Allgemeine Zeitung. Nr. 167. Augsburg, 15. Juni 1840.Jetzt sollen Dampfboote von 320- und 450facher Pferdekraft gebaut werden. Am 31 Dec. 1830 betrug die Gesammtzahl der französischen Handelsschiffe 15,617, darunter 16 von 500 bis 800 Tonnen. Hr. v. Lamartine wird nicht, wie es früher geheißen, diesen Sommer nach Spanien reisen. Er wird in zwei Monaten von Macon in Paris wieder zurückerwartet, wo er die Vorbereitungen zu dem von ihm für Mlle. Rachel verfaßten Trauerspiel betreiben wird. Mlle. Rachel gibt gegenwärtig Gastvorstellungen in Rouen. Paris, 6 Jun. Dem Hrn. v. Pontois sind neue Instructionen zugeschickt worden, die ihn in die Lage setzen werden, sich ungebunden zu bewegen und nach Umständen alles zu benützen, was entweder zur Beruhigung der Pforte beitragen kann (sie soll große Ungeduld zeigen), oder falls sie in ein Arrangement mit Mehemed Ali direct eingehen wollte, auch hierbei ihr behülflich zu seyn. Die Pforte scheint sich überzeugt zu haben, daß ohne das Dazuthun unseres Cabinets keine Hoffnung bleibt, um aus der drückenden Lage zu treten, in der sie sich seit so langer Zeit befindet. Sie hat insofern unserm Botschafter Avancen gemacht, die, da man hier eben so sehr ihre Interessen als jene Mehemed Ali's zu bewahren wünscht, gut aufgenommen wurden, um so mehr, als Guizot die Ueberzeugung nährt, man werde in der Conferenz, der er beizutreten beauftragt ist, endlich dahin gelangen, sich mit den Ansichten Frankreichs zu befreunden. Hr. v. Pontois soll nach der Aussage des Hrn. Thiers mit nicht minderer Geschicklichkeit in Konstantinopel sich benehmen als Guizot in London. Diesem kommt seine jetzige Stellung sehr zu statten, und läßt ihn die großen Schwierigkeiten vermeiden, die Thiers im Innern vorfindet, und die ihn fast ganz absorbiren, so daß er sich fast mehr mit jedem einzelnen Deputirten zu beschäftigen hat als mit den größten politischen Angelegenheiten nach außen. Dieß ist ein großes Uebel, das aber unsern Institutionen Nutzen bringt. Der Beistand, den Guizot unserm Premier seither verliehen, wird ihm noch immer zu Theil, und da er mit großer Aufrichtigkeit gegen denselben vorgeht, so nehmen die Doctrinärs, deren Chef Guizot ist, vor wie nach eine bedeutende Stellung ein. Es ist daher nicht unmöglich, daß Thiers auf die Zurückberufung Guizots antrage und dessen Beihülfe im Ministerium anspreche. In diesem Fall möchte Guizot das Portefeuille des Innern zu Theil werden. Thiers soll deßhalb mit ihm schon in Berathung getreten seyn, jedoch noch keine Zusicherung erhalten haben. In den letzten Tagen sind dem Repräsentanten der Pforte zu London neue Communicationen zugekommen, auf die viel Werth gelegt wird. Es scheint, sie sollen von großer Mäßigung zeugen, welche die Pforte an den Tag legt, um den Mächten das Geschäft zu erleichtern, dem Streit mit Mehemed Ali bald ein Ende zu machen. Paris, 9 Jun. Vor einem Jahre schrieb ich Ihnen, daß Hr. Thiers gegen zwei reiche Deputirte des linken Centrums persönliche Verpflichtungen eingegangen sey, die er durch zwei Gesandtschaften einzulösen versprochen. Diese Behauptungen wurden von einem andern Ihrer Pariser Correspondenten mit dem Zeichen [irrelevantes Material] als verleumderisch bezeichnet. Jetzt bestätigt sich jedoch, was ich Ihnen geschrieben: Hr. Mathieu de la Redorte ist für die Botschaft in Spanien ernannt, welche Hr. Thiers ohne Umstände dem Marquis v. Rumigny entzieht, ohne daß sich gegen ihn, selbst von Seite der ultraliberalen Partei, eine