Allgemeine Zeitung. Nr. 179. Augsburg, 26. Juni 1840.zu sagen gewußt und sich genöthigt gesehen, aus den ebenfalls sehr oft schiefen, befangenen und ungerechten Urtheilen des philosophischen Autors in den Hallischen Jahrbüchern zu entlehnen. Schließlich dürfen wir dem sittlichen Sinne der meisten Leser darin vertrauen, daß die herbe Bemerkung des großen römischen Geschichtsschreibers sich bei ihnen nicht bewähren werde: "Wenn der Schriftsteller um Gunst buhlt, so ist es leicht, ihm zu widerstehen, aber Schmähung und neidische Tücke werden mit geneigten Ohren aufgenommen, denn in der Schmeichelei ist die schmähliche Sünde der Knechtschaft, in der Bosheit der falsche Schein der Freiheit." *) Schwedische Zustände. IV. Zeitungswesen. (Beschluß.) Das officielle Organ der Regierung ist Sveriges Statstidning, die schwedische Staatszeitung. Man nennt unter ihren Redacteuren besonders den Bibliothekar bei der königl. Bibliothek, Wallmark, einen Mann, der einen gewissen Ruf als Schriftsteller besitzt, und mit der Zeitungspolemik vertraut ist. Schon gegen die Phosphoristen hatte er nicht ohne Talent gekämpft (er war der eigentliche Wortführer in den litterarischen Fehden gegen jene Schule); man konnte daher mit Recht etwas mehr von ihm erwarten, als was von der Staatszeitung geleistet wird. Allein man hat für nöthig erachtet, daß die Leitung einer Staatszeitung einer vornehmeren Illustration, als einer bloß litterarischen, übergeben werden sollte, und so ist die oberste Redaction einem Freiherrn und Oberhofcerimonienmeister Namens D'Ahlbedyll anvertraut worden. Mit der Würde einer so hochgestellten Redaction könnte es nicht übereinstimmen, daß man sich zu einer Polemik mit den Oppositionszeitungen herabließe; als Princip wurde daher festgesetzt, daß man sich jeder Polemik zu enthalten habe. Die Ausfälle der Oppositionspresse wurden von der Staatszeitung entweder vornehm ignorirt oder stellte sie ihnen nur kurze "Berichtigungen" über einzelne Thatsachen entgegen, wo solche ohne Schwierigkeit bewirkt werden konnten. Die wichtigsten Fragen, auch solche, wo das eigene Interesse der Regierung bei einer offenen Antwort unfehlbar nur gewonnen haben könnte, ließ man schweigend vorbeigehen, vielleicht weil sie zuweilen Gegenstände betrafen, die man nach dem Hofcerimoniel nicht besprechen zu dürfen glaubte. Erschien auch mitunter in der letzten Zeit ausnahmsweise irgend ein raisonnirender Aufsatz über eine Streitfrage, so konnte er schwerlich zu der Kenntniß derjenigen, die aufgeklärt werden sollten, gelangen; denn die gewohnte officielle Trockenheit hat schon längst die meisten Zeitungsleser von der Staatszeitung abgewendet, und sie wird jetzt meistens nur von den Behörden und der legalen Ankündigungen wegen gehalten. Die Eigenschaft des Oberredacteurs gibt sich auch besonders in der Redigirung der auswärtigen Neuigkeiten kund, indem die etwa bei fremden Höfen stattgehabten Feste und Cerimonien immer mit Vorliebe und Sachkenntniß erzählt, während wichtige politische Nachrichten oft übergangen oder nur in einem falschen Lichte dargestellt werden. In dieser Beziehung sind selbst der österreichische Beobachter und die preußische Staatszeitung Muster von Unparteilichkeit zu nennen im Vergleich mit der schwedischen Staatszeitung. Um so mehr Verwunderung und Aergerniß muß es erregen, wenn sie bisweilen so plötzlich aus der Rolle fällt, daß sie sogar Artikel aufnimmt, welche sie später, sey es in Folge eigener Gewissensbisse, oder gar auf Reclamationen fremder Gesandtschaften, förmlich widerrufen muß. Ein solcher