Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840.Das Gegenbild von dem Grafen von Espanna. Es gehört zu den eigenthümlichen Vorzügen der Allgemeinen Zeitung, daß in ihr die Ansichten von Männern sehr verschiedener politischer und religiöser Gesinnungen und Parteien sich aussprechen und die Thatsachen von mehr als Einem Standpunkte aus beleuchtet werden. Dieser Eigenthümlichkeit muß es zugeschrieben werden, wenn darin sogar Männer, wie der Graf de Espanna oder vielmehr d'Espagne ihre Lobredner, oder wenigstens ihre Vertheidiger finden, wie das in der Beilage vom 12 April geschehen ist. Wir wollen solche Versuche nicht tadeln, sind jedoch der unmaßgeblichen Meinung, daß man der Sache der legitimen Monarchie keinen schlechtern Dienst erweisen könne, als wenn man solche unglückliche Versuche macht, die d'Espagnes als ihre Heiligen zu canonisiren. Aus diesem Grunde können wir nicht umhin, über diesen Mann und jenen Versuch auch ein Wort zu sagen. Ein Publicist, den wahrscheinlich Niemand illegitimer Gesinnungen beschuldigen wird, Pfeilschifter, sagte im Sommer 1838 mit Bezug auf den Canonisirten: "Dem unglücklichen Prinzen (Don Carlos) war die Aufgabe gestellt, sein Vaterland vom Untergange zu retten; seitdem wir aber alle jene, die unter seinem Bruder das Land an den Rand des Abgrundes bringen halfen, sich um ihn gruppiren, die unfähigen Labandero und Aznarez in seinem Rathe, Moreno und Negri an der Spitze seiner Armeen sehen, und sogar die Espanna und P. Cyrillus ihm zu Hülfe eilen, bezweifeln wir, was wir früher bloß dahingestellt seyn ließen, seinen Beruf, die große und edle Aufgabe zu lösen." *) Die Ereignisse haben es seitdem selbst dem blindesten Anhänger des "unglücklichen Prinzen," wie Hr. v. Pfeilschifter denselben, ich weiß nicht schonend oder zweideutig, bezeichnet, klar machen müssen, daß diese Zweifel wenigstens nicht ohne guten Grund waren. Wir maßen uns nicht an, den berüchtigten Generalcapitän von Catalonien, den man öfter noch den "Henker" dieser beklagenswerthen Provinz nannte, genauer zu kennen als sein Vertheidiger; da uns aber gerade einige Beiträge zu einer Biographie dieses "Gewissenhaften," wie sein Vertheidiger ihn nennt, in die Hände fallen, so wollen wir sie den Lesern der Allgemeinen Zeitung nicht vorenthalten. "Die Rolle des Grafen de Espanna während des Constitutionskrieges (1820-1823), sagt der Verfasser, konnte nicht zweifelhaft seyn," erzählt uns jedoch nicht, worin sie bestanden habe. Es ist Schade, daß Hr. v. Pfeilschifter, welcher in seinem Staatsmann (VI Bd.) den Grafen schon 1825 als einen "Heuchler und Intriganten" bezeichnet und sich dabei auf "bestimmte Facta" beruft, diese nicht näher angibt. Einige Aufschlüsse über die Rolle, welche der Graf damals spielte, finden sich indeß in dem höchst interessanten Werke, das der Marquis de Miraflores über die Ereignisse von 1820 bis 1823 herausgab. **) Hier lesen wir nach den Acten, welche im Archiv der Regentschaft von Urgel gefunden wurden: "Unterm 28 Nov. 1822 meldete Don Carlos Espagne der Regentschaft (aus Verona), daß er die unterm 28 Oct. ihm übersandte Denkschrift, worin der Plan des französischen Cabinets widerlegt und seine verderblichen Folgen nachgewiesen waren, dem Kaiser Alexander überreicht, und daß dieser sie gelobt und gebilligt habe. Don Carlos Espagne sollicitirte hierauf bei der Regentschaft, in der Diplomatie angestellt zu werden, und da er dieß nicht erreichte, so machte er im Journal des Debats bekannt, er sey von