Klage erhoben. Aber Hr. Thiers denkt, er müsse vor Allem seine Schulden bezahlen. Nun wird die Reihe an den Grafen Roger kommen, dem als Ver eltung seiner Dienste ebenfalls eine Gesandtschaft versprochen worden ist. Man spricht auch vom Grafen Walewsky für einen diplomatischen Posten zweiten Ranges. Alle diese Händel geschehen mit einem Cynismus und einer Ungenirtheit, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen. Die Opposition der Linken billigt schweigend diese Tripotagen, kaum daß der Courrier francais, der vor kurzem noch so heftig und schneidend war, einige Worte freundlichen Tadels findet, um diese offene Corruption zu bezeichnen. Hr. Mathieu de la Redorte, durch seine Frau mit dem Exkönig von Spanien, Joseph Napoleon, verbunden, ist ein ungeheuer reicher Artillerieofficier, der Hrn. Thiers in den letzten Jahren des Mißgeschickes mit seiner Börse unterstützt hat. Es fehlt ihm weder an Geist noch Kenntnissen, aber die Natur hat ihm alle Mittel, diese Vortheile geltend zu machen, versagt, er ist empfindlich, reizbar und leicht aus der Fassung zu bringen; seine Unterhaltung ist schwer und ermüdend, kurz nach dem Grafen Roger ist er der Mann, der am wenigsten zur Diplomatie paßt. Graf Roger ist von erdrückender Unbeholfenheit und trostloser Nullität. Wenn er, wie man glaubt, die Gesandtschaft in Wien erhält, so wird der fröhlich boshafte Spott der Wiener ihn bald zwingen, die Partie aufzugeben. Was den Grafen Walewski, natürlichen Sohn des Kaisers, betrifft, so hat er, wenn er auch Hrn. Thiers mit seiner Börse nicht unterstützte, doch sein Alles auf die Würfel seines Glücks gesetzt, indem er den Messager, ein schlechtes Blatt, für 30,000 Franken gekauft, und anderthalb Jahre lang Hrn. Thiers darin gerühmt und gepriesen hat. In der That hat der Conseilpräsident, seitdem er zur Macht gekommen, dieses Journal wieder für 120,000 Franken an sich gekauft, womit der Graf Walewski seine Schulden bezahlen konnte; aber das reicht nicht hin, er muß ihm auch noch "eine Stellung geben." Man spricht davon, ihn mit Mlle. Dosne, Schwägerin des Hrn. Thiers, zu verbinden, und ihm einen diplomatischen Posten zu verschaffen, der ihm wenigstens 40,000 Fr. einträgt. In demselben Geiste geschehen die meisten Veränderungen, die in dem Administrationspersonal, besonders in den einträglicheren Stellen stattfinden. In Bezug auf die Präfecten und Unterpräfecten herrscht eine andere Art von Corruption. Hier kommt es darauf an, den Deputirten, die man fürchtet, oder deren Stimme man zu verlieren besorgt, gefällig zu werden. Die Ernennungen und Absetzungen geschehen daher nach den Zu- oder Abneigungen dieser Herren, welche die wahren Könige Frankreichs sind. Jeder herrscht unumschränkt in seinem Arrondissement, und die Minister sind nur ihre gehorsamsten Diener. Dieß nennt man dann "parlamentarische Regierung!" Es ist leicht begreiflich, daß das nicht fortdauern kann, ohne eine völlige Auflösung aller Gewalten herbeizuführen, und doch lehnt sich Niemand dagegen auf. Man sieht und trägt jetzt Alles mit der vollkommensten Gleichgültigkeit. Paris, 8 Jun. Die sonderbaren Episoden der großen Komödie der Asche von Bonaparte haben wenigstens das Tröstliche, daß sie beweisen, wie sehr politische Leidenschaften in diesem Lande erstorben oder wenigstens eingeschlafen sind. Die Bonapartistische Partei hat der Probe einer Subscription nicht widerstanden, und es ist jetzt vollkommen klar, daß sie so gut als nicht existirt, denn die