Schnitzer hat neulich mit einem Brief aus Berlin stattgefunden, dessen Einfältigkeit übrigens eine jede Staatszeitungsredaction hätte abhalten sollen, ihn in ihre Spalten aufzunehmen. Neben der Staatszeitung ist die Svenska Minerva (schwedische Minerva) als ein Organ der Regierung betrachtet worden, obwohl dieses Blatt mehr im Interesse einer gewissen Fraction des bisherigen Regierungspersonals, als eigentlich im Interesse der Regierung selbst geschrieben ward. Der Redacteur, Namens Askelöf, ist ein Mann von seltenem stylistischen Talent, der meistens mit großer Geschicklichkeit in einer sarkastischen Schreibart die Blößen der Opposition geißelt, allein er hat den ultraconservativen Principien, zu deren Vertheidigung er seine spitzige Feder geliehen, nicht das Opfer der eigenen kleinlichen Leidenschaften bringen wollen. So ist es geschehen, daß er selbst schonungslos und mit einer gewissen Schadenfreude die Böcke der Staatszeitung bespottet, weil der genannte Wallmark ihm persönlich zuwider ist, was schon seit der Zeit datirt, als in den phosphoristischen Streitigkeiten diese beiden Herren einen bittern Federkrieg gegen einander führten. So hat er auch zuweilen einzelne von den höheren Beamten bloß aus persönlicher Rachelust auf eine kränkende Weise angefallen, wie z. B. den nunmehr verstorbenen Erzbischof Wallin und den ehemaligen Staatssecretär v. Hartmannsdorff, obwohl er, wenn es ihm nur ernstlich um die Principien der Partei zu thun gewesen wäre, jene Personen eben als die ersten Stützen der Conservativen hätte verehren sollen. Die Sache der Regierung hat also in dieser Zeitung nur eine sehr schwankende Unterstützung gefunden. Uebrigens ist das Blatt von kleinem Umfang und hat ein äußerst beschränktes Publicum. Man behauptet, daß die Kosten von einigen Hochadeligen getragen werden. Es ist leicht begreiflich, daß diese beiden Blätter, zumal da sie unter sich uneinig waren, ein gar zu schwaches Gegengewicht gegen die immer wachsenden Oppositionszeitungen boten. Bei ihrer steigenden Feindseligkeit könnte demnach eine Reaction in der Presse für die vielseitigere Discussion der Streitfragen nur wünschenswerth seyn. Eine solche scheint auch gewissermaßen seit dem Anfang dieses Reichstags eingetreten zu seyn, und muß hier noch mit wenigen Worten erwähnt werden. Drei verschiedene Zeitungen sind in diesem Jahr nach einander entstanden, alle, wie es scheint, mit der Aufgabe, den Oppositionszeitungen entgegenzutreten. Von diesen neuen Vorkämpferinnen der Regierung ist Svenska Biet (die schwedische Biene) bei weitem die bedeutendste. Man behauptet, daß diese Zeitung unter der obersten Leitung des bekannten Hans Järta redigirt wird, und daß seine Söhne, von denen einer Professor in Upsala, ein anderer ein Justizbeamter ist, die thätigsten Mitarbeiter derselben sind. Järta, der Vater, war ehemals Landesgouverneur in der Provinz Dalarne und ist jetzt Vorsteher des königlichen Reichsarchivs. Er ist ein vielfach verdienter Mann, auch von den in politischer Hinsicht anders Denkenden allgemein verehrt und jedenfalls eine der ersten litterarischen Illustrationen Schwedens. Die Biene, welche nöthigenfalls auch einen ernsten und würdevollen Ton annimmt, scheint sich doch zunächst zur Aufgabe gemacht zu haben, die Oppositionszeitungen mit ihren eigenen gefährlichsten Waffen, Witz und Spott, anzugreifen. Mit kluger *) Tacit. hist. I.1 Ambitionen scriptoris facile adverseris, obtrectatio et livor pronis auribus accipiuntur, quippe adulationi foedum crimen servitutis, malignitati falsa species libertatis inest.
