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Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840.

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Cousin über Graf Santa Rosa.

Cousin, der Philosoph, der Minister, hat kürzlich eine dem Principe de la Cisterna zugeeignete Lebens- und Charakterskizze des Grafen Santa Rosa veröffentlicht, dessen späteres Schicksal und Ende nur verworren und fragmentarisch von den öffentlichen Blättern besprochen worden war. Cousin hat diese Skizze mit einer Menge Details aus seinem und seines Freundes Privatleben begleitet, in Betreff deren wir auf die Schrift selbst (in der Revue des deux Mondes vom 1 März, dem Tage, wo Cousin ins Ministerium getreten, *) verweisen. So bezeichnend jene Details für Santa Rosa's Charakter, wie für das damalige Leben und Treiben der Proscribirten in Frankreich und England sind, so müssen wir uns doch hier auf die mehr allgemeinen Züge beschränken, die wir in Folgendem gedrängt zusammenstellen:

"Die Zeit hat beinahe das Andenken an die kurze piemontesische Revolution von 1821, so wie des Menschen verwischt, welcher in jener die Hauptrolle spielte. Diese Vergessenheit enthält nichts Ungerechtes. Um im Gedächtniß der Menschen zu bleiben, muß man Thaten verrichtet haben, welche bleibend sind. Es ist nicht bloße Schwäche, wie man oft glaubt, wenn die Menschen ihre Verehrung nach dem Erfolge richten; er ist in ihren Augen das Symbol der großen Vorzüge der Seele, und der ersten von allen, nämlich jener kräftigen Klugheit, welche sich in keine Unternehmung einläßt, ohne alle Chancen gegen einander abgewogen und sich überzeugt zu haben, daß sie nichts enthalten, wodurch Beharrlichkeit und Energie vereitelt werden könnten. Der eclatanteste Muth gegen das Unmögliche findet wenig Anklang, und die heroischsten Opfer verlieren gewissermaßen ihren Werth, wenn sie einem unvernünftigen Zweck dienten. Der wahre Zweck der piemontesischen Revolution war gewiß nicht die ungestüme Errichtung einer constitutionellen Regierung, nach Art der englischen und heutigen französischen, in einem Lande, welches noch zwei Jahrhunderte zurück ist. Diese Revolution war nichts als eine militärische Bewegung. - - - Der große und unverzeihliche Fehler der Chefs dieser militärischen Bewegung war der, daß sie auf ihre Fahne die Devise eines überspannten und fremdartigen Liberalismus setzten, so daß die unvermeidliche Folge Parteiungen, Unzufriedenheit des Adels, in dessen Händen der Reichthum und die Macht waren, und die Beunruhigung des Königthums seyn mußten. Und ferner hing der Erfolg der Erhebung des Hauses Savoyen gegen Oesterreich von den zwei Bedingungen ab, daß 1) Frankreich, wenn es nicht offen diese Bewegung unterstützte, doch ihr nicht entgegenwirke und sie selbst unter der Hand befördere; und 2) die neapolitanische Armee wenigstens ein paar Monate Widerstand leisten könne. Diese beiden Bedingungen aber fehlten. 1821 neigte sich die französische Regierung schon der verhängnißvollen Reaction zu, welche das Ministerium des Hrn. v. Villele und später die Julius-Ordonnanzen bezeichnet, und alle gut unterrichteten Militärs in Piemont wußten wohl, daß es Thorheit sey, auf die neapolitanische Armee zu rechnen. Die piemontesische Revolution war also im voraus zum Scheitern verurtheilt; sie hat das größte Unglück über dieses kleine Land gebracht, welches Alles der Weisheit, gepaart mit Kühnheit, verdankt, und welches nur durch dieselben Mittel wachsen und zunehmen kann, die in drei Jahrhunderten es zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Mitten zwischen Oesterreich und Frankreich hat sich das Haus Savoyen nur gehoben, indem es dem einen Staate gegen den andern diente und in keinem Momente mehr als einen Feind hatte. Die piemontesische Monarchie ist das Werk der Politik; die Politik allein kann sie erhalten. Wenig hätte gefehlt, und die Revolution von 1821 hätte sie vernichtet. Die Abdankung eines geachteten Königs, der Erbe des Thrones in Gefahr und beinahe ein Gefangener, die Blüthe des Adels im Exil, der erste General Italiens, der Stolz und die Hoffnung des Heeres, Giflenga, für immer in Ungnade, Sie, mein theurer Freund (Fürst de la Cisterna), der Sie durch Geburt, Vermögen, namentlich aber durch Ihre Persönlichkeit und Ihre Einsicht, mit solchem Recht auf die Vertretung Piemonts bei den Höfen von Paris oder London angewiesen waren, für Ihr ganzes Leben vielleicht zur Unthätigkeit verdammt, Officiere, wie Saint Marsan, Lisio und Collegno dahin gebracht, daß sie nichts Besseres thun konnten, als ihren Degen zu zerbrechen; endlich der, welcher, lassen Sie mich es frei heraussagen, Sie Alle überragte, der, dessen muthiger Geist, wenn er eine bessere Richtung erhalten hätte, und dessen überlegenes Genie, wenn es an der Erfahrung gereift wäre, dem piemontesischen Vaterlande und dem Hause Savoyen den fähigsten Minister hätten liefern können, um ihre Schicksale zu leiten, Santa Rosa geächtet, in Europa umherirrend und in Griechenland in einem seiner kaum würdigen Kampfe den Tod suchend - das sind die bittern Früchte einer zugleich höchst nobeln und höchst unverständigen Unternehmung. Europa erinnert sich kaum mehr, daß in Piemont eine liberale Bewegung stattgefunden im Jahr 1821; die, welche natürlichen Sinn für das Schöne haben, unterschieden in diesem vorübergehenden Geräusch einige Worte, welche eine große Seele verriethen; der Name Santa Rosa machte einen Augenblick Epoche; wenige Zeit darauf hörte man denselben Namen wieder in den griechischen Angelegenheiten, und man vernahm, daß derselbe Mann, welcher sich 1821 mit einem vorübergleitenden Schatten von Größe in seiner kurzen Dictatur geltend gemacht hatte, bei der Vertheidigung der Insel Sphakteria gegen die ägyptische Armee den Tod der Tapfern gestorben war; dann trat tiefe Stille ein, eine ewige Stille, und das Andenken Santa Rosa's lebt nur noch in einigen zu Turin, Paris und London zerstreuten Freunden.