wenigen alten Soldaten u. s. w., welche bei der Gelegenheit ihr Scherflein beigetragen haben, bilden keine Partei, und die ganze Sache ist der jüngern Generation völlig fremd und ohne Interesse für sie. Dennoch wird das Unvorhergesehene, das hier aus kleinen Ursachen entspringt, oft sehr bedeutend. So hätte Niemand voraussehen können, daß die Partei Barrot durch den Transport der Leiche gesprengt werden würde, und doch ist es geschehen. Es ist freilich auch kein großes Uebel, denn diese hohle und wortreiche Partei war Jetzt sollen Dampfboote von 320- und 450facher Pferdekraft gebaut werden. Am 31 Dec. 1830 betrug die Gesammtzahl der französischen Handelsschiffe 15,617, darunter 16 von 500 bis 800 Tonnen. Hr. v. Lamartine wird nicht, wie es früher geheißen, diesen Sommer nach Spanien reisen. Er wird in zwei Monaten von Macon in Paris wieder zurückerwartet, wo er die Vorbereitungen zu dem von ihm für Mlle. Rachel verfaßten Trauerspiel betreiben wird. Mlle. Rachel gibt gegenwärtig Gastvorstellungen in Rouen. Paris, 6 Jun. Dem Hrn. v. Pontois sind neue Instructionen zugeschickt worden, die ihn in die Lage setzen werden, sich ungebunden zu bewegen und nach Umständen alles zu benützen, was entweder zur Beruhigung der Pforte beitragen kann (sie soll große Ungeduld zeigen), oder falls sie in ein Arrangement mit Mehemed Ali direct eingehen wollte, auch hierbei ihr behülflich zu seyn. Die Pforte scheint sich überzeugt zu haben, daß ohne das Dazuthun unseres Cabinets keine Hoffnung bleibt, um aus der drückenden Lage zu treten, in der sie sich seit so langer Zeit befindet. Sie hat insofern unserm Botschafter Avancen gemacht, die, da man hier eben so sehr ihre Interessen als jene Mehemed Ali's zu bewahren wünscht, gut aufgenommen wurden, um so mehr, als Guizot die Ueberzeugung nährt, man werde in der Conferenz, der er beizutreten beauftragt ist, endlich dahin gelangen, sich mit den Ansichten Frankreichs zu befreunden. Hr. v. Pontois soll nach der Aussage des Hrn. Thiers mit nicht minderer Geschicklichkeit in Konstantinopel sich benehmen als Guizot in London. Diesem kommt seine jetzige Stellung sehr zu statten, und läßt ihn die großen Schwierigkeiten vermeiden, die Thiers im Innern vorfindet, und die ihn fast ganz absorbiren, so daß er sich fast mehr mit jedem einzelnen Deputirten zu beschäftigen hat als mit den größten politischen Angelegenheiten nach außen. Dieß ist ein großes Uebel, das aber unsern Institutionen Nutzen bringt. Der Beistand, den Guizot unserm Premier seither verliehen, wird ihm noch immer zu Theil, und da er mit großer Aufrichtigkeit gegen denselben vorgeht, so nehmen die Doctrinärs, deren Chef Guizot ist, vor wie nach eine bedeutende Stellung ein. Es ist daher nicht unmöglich, daß Thiers auf die Zurückberufung Guizots antrage und dessen Beihülfe im Ministerium anspreche. In diesem Fall möchte Guizot das Portefeuille des Innern zu Theil werden. Thiers soll deßhalb mit ihm schon in Berathung getreten seyn, jedoch noch keine Zusicherung erhalten haben. In den letzten Tagen sind dem Repräsentanten der Pforte zu London neue Communicationen zugekommen, auf die viel Werth gelegt wird. Es scheint, sie sollen von großer Mäßigung zeugen, welche die Pforte an den Tag legt, um den Mächten das Geschäft zu erleichtern, dem Streit mit Mehemed Ali bald ein Ende zu machen. Paris, 9 Jun. Vor einem Jahre schrieb ich Ihnen, daß Hr. Thiers gegen zwei reiche Deputirte des linken Centrums persönliche Verpflichtungen