zu sagen gewußt und sich genöthigt gesehen, aus den ebenfalls sehr oft schiefen, befangenen und ungerechten Urtheilen des philosophischen Autors in den Hallischen Jahrbüchern zu entlehnen. Schließlich dürfen wir dem sittlichen Sinne der meisten Leser darin vertrauen, daß die herbe Bemerkung des großen römischen Geschichtsschreibers sich bei ihnen nicht bewähren werde: „Wenn der Schriftsteller um Gunst buhlt, so ist es leicht, ihm zu widerstehen, aber Schmähung und neidische Tücke werden mit geneigten Ohren aufgenommen, denn in der Schmeichelei ist die schmähliche Sünde der Knechtschaft, in der Bosheit der falsche Schein der Freiheit.“ *) Schwedische Zustände. IV. Zeitungswesen. (Beschluß.) Das officielle Organ der Regierung ist Sveriges Statstidning, die schwedische Staatszeitung. Man nennt unter ihren Redacteuren besonders den Bibliothekar bei der königl. Bibliothek, Wallmark, einen Mann, der einen gewissen Ruf als Schriftsteller besitzt, und mit der Zeitungspolemik vertraut ist. Schon gegen die Phosphoristen hatte er nicht ohne Talent gekämpft (er war der eigentliche Wortführer in den litterarischen Fehden gegen jene Schule); man konnte daher mit Recht etwas mehr von ihm erwarten, als was von der Staatszeitung geleistet wird. Allein man hat für nöthig erachtet, daß die Leitung einer Staatszeitung einer vornehmeren Illustration, als einer bloß litterarischen, übergeben werden sollte, und so ist die oberste Redaction einem Freiherrn und Oberhofcerimonienmeister Namens D'Ahlbedyll anvertraut worden. Mit der Würde einer so hochgestellten Redaction könnte es nicht übereinstimmen, daß man sich zu einer Polemik mit den Oppositionszeitungen herabließe; als Princip wurde daher festgesetzt, daß man sich jeder Polemik zu enthalten habe. Die Ausfälle der Oppositionspresse wurden von der Staatszeitung entweder vornehm ignorirt oder stellte sie ihnen nur kurze „Berichtigungen“ über einzelne Thatsachen entgegen, wo solche ohne Schwierigkeit bewirkt werden konnten. Die wichtigsten Fragen, auch solche, wo das eigene Interesse der Regierung bei einer offenen Antwort unfehlbar nur gewonnen haben könnte, ließ man schweigend vorbeigehen, vielleicht weil sie zuweilen Gegenstände betrafen, die man nach dem Hofcerimoniel nicht besprechen zu dürfen glaubte. Erschien auch mitunter in der letzten Zeit ausnahmsweise irgend ein raisonnirender Aufsatz über eine Streitfrage, so konnte er schwerlich zu der Kenntniß derjenigen, die aufgeklärt werden sollten, gelangen; denn die gewohnte officielle Trockenheit hat schon längst die meisten Zeitungsleser von der Staatszeitung abgewendet, und sie wird jetzt meistens nur von den Behörden und der legalen Ankündigungen wegen gehalten. Die Eigenschaft des Oberredacteurs gibt sich auch besonders in der Redigirung der auswärtigen Neuigkeiten kund, indem die etwa bei fremden Höfen stattgehabten Feste und Cerimonien immer mit Vorliebe und Sachkenntniß erzählt, während wichtige politische Nachrichten oft übergangen oder nur in einem falschen Lichte dargestellt werden. In dieser Beziehung sind selbst der österreichische Beobachter und die preußische Staatszeitung Muster von Unparteilichkeit zu nennen im Vergleich mit der schwedischen Staatszeitung. Um so mehr Verwunderung und Aergerniß muß es erregen, wenn sie bisweilen so plötzlich aus der Rolle fällt, daß sie sogar Artikel aufnimmt, welche sie später, sey es in Folge eigener Gewissensbisse, oder gar auf Reclamationen fremder Gesandtschaften, förmlich widerrufen muß. Ein solcher Schnitzer hat neulich mit