks, aus der großen Begünſtigung, welche den Juden überhaupt in den erſten Jahrhunderten der chriſtlichen Zeitrechnung von den römiſchen Kaiſern zu Theil wurde 1), wie das aus Cod. Theod. de Judaeis L. 2 — 9, 13, 22, 24, deutlich hervorgeht, bis der orthodoxe chriſtliche Eifer des Arcadius (398) in Cod. de Judaeis et coelicolis, L. 8. 1, 8, den Juden die bisherigen Privi- legien der Autonomie und der eigenen Civiljurisdiction nahm. Später beſchränkte Juſtinian die Juden noch mehr 2) und ſtellte ſogar die Ehe zwiſchen Juden und Chriſten dem Jnceſt und Ehebruch gleich. 3) Dies war die Grundlage, auf welcher die ganze chriſt- liche Geiſtlichkeit, trotz der anfänglichen eigennützigen Protection der Juden von Seiten einzelner Päpſte und auch der fränkiſchen Könige, die Verfolgung der Juden begann, bis unter den Karo- lingern die Juden zu Kammerknechten gemacht wurden. 4) Die ſpätere jähe Begeiſterung der Kreuzzüge fachte die Abneigung gegen 1) Frappant iſt die Stelle bei Juvenal. Sat. 14, 19: Nunc sacri fontes nemus et delubra locantur Judaeis, quorum cophinus foenumque suppellex. 2) L. 18, L. 1. Cod. cit. 3) L. 6. Cod. cit. Vgl. hierzu im zweiten Theile des Decret. Grat., c. 28, quaest. I, beſonders c. 10—17. 4) Sehr naiv ſagt der „Schwabenſpiegel“ (Kap. 146, §. 4): „Die Jüden gab der Künig Titus zu eigen in des Künigs Kammer, davor ſollen ſy noch des Riches Knecht ſin, und er ſoll ſy auch ſchirmen.“ Gleichnaiv ſagt der „Sachſenſpiegel“ (L. 3, a. 7): „Dieſen Königsfrieden erwarb Joſephus den Jüden gegen dem Könige Vespaſiano, da er ſeinen Sohn Titum geſund machete von der Gicht.“

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/38>, abgerufen am 21.11.2024.