eingegangen sey, die er durch zwei Gesandtschaften einzulösen versprochen. Diese Behauptungen wurden von einem andern Ihrer Pariser Correspondenten mit dem Zeichen [irrelevantes Material] als verleumderisch bezeichnet. Jetzt bestätigt sich jedoch, was ich Ihnen geschrieben: Hr. Mathieu de la Redorte ist für die Botschaft in Spanien ernannt, welche Hr. Thiers ohne Umstände dem Marquis v. Rumigny entzieht, ohne daß sich gegen ihn, selbst von Seite der ultraliberalen Partei, eine Klage erhoben. Aber Hr. Thiers denkt, er müsse vor Allem seine Schulden bezahlen. Nun wird die Reihe an den Grafen Roger kommen, dem als Ver eltung seiner Dienste ebenfalls eine Gesandtschaft versprochen worden ist. Man spricht auch vom Grafen Walewsky für einen diplomatischen Posten zweiten Ranges. Alle diese Händel geschehen mit einem Cynismus und einer Ungenirtheit, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen. Die Opposition der Linken billigt schweigend diese Tripotagen, kaum daß der Courrier français, der vor kurzem noch so heftig und schneidend war, einige Worte freundlichen Tadels findet, um diese offene Corruption zu bezeichnen. Hr. Mathieu de la Redorte, durch seine Frau mit dem Exkönig von Spanien, Joseph Napoleon, verbunden, ist ein ungeheuer reicher Artillerieofficier, der Hrn. Thiers in den letzten Jahren des Mißgeschickes mit seiner Börse unterstützt hat. Es fehlt ihm weder an Geist noch Kenntnissen, aber die Natur hat ihm alle Mittel, diese Vortheile geltend zu machen, versagt, er ist empfindlich, reizbar und leicht aus der Fassung zu bringen; seine Unterhaltung ist schwer und ermüdend, kurz nach dem Grafen Roger ist er der Mann, der am wenigsten zur Diplomatie paßt. Graf Roger ist von erdrückender Unbeholfenheit und trostloser Nullität. Wenn er, wie man glaubt, die Gesandtschaft in Wien erhält, so wird der fröhlich boshafte Spott der Wiener ihn bald zwingen, die Partie aufzugeben. Was den Grafen Walewski, natürlichen Sohn des Kaisers, betrifft, so hat er, wenn er auch Hrn. Thiers mit seiner Börse nicht unterstützte, doch sein Alles auf die Würfel seines Glücks gesetzt, indem er den Messager, ein schlechtes Blatt, für 30,000 Franken gekauft, und anderthalb Jahre lang Hrn. Thiers darin gerühmt und gepriesen hat. In der That hat der Conseilpräsident, seitdem er zur Macht gekommen, dieses Journal wieder für 120,000 Franken an sich gekauft, womit der Graf Walewski seine Schulden bezahlen konnte; aber das reicht nicht hin, er muß ihm auch noch „eine Stellung geben.“ Man spricht davon, ihn mit Mlle. Dosne, Schwägerin des Hrn. Thiers, zu verbinden, und ihm einen diplomatischen Posten zu verschaffen, der ihm wenigstens 40,000 Fr. einträgt. In demselben Geiste geschehen die meisten Veränderungen, die in dem Administrationspersonal, besonders in den einträglicheren Stellen stattfinden. In Bezug auf die Präfecten und Unterpräfecten herrscht eine andere Art von Corruption. Hier kommt es darauf an, den Deputirten, die man fürchtet, oder deren Stimme man zu verlieren besorgt, gefällig zu werden. Die Ernennungen und Absetzungen geschehen daher nach den Zu- oder Abneigungen dieser Herren, welche die wahren Könige Frankreichs sind. Jeder herrscht unumschränkt in seinem Arrondissement, und die Minister sind nur ihre gehorsamsten Diener. Dieß nennt man dann „parlamentarische Regierung!