einem Brief aus Berlin stattgefunden, dessen Einfältigkeit übrigens eine jede Staatszeitungsredaction hätte abhalten sollen, ihn in ihre Spalten aufzunehmen. Neben der Staatszeitung ist die Svenska Minerva (schwedische Minerva) als ein Organ der Regierung betrachtet worden, obwohl dieses Blatt mehr im Interesse einer gewissen Fraction des bisherigen Regierungspersonals, als eigentlich im Interesse der Regierung selbst geschrieben ward. Der Redacteur, Namens Askelöf, ist ein Mann von seltenem stylistischen Talent, der meistens mit großer Geschicklichkeit in einer sarkastischen Schreibart die Blößen der Opposition geißelt, allein er hat den ultraconservativen Principien, zu deren Vertheidigung er seine spitzige Feder geliehen, nicht das Opfer der eigenen kleinlichen Leidenschaften bringen wollen. So ist es geschehen, daß er selbst schonungslos und mit einer gewissen Schadenfreude die Böcke der Staatszeitung bespottet, weil der genannte Wallmark ihm persönlich zuwider ist, was schon seit der Zeit datirt, als in den phosphoristischen Streitigkeiten diese beiden Herren einen bittern Federkrieg gegen einander führten. So hat er auch zuweilen einzelne von den höheren Beamten bloß aus persönlicher Rachelust auf eine kränkende Weise angefallen, wie z. B. den nunmehr verstorbenen Erzbischof Wallin und den ehemaligen Staatssecretär v. Hartmannsdorff, obwohl er, wenn es ihm nur ernstlich um die Principien der Partei zu thun gewesen wäre, jene Personen eben als die ersten Stützen der Conservativen hätte verehren sollen. Die Sache der Regierung hat also in dieser Zeitung nur eine sehr schwankende Unterstützung gefunden. Uebrigens ist das Blatt von kleinem Umfang und hat ein äußerst beschränktes Publicum. Man behauptet, daß die Kosten von einigen Hochadeligen getragen werden. Es ist leicht begreiflich, daß diese beiden Blätter, zumal da sie unter sich uneinig waren, ein gar zu schwaches Gegengewicht gegen die immer wachsenden Oppositionszeitungen boten. Bei ihrer steigenden Feindseligkeit könnte demnach eine Reaction in der Presse für die vielseitigere Discussion der Streitfragen nur wünschenswerth seyn. Eine solche scheint auch gewissermaßen seit dem Anfang dieses Reichstags eingetreten zu seyn, und muß hier noch mit wenigen Worten erwähnt werden. Drei verschiedene Zeitungen sind in diesem Jahr nach einander entstanden, alle, wie es scheint, mit der Aufgabe, den Oppositionszeitungen entgegenzutreten. Von diesen neuen Vorkämpferinnen der Regierung ist Svenska Biet (die schwedische Biene) bei weitem die bedeutendste. Man behauptet, daß diese Zeitung unter der obersten Leitung des bekannten Hans Järta redigirt wird, und daß seine Söhne, von denen einer Professor in Upsala, ein anderer ein Justizbeamter ist, die thätigsten Mitarbeiter derselben sind. Järta, der Vater, war ehemals Landesgouverneur in der Provinz Dalarne und ist jetzt Vorsteher des königlichen Reichsarchivs. Er ist ein vielfach verdienter Mann, auch von den in politischer Hinsicht anders Denkenden allgemein verehrt und jedenfalls eine der ersten litterarischen Illustrationen Schwedens. Die Biene, welche nöthigenfalls auch einen ernsten und würdevollen Ton annimmt, scheint sich doch zunächst zur Aufgabe gemacht zu haben, die Oppositionszeitungen mit ihren eigenen gefährlichsten Waffen, Witz und Spott, anzugreifen. Mit kluger *) Tacit. hist. I.1 Ambitionen scriptoris facile adverseris, obtrectatio et livor pronis auribus accipiuntur, quippe adulationi foedum crimen servitutis, malignitati falsa species libertatis inest.
<TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="1411"/> zu sagen gewußt und sich genöthigt gesehen, aus den ebenfalls sehr oft schiefen, befangenen und ungerechten Urtheilen des philosophischen Autors in den Hallischen Jahrbüchern zu entlehnen.</p><lb/> <p>Schließlich dürfen wir dem sittlichen Sinne der meisten Leser darin vertrauen, daß die herbe Bemerkung des großen römischen Geschichtsschreibers sich bei ihnen <hi rendition="#g">nicht</hi> bewähren werde: „Wenn der Schriftsteller um Gunst buhlt, so ist es leicht, ihm zu widerstehen, aber Schmähung und neidische Tücke werden mit geneigten Ohren aufgenommen, denn in der Schmeichelei ist die schmähliche Sünde der Knechtschaft, in der Bosheit der falsche Schein der Freiheit.“ <note place="foot" n="*)"><p>Tacit. hist. I.1 Ambitionen scriptoris facile adverseris, obtrectatio et livor pronis auribus accipiuntur, quippe adulationi foedum crimen servitutis, malignitati falsa species libertatis inest.</p></note></p> </div> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Schwedische Zustände</hi>.</hi> </head><lb/> <p>IV. <hi rendition="#g">Zeitungswesen</hi>.</p><lb/> <p>(Beschluß.)</p><lb/> <p>Das officielle Organ der Regierung ist <hi rendition="#g">Sveriges Statstidning</hi>, die schwedische Staatszeitung. Man nennt unter ihren Redacteuren besonders den Bibliothekar bei der königl. Bibliothek, Wallmark, einen Mann, der einen gewissen Ruf als Schriftsteller besitzt, und mit der Zeitungspolemik vertraut ist. Schon gegen die Phosphoristen hatte er nicht ohne Talent gekämpft (er war der eigentliche Wortführer in den litterarischen Fehden <hi rendition="#g">gegen</hi> jene Schule); man konnte daher mit Recht etwas mehr von ihm erwarten, als was von der Staatszeitung geleistet wird. Allein man hat für nöthig erachtet, daß die Leitung einer Staatszeitung einer vornehmeren Illustration, als einer bloß litterarischen, übergeben werden sollte, und so ist die oberste Redaction einem Freiherrn und Oberhofcerimonienmeister Namens D'Ahlbedyll anvertraut worden. Mit der Würde einer so hochgestellten Redaction könnte es nicht übereinstimmen, daß man sich zu einer Polemik mit den Oppositionszeitungen herabließe; als Princip wurde daher festgesetzt, daß man sich jeder Polemik zu enthalten habe. Die Ausfälle der Oppositionspresse wurden von der Staatszeitung entweder vornehm ignorirt oder stellte sie ihnen nur kurze „Berichtigungen“ über einzelne Thatsachen entgegen, wo solche ohne Schwierigkeit bewirkt werden konnten. Die wichtigsten Fragen, auch solche, wo das eigene Interesse der Regierung bei einer offenen Antwort unfehlbar nur gewonnen haben könnte, ließ man schweigend vorbeigehen, vielleicht weil sie zuweilen Gegenstände betrafen, die man nach dem Hofcerimoniel nicht besprechen zu dürfen glaubte. Erschien auch mitunter in der letzten Zeit ausnahmsweise irgend ein raisonnirender Aufsatz über eine Streitfrage, so konnte er schwerlich zu der Kenntniß derjenigen, die aufgeklärt werden sollten, gelangen; denn die gewohnte officielle Trockenheit hat schon längst die meisten Zeitungsleser von der Staatszeitung abgewendet, und sie wird jetzt meistens nur von den Behörden und der legalen Ankündigungen wegen gehalten.</p><lb/> <p>Die Eigenschaft des Oberredacteurs gibt sich auch besonders in der Redigirung der auswärtigen Neuigkeiten kund, indem die etwa bei fremden Höfen stattgehabten Feste und Cerimonien immer mit Vorliebe und Sachkenntniß erzählt, während wichtige politische Nachrichten oft übergangen oder nur in einem falschen Lichte dargestellt werden. In dieser Beziehung sind selbst der österreichische Beobachter und die preußische Staatszeitung Muster von Unparteilichkeit zu nennen im Vergleich mit der schwedischen Staatszeitung. Um so mehr Verwunderung und Aergerniß muß es erregen, wenn sie bisweilen so plötzlich aus der Rolle fällt, daß sie sogar Artikel aufnimmt, welche sie später, sey es in Folge eigener Gewissensbisse, oder gar auf Reclamationen fremder Gesandtschaften, förmlich widerrufen muß. Ein solcher Schnitzer hat neulich mit einem Brief aus Berlin stattgefunden, dessen Einfältigkeit übrigens eine jede Staatszeitungsredaction hätte abhalten sollen, ihn in ihre Spalten aufzunehmen.