Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.setzend durch die unglaublichste Kunst und Verwegenheit, mit der 1) Becker, a. a. O., II, 51. 2) Vergeblich habe ich mich bemüht, in dem für die Geschichte des Räu-
berthums so sehr wichtigen Orte, der jetzt von 2198 Römischkatholiken, 58 Reformirten und nur 74 Jsraeliten, zusammen von 2330 Personen, wovon 1224 männliche und 1106 weibliche, bewohnt wird, directe Erkundigungen einzuziehen. Ueber das frühere Räuberleben, welches diesen Ort so merk- würdig auszeichnet, habe ich nichts bestimmtes in Erfahrung bringen können; aber die unheimlichen Erzählungen aus früherer Zeit finden sich auch jetzt noch immer im Munde des Volks. ſetzend durch die unglaublichſte Kunſt und Verwegenheit, mit der 1) Becker, a. a. O., II, 51. 2) Vergeblich habe ich mich bemüht, in dem für die Geſchichte des Räu-
berthums ſo ſehr wichtigen Orte, der jetzt von 2198 Römiſchkatholiken, 58 Reformirten und nur 74 Jsraeliten, zuſammen von 2330 Perſonen, wovon 1224 männliche und 1106 weibliche, bewohnt wird, directe Erkundigungen einzuziehen. Ueber das frühere Räuberleben, welches dieſen Ort ſo merk- würdig auszeichnet, habe ich nichts beſtimmtes in Erfahrung bringen können; aber die unheimlichen Erzählungen aus früherer Zeit finden ſich auch jetzt noch immer im Munde des Volks. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0111" n="95"/> ſetzend durch die unglaublichſte Kunſt und Verwegenheit, mit der<lb/> ſie die kühnſten Pläne entwarf und ausführte, und ungeheuere<lb/> Schätze zuſammenhäufte. Gerade die intenſive Gewalt und die<lb/> numeriſche weite Ausbreitung dieſer wie mit einem Zauberſchlage<lb/> fertig daſtehenden Bande gibt ein Zeugniß von der geſchichtlichen<lb/> Fortbildung des Räuberthums, und macht jenen myſtiſchen Volks-<lb/> glauben begreiflich, der die Unthaten des Räuberthums ſeit Jahr-<lb/> hunderten begleitete und in unheimlicher Weiſe zu interpretiren<lb/> anfing, wo die Juſtiz außer Stande war Licht zu verbreiten und<lb/> die finſtere Maſſe zu bewältigen. Auf dem rechten Ufer der Maas<lb/> — ſo erzählt der verdienſtvolle Darſteller der „Actenmäßigen Ge-<lb/> ſchichte der Rheiniſchen Räuberbanden“ <note place="foot" n="1)">Becker, a. a. O., <hi rendition="#aq">II</hi>, 51.</note> — anderthalb Stunden<lb/> von Maſtricht, nordoſtwärts am Fuße eines Berges, der mit<lb/> dichtem wildem Geſträuche überwachſen hoch über das romantiſche<lb/> Maasthal emporragt, liegt, vom Geulflüßchen durchſtrömt, ein<lb/> eben nicht großes aber volkreiches Dorf, von dem ein Canton den<lb/> Namen führt, <hi rendition="#g">Merſen.</hi> <note place="foot" n="2)">Vergeblich habe ich mich bemüht, in dem für die Geſchichte des Räu-<lb/> berthums ſo ſehr wichtigen Orte, der jetzt von 2198 Römiſchkatholiken,<lb/> 58 Reformirten und nur 74 Jsraeliten, zuſammen von 2330 Perſonen, wovon<lb/> 1224 männliche und 1106 weibliche, bewohnt wird, directe Erkundigungen<lb/> einzuziehen. Ueber das frühere Räuberleben, welches dieſen Ort ſo merk-<lb/> würdig auszeichnet, habe ich nichts beſtimmtes in Erfahrung bringen können;<lb/> aber die unheimlichen Erzählungen aus früherer Zeit finden ſich auch jetzt<lb/> noch immer im Munde des Volks.