“ Es ist leicht begreiflich, daß das nicht fortdauern kann, ohne eine völlige Auflösung aller Gewalten herbeizuführen, und doch lehnt sich Niemand dagegen auf. Man sieht und trägt jetzt Alles mit der vollkommensten Gleichgültigkeit. Paris, 8 Jun. Die sonderbaren Episoden der großen Komödie der Asche von Bonaparte haben wenigstens das Tröstliche, daß sie beweisen, wie sehr politische Leidenschaften in diesem Lande erstorben oder wenigstens eingeschlafen sind. Die Bonapartistische Partei hat der Probe einer Subscription nicht widerstanden, und es ist jetzt vollkommen klar, daß sie so gut als nicht existirt, denn die wenigen alten Soldaten u. s. w., welche bei der Gelegenheit ihr Scherflein beigetragen haben, bilden keine Partei, und die ganze Sache ist der jüngern Generation völlig fremd und ohne Interesse für sie. Dennoch wird das Unvorhergesehene, das hier aus kleinen Ursachen entspringt, oft sehr bedeutend. So hätte Niemand voraussehen können, daß die Partei Barrot durch den Transport der Leiche gesprengt werden würde, und doch ist es geschehen. 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Thiers mit nicht minderer Geschicklichkeit in Konstantinopel sich benehmen als Guizot in London. Diesem kommt seine jetzige Stellung sehr zu statten, und läßt ihn die großen Schwierigkeiten vermeiden, die Thiers im Innern vorfindet, und die ihn fast ganz absorbiren, so daß er sich fast mehr mit jedem einzelnen Deputirten zu beschäftigen hat als mit den größten politischen Angelegenheiten nach außen. Dieß ist ein großes Uebel, das aber unsern Institutionen Nutzen bringt. Der Beistand, den Guizot unserm Premier seither verliehen, wird ihm noch immer zu Theil, und da er mit großer Aufrichtigkeit gegen denselben vorgeht, so nehmen die Doctrinärs, deren Chef Guizot ist, vor wie nach eine bedeutende Stellung ein. Es ist daher nicht unmöglich, daß Thiers auf die Zurückberufung Guizots antrage und dessen Beihülfe im Ministerium anspreche. In diesem Fall möchte Guizot das Portefeuille des Innern zu Theil werden. Thiers soll deßhalb mit ihm schon in Berathung getreten seyn, jedoch noch keine Zusicherung erhalten haben. In den letzten Tagen sind dem Repräsentanten der Pforte zu London neue Communicationen zugekommen, auf die viel Werth gelegt wird. Es scheint, sie sollen von großer Mäßigung zeugen, welche die Pforte an den Tag legt, um den Mächten das Geschäft zu erleichtern, dem Streit mit Mehemed Ali bald ein Ende zu machen.</p> </div><lb/> <div n="2"> <byline> <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 9 Jun.</dateline> <p> Vor einem Jahre schrieb ich Ihnen, daß Hr. Thiers gegen zwei reiche Deputirte des linken Centrums persönliche Verpflichtungen eingegangen sey, die er durch zwei Gesandtschaften einzulösen versprochen. Diese Behauptungen wurden von einem andern Ihrer Pariser Correspondenten mit dem Zeichen <bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> als verleumderisch bezeichnet. Jetzt bestätigt sich jedoch, was ich Ihnen geschrieben: Hr. Mathieu de la Redorte ist für die Botschaft in Spanien ernannt, welche Hr. Thiers ohne Umstände dem Marquis v. Rumigny entzieht, ohne daß sich gegen ihn, selbst von Seite der ultraliberalen Partei, eine Klage erhoben. Aber Hr. Thiers denkt, er müsse vor Allem seine Schulden bezahlen. Nun wird die Reihe an den Grafen Roger kommen, dem als Ver eltung seiner Dienste ebenfalls eine Gesandtschaft versprochen worden ist. Man spricht auch vom Grafen Walewsky für einen diplomatischen Posten zweiten Ranges. Alle diese Händel geschehen mit einem Cynismus und einer Ungenirtheit, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen. Die