</p><lb/> <p>Neben der Staatszeitung ist die <hi rendition="#g">Svenska Minerva</hi> (schwedische Minerva) als ein Organ der Regierung betrachtet worden, obwohl dieses Blatt mehr im Interesse einer gewissen Fraction des bisherigen Regierungspersonals, als eigentlich im Interesse der Regierung selbst geschrieben ward. Der Redacteur, Namens Askelöf, ist ein Mann von seltenem stylistischen Talent, der meistens mit großer Geschicklichkeit in einer sarkastischen Schreibart die Blößen der Opposition geißelt, allein er hat den ultraconservativen Principien, zu deren Vertheidigung er seine spitzige Feder geliehen, nicht das Opfer der eigenen kleinlichen Leidenschaften bringen wollen. So ist es geschehen, daß er selbst schonungslos und mit einer gewissen Schadenfreude die Böcke der Staatszeitung bespottet, weil der genannte Wallmark ihm persönlich zuwider ist, was schon seit der Zeit datirt, als in den phosphoristischen Streitigkeiten diese beiden Herren einen bittern Federkrieg gegen einander führten. So hat er auch zuweilen einzelne von den höheren Beamten bloß aus persönlicher Rachelust auf eine kränkende Weise angefallen, wie z. B. den nunmehr verstorbenen Erzbischof Wallin und den ehemaligen Staatssecretär v. Hartmannsdorff, obwohl er, wenn es ihm nur ernstlich um die Principien der Partei zu thun gewesen wäre, jene Personen eben als die ersten Stützen der Conservativen hätte verehren sollen. Die Sache der Regierung hat also in dieser Zeitung nur eine sehr schwankende Unterstützung gefunden. Uebrigens ist das Blatt von kleinem Umfang und hat ein äußerst beschränktes Publicum. Man behauptet, daß die Kosten von einigen Hochadeligen getragen werden.</p><lb/> <p>Es ist leicht begreiflich, daß diese beiden Blätter, zumal da sie unter sich uneinig waren, ein gar zu schwaches Gegengewicht gegen die immer wachsenden Oppositionszeitungen boten. Bei ihrer steigenden Feindseligkeit könnte demnach eine Reaction in der Presse für die vielseitigere Discussion der Streitfragen nur wünschenswerth seyn. Eine solche scheint auch gewissermaßen seit dem Anfang dieses Reichstags eingetreten zu seyn, und muß hier noch mit wenigen Worten erwähnt werden.</p><lb/> <p>Drei verschiedene Zeitungen sind in diesem Jahr nach einander entstanden, alle, wie es scheint, mit der Aufgabe, den Oppositionszeitungen entgegenzutreten. Von diesen neuen Vorkämpferinnen der Regierung ist <hi rendition="#g">Svenska Biet</hi> (die schwedische Biene) bei weitem die bedeutendste. Man behauptet, daß diese Zeitung unter der obersten Leitung des bekannten Hans Järta redigirt wird, und daß seine Söhne, von denen einer Professor in Upsala, ein anderer ein Justizbeamter ist, die thätigsten Mitarbeiter derselben sind. Järta, der Vater, war ehemals Landesgouverneur in der Provinz Dalarne und ist jetzt Vorsteher des königlichen Reichsarchivs. Er ist ein vielfach verdienter Mann, auch von den in politischer Hinsicht anders Denkenden allgemein verehrt und jedenfalls eine der ersten litterarischen Illustrationen Schwedens.</p><lb/> <p>Die Biene, welche nöthigenfalls auch einen ernsten und würdevollen Ton annimmt, scheint sich doch zunächst zur Aufgabe gemacht zu haben, die Oppositionszeitungen mit ihren eigenen gefährlichsten Waffen, Witz und Spott, anzugreifen. Mit kluger<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [1411/0011]
zu sagen gewußt und sich genöthigt gesehen, aus den ebenfalls sehr oft schiefen, befangenen und ungerechten Urtheilen des philosophischen Autors in den Hallischen Jahrbüchern zu entlehnen.
