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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

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nur bis auf kleine schreibartliche Abweichungen völlig mit dem
Brückner'schen übereinstimmend ist, so läßt sich annehmen, daß
beide aus derselben Quelle geschöpft haben, und daß Brückner,
welcher Archivar zu Basel und ein sehr gewissenhafter und zuver-
lässiger Geschichtsforscher war, das ihm so nahe gegebene Kne-
bel'sche Manuscript als unzuverlässig und incorrect verschmähte
und eine zuverlässigere Quelle wählte. Die baseler Rathsprotokolle
selbst reichen nicht so weit hinauf. Gewöhnlich pflegten alle Pu-
blicationen des baseler Raths, welche nach der alten Kanzleisprache
Mandate genannt wurden und fast niemals ein Datum hatten,
den funfzehn Zünften schriftlich mitgetheilt zu werden. Die Zünfte
existiren noch und haben auch noch jetzt, wenigstens zum Theil,
ihre eigenen Archive. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Brückner
aus einem solchen Zunftarchiv die Bekanntmachung abdrucken
ließ, und in gleicher Weise mag auch Ebener aus einem solchen Ar-
chiv geschöpft haben.

Johannes Knebel ist aber überhaupt eine nicht zuverlässige
Quelle. Er war auf alle Stadtgeschichten äußerst erpicht und trug
in seinen Annalen alles, was er hörte und sah, bunt durcheinander
zusammen, wobei er, wie ja auch der Abdruck bei Schreiber zeigt,
sehr incorrect schrieb, und namentlich in jener Bekanntmachung
viele Wörter bis zur Unkenntlichkeit verunstaltete. Jenes Mandat
mag ihm zufällig unter dem Jahre 1475 bekannt geworden sein.
Er leitet es mit den bei Brückner und Heumann fehlen-
den
Worten ein: "Zu den Zeiten giengent vil Buben im Land
umb, und mürten vil Lüten. Deren wurden etlich gefangen, die
seitend Unterscheid der Buben, und wenn sy zusammen komend
wie sy hießent, gabend sy in Rotwelsch für, als hie noch stat."
Daraus läßt sich jedoch schwerlich folgern, daß um das Jahr 1475
zu Basel mit eingefangenen Geilern und Blinden, wie Hoffmann,
a. a. O., S. 65 sagt, Verhöre angestellt seien. 1) Auch ergibt
sich aus den jetzigen Nachforschungen in den baseler Archiven, daß

1) Vgl. auch Hoffmann von Fallersleben im "Weimarschen Jahrbuch",
Bd. 1, Heft 2, 1854, S. 332.

nur bis auf kleine ſchreibartliche Abweichungen völlig mit dem
Brückner’ſchen übereinſtimmend iſt, ſo läßt ſich annehmen, daß
beide aus derſelben Quelle geſchöpft haben, und daß Brückner,
welcher Archivar zu Baſel und ein ſehr gewiſſenhafter und zuver-
läſſiger Geſchichtsforſcher war, das ihm ſo nahe gegebene Kne-
bel’ſche Manuſcript als unzuverläſſig und incorrect verſchmähte
und eine zuverläſſigere Quelle wählte. Die baſeler Rathsprotokolle
ſelbſt reichen nicht ſo weit hinauf. Gewöhnlich pflegten alle Pu-
blicationen des baſeler Raths, welche nach der alten Kanzleiſprache
Mandate genannt wurden und faſt niemals ein Datum hatten,
den funfzehn Zünften ſchriftlich mitgetheilt zu werden. Die Zünfte
exiſtiren noch und haben auch noch jetzt, wenigſtens zum Theil,
ihre eigenen Archive. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß Brückner
aus einem ſolchen Zunftarchiv die Bekanntmachung abdrucken
ließ, und in gleicher Weiſe mag auch Ebener aus einem ſolchen Ar-
chiv geſchöpft haben.

Johannes Knebel iſt aber überhaupt eine nicht zuverläſſige
Quelle. Er war auf alle Stadtgeſchichten äußerſt erpicht und trug
in ſeinen Annalen alles, was er hörte und ſah, bunt durcheinander
zuſammen, wobei er, wie ja auch der Abdruck bei Schreiber zeigt,
ſehr incorrect ſchrieb, und namentlich in jener Bekanntmachung
viele Wörter bis zur Unkenntlichkeit verunſtaltete. Jenes Mandat
mag ihm zufällig unter dem Jahre 1475 bekannt geworden ſein.
Er leitet es mit den bei Brückner und Heumann fehlen-
den
Worten ein: „Zu den Zeiten giengent vil Buben im Land
umb, und mürten vil Lüten. Deren wurden etlich gefangen, die
ſeitend Unterſcheid der Buben, und wenn ſy zuſammen komend
wie ſy hießent, gabend ſy in Rotwelſch für, als hie noch ſtat.“
Daraus läßt ſich jedoch ſchwerlich folgern, daß um das Jahr 1475
zu Baſel mit eingefangenen Geilern und Blinden, wie Hoffmann,
a. a. O., S. 65 ſagt, Verhöre angeſtellt ſeien. 1) Auch ergibt
ſich aus den jetzigen Nachforſchungen in den baſeler Archiven, daß

1) Vgl. auch Hoffmann von Fallersleben im „Weimarſchen Jahrbuch“,
Bd. 1, Heft 2, 1854, S. 332.
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[124/0140] nur bis auf kleine ſchreibartliche Abweichungen völlig mit dem Brückner’ſchen übereinſtimmend iſt, ſo läßt ſich annehmen, daß beide aus derſelben Quelle geſchöpft haben, und daß Brückner, welcher Archivar zu Baſel und ein ſehr gewiſſenhafter und zuver- läſſiger Geſchichtsforſcher war, das ihm ſo nahe gegebene Kne- bel’ſche Manuſcript als unzuverläſſig und incorrect verſchmähte und eine zuverläſſigere Quelle wählte. Die baſeler Rathsprotokolle ſelbſt reichen nicht ſo weit hinauf. Gewöhnlich pflegten alle Pu- blicationen des baſeler Raths, welche nach der alten Kanzleiſprache Mandate genannt wurden und faſt niemals ein Datum hatten, den funfzehn Zünften ſchriftlich mitgetheilt zu werden. Die Zünfte exiſtiren noch und haben auch noch jetzt, wenigſtens zum Theil, ihre eigenen Archive. Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß Brückner aus einem ſolchen Zunftarchiv die Bekanntmachung abdrucken ließ, und in gleicher Weiſe mag auch Ebener aus einem ſolchen Ar- chiv geſchöpft haben. Johannes Knebel iſt aber überhaupt eine nicht zuverläſſige Quelle. Er war auf alle Stadtgeſchichten äußerſt erpicht und trug in ſeinen Annalen alles, was er hörte und ſah, bunt durcheinander zuſammen, wobei er, wie ja auch der Abdruck bei Schreiber zeigt, ſehr incorrect ſchrieb, und namentlich in jener Bekanntmachung viele Wörter bis zur Unkenntlichkeit verunſtaltete. Jenes Mandat mag ihm zufällig unter dem Jahre 1475 bekannt geworden ſein. Er leitet es mit den bei Brückner und Heumann fehlen- den Worten ein: „Zu den Zeiten giengent vil Buben im Land umb, und mürten vil Lüten. Deren wurden etlich gefangen, die ſeitend Unterſcheid der Buben, und wenn ſy zuſammen komend wie ſy hießent, gabend ſy in Rotwelſch für, als hie noch ſtat.“ Daraus läßt ſich jedoch ſchwerlich folgern, daß um das Jahr 1475 zu Baſel mit eingefangenen Geilern und Blinden, wie Hoffmann, a. a. O., S. 65 ſagt, Verhöre angeſtellt ſeien. 1) Auch ergibt ſich aus den jetzigen Nachforſchungen in den baſeler Archiven, daß 1) Vgl. auch Hoffmann von Fallersleben im „Weimarſchen Jahrbuch“, Bd. 1, Heft 2, 1854, S. 332.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/140>, abgerufen am 23.11.2024.