Opposition der Linken billigt schweigend diese Tripotagen, kaum daß der Courrier français, der vor kurzem noch so heftig und schneidend war, einige Worte freundlichen Tadels findet, um diese offene Corruption zu bezeichnen. Hr. Mathieu de la Redorte, durch seine Frau mit dem Exkönig von Spanien, Joseph Napoleon, verbunden, ist ein ungeheuer reicher Artillerieofficier, der Hrn. Thiers in den letzten Jahren des Mißgeschickes mit seiner Börse unterstützt hat. Es fehlt ihm weder an Geist noch Kenntnissen, aber die Natur hat ihm alle Mittel, diese Vortheile geltend zu machen, versagt, er ist empfindlich, reizbar und leicht aus der Fassung zu bringen; seine Unterhaltung ist schwer und ermüdend, kurz nach dem Grafen Roger ist er der Mann, der am wenigsten zur Diplomatie paßt. Graf Roger ist von erdrückender Unbeholfenheit und trostloser Nullität. Wenn er, wie man glaubt, die Gesandtschaft in Wien erhält, so wird der fröhlich boshafte Spott der Wiener ihn bald zwingen, die Partie aufzugeben. Was den Grafen Walewski, natürlichen Sohn des Kaisers, betrifft, so hat er, wenn er auch Hrn. Thiers mit seiner Börse nicht unterstützte, doch sein Alles auf die Würfel seines Glücks gesetzt, indem er den Messager, ein schlechtes Blatt, für 30,000 Franken gekauft, und anderthalb Jahre lang Hrn. Thiers darin gerühmt und gepriesen hat. In der That hat der Conseilpräsident, seitdem er zur Macht gekommen, dieses Journal wieder für 120,000 Franken an sich gekauft, womit der Graf Walewski seine Schulden bezahlen konnte; aber das reicht nicht hin, er muß ihm auch noch „eine Stellung geben.“ Man spricht davon, ihn mit Mlle. Dosne, Schwägerin des Hrn. Thiers, zu verbinden, und ihm einen diplomatischen Posten zu verschaffen, der ihm wenigstens 40,000 Fr. einträgt. In demselben Geiste geschehen die meisten Veränderungen, die in dem Administrationspersonal, besonders in den einträglicheren Stellen stattfinden. In Bezug auf die Präfecten und Unterpräfecten herrscht eine andere Art von Corruption. Hier kommt es darauf an, den Deputirten, die man fürchtet, oder deren Stimme man zu verlieren besorgt, gefällig zu werden. Die Ernennungen und Absetzungen geschehen daher nach den Zu- oder Abneigungen dieser Herren, welche die wahren Könige Frankreichs sind. Jeder herrscht unumschränkt in seinem Arrondissement, und die Minister sind nur ihre gehorsamsten Diener. Dieß nennt man dann „<hi rendition="#g">parlamentarische Regierung</hi>!“ Es ist leicht begreiflich, daß das nicht fortdauern kann, ohne eine völlige Auflösung aller Gewalten herbeizuführen, und doch lehnt sich Niemand dagegen auf. 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So hätte Niemand voraussehen können, daß die Partei Barrot durch den Transport der Leiche gesprengt werden würde, und doch ist es geschehen. Es ist freilich auch kein großes Uebel, denn diese hohle und wortreiche Partei war<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1331/0003]
Jetzt sollen Dampfboote von 320- und 450facher Pferdekraft gebaut werden. Am 31 Dec. 1830 betrug die Gesammtzahl der französischen Handelsschiffe 15,617, darunter 16 von 500 bis 800 Tonnen.
Hr. v. Lamartine wird nicht, wie es früher geheißen, diesen Sommer nach Spanien reisen. Er wird in zwei Monaten von Macon in Paris wieder zurückerwartet, wo er die Vorbereitungen zu dem von ihm für Mlle. Rachel verfaßten Trauerspiel betreiben wird. Mlle. Rachel gibt gegenwärtig Gastvorstellungen in Rouen.