Schließlich dürfen wir dem sittlichen Sinne der meisten Leser darin vertrauen, daß die herbe Bemerkung des großen römischen Geschichtsschreibers sich bei ihnen nicht bewähren werde: „Wenn der Schriftsteller um Gunst buhlt, so ist es leicht, ihm zu widerstehen, aber Schmähung und neidische Tücke werden mit geneigten Ohren aufgenommen, denn in der Schmeichelei ist die schmähliche Sünde der Knechtschaft, in der Bosheit der falsche Schein der Freiheit.“ *)
Schwedische Zustände.
IV. Zeitungswesen.
(Beschluß.)
Das officielle Organ der Regierung ist Sveriges Statstidning, die schwedische Staatszeitung. Man nennt unter ihren Redacteuren besonders den Bibliothekar bei der königl. Bibliothek, Wallmark, einen Mann, der einen gewissen Ruf als Schriftsteller besitzt, und mit der Zeitungspolemik vertraut ist. Schon gegen die Phosphoristen hatte er nicht ohne Talent gekämpft (er war der eigentliche Wortführer in den litterarischen Fehden gegen jene Schule); man konnte daher mit Recht etwas mehr von ihm erwarten, als was von der Staatszeitung geleistet wird. Allein man hat für nöthig erachtet, daß die Leitung einer Staatszeitung einer vornehmeren Illustration, als einer bloß litterarischen, übergeben werden sollte, und so ist die oberste Redaction einem Freiherrn und Oberhofcerimonienmeister Namens D'Ahlbedyll anvertraut worden. Mit der Würde einer so hochgestellten Redaction könnte es nicht übereinstimmen, daß man sich zu einer Polemik mit den Oppositionszeitungen herabließe; als Princip wurde daher festgesetzt, daß man sich jeder Polemik zu enthalten habe. Die Ausfälle der Oppositionspresse wurden von der Staatszeitung entweder vornehm ignorirt oder stellte sie ihnen nur kurze „Berichtigungen“ über einzelne Thatsachen entgegen, wo solche ohne Schwierigkeit bewirkt werden konnten. Die wichtigsten Fragen, auch solche, wo das eigene Interesse der Regierung bei einer offenen Antwort unfehlbar nur gewonnen haben könnte, ließ man schweigend vorbeigehen, vielleicht weil sie zuweilen Gegenstände betrafen, die man nach dem Hofcerimoniel nicht besprechen zu dürfen glaubte. Erschien auch mitunter in der letzten Zeit ausnahmsweise irgend ein raisonnirender Aufsatz über eine Streitfrage, so konnte er schwerlich zu der Kenntniß derjenigen, die aufgeklärt werden sollten, gelangen; denn die gewohnte officielle Trockenheit hat schon längst die meisten Zeitungsleser von der Staatszeitung abgewendet, und sie wird jetzt meistens nur von den Behörden und der legalen Ankündigungen wegen gehalten.
Die Eigenschaft des Oberredacteurs gibt sich auch besonders in der Redigirung der auswärtigen Neuigkeiten kund, indem die etwa bei fremden Höfen stattgehabten Feste und Cerimonien immer mit Vorliebe und Sachkenntniß erzählt, während wichtige politische Nachrichten oft übergangen oder nur in einem falschen Lichte dargestellt werden. In dieser Beziehung sind selbst der österreichische Beobachter und die preußische Staatszeitung Muster von Unparteilichkeit zu nennen im Vergleich mit der schwedischen Staatszeitung. Um so mehr Verwunderung und Aergerniß muß es erregen, wenn sie bisweilen so plötzlich aus der Rolle fällt, daß sie sogar Artikel aufnimmt, welche sie später, sey es in Folge eigener Gewissensbisse, oder gar auf Reclamationen fremder Gesandtschaften, förmlich widerrufen muß. Ein solcher Schnitzer hat neulich mit einem Brief aus Berlin stattgefunden, dessen Einfältigkeit übrigens eine jede Staatszeitungsredaction hätte abhalten sollen, ihn in ihre Spalten aufzunehmen.
