lied überliefert. Der Liber Vagatorum hat Cap. 13 die einzige überaus dürre Redensart
Welcher Breger kein Erlatin hat Die nicht foppen und ferben gat Eundem erschlagen sie mit eim schuch!
Das ist die einzige originelle poetische Gaunertradition aus jener Zeit, zu welcher doch die ganze deutsche Volksliteratur in die Volkspoesie überzugehen drohte. Trotzdem Hoffmann von Fallers- leben, a. a. O., S. 69, bei Einführung der Knebel'schen Hand- schrift, die Einleitung "als hübsche und willkommene Zugabe" wiedergibt, mit welcher Dr. Heinrich Schreiber, S. 330, in seinem Taschenbuch 1), die "Baseler Rathsbekanntmachung" nach Johan- nes Knebel einführt, trotzdem kann der aufmerksam in das da- malige Volksleben blickende Historiker nicht sagen, "daß sich die Poesie damals schon längst von dem Adel, Bürger und sogar von den Musensöhnen gewandt und sich an die Bettler und Landstreicher gehalten habe". Schon die trockene Thatsache, daß es keine Ge- dichte aus jener Zeit gibt, daß Gengenbach's Poesie, in seinem Liber Vagatorum und in seiner "Gouchmat" unbeachtet dahinstarb, daß bis zu Moscherosch kaum ein poetischer Versuch gewagt wurde und daß die späteren äußerst sparsamen Versuche entschieden keine aus dem Gaunerthum hervorgegangene, sondern dem Gaunerthum an- gedichtete und höchstens von ihm aufgenommene Poesien sind, bei denen es wesentlich galt, gaunerische Terminologien in poetischer Form zu geben, um in dieser Weise die Poesie in das Gauner- thum einzuschwärzen: Alles dies beweist zur Genüge das starre kalte Elend des Gaunerthums und daß Gaunerthum und Poesie in ihrem Wesen so wenig zusammenpassen wie eine musikalische Composition etwa für die peinliche Halsgerichtsordnung!
Jn jener Weise ist das Gedicht: "Vf die löbliche Gesell- schafft Moselsar", welches Moscherosch, II, 661 u. 662, seiner Gesichte ausdrücklich als "seinen der Lobwerthen Gesellschaft zu
1) "Taschenbuch für Geschichte und Alterthum in Süddeutschland" (Frei- burg im Breisgau 1839).
lied überliefert. Der Liber Vagatorum hat Cap. 13 die einzige überaus dürre Redensart
Welcher Breger kein Erlatin hat Die nicht foppen und ferben gat Eundem erſchlagen ſie mit eim ſchuch!
Das iſt die einzige originelle poetiſche Gaunertradition aus jener Zeit, zu welcher doch die ganze deutſche Volksliteratur in die Volkspoeſie überzugehen drohte. Trotzdem Hoffmann von Fallers- leben, a. a. O., S. 69, bei Einführung der Knebel’ſchen Hand- ſchrift, die Einleitung „als hübſche und willkommene Zugabe“ wiedergibt, mit welcher Dr. Heinrich Schreiber, S. 330, in ſeinem Taſchenbuch 1), die „Baſeler Rathsbekanntmachung“ nach Johan- nes Knebel einführt, trotzdem kann der aufmerkſam in das da- malige Volksleben blickende Hiſtoriker nicht ſagen, „daß ſich die Poeſie damals ſchon längſt von dem Adel, Bürger und ſogar von den Muſenſöhnen gewandt und ſich an die Bettler und Landſtreicher gehalten habe“. Schon die trockene Thatſache, daß es keine Ge- dichte aus jener Zeit gibt, daß Gengenbach’s Poeſie, in ſeinem Liber Vagatorum und in ſeiner „Gouchmat“ unbeachtet dahinſtarb, daß bis zu Moſcheroſch kaum ein poetiſcher Verſuch gewagt wurde und daß die ſpäteren äußerſt ſparſamen Verſuche entſchieden keine aus dem Gaunerthum hervorgegangene, ſondern dem Gaunerthum an- gedichtete und höchſtens von ihm aufgenommene Poeſien ſind, bei denen es weſentlich galt, gauneriſche Terminologien in poetiſcher Form zu geben, um in dieſer Weiſe die Poeſie in das Gauner- thum einzuſchwärzen: Alles dies beweiſt zur Genüge das ſtarre kalte Elend des Gaunerthums und daß Gaunerthum und Poeſie in ihrem Weſen ſo wenig zuſammenpaſſen wie eine muſikaliſche Compoſition etwa für die peinliche Halsgerichtsordnung!
Jn jener Weiſe iſt das Gedicht: „Vf die löbliche Geſell- ſchafft Moſelſar“, welches Moſcheroſch, II, 661 u. 662, ſeiner Geſichte ausdrücklich als „ſeinen der Lobwerthen Geſellſchaft zu
1) „Taſchenbuch für Geſchichte und Alterthum in Süddeutſchland“ (Frei- burg im Breisgau 1839).