_ Paris, 6 Jun. Dem Hrn. v. Pontois sind neue Instructionen zugeschickt worden, die ihn in die Lage setzen werden, sich ungebunden zu bewegen und nach Umständen alles zu benützen, was entweder zur Beruhigung der Pforte beitragen kann (sie soll große Ungeduld zeigen), oder falls sie in ein Arrangement mit Mehemed Ali direct eingehen wollte, auch hierbei ihr behülflich zu seyn. Die Pforte scheint sich überzeugt zu haben, daß ohne das Dazuthun unseres Cabinets keine Hoffnung bleibt, um aus der drückenden Lage zu treten, in der sie sich seit so langer Zeit befindet. Sie hat insofern unserm Botschafter Avancen gemacht, die, da man hier eben so sehr ihre Interessen als jene Mehemed Ali's zu bewahren wünscht, gut aufgenommen wurden, um so mehr, als Guizot die Ueberzeugung nährt, man werde in der Conferenz, der er beizutreten beauftragt ist, endlich dahin gelangen, sich mit den Ansichten Frankreichs zu befreunden. Hr. v. Pontois soll nach der Aussage des Hrn. Thiers mit nicht minderer Geschicklichkeit in Konstantinopel sich benehmen als Guizot in London. Diesem kommt seine jetzige Stellung sehr zu statten, und läßt ihn die großen Schwierigkeiten vermeiden, die Thiers im Innern vorfindet, und die ihn fast ganz absorbiren, so daß er sich fast mehr mit jedem einzelnen Deputirten zu beschäftigen hat als mit den größten politischen Angelegenheiten nach außen. Dieß ist ein großes Uebel, das aber unsern Institutionen Nutzen bringt. Der Beistand, den Guizot unserm Premier seither verliehen, wird ihm noch immer zu Theil, und da er mit großer Aufrichtigkeit gegen denselben vorgeht, so nehmen die Doctrinärs, deren Chef Guizot ist, vor wie nach eine bedeutende Stellung ein. Es ist daher nicht unmöglich, daß Thiers auf die Zurückberufung Guizots antrage und dessen Beihülfe im Ministerium anspreche. In diesem Fall möchte Guizot das Portefeuille des Innern zu Theil werden. Thiers soll deßhalb mit ihm schon in Berathung getreten seyn, jedoch noch keine Zusicherung erhalten haben. In den letzten Tagen sind dem Repräsentanten der Pforte zu London neue Communicationen zugekommen, auf die viel Werth gelegt wird. Es scheint, sie sollen von großer Mäßigung zeugen, welche die Pforte an den Tag legt, um den Mächten das Geschäft zu erleichtern, dem Streit mit Mehemed Ali bald ein Ende zu machen.
_ Paris, 9 Jun. Vor einem Jahre schrieb ich Ihnen, daß Hr. Thiers gegen zwei reiche Deputirte des linken Centrums persönliche Verpflichtungen eingegangen sey, die er durch zwei Gesandtschaften einzulösen versprochen. Diese Behauptungen wurden von einem andern Ihrer Pariser Correspondenten mit dem Zeichen _ als verleumderisch bezeichnet. Jetzt bestätigt sich jedoch, was ich Ihnen geschrieben: Hr. Mathieu de la Redorte ist für die Botschaft in Spanien ernannt, welche Hr. Thiers ohne Umstände dem Marquis v. Rumigny entzieht, ohne daß sich gegen ihn, selbst von Seite der ultraliberalen Partei, eine Klage erhoben. Aber Hr. Thiers denkt, er müsse vor Allem seine Schulden bezahlen. Nun wird die Reihe an den Grafen Roger kommen, dem als Ver eltung seiner Dienste ebenfalls eine Gesandtschaft versprochen worden ist. Man spricht auch vom Grafen Walewsky für einen diplomatischen Posten zweiten Ranges. Alle diese Händel geschehen mit einem Cynismus und einer Ungenirtheit, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen. Die Opposition der Linken billigt schweigend diese Tripotagen, kaum daß der Courrier français, der vor kurzem noch so heftig und schneidend war, einige