Einer dieser Freunde bin ich; meine Beziehungen mit Santa Rosa waren nur von sehr kurzer Dauer, aber desto inniger. Mehr als einmal bin ich in Versuchung gewesen, sein Leben zu beschreiben - dieses halb romantische, halb heroische Leben; ich habe es aufgegeben. Ich will der Vergessenheit den Namen eines Mannes nicht streitig machen, der seine Bestimmung verfehlt hat; aber mehrere Personen, und so namentlich Sie, der Sie ein frommes Andenken seinem Namen erhalten, haben mich zu wiederholten Malen aufgefordert, zu erzählen, durch welche Fügung ich, ein Professor der Philosophie, vollkommen fremd den Ereignissen in Piemont, mit dem Haupt der piemontesischen Revolution in ein so inniges Verhältniß gerathen, und welche die wahren Beziehungen zu Ihrem geliebten und unglücklichen Landsmann gewesen. Ich erfülle Ihren Wunsch.

Im Monat October 1821, wo ich meiner Functionen als Professor der Geschichte der neueren Philosophie an der faculte des lettres enthoben, und auf eine traurige Zurückgezogenheit in der Nähe des Luxembourg beschränkt lebte, kam mir zufällig eine Broschüre in die Hand, deren Titel war: "Ueber die piemontesische Revolution," und die als Motto jenen Vers Alfieri's

*) Die Litterarischen Blätter der Börsenhalle haben eine vollständige Uebersetzung davon geliefert.
Cousin über Graf Santa Rosa.

Cousin, der Philosoph, der Minister, hat kürzlich eine dem Principe de la Cisterna zugeeignete Lebens- und Charakterskizze des Grafen Santa Rosa veröffentlicht, dessen späteres Schicksal und Ende nur verworren und fragmentarisch von den öffentlichen Blättern besprochen worden war. Cousin hat diese Skizze mit einer Menge Details aus seinem und seines Freundes Privatleben begleitet, in Betreff deren wir auf die Schrift selbst (in der Revue des deux Mondes vom 1 März, dem Tage, wo Cousin ins Ministerium getreten, *) verweisen. So bezeichnend jene Details für Santa Rosa's Charakter, wie für das damalige Leben und Treiben der Proscribirten in Frankreich und England sind, so müssen wir uns doch hier auf die mehr allgemeinen Züge beschränken, die wir in Folgendem gedrängt zusammenstellen:

„Die Zeit hat beinahe das Andenken an die kurze piemontesische Revolution von 1821, so wie des Menschen verwischt, welcher in jener die Hauptrolle spielte. Diese Vergessenheit enthält nichts Ungerechtes. Um im Gedächtniß der Menschen zu bleiben, muß man Thaten verrichtet haben, welche bleibend sind. Es ist nicht bloße Schwäche, wie man oft glaubt, wenn die Menschen ihre Verehrung nach dem Erfolge richten; er ist in ihren Augen das Symbol der großen Vorzüge der Seele, und der ersten von allen, nämlich jener kräftigen Klugheit, welche sich in keine Unternehmung einläßt, ohne alle Chancen gegen einander abgewogen und sich überzeugt zu haben, daß sie nichts enthalten, wodurch Beharrlichkeit und Energie vereitelt werden könnten. Der eclatanteste Muth gegen das Unmögliche findet wenig Anklang, und die heroischsten Opfer verlieren gewissermaßen ihren Werth, wenn sie einem unvernünftigen Zweck dienten. Der wahre Zweck der piemontesischen Revolution war gewiß nicht die ungestüme Errichtung einer constitutionellen Regierung, nach Art der englischen und heutigen französischen, in einem Lande, welches noch zwei Jahrhunderte zurück ist. Diese Revolution war nichts als eine militärische Bewegung. – – – Der große und unverzeihliche Fehler der Chefs dieser militärischen Bewegung war der, daß sie auf ihre Fahne die Devise eines überspannten und fremdartigen Liberalismus setzten, so daß die unvermeidliche Folge Parteiungen, Unzufriedenheit des Adels, in dessen Händen der Reichthum und die Macht waren, und die Beunruhigung des Königthums seyn mußten. Und ferner hing der Erfolg der Erhebung des Hauses Savoyen gegen Oesterreich von den zwei Bedingungen ab, daß 1) Frankreich, wenn es nicht offen diese Bewegung unterstützte, doch ihr nicht entgegenwirke und sie selbst unter der Hand befördere; und 2) die neapolitanische Armee wenigstens ein paar Monate Widerstand leisten könne. Diese beiden Bedingungen aber fehlten. 1821 neigte sich die französische Regierung schon der verhängnißvollen Reaction zu, welche das Ministerium des Hrn. v. Villèle und später die Julius-Ordonnanzen bezeichnet, und alle gut unterrichteten Militärs in Piemont wußten wohl, daß es Thorheit sey, auf die neapolitanische Armee zu rechnen. Die piemontesische Revolution war also im voraus zum Scheitern verurtheilt; sie hat das größte Unglück über dieses kleine Land gebracht, welches Alles der Weisheit, gepaart mit Kühnheit, verdankt, und welches nur durch dieselben Mittel wachsen und zunehmen kann, die in drei Jahrhunderten es zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Mitten zwischen Oesterreich und Frankreich hat sich das Haus Savoyen nur gehoben, indem es dem einen Staate gegen den andern diente und in keinem Momente mehr als einen Feind hatte. Die piemontesische Monarchie ist das Werk der Politik; die Politik allein kann sie erhalten. Wenig hätte gefehlt, und die Revolution von 1821 hätte sie vernichtet. Die Abdankung eines geachteten Königs, der Erbe des Thrones in Gefahr und beinahe ein Gefangener, die Blüthe des Adels im Exil, der erste General Italiens, der Stolz und die Hoffnung des Heeres, Giflenga, für immer in Ungnade, Sie, mein theurer Freund (Fürst de la Cisterna), der Sie durch Geburt, Vermögen, namentlich aber durch Ihre Persönlichkeit und Ihre Einsicht, mit solchem Recht auf die Vertretung Piemonts bei den Höfen von Paris oder London angewiesen waren, für Ihr ganzes Leben vielleicht zur Unthätigkeit verdammt, Officiere, wie Saint Marsan, Lisio und Collegno dahin gebracht, daß sie nichts Besseres thun konnten, als ihren Degen zu zerbrechen; endlich der, welcher, lassen Sie mich es frei heraussagen, Sie Alle überragte, der, dessen muthiger Geist, wenn er eine bessere Richtung erhalten hätte, und dessen überlegenes Genie, wenn es an der Erfahrung gereift wäre, dem piemontesischen Vaterlande und dem Hause Savoyen den fähigsten Minister hätten liefern können, um ihre Schicksale zu leiten, Santa Rosa geächtet, in Europa umherirrend und in Griechenland in einem seiner kaum würdigen Kampfe den Tod suchend – das sind die bittern Früchte einer zugleich höchst nobeln und höchst unverständigen Unternehmung. Europa erinnert sich kaum mehr, daß in Piemont eine liberale Bewegung stattgefunden im Jahr 1821; die, welche natürlichen Sinn für das Schöne haben, unterschieden in diesem vorübergehenden Geräusch einige Worte, welche eine große Seele verriethen; der Name Santa Rosa machte einen Augenblick Epoche; wenige Zeit darauf hörte man denselben Namen wieder in den griechischen Angelegenheiten, und man vernahm, daß derselbe Mann, welcher sich 1821 mit einem vorübergleitenden Schatten von Größe in seiner kurzen Dictatur geltend gemacht hatte, bei der Vertheidigung der Insel Sphakteria gegen die ägyptische Armee den Tod der Tapfern gestorben war; dann trat tiefe Stille ein, eine ewige Stille, und das Andenken Santa Rosa's lebt nur noch in einigen zu Turin, Paris und London zerstreuten Freunden.