der Regentschaft weder angestellt gewesen noch werde er jemals eine Anstellung von ihr annehmen; hierauf erklärte er sich für den Plan des französischen Ministeriums und erhielt von ihm das Commando über Navarra." Wie übrigens der Verfasser die Rolle, welche der General in dieser Zeit der Regierung seines Souveräns gegenüber überhaupt gespielt, mit seiner Theorie der Pflichten des "Soldaten," die er weiterhin aufstellt, vereinigen und ausgleichen könne, ist für unsere Fassungskraft schwer zu begreifen. "Der Graf," fährt der Verfasser fort, "zog sich auch den Haß aller Liberalen zu, die in ihm einen Tyrannen und Wütherich, blinden Häscher der blutigen Decretalien Ferdinands VII sahen." Er scheint darüber verwundert zu seyn, indem er sagt: "Und doch lassen sich alle Handlungen des Grafen de Espanna so einfach auf das einzige Princip zurückführen, ohne das jeder militärische Geist, jede Mannszucht unmöglich ist. Der Befehl des Souveräns ist das höchste Gesetz des Soldaten." Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß ein zum Füsiliren eines Cameraden commandirter Soldat nicht erst untersuchen und entscheiden kann, ob das Gesetz gerecht sey und die Richter gerecht geurtheilt haben, obgleich auch er nicht blindlings über den Haufen zu schießen hat, wenn ein Officier, dessen Befehlen er sonst gehorchen muß, es zu commandiren auf den Einfall geriethe; allein der "wirkliche Staatsrath Sr. katholischen Majestät, der Generalcapitän und Präsident des höchsten Gerichtshofes einer Provinz" ist eben kein Soldat, sondern ein Mann, der seinem Souverän etwas Anderes schuldig ist, als den Henker zu machen. Wie man versichert, so befand sich der Advocat des Grafen d'Espagne selbst in den Umgebungen des Don Carlos. Wenn dieß der Fall war und man seine Theorie mit derjenigen zusammen hält, welche ein anderer Officier aus den Umgebungen des Prätendenten, der Baron de los Valles ***)***) aussprach, so ist nicht zu verwundern, daß diejenigen, welche sich für den Prinzen im Interesse der rechtmäßigen Thronfolge erhoben, zuletzt bedenklich wurden und mit Madrid paciscirten; denn vor einer solchen Dschingis-Chanischen Moral-Rechtstheorie, wie diese beiden Herren aus so hoher Umgebung zu Markte bringen, muß jedem ehrlichen Manne bange werden. Da der Verfasser des Artikels "über die Ermordung des Grafen de Espanna" und der Baron de los Valles in ihren Ansichten so sehr zusammen stimmen, so glauben wir von beiden Notiz nehmen zu müssen. Unser Verfasser fährt fort: "Man versteht, daß hier von der Hinrichtung des Generals Bessieres die Rede ist, ein trauriges Ereigniß, über das ich mich nicht näher erklären kann, da es nicht an mir ist, als Ankläger königlicher Personen aufzutreten, selbst nicht nach ihrem Tode. Als 1827 Catalonien unruhig werden wollte, begab sich Ferdinand VII selbst nach Barcelona, und stellte den Grafen de Espanna an die Spitze der unzufriedenen Provinz. Der Catalonier gehorcht nur dem, den er fürchtet; das wußte Graf de Espanna; er packte sie mit grimmiger Faust, ließ die Köpfe der Rädelsführer abschlagen und schickte die übrigen auf Galeeren; da beugten sie und schmiegten sich, gehorchten ihm und es ward Ruhe." Ohne hier in *) Politische Studien. I Th. pag. 272. **) Essais historiques et politiques pour servir a l'histoire d'Espagne de 1840 a 1823. Trad. de l'esp. Paris, 1836. ***) Un chapitre de l'histoire de Charles V, par le baron de los Valles, aide-de-camp du Roi d'Espagne, brigadier dans ses armees etc. Paris. 1835.