Neben der Staatszeitung ist die Svenska Minerva (schwedische Minerva) als ein Organ der Regierung betrachtet worden, obwohl dieses Blatt mehr im Interesse einer gewissen Fraction des bisherigen Regierungspersonals, als eigentlich im Interesse der Regierung selbst geschrieben ward. Der Redacteur, Namens Askelöf, ist ein Mann von seltenem stylistischen Talent, der meistens mit großer Geschicklichkeit in einer sarkastischen Schreibart die Blößen der Opposition geißelt, allein er hat den ultraconservativen Principien, zu deren Vertheidigung er seine spitzige Feder geliehen, nicht das Opfer der eigenen kleinlichen Leidenschaften bringen wollen. So ist es geschehen, daß er selbst schonungslos und mit einer gewissen Schadenfreude die Böcke der Staatszeitung bespottet, weil der genannte Wallmark ihm persönlich zuwider ist, was schon seit der Zeit datirt, als in den phosphoristischen Streitigkeiten diese beiden Herren einen bittern Federkrieg gegen einander führten. So hat er auch zuweilen einzelne von den höheren Beamten bloß aus persönlicher Rachelust auf eine kränkende Weise angefallen, wie z. B. den nunmehr verstorbenen Erzbischof Wallin und den ehemaligen Staatssecretär v. Hartmannsdorff, obwohl er, wenn es ihm nur ernstlich um die Principien der Partei zu thun gewesen wäre, jene Personen eben als die ersten Stützen der Conservativen hätte verehren sollen. Die Sache der Regierung hat also in dieser Zeitung nur eine sehr schwankende Unterstützung gefunden. Uebrigens ist das Blatt von kleinem Umfang und hat ein äußerst beschränktes Publicum. Man behauptet, daß die Kosten von einigen Hochadeligen getragen werden.
Es ist leicht begreiflich, daß diese beiden Blätter, zumal da sie unter sich uneinig waren, ein gar zu schwaches Gegengewicht gegen die immer wachsenden Oppositionszeitungen boten. Bei ihrer steigenden Feindseligkeit könnte demnach eine Reaction in der Presse für die vielseitigere Discussion der Streitfragen nur wünschenswerth seyn. Eine solche scheint auch gewissermaßen seit dem Anfang dieses Reichstags eingetreten zu seyn, und muß hier noch mit wenigen Worten erwähnt werden.
Drei verschiedene Zeitungen sind in diesem Jahr nach einander entstanden, alle, wie es scheint, mit der Aufgabe, den Oppositionszeitungen entgegenzutreten. Von diesen neuen Vorkämpferinnen der Regierung ist Svenska Biet (die schwedische Biene) bei weitem die bedeutendste. Man behauptet, daß diese Zeitung unter der obersten Leitung des bekannten Hans Järta redigirt wird, und daß seine Söhne, von denen einer Professor in Upsala, ein anderer ein Justizbeamter ist, die thätigsten Mitarbeiter derselben sind. Järta, der Vater, war ehemals Landesgouverneur in der Provinz Dalarne und ist jetzt Vorsteher des königlichen Reichsarchivs. Er ist ein vielfach verdienter Mann, auch von den in politischer Hinsicht anders Denkenden allgemein verehrt und jedenfalls eine der ersten litterarischen Illustrationen Schwedens.
Die Biene, welche nöthigenfalls auch einen ernsten und würdevollen Ton annimmt, scheint sich doch zunächst zur Aufgabe gemacht zu haben, die Oppositionszeitungen mit ihren eigenen gefährlichsten Waffen, Witz und Spott, anzugreifen. Mit kluger
*) Tacit. hist. I.1 Ambitionen scriptoris facile adverseris, obtrectatio et livor pronis auribus accipiuntur, quippe adulationi foedum crimen servitutis, malignitati falsa species libertatis inest.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-28T11:37:15Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |