Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

den unmittelbaren scharfen Zusatz Luther's: "Aber itzt ists auch
aus mit yhn" 1); ebenso aber auch einige Verschlechterungen des
Urtextes, wie z. B. Kap. 6, "von den Kammesierern", Zeile 17,
wo Luther mit dem (hebräischen) Gaunerwort "sonebeth", das
schon an und für sich ein Bordell bedeutet, das Wort "bos"
(Haus) verbindet und das ungeheuerliche Wort "sonebethbos"
daraus macht, ein Fehler, welcher in keiner frühern Ausgabe des
Liber Vagatorum vorkommt, wol aber in alle nach Luther's Aus-
gabe veranstaltete übergegangen ist und deren Benutzung kenn-
zeichnet. Jm "Vocabular" sind, wie im Lieber Vagatorum (oben
Nr. 2) der Fall ist, unter dem Buchstaben H die vierzehn Vo-
cabeln durcheinander eingeschoben, welche unter G gehören, ein
Umstand, der namentlich in Hinblick auf das gleiche Motto
"Nichts on vrsach" schließen läßt, daß Luther den Text des
Lieber Vagatorum, oder dessen baseler Vorgänger, seiner Ausgabe
zu Grunde gelegt hat. 2)

Darf man die Luther'sche Ausgabe keineswegs für die cor-
recteste halten, so ist doch die Aufmerksamkeit, welche er dem Buche
geschenkt hat, und vor allem seine treffliche Vorrede ein lebendiges
Zeugniß von dem großen Werth, den auch er diesem Buche bei-
gelegt hat. Die Vorrede lautet:

"Dis büchlin von der Betler büberey, hat zuvor einer lassen
ym druck ausgehen, der sich nennet, Expertum in truffis, das
ist, ein recht erfarner gesell ynn büberey, Welchs auch dis büchlin
wol beweiset, ob er sich gleich nicht also genennet hette. Jch habs
aber für gut angesehen, das solch büchlin nicht alleine am tage
bliebe, sondern auch fast vberall gemein wurde, damit man doch
sehe und greiffe, wie der teuffel so gewaltig ynn der welt regiere,

1) Dieser Zusatz ist ohne weiteres in die eislebener, lübecker und in die
Ausgabe von 1616 übergegangen, welche letztere dazu noch den parenthesirten
Zusatz hat: "Dann sie eben so wol die Leute betrogen haben, vnd verführet
dazu in grewliche Jrrthumb."
2) Exemplare dieser Ausgaben befinden sich in den Bibliotheken zu Wol-
fenbüttel und in der Kirchenbibliothek zu Arnstadt. Vgl. Dr. Martin Luther's
"Sämmtliche Werke" (Frankfurt a. M. und Erlangen 1854), LXIII, 269.

den unmittelbaren ſcharfen Zuſatz Luther’s: „Aber itzt iſts auch
aus mit yhn“ 1); ebenſo aber auch einige Verſchlechterungen des
Urtextes, wie z. B. Kap. 6, „von den Kammeſierern“, Zeile 17,
wo Luther mit dem (hebräiſchen) Gaunerwort „ſonebeth“, das
ſchon an und für ſich ein Bordell bedeutet, das Wort „bos“
(Haus) verbindet und das ungeheuerliche Wort „ſonebethbos“
daraus macht, ein Fehler, welcher in keiner frühern Ausgabe des
Liber Vagatorum vorkommt, wol aber in alle nach Luther’s Aus-
gabe veranſtaltete übergegangen iſt und deren Benutzung kenn-
zeichnet. Jm „Vocabular“ ſind, wie im Lieber Vagatorum (oben
Nr. 2) der Fall iſt, unter dem Buchſtaben H die vierzehn Vo-
cabeln durcheinander eingeſchoben, welche unter G gehören, ein
Umſtand, der namentlich in Hinblick auf das gleiche Motto
„Nichts on vrſach“ ſchließen läßt, daß Luther den Text des
Lieber Vagatorum, oder deſſen baſeler Vorgänger, ſeiner Ausgabe
zu Grunde gelegt hat. 2)

Darf man die Luther’ſche Ausgabe keineswegs für die cor-
recteſte halten, ſo iſt doch die Aufmerkſamkeit, welche er dem Buche
geſchenkt hat, und vor allem ſeine treffliche Vorrede ein lebendiges
Zeugniß von dem großen Werth, den auch er dieſem Buche bei-
gelegt hat. Die Vorrede lautet:

„Dis büchlin von der Betler büberey, hat zuvor einer laſſen
ym druck ausgehen, der ſich nennet, Expertum in truffis, das
iſt, ein recht erfarner geſell ynn büberey, Welchs auch dis büchlin
wol beweiſet, ob er ſich gleich nicht alſo genennet hette. Jch habs
aber für gut angeſehen, das ſolch büchlin nicht alleine am tage
bliebe, ſondern auch faſt vberall gemein wurde, damit man doch
ſehe und greiffe, wie der teuffel ſo gewaltig ynn der welt regiere,

1) Dieſer Zuſatz iſt ohne weiteres in die eislebener, lübecker und in die
Ausgabe von 1616 übergegangen, welche letztere dazu noch den parentheſirten
Zuſatz hat: „Dann ſie eben ſo wol die Leute betrogen haben, vnd verführet
dazu in grewliche Jrrthumb.“
2) Exemplare dieſer Ausgaben befinden ſich in den Bibliotheken zu Wol-
fenbüttel und in der Kirchenbibliothek zu Arnſtadt. Vgl. Dr. Martin Luther’s
„Sämmtliche Werke“ (Frankfurt a. M. und Erlangen 1854), LXIII, 269.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0166" n="150"/>
den unmittelbaren &#x017F;charfen Zu&#x017F;atz Luther&#x2019;s: &#x201E;Aber itzt i&#x017F;ts auch<lb/>
aus mit yhn&#x201C; <note place="foot" n="1)">Die&#x017F;er Zu&#x017F;atz i&#x017F;t ohne weiteres in die eislebener, lübecker und in die<lb/>
Ausgabe von 1616 übergegangen, welche letztere dazu noch den parenthe&#x017F;irten<lb/>
Zu&#x017F;atz hat: &#x201E;Dann &#x017F;ie eben &#x017F;o wol die Leute betrogen haben, vnd verführet<lb/>
dazu in grewliche Jrrthumb.&#x201C;</note>; eben&#x017F;o aber auch einige Ver&#x017F;chlechterungen des<lb/>
Urtextes, wie z. B. Kap. 6, &#x201E;von den Kamme&#x017F;ierern&#x201C;, Zeile 17,<lb/>
wo Luther mit dem (hebräi&#x017F;chen) Gaunerwort &#x201E;&#x017F;onebeth&#x201C;, das<lb/>
&#x017F;chon an und für &#x017F;ich ein Bordell bedeutet, das Wort &#x201E;bos&#x201C;<lb/>
(Haus) verbindet und das ungeheuerliche Wort &#x201E;&#x017F;onebethbos&#x201C;<lb/>
daraus macht, ein Fehler, welcher in keiner frühern Ausgabe des<lb/><hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> vorkommt, wol aber in alle nach Luther&#x2019;s Aus-<lb/>
gabe veran&#x017F;taltete übergegangen i&#x017F;t und deren Benutzung kenn-<lb/>
zeichnet. Jm &#x201E;Vocabular&#x201C; &#x017F;ind, wie im <hi rendition="#aq">Lieber Vagatorum</hi> (oben<lb/>
Nr. 2) der Fall i&#x017F;t, unter dem Buch&#x017F;taben H die vierzehn Vo-<lb/>
cabeln durcheinander einge&#x017F;choben, welche unter G gehören, ein<lb/>
Um&#x017F;tand, der namentlich in Hinblick auf das gleiche Motto<lb/>
&#x201E;Nichts on vr&#x017F;ach&#x201C; &#x017F;chließen läßt, daß Luther den Text des<lb/><hi rendition="#aq">Lieber Vagatorum</hi>, oder de&#x017F;&#x017F;en ba&#x017F;eler Vorgänger, &#x017F;einer Ausgabe<lb/>
zu Grunde gelegt hat. <note place="foot" n="2)">Exemplare die&#x017F;er Ausgaben befinden &#x017F;ich in den Bibliotheken zu Wol-<lb/>
fenbüttel und in der Kirchenbibliothek zu Arn&#x017F;tadt. Vgl. <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Martin Luther&#x2019;s<lb/>
&#x201E;Sämmtliche Werke&#x201C; (Frankfurt a. M. und Erlangen 1854), <hi rendition="#aq">LXIII</hi>, 269.</note></p><lb/>
          <p>Darf man die Luther&#x2019;&#x017F;che Ausgabe keineswegs für die cor-<lb/>
