Ueberblick ein nicht minder interessantes Bild von der Propaganda des Gaunerthums gibt, wenn auch diese Familiengruppen bei weitem nicht so zahlreich ausgebreitet sind, als die im ersten Bande dargestellten.
Stammtafeln mehrer Gaunerfamilien in der Provinz Riederhessen, nebst einem Rundschreiben an die Kurfürstlichen Kreisräthe und die Fürstlich Rotenburgischen Beamten, von dem Polizeidirector der Provinz Niederhessen, Regierungsrath F. G. Pfeiffer. Kassel 1828.
Nach dem (wie der Verfasser, S. iv des Rundschreibens vom 23. Oct. 1828, erwähnt) von den marburger "Jnter- essanten Zeichnungen berüchtigter Gauner und Spitzbuben u. s. w." (1811) sowie von Schwencken, Merker ("Mittheilungen zur Beför- derung der Sicherheitspflege", 1827, Nr. 816) und von Eberhardt gegebenen Vorbilde (welchem letztern übrigens auch schon Grol- man in seiner "Darstellung der Vogelsberger und Wetterauer Ban- den" vorgegangen ist) hat der rühmlich bekannte Verfasser auf 25 Tafeln den Stammbaum von 35 Gaunerfamilien dargestellt. Diese äußerst mühsam und sorgfältig zusammengestellten Tafeln müssen ebenso gut als geistvolle Studien zur Darstellung der Gaunerpropaganda gelten, wie auch als anerkennenswerthes Re- sultat ernstlicher Forschung und reicher Erfahrung. Freilich hatte der Verfasser Gelegenheit genug, solche Erfahrungen zu machen; denn kaum irgend ein anderer Theil Deutschlands mag von dem Hin- und Herzug der Rudimente aus den Rheinischen Banden mehr heimgesucht sein, als gerade Hessen, wo die alten Nieder- länder und Neuwieder Jtzig Muck und Mendel Polack mit ihrem Anhange, die Diemelbande, die Koch'sche und Lum- pensammlerbande, sowie die Bande des Benjamin Joseph, des Stelzner und Müller, und andere ihr Wesen bis gegen die Zeit des Verfassers hinan trieben. Leider haben diese vortreff- lichen Stammtafeln keine spätere Nachahmung gefunden, obschon solche Genealogien zur Kenntniß des gesammten Gaunerthums gerade so unentbehrlich sind wie Stein und Mörtel zu einem
Ueberblick ein nicht minder intereſſantes Bild von der Propaganda des Gaunerthums gibt, wenn auch dieſe Familiengruppen bei weitem nicht ſo zahlreich ausgebreitet ſind, als die im erſten Bande dargeſtellten.
Stammtafeln mehrer Gaunerfamilien in der Provinz Riederheſſen, nebſt einem Rundſchreiben an die Kurfürſtlichen Kreisräthe und die Fürſtlich Rotenburgiſchen Beamten, von dem Polizeidirector der Provinz Niederheſſen, Regierungsrath F. G. Pfeiffer. Kaſſel 1828.
Nach dem (wie der Verfaſſer, S. iv des Rundſchreibens vom 23. Oct. 1828, erwähnt) von den marburger „Jnter- eſſanten Zeichnungen berüchtigter Gauner und Spitzbuben u. ſ. w.“ (1811) ſowie von Schwencken, Merker („Mittheilungen zur Beför- derung der Sicherheitspflege“, 1827, Nr. 816) und von Eberhardt gegebenen Vorbilde (welchem letztern übrigens auch ſchon Grol- man in ſeiner „Darſtellung der Vogelsberger und Wetterauer Ban- den“ vorgegangen iſt) hat der rühmlich bekannte Verfaſſer auf 25 Tafeln den Stammbaum von 35 Gaunerfamilien dargeſtellt. Dieſe äußerſt mühſam und ſorgfältig zuſammengeſtellten Tafeln müſſen ebenſo gut als geiſtvolle Studien zur Darſtellung der Gaunerpropaganda gelten, wie auch als anerkennenswerthes Re- ſultat ernſtlicher Forſchung und reicher Erfahrung. Freilich hatte der Verfaſſer Gelegenheit genug, ſolche Erfahrungen zu machen; denn kaum irgend ein anderer Theil Deutſchlands mag von dem Hin- und Herzug der Rudimente aus den Rheiniſchen Banden mehr heimgeſucht ſein, als gerade Heſſen, wo die alten Nieder- länder und Neuwieder Jtzig Muck und Mendel Polack mit ihrem Anhange, die Diemelbande, die Koch’ſche und Lum- penſammlerbande, ſowie die Bande des Benjamin Joſeph, des Stelzner und Müller, und andere ihr Weſen bis gegen die Zeit des Verfaſſers hinan trieben. Leider haben dieſe vortreff- lichen Stammtafeln keine ſpätere Nachahmung gefunden, obſchon ſolche Genealogien zur Kenntniß des geſammten Gaunerthums gerade ſo unentbehrlich ſind wie Stein und Mörtel zu einem
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Ueberblick ein nicht minder intereſſantes Bild von der Propaganda
des Gaunerthums gibt, wenn auch dieſe Familiengruppen bei
weitem nicht ſo zahlreich ausgebreitet ſind, als die im erſten
Bande dargeſtellten.
Stammtafeln mehrer Gaunerfamilien in der Provinz Riederheſſen, nebſt
einem Rundſchreiben an die Kurfürſtlichen Kreisräthe und die
Fürſtlich Rotenburgiſchen Beamten, von dem Polizeidirector der
Provinz Niederheſſen, Regierungsrath F. G. Pfeiffer. Kaſſel
1828.
Nach dem (wie der Verfaſſer, S. iv des Rundſchreibens
vom 23. Oct. 1828, erwähnt) von den marburger „Jnter-
eſſanten Zeichnungen berüchtigter Gauner und Spitzbuben u. ſ. w.“
(1811) ſowie von Schwencken, Merker („Mittheilungen zur Beför-
derung der Sicherheitspflege“, 1827, Nr. 816) und von Eberhardt
gegebenen Vorbilde (welchem letztern übrigens auch ſchon Grol-
man in ſeiner „Darſtellung der Vogelsberger und Wetterauer Ban-
den“ vorgegangen iſt) hat der rühmlich bekannte Verfaſſer auf
25 Tafeln den Stammbaum von 35 Gaunerfamilien dargeſtellt.
Dieſe äußerſt mühſam und ſorgfältig zuſammengeſtellten Tafeln
müſſen ebenſo gut als geiſtvolle Studien zur Darſtellung der
Gaunerpropaganda gelten, wie auch als anerkennenswerthes Re-
ſultat ernſtlicher Forſchung und reicher Erfahrung. Freilich hatte
der Verfaſſer Gelegenheit genug, ſolche Erfahrungen zu machen;
denn kaum irgend ein anderer Theil Deutſchlands mag von dem
Hin- und Herzug der Rudimente aus den Rheiniſchen Banden
mehr heimgeſucht ſein, als gerade Heſſen, wo die alten Nieder-
länder und Neuwieder Jtzig Muck und Mendel Polack mit
ihrem Anhange, die Diemelbande, die Koch’ſche und Lum-
penſammlerbande, ſowie die Bande des Benjamin Joſeph,
des Stelzner und Müller, und andere ihr Weſen bis gegen
die Zeit des Verfaſſers hinan trieben. Leider haben dieſe vortreff-
lichen Stammtafeln keine ſpätere Nachahmung gefunden, obſchon
ſolche Genealogien zur Kenntniß des geſammten Gaunerthums
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/279>, abgerufen am 16.07.2024.
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