Einer dieser Freunde bin ich; meine Beziehungen mit Santa Rosa waren nur von sehr kurzer Dauer, aber desto inniger. Mehr als einmal bin ich in Versuchung gewesen, sein Leben zu beschreiben – dieses halb romantische, halb heroische Leben; ich habe es aufgegeben. Ich will der Vergessenheit den Namen eines Mannes nicht streitig machen, der seine Bestimmung verfehlt hat; aber mehrere Personen, und so namentlich Sie, der Sie ein frommes Andenken seinem Namen erhalten, haben mich zu wiederholten Malen aufgefordert, zu erzählen, durch welche Fügung ich, ein Professor der Philosophie, vollkommen fremd den Ereignissen in Piemont, mit dem Haupt der piemontesischen Revolution in ein so inniges Verhältniß gerathen, und welche die wahren Beziehungen zu Ihrem geliebten und unglücklichen Landsmann gewesen. Ich erfülle Ihren Wunsch.

Im Monat October 1821, wo ich meiner Functionen als Professor der Geschichte der neueren Philosophie an der faculté des lettres enthoben, und auf eine traurige Zurückgezogenheit in der Nähe des Luxembourg beschränkt lebte, kam mir zufällig eine Broschüre in die Hand, deren Titel war: „Ueber die piemontesische Revolution,“ und die als Motto jenen Vers Alfieri's