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0224"n="208"/>
lied überliefert. Der <hirendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> hat Cap. 13 die einzige<lb/>
überaus dürre Redensart</p><lb/><lgtype="poem"><l>Welcher Breger kein Erlatin hat</l><lb/><l>Die nicht foppen und ferben gat</l><lb/><l><hirendition="#aq">Eundem</hi> erſchlagen ſie mit eim ſchuch!</l></lg><lb/><p>Das iſt die einzige originelle poetiſche Gaunertradition aus<lb/>
jener Zeit, zu welcher doch die ganze deutſche Volksliteratur in die<lb/>
Volkspoeſie überzugehen drohte. Trotzdem Hoffmann von Fallers-<lb/>
leben, a. a. O., S. 69, bei Einführung der Knebel’ſchen Hand-<lb/>ſchrift, die Einleitung „als hübſche und willkommene Zugabe“<lb/>
wiedergibt, mit welcher <hirendition="#aq">Dr.</hi> Heinrich Schreiber, S. 330, in ſeinem<lb/>
Taſchenbuch <noteplace="foot"n="1)">„Taſchenbuch für Geſchichte und Alterthum in Süddeutſchland“ (Frei-<lb/>
burg im Breisgau 1839).</note>, die „Baſeler Rathsbekanntmachung“ nach Johan-<lb/>
nes Knebel einführt, trotzdem kann der aufmerkſam in das da-<lb/>
malige Volksleben blickende Hiſtoriker nicht ſagen, „daß ſich die<lb/>
Poeſie damals ſchon längſt von dem Adel, Bürger und ſogar von<lb/>
den Muſenſöhnen gewandt und ſich an die Bettler und Landſtreicher<lb/>
gehalten habe“. Schon die trockene Thatſache, daß es keine Ge-<lb/>
dichte aus jener Zeit gibt, daß Gengenbach’s Poeſie, in ſeinem<lb/><hirendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> und in ſeiner „Gouchmat“ unbeachtet dahinſtarb,<lb/>
daß bis zu Moſcheroſch kaum ein poetiſcher Verſuch gewagt wurde<lb/>
und daß die ſpäteren äußerſt ſparſamen Verſuche entſchieden keine aus<lb/>
dem Gaunerthum hervorgegangene, ſondern dem Gaunerthum <hirendition="#g">an-<lb/>
gedichtete</hi> und höchſtens von ihm <hirendition="#g">aufgenommene</hi> Poeſien ſind,<lb/>
bei denen es weſentlich galt, gauneriſche Terminologien in poetiſcher<lb/>
Form zu geben, um in dieſer Weiſe die Poeſie in das Gauner-<lb/>
thum einzuſchwärzen: Alles dies beweiſt zur Genüge das ſtarre<lb/>
kalte Elend des Gaunerthums und daß Gaunerthum und Poeſie<lb/>
in ihrem Weſen ſo wenig zuſammenpaſſen wie eine muſikaliſche<lb/>
Compoſition etwa für die peinliche Halsgerichtsordnung!</p><lb/><p>Jn jener Weiſe iſt das Gedicht: „Vf die löbliche Geſell-<lb/>ſchafft Moſelſar“, welches Moſcheroſch, <hirendition="#aq">II,</hi> 661 u. 662, ſeiner<lb/>
Geſichte ausdrücklich als „ſeinen der Lobwerthen Geſellſchaft zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[208/0224]
lied überliefert. Der Liber Vagatorum hat Cap. 13 die einzige
überaus dürre Redensart
Welcher Breger kein Erlatin hat
Die nicht foppen und ferben gat
Eundem erſchlagen ſie mit eim ſchuch!
Das iſt die einzige originelle poetiſche Gaunertradition aus
jener Zeit, zu welcher doch die ganze deutſche Volksliteratur in die
Volkspoeſie überzugehen drohte. Trotzdem Hoffmann von Fallers-
leben, a. a. O., S. 69, bei Einführung der Knebel’ſchen Hand-
ſchrift, die Einleitung „als hübſche und willkommene Zugabe“
wiedergibt, mit welcher Dr. Heinrich Schreiber, S. 330, in ſeinem
Taſchenbuch 1), die „Baſeler Rathsbekanntmachung“ nach Johan-
nes Knebel einführt, trotzdem kann der aufmerkſam in das da-
malige Volksleben blickende Hiſtoriker nicht ſagen, „daß ſich die
Poeſie damals ſchon längſt von dem Adel, Bürger und ſogar von
den Muſenſöhnen gewandt und ſich an die Bettler und Landſtreicher
gehalten habe“. Schon die trockene Thatſache, daß es keine Ge-
dichte aus jener Zeit gibt, daß Gengenbach’s Poeſie, in ſeinem
Liber Vagatorum und in ſeiner „Gouchmat“ unbeachtet dahinſtarb,
daß bis zu Moſcheroſch kaum ein poetiſcher Verſuch gewagt wurde
und daß die ſpäteren äußerſt ſparſamen Verſuche entſchieden keine aus
dem Gaunerthum hervorgegangene, ſondern dem Gaunerthum an-
gedichtete und höchſtens von ihm aufgenommene Poeſien ſind,
bei denen es weſentlich galt, gauneriſche Terminologien in poetiſcher
Form zu geben, um in dieſer Weiſe die Poeſie in das Gauner-
thum einzuſchwärzen: Alles dies beweiſt zur Genüge das ſtarre
kalte Elend des Gaunerthums und daß Gaunerthum und Poeſie
in ihrem Weſen ſo wenig zuſammenpaſſen wie eine muſikaliſche
Compoſition etwa für die peinliche Halsgerichtsordnung!
Jn jener Weiſe iſt das Gedicht: „Vf die löbliche Geſell-
ſchafft Moſelſar“, welches Moſcheroſch, II, 661 u. 662, ſeiner
Geſichte ausdrücklich als „ſeinen der Lobwerthen Geſellſchaft zu
1) „Taſchenbuch für Geſchichte und Alterthum in Süddeutſchland“ (Frei-
burg im Breisgau 1839).
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/224>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.