Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840.

Bild:
erste Seite

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Mittwoch
Nr. 176.
24 Juni 1840.
Mittelamerika.

Die Brigg Patsey, die am 13 Mai den Hafen von Balize (brittische Besitzung auf der Halbinsel Yucatan) verließ, hat aus Mittelamerika die wichtige Nachricht mitgebracht, daß der bisherige Präsident, General Morazan, der seit vier Jahren das Land in einer Art anarchischer Unterdrückung hielt (er war vor zwölf Jahren auf acht Jahre zum Präsidenten erwählt worden, und hatte sich seitdem mit Gewalt in dieser Würde behauptet) gestürzt und auch sein Corps von General Garrera vollkommen geschlagen worden ist. Er entfloh am 5 Mai mit 27 Begleitern nach Libertad (am stillen Ocean) und schiffte sich hier, ohne daß man weiß mit welcher Absicht, nach dem Süden ein. - Von Mexico gehen jetzt ungeheure Geldsummen nach Europa: nach den letzten Nachrichten waren 1 1/2 Mill. Dollars auf dem Wege nach Frankreich in Havanah eingetroffen.

Spanien.

Heute um 5 Uhr Morgens ist die Regentin, die Königin Isabelle, die Infantin, die Herzogin de la Victoria in einem und demselben Wagen nach Alcala, von der königlichen Garde und einem Truppencorps von 8-9000 Mann escortirt, abgereist. Die ganze Straße bis Saragossa wird von mehr als 40,000 Mann gedeckt. Die Reiseroute ist noch nicht öffentlich bekannt, doch weiß man, daß Ihre Majestäten 8 Tage brauchen werden, um nach Saragossa zu kommen. Die Marquise von Santa Cruz (Camarera mayor der Königin Isabelle), die einzige Person, welche sie von ihrer Geburt an gepflegt hat (da die Königin Christine sie nur auf Augenblicke und oft nur einmal des Tages sah), begleitet Ihre Majestäten nicht, obgleich sie sich sehr bemüht hat, die Erlaubniß dazu zu erhalten. Man betrachtete sie als das Organ der Jovellanos bei der Regentin. Die Gräfin von Torrejon, Ehrendame, Vertraute und unzertrennliche Freundin Christinens seit ihrer Ankunft in Spanien, hat aus dem Munde ihrer Gebieterin noch nicht erfahren, daß sie Madrid verläßt. Das ist Christinens Charakter, die in der That kalt gegen Jedermann ist. Nur zwei Azafates sind zum Dienst der Mutter und ihrer beiden Töchter bestimmt. Hr. Caboreluz, Lehrer der Königin Isabelle, den man als Schlüssel, Mittelpunkt und Haupt der Partei der Afrancesados kennt, begleitet die Majestäten ebensowenig; nicht einmal der Beichtvater Christinens, Hr. Gonzalez, Vetter des Hrn. Mundoz, und einflußreiches Mitglied der Camarilla, hat die Erlaubniß erhalten können, die Reise mitzumachen. Die einzigen Personen der Camarilla, welche der Regentin folgen werden, sind Hr. Gaviria, Schatzmeister des Palastes, und der Bruder des Hrn. Mundoz, Intendant desselben. Dem Grafen von Santa Coloma, Majordomo mayor, ist erst im Augenblick der Abreise davon Nachricht ertheilt worden. Die Beamten, welche die Königin begleiten, sind: der Herzog von Alagon, Capitän der Leibgarde; der General Valdes (von dem man glaubt, er sey im Geheimniß der Königin und Espartero's), Commandant der Garde; die Staatsminister des Aeußern, des Kriegs und der Marine. Bis jetzt folgt von dem ganzen diplomatischen Corps nur der französische Gesandte dem Hofe. Das Volk von Madrid hat die Abreise der königlichen Familie mit großer Indifferenz gesehen. In keiner Volksclasse bemerkte man die geringste Theilnahme, und heute Morgen waren die Straßen im Augenblick der Abreise des Hofes ganz leer, obgleich in dieser Jahreszeit die Straßen Madrids um 5 Uhr Morgens mit Menschen gefüllt zu seyn pflegen. - Alles kündigt eine Krisis an, und die exaltirte wie die gemäßigte Partei fangen an einzusehen, daß der Zweck der Reise der Königin für beide unheilbringend seyn wird. Beide fürchten eine Militärdictatur, der sie um so abgeneigter sind, da sie voraussehen, daß sie in die Hände der Ayacuchos fallen muß, so bekannt in Amerika und Europa. Don Fernando Mundoz, seine Schwester (Hofdame der Königin) und sein jüngerer Bruder befinden sich bereits in Bordeaux.

Von Balmaseda weiß man noch nichts Gewisses. Das Gerücht von einem Gefechte zwischen dem Obersten Lara und Balmaseda erhält sich; auch der Oberst Piquero soll mit den Rebellen handgemein geworden seyn. Im Augenblicke des Abgangs der Post von Bayonne hieß es daselbst, der Vicekönig von Navarra habe den Cabecilla völlig geschlagen, und kaum 500 seiner Leute hätten sich durch die Flucht gerettet. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr diese Neuigkeit der Bestätigung bedarf. Das von Balmaseda niedergebrannte Nava de Roa ist der Geburtsort dieses Unmenschen, der in seiner Wuth seine eigenen Mitbürger an den Bettelstab bringt. Von Roa flüchteten die unglücklichen Einwohner, mehr als 1000 an der Zahl, Obdach suchend, nach dem 5 Stunden entfernten Aranda. Es ist nur zu gewiß, daß Balmaseda alle Marotisten, die in seine Hände fallen, Officiere wie Soldaten, ohne Gnade erschießen läßt; dasselbe Loos erfuhren Conducteurs


Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Mittwoch
Nr. 176.
24 Juni 1840.
Mittelamerika.

Die Brigg Patsey, die am 13 Mai den Hafen von Balize (brittische Besitzung auf der Halbinsel Yucatan) verließ, hat aus Mittelamerika die wichtige Nachricht mitgebracht, daß der bisherige Präsident, General Morazan, der seit vier Jahren das Land in einer Art anarchischer Unterdrückung hielt (er war vor zwölf Jahren auf acht Jahre zum Präsidenten erwählt worden, und hatte sich seitdem mit Gewalt in dieser Würde behauptet) gestürzt und auch sein Corps von General Garrera vollkommen geschlagen worden ist. Er entfloh am 5 Mai mit 27 Begleitern nach Libertad (am stillen Ocean) und schiffte sich hier, ohne daß man weiß mit welcher Absicht, nach dem Süden ein. – Von Mexico gehen jetzt ungeheure Geldsummen nach Europa: nach den letzten Nachrichten waren 1 1/2 Mill. Dollars auf dem Wege nach Frankreich in Havanah eingetroffen.

Spanien.

Heute um 5 Uhr Morgens ist die Regentin, die Königin Isabelle, die Infantin, die Herzogin de la Victoria in einem und demselben Wagen nach Alcala, von der königlichen Garde und einem Truppencorps von 8-9000 Mann escortirt, abgereist. Die ganze Straße bis Saragossa wird von mehr als 40,000 Mann gedeckt. Die Reiseroute ist noch nicht öffentlich bekannt, doch weiß man, daß Ihre Majestäten 8 Tage brauchen werden, um nach Saragossa zu kommen. Die Marquise von Santa Cruz (Camarera mayor der Königin Isabelle), die einzige Person, welche sie von ihrer Geburt an gepflegt hat (da die Königin Christine sie nur auf Augenblicke und oft nur einmal des Tages sah), begleitet Ihre Majestäten nicht, obgleich sie sich sehr bemüht hat, die Erlaubniß dazu zu erhalten. Man betrachtete sie als das Organ der Jovellanos bei der Regentin. Die Gräfin von Torrejon, Ehrendame, Vertraute und unzertrennliche Freundin Christinens seit ihrer Ankunft in Spanien, hat aus dem Munde ihrer Gebieterin noch nicht erfahren, daß sie Madrid verläßt. Das ist Christinens Charakter, die in der That kalt gegen Jedermann ist. Nur zwei Azafates sind zum Dienst der Mutter und ihrer beiden Töchter bestimmt. Hr. Caboreluz, Lehrer der Königin Isabelle, den man als Schlüssel, Mittelpunkt und Haupt der Partei der Afrancesados kennt, begleitet die Majestäten ebensowenig; nicht einmal der Beichtvater Christinens, Hr. Gonzalez, Vetter des Hrn. Muñoz, und einflußreiches Mitglied der Camarilla, hat die Erlaubniß erhalten können, die Reise mitzumachen. Die einzigen Personen der Camarilla, welche der Regentin folgen werden, sind Hr. Gaviria, Schatzmeister des Palastes, und der Bruder des Hrn. Muñoz, Intendant desselben. Dem Grafen von Santa Coloma, Majordomo mayor, ist erst im Augenblick der Abreise davon Nachricht ertheilt worden. Die Beamten, welche die Königin begleiten, sind: der Herzog von Alagon, Capitän der Leibgarde; der General Valdes (von dem man glaubt, er sey im Geheimniß der Königin und Espartero's), Commandant der Garde; die Staatsminister des Aeußern, des Kriegs und der Marine. Bis jetzt folgt von dem ganzen diplomatischen Corps nur der französische Gesandte dem Hofe. Das Volk von Madrid hat die Abreise der königlichen Familie mit großer Indifferenz gesehen. In keiner Volksclasse bemerkte man die geringste Theilnahme, und heute Morgen waren die Straßen im Augenblick der Abreise des Hofes ganz leer, obgleich in dieser Jahreszeit die Straßen Madrids um 5 Uhr Morgens mit Menschen gefüllt zu seyn pflegen. – Alles kündigt eine Krisis an, und die exaltirte wie die gemäßigte Partei fangen an einzusehen, daß der Zweck der Reise der Königin für beide unheilbringend seyn wird. Beide fürchten eine Militärdictatur, der sie um so abgeneigter sind, da sie voraussehen, daß sie in die Hände der Ayacuchos fallen muß, so bekannt in Amerika und Europa. Don Fernando Muñoz, seine Schwester (Hofdame der Königin) und sein jüngerer Bruder befinden sich bereits in Bordeaux.

Von Balmaseda weiß man noch nichts Gewisses. Das Gerücht von einem Gefechte zwischen dem Obersten Lara und Balmaseda erhält sich; auch der Oberst Piquero soll mit den Rebellen handgemein geworden seyn. Im Augenblicke des Abgangs der Post von Bayonne hieß es daselbst, der Vicekönig von Navarra habe den Cabecilla völlig geschlagen, und kaum 500 seiner Leute hätten sich durch die Flucht gerettet. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr diese Neuigkeit der Bestätigung bedarf. Das von Balmaseda niedergebrannte Nava de Roa ist der Geburtsort dieses Unmenschen, der in seiner Wuth seine eigenen Mitbürger an den Bettelstab bringt. Von Roa flüchteten die unglücklichen Einwohner, mehr als 1000 an der Zahl, Obdach suchend, nach dem 5 Stunden entfernten Aranda. Es ist nur zu gewiß, daß Balmaseda alle Marotisten, die in seine Hände fallen, Officiere wie Soldaten, ohne Gnade erschießen läßt; dasselbe Loos erfuhren Conducteurs

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0001" n="1401"/><lb/>
      <titlePage type="heading">
        <docTitle>
          <titlePart type="main">Augsburger Allgemeine Zeitung.</titlePart><lb/>
          <titlePart type="jImprimatur">Mit allerhöchsten Privilegien.</titlePart>
        </docTitle><lb/>
        <docImprint>
          <docDate>Mittwoch</docDate>
        </docImprint><lb/>
        <titlePart type="volume">Nr. 176.</titlePart><lb/>
        <docImprint>
          <docDate>24 Juni 1840.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Mittelamerika.</hi> </head><lb/>
        <p>Die Brigg Patsey, die am 13 Mai den Hafen von Balize (brittische Besitzung auf der Halbinsel Yucatan) verließ, hat aus <hi rendition="#g">Mittelamerika</hi> die wichtige Nachricht mitgebracht, daß der bisherige Präsident, General Morazan, der seit vier Jahren das Land in einer Art anarchischer Unterdrückung hielt (er war vor zwölf Jahren auf acht Jahre zum Präsidenten erwählt worden, und hatte sich seitdem mit Gewalt in dieser Würde behauptet) gestürzt und auch sein Corps von General Garrera vollkommen geschlagen worden ist. Er entfloh am 5 Mai mit 27 Begleitern nach Libertad (am stillen Ocean) und schiffte sich hier, ohne daß man weiß mit welcher Absicht, nach dem Süden ein. &#x2013; Von Mexico gehen jetzt ungeheure Geldsummen nach Europa: nach den letzten Nachrichten waren 1 1/2 Mill. Dollars auf dem Wege nach Frankreich in Havanah eingetroffen.</p><lb/>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Spanien.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 11 Jun.</dateline>
          <p> Heute um 5 Uhr Morgens ist die Regentin, die Königin Isabelle, die Infantin, die Herzogin de la Victoria in einem und demselben Wagen nach Alcala, von der königlichen Garde und einem Truppencorps von 8-9000 Mann escortirt, abgereist. Die ganze Straße bis Saragossa wird von mehr als 40,000 Mann gedeckt. Die Reiseroute ist noch nicht öffentlich bekannt, doch weiß man, daß Ihre Majestäten 8 Tage brauchen werden, um nach Saragossa zu kommen. Die Marquise von Santa Cruz (Camarera mayor der Königin Isabelle), die einzige Person, welche sie von ihrer Geburt an gepflegt hat (da die Königin Christine sie nur auf Augenblicke und oft nur einmal des Tages sah), begleitet Ihre Majestäten nicht, obgleich sie sich sehr bemüht hat, die Erlaubniß dazu zu erhalten. Man betrachtete sie als das Organ der Jovellanos bei der Regentin. Die Gräfin von Torrejon, Ehrendame, Vertraute und unzertrennliche Freundin Christinens seit ihrer Ankunft in Spanien, hat aus dem Munde ihrer Gebieterin noch nicht erfahren, daß sie Madrid verläßt. Das ist Christinens Charakter, die in der That kalt gegen Jedermann ist. Nur zwei Azafates sind zum Dienst der Mutter und ihrer beiden Töchter bestimmt. Hr. Caboreluz, Lehrer der Königin Isabelle, den man als Schlüssel, Mittelpunkt und Haupt der Partei der Afrancesados kennt, begleitet die Majestäten ebensowenig; nicht einmal der Beichtvater Christinens, Hr. Gonzalez, Vetter des Hrn. Muñoz, und einflußreiches Mitglied der Camarilla, hat die Erlaubniß erhalten können, die Reise mitzumachen. Die einzigen Personen der Camarilla, welche der Regentin folgen werden, sind Hr. Gaviria, Schatzmeister des Palastes, und der Bruder des Hrn. Muñoz, Intendant desselben. Dem Grafen von Santa Coloma, Majordomo mayor, ist erst im Augenblick der Abreise davon Nachricht ertheilt worden. Die Beamten, welche die Königin begleiten, sind: der Herzog von Alagon, Capitän der Leibgarde; der General Valdes (von dem man glaubt, er sey im Geheimniß der Königin und Espartero's), Commandant der Garde; die Staatsminister des Aeußern, des Kriegs und der Marine. Bis jetzt folgt von dem ganzen diplomatischen Corps nur der französische Gesandte dem Hofe. Das Volk von Madrid hat die Abreise der königlichen Familie mit großer Indifferenz gesehen. In keiner Volksclasse bemerkte man die geringste Theilnahme, und heute Morgen waren die Straßen im Augenblick der Abreise des Hofes ganz leer, obgleich in dieser Jahreszeit die Straßen Madrids um 5 Uhr Morgens mit Menschen gefüllt zu seyn pflegen. &#x2013; Alles kündigt eine Krisis an, und die exaltirte wie die gemäßigte Partei fangen an einzusehen, daß der Zweck der Reise der Königin für beide unheilbringend seyn wird. Beide fürchten eine Militärdictatur, der sie um so abgeneigter sind, da sie voraussehen, daß sie in die Hände der Ayacuchos fallen muß, so bekannt in Amerika und Europa. Don Fernando Muñoz, seine Schwester (Hofdame der Königin) und sein jüngerer Bruder befinden sich bereits in Bordeaux.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Bordeaux,</hi> 17 Jun.</dateline>
          <p> Von Balmaseda weiß man noch nichts Gewisses. Das Gerücht von einem Gefechte zwischen dem Obersten Lara und Balmaseda erhält sich; auch der Oberst Piquero soll mit den Rebellen handgemein geworden seyn. Im Augenblicke des Abgangs der Post von Bayonne hieß es daselbst, der Vicekönig von Navarra habe den Cabecilla völlig geschlagen, und kaum 500 seiner Leute hätten sich durch die Flucht gerettet. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr diese Neuigkeit der Bestätigung bedarf. Das von Balmaseda niedergebrannte Nava de Roa ist der Geburtsort dieses Unmenschen, der in seiner Wuth seine eigenen Mitbürger an den Bettelstab bringt. Von Roa flüchteten die unglücklichen Einwohner, mehr als 1000 an der Zahl, Obdach suchend, nach dem 5 Stunden entfernten Aranda. Es ist nur zu gewiß, daß Balmaseda alle Marotisten, die in seine Hände fallen, Officiere wie Soldaten, ohne Gnade erschießen läßt; dasselbe Loos erfuhren Conducteurs<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1401/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Mittwoch Nr. 176. 24 Juni 1840. Mittelamerika. Die Brigg Patsey, die am 13 Mai den Hafen von Balize (brittische Besitzung auf der Halbinsel Yucatan) verließ, hat aus Mittelamerika die wichtige Nachricht mitgebracht, daß der bisherige Präsident, General Morazan, der seit vier Jahren das Land in einer Art anarchischer Unterdrückung hielt (er war vor zwölf Jahren auf acht Jahre zum Präsidenten erwählt worden, und hatte sich seitdem mit Gewalt in dieser Würde behauptet) gestürzt und auch sein Corps von General Garrera vollkommen geschlagen worden ist. Er entfloh am 5 Mai mit 27 Begleitern nach Libertad (am stillen Ocean) und schiffte sich hier, ohne daß man weiß mit welcher Absicht, nach dem Süden ein. – Von Mexico gehen jetzt ungeheure Geldsummen nach Europa: nach den letzten Nachrichten waren 1 1/2 Mill. Dollars auf dem Wege nach Frankreich in Havanah eingetroffen. Spanien. _ Madrid, 11 Jun. Heute um 5 Uhr Morgens ist die Regentin, die Königin Isabelle, die Infantin, die Herzogin de la Victoria in einem und demselben Wagen nach Alcala, von der königlichen Garde und einem Truppencorps von 8-9000 Mann escortirt, abgereist. Die ganze Straße bis Saragossa wird von mehr als 40,000 Mann gedeckt. Die Reiseroute ist noch nicht öffentlich bekannt, doch weiß man, daß Ihre Majestäten 8 Tage brauchen werden, um nach Saragossa zu kommen. Die Marquise von Santa Cruz (Camarera mayor der Königin Isabelle), die einzige Person, welche sie von ihrer Geburt an gepflegt hat (da die