*) Die Litterarischen Blätter der Börsenhalle haben eine vollständige Uebersetzung davon geliefert.
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Und ferner hing der Erfolg der Erhebung des Hauses Savoyen gegen Oesterreich von den zwei Bedingungen ab, daß 1) Frankreich, wenn es nicht offen diese Bewegung unterstützte, doch ihr nicht entgegenwirke und sie selbst unter der Hand befördere; und 2) die neapolitanische Armee wenigstens ein paar Monate Widerstand leisten könne. Diese beiden Bedingungen aber fehlten. 1821 neigte sich die französische Regierung schon der verhängnißvollen Reaction zu, welche das Ministerium des Hrn. v. Villèle und später die Julius-Ordonnanzen bezeichnet, und alle gut unterrichteten Militärs in Piemont wußten wohl, daß es Thorheit sey, auf die neapolitanische Armee zu rechnen. Die piemontesische Revolution war also im voraus zum Scheitern verurtheilt; sie hat das größte Unglück über dieses kleine Land gebracht, welches Alles der Weisheit, gepaart mit Kühnheit, verdankt, und welches nur durch dieselben Mittel wachsen und zunehmen kann, die in drei Jahrhunderten es zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Mitten zwischen Oesterreich und Frankreich hat sich das Haus Savoyen nur gehoben, indem es dem einen Staate gegen den andern diente und in keinem Momente mehr als einen Feind hatte. Die piemontesische Monarchie ist das Werk der Politik; die Politik allein kann sie erhalten. Wenig hätte gefehlt, und die Revolution von 1821 hätte sie vernichtet. Die Abdankung eines geachteten Königs, der Erbe des Thrones in Gefahr und beinahe ein Gefangener, die Blüthe des Adels im Exil, der erste General Italiens, der Stolz und die Hoffnung des Heeres, Giflenga, für immer in Ungnade, Sie, mein theurer Freund (Fürst de la Cisterna), der Sie durch Geburt, Vermögen, namentlich aber durch Ihre Persönlichkeit und Ihre Einsicht, mit solchem Recht auf die Vertretung Piemonts bei den Höfen von Paris oder London angewiesen waren, für Ihr ganzes Leben vielleicht zur Unthätigkeit verdammt, Officiere, wie Saint Marsan, Lisio und Collegno dahin gebracht, daß sie nichts Besseres thun konnten, als ihren Degen zu zerbrechen; endlich der, welcher, lassen Sie mich es frei heraussagen, Sie Alle überragte, der, dessen muthiger Geist, wenn er eine bessere Richtung erhalten hätte, und dessen überlegenes Genie, wenn es an der Erfahrung gereift wäre, dem piemontesischen Vaterlande und dem Hause Savoyen den fähigsten Minister hätten liefern können, um ihre Schicksale zu leiten, <hi rendition="#g">Santa Rosa</hi> geächtet, in Europa umherirrend und in Griechenland in einem seiner kaum würdigen Kampfe den Tod suchend &#x2013; das sind die bittern Früchte einer zugleich höchst nobeln und höchst unverständigen Unternehmung. 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[1361/0009] Cousin über Graf Santa Rosa. Cousin, der Philosoph, der Minister, hat kürzlich eine dem Principe de la Cisterna zugeeignete Lebens- und Charakterskizze des Grafen Santa Rosa veröffentlicht, dessen späteres Schicksal und Ende nur verworren und fragmentarisch von den öffentlichen Blättern besprochen worden war. Cousin hat diese Skizze mit einer Menge Details aus seinem und seines Freundes Privatleben begleitet, in Betreff deren wir auf die Schrift selbst (in der Revue des deux Mondes vom 1 März, dem Tage, wo Cousin ins Ministerium getreten, *) verweisen. So bezeichnend jene Details für Santa Rosa's Charakter, wie für das damalige Leben und Treiben der Proscribirten in Frankreich und England sind, so müssen wir uns doch hier auf die mehr allgemeinen Züge beschränken, die wir in Folgendem gedrängt zusammenstellen: „Die Zeit hat beinahe das Andenken an die kurze piemontesische Revolution von 1821, so wie des Menschen verwischt, welcher in jener die Hauptrolle spielte. Diese Vergessenheit enthält nichts Ungerechtes. Um im Gedächtniß der Menschen zu bleiben, muß man Thaten verrichtet haben, welche bleibend sind. Es ist nicht bloße Schwäche, wie man oft glaubt, wenn die Menschen ihre Verehrung nach dem Erfolge richten; er ist in ihren Augen das Symbol der großen Vorzüge der Seele, und der ersten von allen, nämlich jener kräftigen Klugheit, welche sich in keine Unternehmung einläßt, ohne alle Chancen gegen einander abgewogen und sich überzeugt zu haben, daß sie nichts enthalten, wodurch Beharrlichkeit und Energie vereitelt werden könnten. Der eclatanteste Muth gegen das Unmögliche findet wenig Anklang, und die heroischsten Opfer verlieren gewissermaßen ihren Werth, wenn sie einem unvernünftigen Zweck dienten. Der wahre Zweck der piemontesischen Revolution war gewiß nicht die ungestüme Errichtung einer constitutionellen Regierung, nach Art der englischen und heutigen französischen, in einem Lande, welches noch zwei Jahrhunderte zurück ist. Diese Revolution war nichts als eine militärische Bewegung. – – – Der große und unverzeihliche Fehler der Chefs dieser militärischen Bewegung war der, daß sie auf ihre Fahne die Devise eines überspannten und fremdartigen Liberalismus setzten, so daß die unvermeidliche Folge Parteiungen, Unzufriedenheit des Adels, in dessen Händen der Reichthum und die Macht waren, und die Beunruhigung des Königthums seyn mußten. Und ferner hing der Erfolg der Erhebung des Hauses Savoyen gegen Oesterreich von den zwei Bedingungen ab, daß 1) Frankreich, wenn es nicht offen diese Bewegung unterstützte, doch ihr nicht entgegenwirke und sie selbst unter der Hand befördere; und 2) die neapolitanische Armee wenigstens ein paar Monate Widerstand leisten könne. Diese beiden Bedingungen aber fehlten. 