recte&#x017F;te halten, &#x017F;o i&#x017F;t doch die Aufmerk&#x017F;amkeit, welche er dem Buche<lb/>
ge&#x017F;chenkt hat, und vor allem &#x017F;eine treffliche Vorrede ein lebendiges<lb/>
Zeugniß von dem großen Werth, den auch er die&#x017F;em Buche bei-<lb/>
gelegt hat. Die Vorrede lautet:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Dis büchlin von der Betler büberey, hat zuvor einer la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ym druck ausgehen, der &#x017F;ich nennet, Expertum in truffis, das<lb/>
i&#x017F;t, ein recht erfarner ge&#x017F;ell ynn büberey, Welchs auch dis büchlin<lb/>
wol bewei&#x017F;et, ob er &#x017F;ich gleich nicht al&#x017F;o genennet hette. Jch habs<lb/>
aber für gut ange&#x017F;ehen, das &#x017F;olch büchlin nicht alleine am tage<lb/>
bliebe, &#x017F;ondern auch fa&#x017F;t vberall gemein wurde, damit man doch<lb/>
&#x017F;ehe und greiffe, wie der teuffel &#x017F;o gewaltig ynn der welt regiere,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0166] den unmittelbaren ſcharfen Zuſatz Luther’s: „Aber itzt iſts auch aus mit yhn“ 1); ebenſo aber auch einige Verſchlechterungen des Urtextes, wie z. B. Kap. 6, „von den Kammeſierern“, Zeile 17, wo Luther mit dem (hebräiſchen) Gaunerwort „ſonebeth“, das ſchon an und für ſich ein Bordell bedeutet, das Wort „bos“ (Haus) verbindet und das ungeheuerliche Wort „ſonebethbos“ daraus macht, ein Fehler, welcher in keiner frühern Ausgabe des Liber Vagatorum vorkommt, wol aber in alle nach Luther’s Aus- gabe veranſtaltete übergegangen iſt und deren Benutzung kenn- zeichnet. Jm „Vocabular“ ſind, wie im Lieber Vagatorum (oben Nr. 2) der Fall iſt, unter dem Buchſtaben H die vierzehn Vo- cabeln durcheinander eingeſchoben, welche unter G gehören, ein Umſtand, der namentlich in Hinblick auf das gleiche Motto „Nichts on vrſach“ ſchließen läßt, daß Luther den Text des Lieber Vagatorum, oder deſſen baſeler Vorgänger, ſeiner Ausgabe zu Grunde gelegt hat. 2) Darf man die Luther’ſche Ausgabe keineswegs für die cor- recteſte halten, ſo iſt doch die Aufmerkſamkeit, welche er dem Buche geſchenkt hat, und vor allem ſeine treffliche Vorrede ein lebendiges Zeugniß von dem großen Werth, den auch er dieſem Buche bei- gelegt hat. Die Vorrede lautet: „Dis büchlin von der Betler büberey, hat zuvor einer laſſen ym druck ausgehen, der ſich nennet, Expertum in truffis, das iſt, ein recht erfarner geſell ynn büberey, Welchs auch dis büchlin wol beweiſet, ob er ſich gleich nicht alſo genennet hette. Jch habs aber für gut angeſehen, das ſolch büchlin nicht alleine am tage bliebe, ſondern auch faſt vberall gemein wurde, damit man doch ſehe und greiffe, wie der teuffel ſo gewaltig ynn der welt regiere, 1) Dieſer Zuſatz iſt ohne weiteres in die eislebener, lübecker und in die Ausgabe von 1616 übergegangen, welche letztere dazu noch den parentheſirten Zuſatz hat: „Dann ſie eben ſo wol die Leute betrogen haben, vnd verführet dazu in grewliche Jrrthumb.“ 2) Exemplare dieſer Ausgaben befinden ſich in den Bibliotheken zu Wol- fenbüttel und in der Kirchenbibliothek zu Arnſtadt. Vgl. Dr. Martin Luther’s „Sämmtliche Werke“ (Frankfurt a. M. und Erlangen 1854), LXIII, 269.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/166
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/166>, abgerufen am 18.12.2024.