Worte freundlichen Tadels findet, um diese offene Corruption zu bezeichnen. Hr. Mathieu de la Redorte, durch seine Frau mit dem Exkönig von Spanien, Joseph Napoleon, verbunden, ist ein ungeheuer reicher Artillerieofficier, der Hrn. Thiers in den letzten Jahren des Mißgeschickes mit seiner Börse unterstützt hat. Es fehlt ihm weder an Geist noch Kenntnissen, aber die Natur hat ihm alle Mittel, diese Vortheile geltend zu machen, versagt, er ist empfindlich, reizbar und leicht aus der Fassung zu bringen; seine Unterhaltung ist schwer und ermüdend, kurz nach dem Grafen Roger ist er der Mann, der am wenigsten zur Diplomatie paßt. Graf Roger ist von erdrückender Unbeholfenheit und trostloser Nullität. Wenn er, wie man glaubt, die Gesandtschaft in Wien erhält, so wird der fröhlich boshafte Spott der Wiener ihn bald zwingen, die Partie aufzugeben. Was den Grafen Walewski, natürlichen Sohn des Kaisers, betrifft, so hat er, wenn er auch Hrn. Thiers mit seiner Börse nicht unterstützte, doch sein Alles auf die Würfel seines Glücks gesetzt, indem er den Messager, ein schlechtes Blatt, für 30,000 Franken gekauft, und anderthalb Jahre lang Hrn. Thiers darin gerühmt und gepriesen hat. In der That hat der Conseilpräsident, seitdem er zur Macht gekommen, dieses Journal wieder für 120,000 Franken an sich gekauft, womit der Graf Walewski seine Schulden bezahlen konnte; aber das reicht nicht hin, er muß ihm auch noch „eine Stellung geben.“ Man spricht davon, ihn mit Mlle. Dosne, Schwägerin des Hrn. Thiers, zu verbinden, und ihm einen diplomatischen Posten zu verschaffen, der ihm wenigstens 40,000 Fr. einträgt. In demselben Geiste geschehen die meisten Veränderungen, die in dem Administrationspersonal, besonders in den einträglicheren Stellen stattfinden. In Bezug auf die Präfecten und Unterpräfecten herrscht eine andere Art von Corruption. Hier kommt es darauf an, den Deputirten, die man fürchtet, oder deren Stimme man zu verlieren besorgt, gefällig zu werden. Die Ernennungen und Absetzungen geschehen daher nach den Zu- oder Abneigungen dieser Herren, welche die wahren Könige Frankreichs sind. Jeder herrscht unumschränkt in seinem Arrondissement, und die Minister sind nur ihre gehorsamsten Diener. Dieß nennt man dann „parlamentarische Regierung!“ Es ist leicht begreiflich, daß das nicht fortdauern kann, ohne eine völlige Auflösung aller Gewalten herbeizuführen, und doch lehnt sich Niemand dagegen auf. Man sieht und trägt jetzt Alles mit der vollkommensten Gleichgültigkeit.
_ Paris, 8 Jun. Die sonderbaren Episoden der großen Komödie der Asche von Bonaparte haben wenigstens das Tröstliche, daß sie beweisen, wie sehr politische Leidenschaften in diesem Lande erstorben oder wenigstens eingeschlafen sind. Die Bonapartistische Partei hat der Probe einer Subscription nicht widerstanden, und es ist jetzt vollkommen klar, daß sie so gut als nicht existirt, denn die wenigen alten Soldaten u. s. w., welche bei der Gelegenheit ihr Scherflein beigetragen haben, bilden keine Partei, und die ganze Sache ist der jüngern Generation völlig fremd und ohne Interesse für sie. Dennoch wird das Unvorhergesehene, das hier aus kleinen Ursachen entspringt, oft sehr bedeutend. So hätte Niemand voraussehen können, daß die Partei Barrot durch den Transport der Leiche gesprengt werden würde, und doch ist es geschehen. Es ist freilich auch kein großes Uebel, denn diese hohle und wortreiche Partei war
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