Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 175. Augsburg, 23. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

vom Stephansdome aus und wieder dahin zurück in feierlich gemessenem Schritt bei jedesmaligem Stillstehen vor jenen reichgeschmückten, im Freien aufgestellten Altären bewegte, bei denen die Evangelien abgelesen werden. Hier ist bei Begehung dieses Festes überdieß üblich, von der auf dem Graben, dem vorzüglichsten Platze Wiens, in dreifacher Reihe geschaarten Truppe eine dreimalige Salve geben zu lassen, womit der Act schließt. - Vor drei Tagen ereignete sich in der innern Stadt ein von äußerster Entsittlichung und abscheuerregender Selbstsucht zeugender Fall, ein Doppelmord, von einem Handelsmanne an seiner Geliebten und dann an sich selbst verübt, um sich wegen falscher Wechselfabricirung der gefänglichen Haft zu entziehen. - Die Fabel vom böhmischen Jan Kuttenberg als angeblichem Erfinder der Buchdruckerkunst wird in den öffentlichen Blättern noch immer ausgesponnen; es will aber Niemand daran glauben.

Gestern Abends 9 Uhr sind die Gräfin von Marne und ihre Nichte, Fräulein von Rosny (Herzogin von Angouleme und Prinzessin Louise von Berry), in Begleitung des Grafen von Montbel nebst Gefolge hier angelangt und im Gasthof zum goldenen Adler abgestiegen. Die Fürstinnen gedenken noch heute hier zu verweilen und Morgen ihre Reise nach Kirchberg am Wald fortzusetzen. Die Frau Gräfin von Marne sah hier den bekanntlich als General in Diensten des Don Carlos gestandenen Fürsten Felix v. Lichnowsky, wit welchem sie sich in längerer Audienz unterhielt.

Serbien und Montenegro.

In Serbien ist ein vollkommener Erfolg der neuesten Ordnung nunmehr fast außer allem Zweifel. Wenn die Pforte in die Entlassung der vom Volke beschuldigten Räthe, Minister und Senatoren bis jetzt auch nur bedingungsweise gewilligt hat, so weiß man doch, daß der bereits von Konstantinopel abgegangene großherrliche Commissär Instructionen erhielt, die dem neuen System nur günstig sind. Schon sind die Ministerien, der Senat mit allen Kanzleien u. s. w. nach Kragujewatz aufgebrochen und sämmtliche Beamte, ausgenommen die beiden Räthe Petroniewitsch und Wucsitsch, der bereits nach der Wallachei abgegangene Vicepräsident des Senats, Stojan Simitsch, sein Bruder, der dermalen zu Wien befindliche Finanzminister Alexa Simitsch, der resignirte Cultminister Stephanowitsch und die beiden Senatoren Theodorowitsch und Nenadowitsch sind dem Rufe des Fürsten dahin gefolgt. Die beiden letztern sind die einzigen noch in activem Dienste stehenden, indessen müssen auch sie in Folge einer eben erschienenen Verordnung, wonach jeder, der sich weigert, nach Kragujewatz zu gehen, als entlassen betrachtet wird, abtreten. Wucsitsch und Petroniewitsch befinden sich noch in der Festung, wie man hört, fortwährend auf Unterstützung von Seite der Pforte hoffend. Sie sollen sich zuversichtsvoll dahin geäußert haben, daß Alles zur frühern Ordnung werde zurückkehren müssen; allein diese Erwartungen sind mehr als sanguinisch. Die Regierung und das Volk leben im Bewußtseyn ihres Rechtes der besten Zuversicht; erstere soll Papiere in Händen haben, welche das strafbare Streben der Räthe und ihres Anhangs aufs klarste beweisen. Hierauf scheint sich eine weitere Verordnung zu stützen, wodurch jedem Serben verboten wird, mit den abgesetzten Räthen in der Festung anders als in dringenden Geschäften zu communiciren. Für den Fall einer persönlichen Zusammenkunft mit denselben ist ein Geleitsmann vom Belgrader Magistrat erforderlich. So wird also der Kampf, den diese Partei auf Leben und Tod gegen die Familie Obrenowitsch begonnen, mit ihrem eigenen Ruin enden. An eine Aussöhnung ist hier nicht mehr zu denken, und wahrlich man kann Serbien hiezu nur Glück wünschen. Was würde aus diesem gesegneten Lande, aus der heldenmüthigen Nation geworden seyn, wenn die Cabale gesiegt und das Triumvirat Wucsitsch, Petroniewitsch und Simitsch sich der Regierungsgewalt dauernd bemächtigt hätte? Die schönen Geschichten während des Interregnums geben einen Vorgeschmack davon; den Fürsten würde man als Puppe behandelt und gelegentheitlich ins andere Leben geschickt, seine Familie aber ohne weiteres aus dem Lande getrieben haben. Daß solche Plane gehegt wurden, dafür liegen Beweise vor. Der Himmel hat dieses Unglück von Serbien abgewendet. Man hört hin und wieder die Frage: warum haben sich die sogenannten Patrioten, warum hat sich namentlich der Held Wucsitsch nicht zur Wehre gesetzt? Die einfache Antwort hierauf ist, daß sie es gewiß gethan hätten, wenn sie das wären, wofür sie sich ausgeben. Die Mehrzahl derselben, wie Petroniewitsch und die Simitsch gehören nicht einmal der Nation an, sondern sind Fremde; ihr Einfluß beschränkt sich bloß auf ihre frühere usurpirte Stellung und den Reichthum, welchen die Simitsch der Gunst des Fürsten Milosch verdanken. Wucsitsch ist zwar in Serbien geboren und ein tüchtiger Soldat; allein er hat keine Popularität. Man fürchtet bloß seine Strenge und Hartherzigkeit und verachtet ihn übrigens wegen seines unsittlichen Lebens. - Nachschrift. Eine Unglücksbotschaft setzte gestern die Bevölkerung Belgrads in große Unruhe. Es lief nämlich aus Kragujewatz die Anzeige ein, daß Fürst Michael bedenklich erkrankt sey. Sein Tod wäre unter den jetzigen Verhältnissen eine wahre Calamität für Serbien. Hiedurch allein könnte sich die gestürzte Partei noch einmal ermuthigt fühlen, den Kampf zu erneuern, und einen Versuch zum Bürgerkrieg zu machen. Zu allgemeiner Freude und Beruhigung erhielt man jedoch bald eine zweite Anzeige in Belgrad, wornach die Erkrankung des Fürsten in Folge einer Erkältung nur leicht und keine Gefahr zu besorgen sey.

vom Stephansdome aus und wieder dahin zurück in feierlich gemessenem Schritt bei jedesmaligem Stillstehen vor jenen reichgeschmückten, im Freien aufgestellten Altären bewegte, bei denen die Evangelien abgelesen werden. Hier ist bei Begehung dieses Festes überdieß üblich, von der auf dem Graben, dem vorzüglichsten Platze Wiens, in dreifacher Reihe geschaarten Truppe eine dreimalige Salve geben zu lassen, womit der Act schließt. – Vor drei Tagen ereignete sich in der innern Stadt ein von äußerster Entsittlichung und abscheuerregender Selbstsucht zeugender Fall, ein Doppelmord, von einem Handelsmanne an seiner Geliebten und dann an sich selbst verübt, um sich wegen falscher Wechselfabricirung der gefänglichen Haft zu entziehen. – Die Fabel vom böhmischen Jan Kuttenberg als angeblichem Erfinder der Buchdruckerkunst wird in den öffentlichen Blättern noch immer ausgesponnen; es will aber Niemand daran glauben.

Gestern Abends 9 Uhr sind die Gräfin von Marne und ihre Nichte, Fräulein von Rosny (Herzogin von Angoulême und Prinzessin Louise von Berry), in Begleitung des Grafen von Montbel nebst Gefolge hier angelangt und im Gasthof zum goldenen Adler abgestiegen. Die Fürstinnen gedenken noch heute hier zu verweilen und Morgen ihre Reise nach Kirchberg am Wald fortzusetzen. Die Frau Gräfin von Marne sah hier den bekanntlich als General in Diensten des Don Carlos gestandenen Fürsten Felix v. Lichnowsky, wit welchem sie sich in längerer Audienz unterhielt.

Serbien und Montenegro.

In Serbien ist ein vollkommener Erfolg der neuesten Ordnung nunmehr fast außer allem Zweifel. Wenn die Pforte in die Entlassung der vom Volke beschuldigten Räthe, Minister und Senatoren bis jetzt auch nur bedingungsweise gewilligt hat, so weiß man doch, daß der bereits von Konstantinopel abgegangene großherrliche Commissär Instructionen erhielt, die dem neuen System nur günstig sind. Schon sind die Ministerien, der Senat mit allen Kanzleien u. s. w. nach Kragujewatz aufgebrochen und sämmtliche Beamte, ausgenommen die beiden Räthe Petroniewitsch und Wucsitsch, der bereits nach der Wallachei abgegangene Vicepräsident des Senats, Stojan Simitsch, sein Bruder, der dermalen zu Wien befindliche Finanzminister Alexa Simitsch, der resignirte Cultminister Stephanowitsch und die beiden Senatoren Theodorowitsch und Nenadowitsch sind dem Rufe des Fürsten dahin gefolgt. Die beiden letztern sind die einzigen noch in activem Dienste stehenden, indessen müssen auch sie in Folge einer eben erschienenen Verordnung, wonach jeder, der sich weigert, nach Kragujewatz zu gehen, als entlassen betrachtet wird, abtreten. Wucsitsch und Petroniewitsch befinden sich noch in der Festung, wie man hört, fortwährend auf Unterstützung von Seite der Pforte hoffend. Sie sollen sich zuversichtsvoll dahin geäußert haben, daß Alles zur frühern Ordnung werde zurückkehren müssen; allein diese Erwartungen sind mehr als sanguinisch. Die Regierung und das Volk leben im Bewußtseyn ihres Rechtes der besten Zuversicht; erstere soll Papiere in Händen haben, welche das strafbare Streben der Räthe und ihres Anhangs aufs klarste beweisen. Hierauf scheint sich eine weitere Verordnung zu stützen, wodurch jedem Serben verboten wird, mit den abgesetzten Räthen in der Festung anders als in dringenden Geschäften zu communiciren. Für den Fall einer persönlichen Zusammenkunft mit denselben ist ein Geleitsmann vom Belgrader Magistrat erforderlich. So wird also der Kampf, den diese Partei auf Leben und Tod gegen die Familie Obrenowitsch begonnen, mit ihrem eigenen Ruin enden. An eine Aussöhnung ist hier nicht mehr zu denken, und wahrlich man kann Serbien hiezu nur Glück wünschen. Was würde aus diesem gesegneten Lande, aus der heldenmüthigen Nation geworden seyn, wenn die Cabale gesiegt und das Triumvirat Wucsitsch, Petroniewitsch und Simitsch sich der Regierungsgewalt dauernd bemächtigt hätte? Die schönen Geschichten während des Interregnums geben einen Vorgeschmack davon; den Fürsten würde man als Puppe behandelt und gelegentheitlich ins andere Leben geschickt, seine Familie aber ohne weiteres aus dem Lande getrieben haben. Daß solche Plane gehegt wurden, dafür liegen Beweise vor. Der Himmel hat dieses Unglück von Serbien abgewendet. Man hört hin und wieder die Frage: warum haben sich die sogenannten Patrioten, warum hat sich namentlich der Held Wucsitsch nicht zur Wehre gesetzt? Die einfache Antwort hierauf ist, daß sie es gewiß gethan hätten, wenn sie das wären, wofür sie sich ausgeben. Die Mehrzahl derselben, wie Petroniewitsch und die Simitsch gehören nicht einmal der Nation an, sondern sind Fremde; ihr Einfluß beschränkt sich bloß auf ihre frühere usurpirte Stellung und den Reichthum, welchen die Simitsch der Gunst des Fürsten Milosch verdanken. Wucsitsch ist zwar in Serbien geboren und ein tüchtiger Soldat; allein er hat keine Popularität. Man fürchtet bloß seine Strenge und Hartherzigkeit und verachtet ihn übrigens wegen seines unsittlichen Lebens. – Nachschrift. Eine Unglücksbotschaft setzte gestern die Bevölkerung Belgrads in große Unruhe. Es lief nämlich aus Kragujewatz die Anzeige ein, daß Fürst Michael bedenklich erkrankt sey. Sein Tod wäre unter den jetzigen Verhältnissen eine wahre Calamität für Serbien. Hiedurch allein könnte sich die gestürzte Partei noch einmal ermuthigt fühlen, den Kampf zu erneuern, und einen Versuch zum Bürgerkrieg zu machen. Zu allgemeiner Freude und Beruhigung erhielt man jedoch bald eine zweite Anzeige in Belgrad, wornach die Erkrankung des Fürsten in Folge einer Erkältung nur leicht und keine Gefahr zu besorgen sey.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0008" n="1400"/>
vom Stephansdome aus und wieder dahin zurück in feierlich gemessenem Schritt bei jedesmaligem Stillstehen vor jenen reichgeschmückten, im Freien aufgestellten Altären bewegte, bei denen die Evangelien abgelesen werden. Hier ist bei Begehung dieses Festes überdieß üblich, von der auf dem Graben, dem vorzüglichsten Platze Wiens, in dreifacher Reihe geschaarten Truppe eine dreimalige Salve geben zu lassen, womit der Act schließt. &#x2013; Vor drei Tagen ereignete sich in der innern Stadt ein von äußerster Entsittlichung und abscheuerregender Selbstsucht zeugender Fall, ein Doppelmord, von einem Handelsmanne an seiner Geliebten und dann an sich selbst verübt, um sich wegen falscher Wechselfabricirung der gefänglichen Haft zu entziehen. &#x2013; Die Fabel vom böhmischen Jan Kuttenberg als angeblichem Erfinder der Buchdruckerkunst wird in den öffentlichen Blättern noch immer ausgesponnen; es will aber Niemand daran glauben.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Innsbruck,</hi> 18 Jun.</dateline>
          <p> Gestern Abends 9 Uhr sind die Gräfin von Marne und ihre Nichte, Fräulein von Rosny (Herzogin von Angoulême und Prinzessin Louise von Berry), in Begleitung des Grafen von Montbel nebst Gefolge hier angelangt und im Gasthof zum goldenen Adler abgestiegen. Die Fürstinnen gedenken noch heute hier zu verweilen und Morgen ihre Reise nach Kirchberg am Wald fortzusetzen. Die Frau Gräfin von Marne sah hier den bekanntlich als General in Diensten des Don Carlos gestandenen Fürsten Felix v. Lichnowsky, wit welchem sie sich in längerer Audienz unterhielt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Serbien und Montenegro.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Von der türkischen Gränze,</hi> 11 Jun.</dateline>
          <p> In Serbien ist ein vollkommener Erfolg der neuesten Ordnung nunmehr fast außer allem Zweifel. Wenn die Pforte in die Entlassung der vom Volke beschuldigten Räthe, Minister und Senatoren bis jetzt auch nur bedingungsweise gewilligt hat, so weiß man doch, daß der bereits von Konstantinopel abgegangene großherrliche Commissär Instructionen erhielt, die dem neuen System nur günstig sind. Schon sind die Ministerien, der Senat mit allen Kanzleien u. s. w. nach Kragujewatz aufgebrochen und sämmtliche Beamte, ausgenommen die beiden Räthe Petroniewitsch und Wucsitsch, der bereits nach der Wallachei abgegangene Vicepräsident des Senats, Stojan Simitsch, sein Bruder, der dermalen zu Wien befindliche Finanzminister Alexa Simitsch, der resignirte Cultminister Stephanowitsch und die beiden Senatoren Theodorowitsch und Nenadowitsch sind dem Rufe des Fürsten dahin gefolgt. Die beiden letztern sind die einzigen noch in activem Dienste stehenden, indessen müssen auch sie in Folge einer eben erschienenen Verordnung, wonach jeder, der sich weigert, nach Kragujewatz zu gehen, als entlassen betrachtet wird, abtreten. Wucsitsch und Petroniewitsch befinden sich noch in der Festung, wie man hört, fortwährend auf Unterstützung von Seite der Pforte hoffend. Sie sollen sich zuversichtsvoll dahin geäußert haben, daß Alles zur frühern Ordnung werde zurückkehren müssen; allein diese Erwartungen sind mehr als sanguinisch. Die Regierung und das Volk leben im Bewußtseyn ihres Rechtes der besten Zuversicht; erstere soll Papiere in Händen haben, welche das strafbare Streben der Räthe und ihres Anhangs aufs klarste beweisen. Hierauf scheint sich eine weitere Verordnung zu stützen, wodurch jedem Serben verboten wird, mit den abgesetzten Räthen in der Festung anders als in dringenden Geschäften zu communiciren. Für den Fall einer persönlichen Zusammenkunft mit denselben ist ein Geleitsmann vom Belgrader Magistrat erforderlich. So wird also der Kampf, den diese Partei auf Leben und Tod gegen die Familie Obrenowitsch begonnen, mit ihrem eigenen Ruin enden. An eine Aussöhnung ist hier nicht mehr zu denken, und wahrlich man kann Serbien hiezu nur Glück wünschen. Was würde aus diesem gesegneten Lande, aus der heldenmüthigen Nation geworden seyn, wenn die Cabale gesiegt und das Triumvirat Wucsitsch, Petroniewitsch und Simitsch sich der Regierungsgewalt dauernd bemächtigt hätte? Die schönen Geschichten während des Interregnums geben einen Vorgeschmack davon; den Fürsten würde man als Puppe behandelt und gelegentheitlich ins andere Leben geschickt, seine Familie aber ohne weiteres aus dem Lande getrieben haben. Daß solche Plane gehegt wurden, dafür liegen Beweise vor. Der Himmel hat dieses Unglück von Serbien abgewendet. Man hört hin und wieder die Frage: warum haben sich die sogenannten Patrioten, warum hat sich namentlich der Held Wucsitsch nicht zur Wehre gesetzt? Die einfache Antwort hierauf ist, daß sie es gewiß gethan hätten, wenn sie das wären, wofür sie sich ausgeben. Die Mehrzahl derselben, wie Petroniewitsch und die Simitsch gehören nicht einmal der Nation an, sondern sind Fremde; ihr Einfluß beschränkt sich bloß auf ihre frühere usurpirte Stellung und den Reichthum, welchen die Simitsch der Gunst des Fürsten Milosch verdanken. Wucsitsch ist zwar in Serbien geboren und ein tüchtiger Soldat; allein er hat keine Popularität. Man fürchtet bloß seine Strenge und Hartherzigkeit und verachtet ihn übrigens wegen seines unsittlichen Lebens. &#x2013; <hi rendition="#g">Nachschrift</hi>. Eine Unglücksbotschaft setzte gestern die Bevölkerung Belgrads in große Unruhe. Es lief nämlich aus Kragujewatz die Anzeige ein, daß Fürst Michael bedenklich erkrankt sey. Sein Tod wäre unter den jetzigen Verhältnissen eine wahre Calamität für Serbien. Hiedurch allein könnte sich die gestürzte Partei noch einmal ermuthigt fühlen, den Kampf zu erneuern, und einen Versuch zum Bürgerkrieg zu machen. Zu allgemeiner Freude und Beruhigung erhielt man jedoch bald eine zweite Anzeige in Belgrad, wornach die Erkrankung des Fürsten in Folge einer Erkältung nur leicht und keine Gefahr zu besorgen sey.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1400/0008] vom Stephansdome aus und wieder dahin zurück in feierlich gemessenem Schritt bei jedesmaligem Stillstehen vor jenen reichgeschmückten, im Freien aufgestellten Altären bewegte, bei denen die Evangelien abgelesen werden. Hier ist bei Begehung dieses Festes überdieß üblich, von der auf dem Graben, dem vorzüglichsten Platze Wiens, in dreifacher Reihe geschaarten Truppe eine dreimalige Salve geben zu lassen, womit der Act schließt. – Vor drei Tagen ereignete sich in der innern Stadt ein von äußerster Entsittlichung und abscheuerregender Selbstsucht zeugender Fall, ein Doppelmord, von einem Handelsmanne an seiner Geliebten und dann an sich selbst verübt, um sich wegen falscher Wechselfabricirung der gefänglichen Haft zu entziehen. – Die Fabel vom böhmischen Jan Kuttenberg als angeblichem Erfinder der Buchdruckerkunst wird in den öffentlichen Blättern noch immer ausgesponnen; es will aber Niemand daran glauben. _ Innsbruck, 18 Jun. Gestern Abends 9 Uhr sind die Gräfin von Marne und ihre Nichte, Fräulein von Rosny (Herzogin von Angoulême und Prinzessin Louise von Berry), in Begleitung des Grafen von Montbel nebst Gefolge hier angelangt und im Gasthof zum goldenen Adler abgestiegen. Die Fürstinnen gedenken noch heute hier zu verweilen und Morgen ihre Reise nach Kirchberg am Wald fortzusetzen. Die Frau Gräfin von Marne sah hier den bekanntlich als General in Diensten des Don Carlos gestandenen Fürsten Felix v. Lichnowsky, wit welchem sie sich in längerer Audienz unterhielt. Serbien und Montenegro. _ Von der türkischen Gränze, 11 Jun. In Serbien ist ein vollkommener Erfolg der neuesten Ordnung nunmehr fast außer allem Zweifel. Wenn die Pforte in die Entlassung der vom Volke beschuldigten Räthe, Minister und Senatoren bis jetzt auch nur bedingungsweise gewilligt hat, so weiß man doch, daß der bereits von Konstantinopel abgegangene großherrliche Commissär Instructionen erhielt, die dem neuen System nur günstig sind. Schon sind die Ministerien, der Senat mit allen Kanzleien u. s. w. nach Kragujewatz aufgebrochen und sämmtliche Beamte, ausgenommen die beiden Räthe Petroniewitsch und Wucsitsch, der bereits nach der Wallachei abgegangene Vicepräsident des Senats, Stojan Simitsch, sein Bruder, der dermalen zu Wien befindliche Finanzminister Alexa Simitsch, der resignirte Cultminister Stephanowitsch und die beiden Senatoren Theodorowitsch und Nenadowitsch sind dem Rufe des Fürsten dahin gefolgt. Die beiden letztern sind die einzigen noch in activem Dienste stehenden, indessen müssen auch sie in Folge einer eben erschienenen Verordnung, wonach jeder, der sich weigert, nach Kragujewatz zu gehen, als entlassen betrachtet wird, abtreten. Wucsitsch und Petroniewitsch befinden sich noch in der Festung, wie man hört, fortwährend auf Unterstützung von Seite der Pforte hoffend. Sie sollen sich zuversichtsvoll dahin geäußert haben, daß Alles zur frühern Ordnung werde zurückkehren müssen; allein diese Erwartungen sind mehr als sanguinisch. Die Regierung und das Volk leben im Bewußtseyn ihres Rechtes der besten Zuversicht; erstere soll Papiere in Händen haben, welche das strafbare Streben der Räthe und ihres Anhangs aufs klarste beweisen. Hierauf scheint sich eine weitere Verordnung zu stützen, wodurch jedem Serben verboten wird, mit den abgesetzten Räthen in der Festung anders als in dringenden Geschäften zu communiciren. Für den Fall einer persönlichen Zusammenkunft mit denselben ist ein Geleitsmann vom Belgrader Magistrat erforderlich. So wird also der Kampf, den diese Partei auf Leben und Tod gegen die Familie Obrenowitsch begonnen, mit ihrem eigenen Ruin enden. An eine Aussöhnung ist hier nicht mehr zu denken, und wahrlich man kann Serbien hiezu nur Glück wünschen. Was würde aus diesem gesegneten Lande, aus der heldenmüthigen Nation geworden seyn, wenn die Cabale gesiegt und das Triumvirat Wucsitsch, Petroniewitsch und Simitsch sich der Regierungsgewalt dauernd bemächtigt hätte? Die schönen Geschichten während des Interregnums geben einen Vorgeschmack davon; den Fürsten würde man als Puppe behandelt und gelegentheitlich ins andere Leben geschickt, seine Familie aber ohne weiteres aus dem Lande getrieben haben. Daß solche Plane gehegt wurden, dafür liegen Beweise vor. Der Himmel hat dieses Unglück von Serbien abgewendet. Man hört hin und wieder die Frage: warum haben sich die sogenannten Patrioten, warum hat sich namentlich der Held Wucsitsch nicht zur Wehre gesetzt? Die einfache Antwort hierauf ist, daß sie es gewiß gethan hätten, wenn sie das wären, wofür sie sich ausgeben. Die Mehrzahl derselben, wie Petroniewitsch und die Simitsch gehören nicht einmal der Nation an, sondern sind Fremde; ihr Einfluß beschränkt sich bloß auf ihre frühere usurpirte Stellung und den Reichthum, welchen die Simitsch der Gunst des Fürsten Milosch verdanken. Wucsitsch ist zwar in Serbien geboren und ein tüchtiger Soldat; allein er hat keine Popularität. Man fürchtet bloß seine Strenge und Hartherzigkeit und verachtet ihn übrigens wegen seines unsittlichen Lebens. – Nachschrift. Eine Unglücksbotschaft setzte gestern die Bevölkerung Belgrads in große Unruhe. Es lief nämlich aus Kragujewatz die Anzeige ein, daß Fürst Michael bedenklich erkrankt sey. Sein Tod wäre unter den jetzigen Verhältnissen eine wahre Calamität für Serbien. Hiedurch allein könnte sich die gestürzte Partei noch einmal ermuthigt fühlen, den Kampf zu erneuern, und einen Versuch zum Bürgerkrieg zu machen. Zu allgemeiner Freude und Beruhigung erhielt man jedoch bald eine zweite Anzeige in Belgrad, wornach die Erkrankung des Fürsten in Folge einer Erkältung nur leicht und keine Gefahr zu besorgen sey.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_175_18400623
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_175_18400623/8
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 175. Augsburg, 23. Juni 1840, S. 1400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_175_18400623/8>, abgerufen am 09.11.2024.