1821 neigte sich die französische Regierung schon der verhängnißvollen Reaction zu, welche das Ministerium des Hrn. v. Villèle und später die Julius-Ordonnanzen bezeichnet, und alle gut unterrichteten Militärs in Piemont wußten wohl, daß es Thorheit sey, auf die neapolitanische Armee zu rechnen. Die piemontesische Revolution war also im voraus zum Scheitern verurtheilt; sie hat das größte Unglück über dieses kleine Land gebracht, welches Alles der Weisheit, gepaart mit Kühnheit, verdankt, und welches nur durch dieselben Mittel wachsen und zunehmen kann, die in drei Jahrhunderten es zu dem gemacht haben, was es jetzt ist. Mitten zwischen Oesterreich und Frankreich hat sich das Haus Savoyen nur gehoben, indem es dem einen Staate gegen den andern diente und in keinem Momente mehr als einen Feind hatte. Die piemontesische Monarchie ist das Werk der Politik; die Politik allein kann sie erhalten. Wenig hätte gefehlt, und die Revolution von 1821 hätte sie vernichtet. Die Abdankung eines geachteten Königs, der Erbe des Thrones in Gefahr und beinahe ein Gefangener, die Blüthe des Adels im Exil, der erste General Italiens, der Stolz und die Hoffnung des Heeres, Giflenga, für immer in Ungnade, Sie, mein theurer Freund (Fürst de la Cisterna), der Sie durch Geburt, Vermögen, namentlich aber durch Ihre Persönlichkeit und Ihre Einsicht, mit solchem Recht auf die Vertretung Piemonts bei den Höfen von Paris oder London angewiesen waren, für Ihr ganzes Leben vielleicht zur Unthätigkeit verdammt, Officiere, wie Saint Marsan, Lisio und Collegno dahin gebracht, daß sie nichts Besseres thun konnten, als ihren Degen zu zerbrechen; endlich der, welcher, lassen Sie mich es frei heraussagen, Sie Alle überragte, der, dessen muthiger Geist, wenn er eine bessere Richtung erhalten hätte, und dessen überlegenes Genie, wenn es an der Erfahrung gereift wäre, dem piemontesischen Vaterlande und dem Hause Savoyen den fähigsten Minister hätten liefern können, um ihre Schicksale zu leiten, Santa Rosa geächtet, in Europa umherirrend und in Griechenland in einem seiner kaum würdigen Kampfe den Tod suchend – das sind die bittern Früchte einer zugleich höchst nobeln und höchst unverständigen Unternehmung. Europa erinnert sich kaum mehr, daß in Piemont eine liberale Bewegung stattgefunden im Jahr 1821; die, welche natürlichen Sinn für das Schöne haben, unterschieden in diesem vorübergehenden Geräusch einige Worte, welche eine große Seele verriethen; der Name Santa Rosa machte einen Augenblick Epoche; wenige Zeit darauf hörte man denselben Namen wieder in den griechischen Angelegenheiten, und man vernahm, daß derselbe Mann, welcher sich 1821 mit einem vorübergleitenden Schatten von Größe in seiner kurzen Dictatur geltend gemacht hatte, bei der Vertheidigung der Insel Sphakteria gegen die ägyptische Armee den Tod der Tapfern gestorben war; dann trat tiefe Stille ein, eine ewige Stille, und das Andenken Santa Rosa's lebt nur noch in einigen zu Turin, Paris und London zerstreuten Freunden. Einer dieser Freunde bin ich; meine Beziehungen mit Santa Rosa waren nur von sehr kurzer Dauer, aber desto inniger. Mehr als einmal bin ich in Versuchung gewesen, sein Leben zu beschreiben – dieses halb romantische, halb heroische Leben; ich habe es aufgegeben. Ich will der Vergessenheit den Namen eines Mannes nicht streitig machen, der seine Bestimmung verfehlt hat; aber mehrere Personen, und so namentlich Sie, der Sie ein frommes Andenken seinem Namen erhalten, haben mich zu wiederholten Malen aufgefordert, zu erzählen, durch welche Fügung ich, ein Professor der Philosophie, vollkommen fremd den Ereignissen in Piemont, mit dem Haupt der piemontesischen Revolution in ein so inniges Verhältniß gerathen, und welche die wahren Beziehungen zu Ihrem geliebten und unglücklichen Landsmann gewesen. Ich erfülle Ihren Wunsch. Im Monat October 1821, wo ich meiner Functionen als Professor der Geschichte der neueren Philosophie an der faculté des lettres enthoben, und auf eine traurige Zurückgezogenheit in der Nähe des Luxembourg beschränkt lebte, kam mir zufällig eine Broschüre in die Hand, deren Titel war: „Ueber die piemontesische Revolution,“ und die als Motto jenen Vers Alfieri's *) Die Litterarischen Blätter der Börsenhalle haben eine vollständige Uebersetzung davon geliefert.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 171. Augsburg, 19. Juni 1840, S. 1361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_171_18400619/9>, abgerufen am 24.11.2024.