Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.Anlaß zu einer Menge ähnlicher poetischer und prosaischer Volks- Anlaß zu einer Menge ähnlicher poetiſcher und proſaiſcher Volks- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0153" n="137"/> Anlaß zu einer Menge ähnlicher poetiſcher und proſaiſcher Volks-<lb/> ſchriften, unter denen der unmittelbar nach dem „Narrenſchiff“ in<lb/> dem Zeitraum von 1494—99 zuerſt erſchienene <hi rendition="#aq">Liber Vaga-<lb/> torum</hi>, welcher die baſeler Bekanntmachung vollſtändig zu Grunde<lb/> legte, ſyſtematiſch redigirte und mit Zuſätzen und Exempeln ſowie<lb/> mit einem alphabetiſch geordneten Vocabular verſah, ſich vor<lb/> allem auszeichnet und daher die vollſte Aufmerkſamkeit verdient. Lei-<lb/> der iſt dieſe aber dem <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> von Anfang an nicht ge-<lb/> worden, ſo ſehr auch die Theologen des 16. Jahrhunderts ſeine<lb/> Bedeutſamkeit erkannt und das Buch begünſtigt haben. Bei ſeinem<lb/> hohen ſittlichen Ernſt, bei ſeiner klaren Objectivität, mit welcher<lb/> es den Betrug in den verſchiedenartigſten Formen darlegt, und<lb/> ſich bemüht, das bürgerliche Leben und gerade auch das Haus<lb/> vor dem Eindringen des Betrugs zu ſchützen, hat das Buch<lb/> geradezu den Weg zu einer geſunden deutſch-eigenthümlichen Polizei<lb/> gezeigt, und hätte die Grundlage zu dieſer deutſchen Polizei werden<lb/> und eine analoge Bedeutſamkeit für die Polizei, wie die Peinliche<lb/> Halsgerichtsordnung für die Criminalrechtspflege, finden müſſen,<lb/> ſobald die Polizei jener Zeiten nur beſſere Notiz davon genom-<lb/> men hätte. Leider iſt das nicht geſchehen, und auch ſelbſt bei dem<lb/> herrlichen wiſſenſchaftlichen Streben der neuern Zeit iſt der <hi rendition="#aq">Liber<lb/> Vagatorum</hi> noch nicht genügend beachtet, bei der neueſten Wie-<lb/> dereinführung durch Hoffmann von Fallersleben und Karl Gödeke<lb/> aber, namentlich von letzterm, in mehrfacher Weiſe irrthümlich<lb/> beurtheilt worden. Vulcanius im angeführten Werke, „<hi rendition="#aq">De lingua<lb/> Getarum</hi>“, ſagt S. 106, es exiſtire ein „<hi rendition="#aq">libellus Teutonica<lb/> lingua ante annos quinquaginta</hi> (Vulcanius ſchrieb 1597) <hi rendition="#aq">con-<lb/> scriptus, qui errones hosce in XXVIII classes sive sectas<lb/> distribuit</hi>“, womit er offenbar den <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi> meint, den<lb/> er jedoch, wie er überall verräth, nicht ſelbſt gekannt hat. Jobus<lb/> Ludolfus (Leut-holff <hi rendition="#aq">dictus</hi>) in ſeinen „<hi rendition="#aq">Commentationes ad historiam<lb/> Aethiopicam</hi>“ (Frankfurt a. M. 1691), S. 215, unterſcheidet von<lb/> den Zigeunern die „<hi rendition="#aq">ratio et sermo nebulonum mendicantium — —<lb/> Ista (vocabula) congesta sunt in libellum, cui titulus</hi>“ vom<lb/> „Barlen der Wanderſchaft“, und führt hierauf den Titel der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0153]
Anlaß zu einer Menge ähnlicher poetiſcher und proſaiſcher Volks-
ſchriften, unter denen der unmittelbar nach dem „Narrenſchiff“ in
dem Zeitraum von 1494—99 zuerſt erſchienene Liber Vaga-
torum, welcher die baſeler Bekanntmachung vollſtändig zu Grunde
legte, ſyſtematiſch redigirte und mit Zuſätzen und Exempeln ſowie
mit einem alphabetiſch geordneten Vocabular verſah, ſich vor
allem auszeichnet und daher die vollſte Aufmerkſamkeit verdient. Lei-
der iſt dieſe aber dem Liber Vagatorum von Anfang an nicht ge-
worden, ſo ſehr auch die Theologen des 16. Jahrhunderts ſeine
Bedeutſamkeit erkannt und das Buch begünſtigt haben. Bei ſeinem
hohen ſittlichen Ernſt, bei ſeiner klaren Objectivität, mit welcher
es den Betrug in den verſchiedenartigſten Formen darlegt, und
ſich bemüht, das bürgerliche Leben und gerade auch das Haus
vor dem Eindringen des Betrugs zu ſchützen, hat das Buch
geradezu den Weg zu einer geſunden deutſch-eigenthümlichen Polizei
gezeigt, und hätte die Grundlage zu dieſer deutſchen Polizei werden
und eine analoge Bedeutſamkeit für die Polizei, wie die Peinliche
Halsgerichtsordnung für die Criminalrechtspflege, finden müſſen,
ſobald die Polizei jener Zeiten nur beſſere Notiz davon genom-
men hätte. Leider iſt das nicht geſchehen, und auch ſelbſt bei dem
herrlichen wiſſenſchaftlichen Streben der neuern Zeit iſt der Liber
Vagatorum noch nicht genügend beachtet, bei der neueſten Wie-
dereinführung durch Hoffmann von Fallersleben und Karl Gödeke
aber, namentlich von letzterm, in mehrfacher Weiſe irrthümlich
beurtheilt worden. Vulcanius im angeführten Werke, „De lingua
Getarum“, ſagt S. 106, es exiſtire ein „libellus Teutonica
lingua ante annos quinquaginta (Vulcanius ſchrieb 1597) con-
scriptus, qui errones hosce in XXVIII classes sive sectas
distribuit“, womit er offenbar den Liber Vagatorum meint, den
er jedoch, wie er überall verräth, nicht ſelbſt gekannt hat. Jobus
Ludolfus (Leut-holff dictus) in ſeinen „Commentationes ad historiam
Aethiopicam“ (Frankfurt a. M. 1691), S. 215, unterſcheidet von
den Zigeunern die „ratio et sermo nebulonum mendicantium — —
Ista (vocabula) congesta sunt in libellum, cui titulus“ vom
„Barlen der Wanderſchaft“, und führt hierauf den Titel der
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