Das Gegenbild von dem Grafen von España. Es gehört zu den eigenthümlichen Vorzügen der Allgemeinen Zeitung, daß in ihr die Ansichten von Männern sehr verschiedener politischer und religiöser Gesinnungen und Parteien sich aussprechen und die Thatsachen von mehr als Einem Standpunkte aus beleuchtet werden. Dieser Eigenthümlichkeit muß es zugeschrieben werden, wenn darin sogar Männer, wie der Graf de España oder vielmehr d'Espagne ihre Lobredner, oder wenigstens ihre Vertheidiger finden, wie das in der Beilage vom 12 April geschehen ist. Wir wollen solche Versuche nicht tadeln, sind jedoch der unmaßgeblichen Meinung, daß man der Sache der legitimen Monarchie keinen schlechtern Dienst erweisen könne, als wenn man solche unglückliche Versuche macht, die d'Espagnes als ihre Heiligen zu canonisiren. Aus diesem Grunde können wir nicht umhin, über diesen Mann und jenen Versuch auch ein Wort zu sagen. Ein Publicist, den wahrscheinlich Niemand illegitimer Gesinnungen beschuldigen wird, Pfeilschifter, sagte im Sommer 1838 mit Bezug auf den Canonisirten: „Dem unglücklichen Prinzen (Don Carlos) war die Aufgabe gestellt, sein Vaterland vom Untergange zu retten; seitdem wir aber alle jene, die unter seinem Bruder das Land an den Rand des Abgrundes bringen halfen, sich um ihn gruppiren, die unfähigen Labandero und Aznarez in seinem Rathe, Moreno und Negri an der Spitze seiner Armeen sehen, und sogar die España und P. Cyrillus ihm zu Hülfe eilen, bezweifeln wir, was wir früher bloß dahingestellt seyn ließen, seinen Beruf, die große und edle Aufgabe zu lösen.“ *) Die Ereignisse haben es seitdem selbst dem blindesten Anhänger des „unglücklichen Prinzen,“ wie Hr. v. Pfeilschifter denselben, ich weiß nicht schonend oder zweideutig, bezeichnet, klar machen müssen, daß diese Zweifel wenigstens nicht ohne guten Grund waren. Wir maßen uns nicht an, den berüchtigten Generalcapitän von Catalonien, den man öfter noch den „Henker“ dieser beklagenswerthen Provinz nannte, genauer zu kennen als sein Vertheidiger; da uns aber gerade einige Beiträge zu einer Biographie dieses „Gewissenhaften,“ wie sein Vertheidiger ihn nennt, in die Hände fallen, so wollen wir sie den Lesern der Allgemeinen Zeitung nicht vorenthalten. „Die Rolle des Grafen de España während des Constitutionskrieges (1820-1823), sagt der Verfasser, konnte nicht zweifelhaft seyn,“ erzählt uns jedoch nicht, worin sie bestanden habe. Es ist Schade, daß Hr. v. Pfeilschifter, welcher in seinem Staatsmann (VI Bd.) den Grafen schon 1825 als einen „Heuchler und Intriganten“ bezeichnet und sich dabei auf „bestimmte Facta“ beruft, diese nicht näher angibt. Einige Aufschlüsse über die Rolle, welche der Graf damals spielte, finden sich indeß in dem höchst interessanten Werke, das der Marquis de Miraflores über die Ereignisse von 1820 bis 1823 herausgab. **) Hier lesen wir nach den Acten, welche im Archiv der Regentschaft von Urgel gefunden wurden: „Unterm 28 Nov. 1822 meldete Don Carlos Espagne der Regentschaft (aus Verona), daß er die unterm 28 Oct. ihm übersandte Denkschrift, worin der Plan des französischen Cabinets widerlegt und seine verderblichen Folgen nachgewiesen waren, dem Kaiser Alexander überreicht, und daß dieser sie gelobt und gebilligt habe. Don Carlos Espagne sollicitirte hierauf bei der Regentschaft, in der Diplomatie angestellt zu werden, und da er dieß nicht erreichte, so machte er im Journal des Débats bekannt, er sey von der Regentschaft weder angestellt gewesen noch werde er jemals eine Anstellung von ihr annehmen; hierauf erklärte er sich für den Plan des französischen Ministeriums und erhielt von ihm das Commando über Navarra.“ Wie übrigens der Verfasser die Rolle, welche der General in dieser Zeit der Regierung seines Souveräns gegenüber überhaupt gespielt, mit seiner Theorie der Pflichten des „Soldaten,“ die er weiterhin aufstellt, vereinigen und ausgleichen könne, ist für unsere Fassungskraft schwer zu begreifen. „Der Graf,“ fährt der Verfasser fort, „zog sich auch den Haß aller Liberalen zu, die in ihm einen Tyrannen und Wütherich, blinden Häscher der blutigen Decretalien Ferdinands VII sahen.“ Er scheint darüber verwundert zu seyn, indem er sagt: „Und doch lassen sich alle Handlungen des Grafen de España so einfach auf das einzige Princip zurückführen, ohne das jeder militärische Geist, jede Mannszucht unmöglich ist. Der Befehl des Souveräns ist das höchste Gesetz des Soldaten.“ Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß ein zum Füsiliren eines Cameraden commandirter Soldat nicht erst untersuchen und entscheiden kann, ob das Gesetz gerecht sey und die Richter gerecht geurtheilt haben, obgleich auch er nicht blindlings über den Haufen zu schießen hat, wenn ein Officier, dessen Befehlen er sonst gehorchen muß, es zu commandiren auf den Einfall geriethe; allein der „wirkliche Staatsrath Sr. katholischen Majestät, der Generalcapitän und Präsident des höchsten Gerichtshofes einer Provinz“ ist eben kein Soldat, sondern ein Mann, der seinem Souverän etwas Anderes schuldig ist, als den Henker zu machen. Wie man versichert, so befand sich der Advocat des Grafen d'Espagne selbst in den Umgebungen des Don Carlos. Wenn dieß der Fall war und man seine Theorie mit derjenigen zusammen hält, welche ein anderer Officier aus den Umgebungen des Prätendenten, der Baron de los Valles ***)***) aussprach, so ist nicht zu verwundern, daß diejenigen, welche sich für den Prinzen im Interesse der rechtmäßigen Thronfolge erhoben, zuletzt bedenklich wurden und mit Madrid paciscirten; denn vor einer solchen Dschingis-Chanischen Moral-Rechtstheorie, wie diese beiden Herren aus so hoher Umgebung zu Markte bringen, muß jedem ehrlichen Manne bange werden. Da der Verfasser des Artikels „über die Ermordung des Grafen de España“ und der Baron de los Valles in ihren Ansichten so sehr zusammen stimmen, so glauben wir von beiden Notiz nehmen zu müssen. Unser Verfasser fährt fort: „Man versteht, daß hier von der Hinrichtung des Generals Bessières die Rede ist, ein trauriges Ereigniß, über das ich mich nicht näher erklären kann, da es nicht an mir ist, als Ankläger königlicher Personen aufzutreten, selbst nicht nach ihrem Tode. Als 1827 Catalonien unruhig werden wollte, begab sich Ferdinand VII selbst nach Barcelona, und stellte den Grafen de España an die Spitze der unzufriedenen Provinz. Der Catalonier gehorcht nur dem, den er fürchtet; das wußte Graf de España; er packte sie mit grimmiger Faust, ließ die Köpfe der Rädelsführer abschlagen und schickte die übrigen auf Galeeren; da beugten sie und schmiegten sich, gehorchten ihm und es ward Ruhe.“ Ohne hier in *) Politische Studien. I Th. pag. 272. **) Essais historiques et politiques pour servir à l'histoire d'Espagne de 1840 à 1823. Trad. de l'esp. Paris, 1836. ***) Un chapitre de l'histoire de Charles V, par le baron de los Valles, aide-de-camp du Roi d'Espagne, brigadier dans ses armées etc. Paris. 1835.
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Don Carlos Espagne sollicitirte hierauf bei der Regentschaft, in der Diplomatie angestellt zu werden, und da er dieß nicht erreichte, so machte er im Journal des Débats bekannt, er sey von der Regentschaft weder angestellt gewesen noch werde er jemals eine Anstellung von ihr annehmen; hierauf erklärte er sich für den Plan des französischen Ministeriums und erhielt von ihm das Commando über Navarra.“ Wie übrigens der Verfasser die Rolle, welche der General in dieser Zeit der Regierung seines Souveräns gegenüber überhaupt gespielt, mit seiner Theorie der Pflichten des „Soldaten,“ die er weiterhin aufstellt, vereinigen und ausgleichen könne, ist für unsere Fassungskraft schwer zu begreifen.</p><lb/> <p>„Der Graf,“ fährt der Verfasser fort, „zog sich auch den Haß aller Liberalen zu, die in ihm einen Tyrannen und Wütherich, blinden Häscher der blutigen Decretalien Ferdinands VII sahen.“ Er scheint darüber verwundert zu seyn, indem er sagt: „Und doch lassen sich alle Handlungen des Grafen de España so einfach auf das einzige Princip zurückführen, ohne das jeder militärische Geist, jede Mannszucht unmöglich ist. 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Das Gegenbild von dem Grafen von España.
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Wir maßen uns nicht an, den berüchtigten Generalcapitän von Catalonien, den man öfter noch den „Henker“ dieser beklagenswerthen Provinz nannte, genauer zu kennen als sein Vertheidiger; da uns aber gerade einige Beiträge zu einer Biographie dieses „Gewissenhaften,“ wie sein Vertheidiger ihn nennt, in die Hände fallen, so wollen wir sie den Lesern der Allgemeinen Zeitung nicht vorenthalten. „Die Rolle des Grafen de España während des Constitutionskrieges (1820-1823), sagt der Verfasser, konnte nicht zweifelhaft seyn,“ erzählt uns jedoch nicht, worin sie bestanden habe. Es ist Schade, daß Hr. v. Pfeilschifter, welcher in seinem Staatsmann (VI Bd.) den Grafen schon 1825 als einen „Heuchler und Intriganten“ bezeichnet und sich dabei auf „bestimmte Facta“ beruft, diese nicht näher angibt. Einige Aufschlüsse über die Rolle, welche der Graf damals spielte, finden sich indeß in dem höchst interessanten Werke, das der Marquis de Miraflores über die Ereignisse von 1820 bis 1823 herausgab. **) Hier lesen wir nach den Acten, welche im Archiv der Regentschaft von Urgel gefunden wurden: „Unterm 28 Nov. 1822 meldete Don Carlos Espagne der Regentschaft (aus Verona), daß er die unterm 28 Oct. ihm übersandte Denkschrift, worin der Plan des französischen Cabinets widerlegt und seine verderblichen Folgen nachgewiesen waren, dem Kaiser Alexander überreicht, und daß dieser sie gelobt und gebilligt habe. Don Carlos Espagne sollicitirte hierauf bei der Regentschaft, in der Diplomatie angestellt zu werden, und da er dieß nicht erreichte, so machte er im Journal des Débats bekannt, er sey von der Regentschaft weder angestellt gewesen noch werde er jemals eine Anstellung von ihr annehmen; hierauf erklärte er sich für den Plan des französischen Ministeriums und erhielt von ihm das Commando über Navarra.“ Wie übrigens der Verfasser die Rolle, welche der General in dieser Zeit der Regierung seines Souveräns gegenüber überhaupt gespielt, mit seiner Theorie der Pflichten des „Soldaten,“ die er weiterhin aufstellt, vereinigen und ausgleichen könne, ist für unsere Fassungskraft schwer zu begreifen.
„Der Graf,“ fährt der Verfasser fort, „zog sich auch den Haß aller Liberalen zu, die in ihm einen Tyrannen und Wütherich, blinden Häscher der blutigen Decretalien Ferdinands VII sahen.“ Er scheint darüber verwundert zu seyn, indem er sagt: „Und doch lassen sich alle Handlungen des Grafen de España so einfach auf das einzige Princip zurückführen, ohne das jeder militärische Geist, jede Mannszucht unmöglich ist. Der Befehl des Souveräns ist das höchste Gesetz des Soldaten.“ Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß ein zum Füsiliren eines Cameraden commandirter Soldat nicht erst untersuchen und entscheiden kann, ob das Gesetz gerecht sey und die Richter gerecht geurtheilt haben, obgleich auch er nicht blindlings über den Haufen zu schießen hat, wenn ein Officier, dessen Befehlen er sonst gehorchen muß, es zu commandiren auf den Einfall geriethe; allein der „wirkliche Staatsrath Sr. katholischen Majestät, der Generalcapitän und Präsident des höchsten Gerichtshofes einer Provinz“ ist eben kein Soldat, sondern ein Mann, der seinem Souverän etwas Anderes schuldig ist, als den Henker zu machen. Wie man versichert, so befand sich der Advocat des Grafen d'Espagne selbst in den Umgebungen des Don Carlos. Wenn dieß der Fall war und man seine Theorie mit derjenigen zusammen hält, welche ein anderer Officier aus den Umgebungen des Prätendenten, der Baron de los Valles ***) ***) aussprach, so ist nicht zu verwundern, daß diejenigen, welche sich für den Prinzen im Interesse der rechtmäßigen Thronfolge erhoben, zuletzt bedenklich wurden und mit Madrid paciscirten; denn vor einer solchen Dschingis-Chanischen Moral-Rechtstheorie, wie diese beiden Herren aus so hoher Umgebung zu Markte bringen, muß jedem ehrlichen Manne bange werden.
Da der Verfasser des Artikels „über die Ermordung des Grafen de España“ und der Baron de los Valles in ihren Ansichten so sehr zusammen stimmen, so glauben wir von beiden Notiz nehmen zu müssen. Unser Verfasser fährt fort: „Man versteht, daß hier von der Hinrichtung des Generals Bessières die Rede ist, ein trauriges Ereigniß, über das ich mich nicht näher erklären kann, da es nicht an mir ist, als Ankläger königlicher Personen aufzutreten, selbst nicht nach ihrem Tode. Als 1827 Catalonien unruhig werden wollte, begab sich Ferdinand VII selbst nach Barcelona, und stellte den Grafen de España an die Spitze der unzufriedenen Provinz. Der Catalonier gehorcht nur dem, den er fürchtet; das wußte Graf de España; er packte sie mit grimmiger Faust, ließ die Köpfe der Rädelsführer abschlagen und schickte die übrigen auf Galeeren; da beugten sie und schmiegten sich, gehorchten ihm und es ward Ruhe.“ Ohne hier in
*) Politische Studien. I Th. pag. 272.
**) Essais historiques et politiques pour servir à l'histoire d'Espagne de 1840 à 1823. Trad. de l'esp. Paris, 1836.
***) Un chapitre de l'histoire de Charles V, par le baron de los Valles, aide-de-camp du Roi d'Espagne, brigadier dans ses armées etc. Paris. 1835.
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