Königin Christine sie nur auf Augenblicke und oft nur einmal des Tages sah), begleitet Ihre Majestäten nicht, obgleich sie sich sehr bemüht hat, die Erlaubniß dazu zu erhalten. Man betrachtete sie als das Organ der Jovellanos bei der Regentin. Die Gräfin von Torrejon, Ehrendame, Vertraute und unzertrennliche Freundin Christinens seit ihrer Ankunft in Spanien, hat aus dem Munde ihrer Gebieterin noch nicht erfahren, daß sie Madrid verläßt. Das ist Christinens Charakter, die in der That kalt gegen Jedermann ist. Nur zwei Azafates sind zum Dienst der Mutter und ihrer beiden Töchter bestimmt. Hr. Caboreluz, Lehrer der Königin Isabelle, den man als Schlüssel, Mittelpunkt und Haupt der Partei der Afrancesados kennt, begleitet die Majestäten ebensowenig; nicht einmal der Beichtvater Christinens, Hr. Gonzalez, Vetter des Hrn. Muñoz, und einflußreiches Mitglied der Camarilla, hat die Erlaubniß erhalten können, die Reise mitzumachen. Die einzigen Personen der Camarilla, welche der Regentin folgen werden, sind Hr. Gaviria, Schatzmeister des Palastes, und der Bruder des Hrn. Muñoz, Intendant desselben. Dem Grafen von Santa Coloma, Majordomo mayor, ist erst im Augenblick der Abreise davon Nachricht ertheilt worden. Die Beamten, welche die Königin begleiten, sind: der Herzog von Alagon, Capitän der Leibgarde; der General Valdes (von dem man glaubt, er sey im Geheimniß der Königin und Espartero's), Commandant der Garde; die Staatsminister des Aeußern, des Kriegs und der Marine. Bis jetzt folgt von dem ganzen diplomatischen Corps nur der französische Gesandte dem Hofe. Das Volk von Madrid hat die Abreise der königlichen Familie mit großer Indifferenz gesehen. In keiner Volksclasse bemerkte man die geringste Theilnahme, und heute Morgen waren die Straßen im Augenblick der Abreise des Hofes ganz leer, obgleich in dieser Jahreszeit die Straßen Madrids um 5 Uhr Morgens mit Menschen gefüllt zu seyn pflegen. – Alles kündigt eine Krisis an, und die exaltirte wie die gemäßigte Partei fangen an einzusehen, daß der Zweck der Reise der Königin für beide unheilbringend seyn wird. Beide fürchten eine Militärdictatur, der sie um so abgeneigter sind, da sie voraussehen, daß sie in die Hände der Ayacuchos fallen muß, so bekannt in Amerika und Europa. Don Fernando Muñoz, seine Schwester (Hofdame der Königin) und sein jüngerer Bruder befinden sich bereits in Bordeaux. _ Bordeaux, 17 Jun. Von Balmaseda weiß man noch nichts Gewisses. Das Gerücht von einem Gefechte zwischen dem Obersten Lara und Balmaseda erhält sich; auch der Oberst Piquero soll mit den Rebellen handgemein geworden seyn. Im Augenblicke des Abgangs der Post von Bayonne hieß es daselbst, der Vicekönig von Navarra habe den Cabecilla völlig geschlagen, und kaum 500 seiner Leute hätten sich durch die Flucht gerettet. Ich brauche nicht zu sagen, wie sehr diese Neuigkeit der Bestätigung bedarf. Das von Balmaseda niedergebrannte Nava de Roa ist der Geburtsort dieses Unmenschen, der in seiner Wuth seine eigenen Mitbürger an den Bettelstab bringt. Von Roa flüchteten die unglücklichen Einwohner, mehr als 1000 an der Zahl, Obdach suchend, nach dem 5 Stunden entfernten Aranda. Es ist nur zu gewiß, daß Balmaseda alle Marotisten, die in seine Hände fallen, Officiere wie Soldaten, ohne Gnade erschießen läßt; dasselbe Loos erfuhren Conducteurs

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_176_18400624
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_176_18400624/1
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840, S. 1401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_176_18400624/1>, abgerufen am 03.12.2024.