</note> Seit hundert Jahren und noch länger<lb/> hatte mitten unter friedlichen frommen Landbewohnern ein hei<supplied>l</supplied>-<lb/> loſes verworfenes Räubergeſindel hier ſeinen Wohnplatz auf-<lb/> geſchlagen. Was dazu beitrug, daß es juſt dieſen Ort und keinen<lb/> andern ſich erkor, war einestheils die Nähe des holländiſchen,<lb/> brabantiſchen, des lütticher, des jülichſchen und aachener Gebiets,<lb/> die Leichtigkeit, womit es von einem Diſtricte in den andern<lb/> wandern und ſo ſich dem nachſchleichenden Auge der Juſtiz ent-<lb/> ziehen konnte, anderntheils aber der Zuſammenfluß einer Menge<lb/> in dem Lande umherſtreichender Handelsjuden, die den Verkauf des<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0111]
ſetzend durch die unglaublichſte Kunſt und Verwegenheit, mit der
ſie die kühnſten Pläne entwarf und ausführte, und ungeheuere
Schätze zuſammenhäufte. Gerade die intenſive Gewalt und die
numeriſche weite Ausbreitung dieſer wie mit einem Zauberſchlage
fertig daſtehenden Bande gibt ein Zeugniß von der geſchichtlichen
Fortbildung des Räuberthums, und macht jenen myſtiſchen Volks-
glauben begreiflich, der die Unthaten des Räuberthums ſeit Jahr-
hunderten begleitete und in unheimlicher Weiſe zu interpretiren
anfing, wo die Juſtiz außer Stande war Licht zu verbreiten und
die finſtere Maſſe zu bewältigen. Auf dem rechten Ufer der Maas
— ſo erzählt der verdienſtvolle Darſteller der „Actenmäßigen Ge-
ſchichte der Rheiniſchen Räuberbanden“ 1) — anderthalb Stunden
von Maſtricht, nordoſtwärts am Fuße eines Berges, der mit
dichtem wildem Geſträuche überwachſen hoch über das romantiſche
Maasthal emporragt, liegt, vom Geulflüßchen durchſtrömt, ein
eben nicht großes aber volkreiches Dorf, von dem ein Canton den
Namen führt, Merſen. 2) Seit hundert Jahren und noch länger
hatte mitten unter friedlichen frommen Landbewohnern ein heil-
loſes verworfenes Räubergeſindel hier ſeinen Wohnplatz auf-
geſchlagen. Was dazu beitrug, daß es juſt dieſen Ort und keinen
andern ſich erkor, war einestheils die Nähe des holländiſchen,
brabantiſchen, des lütticher, des jülichſchen und aachener Gebiets,
die Leichtigkeit, womit es von einem Diſtricte in den andern
wandern und ſo ſich dem nachſchleichenden Auge der Juſtiz ent-
ziehen konnte, anderntheils aber der Zuſammenfluß einer Menge
in dem Lande umherſtreichender Handelsjuden, die den Verkauf des
1) Becker, a. a. O., II, 51.
2) Vergeblich habe ich mich bemüht, in dem für die Geſchichte des Räu-
berthums ſo ſehr wichtigen Orte, der jetzt von 2198 Römiſchkatholiken,
58 Reformirten und nur 74 Jsraeliten, zuſammen von 2330 Perſonen, wovon
1224 männliche und 1106 weibliche, bewohnt wird, directe Erkundigungen
einzuziehen. Ueber das frühere Räuberleben, welches dieſen Ort ſo merk-
würdig auszeichnet, habe ich nichts beſtimmtes in Erfahrung bringen können;
aber die unheimlichen Erzählungen aus früherer Zeit finden ſich auch jetzt
noch immer im Munde des Volks.
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