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Allgemeine Zeitung. Nr. 159. Augsburg, 7. Juni 1840.

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Errichtung von Dampfbooten soll nun hierin zu Hülfe kommen, und den Weg bahnen helfen, denn es ist nicht die Absicht, daß der Staat die ganze Unternehmung auf seine Rechnung übernehme, nur aufmuntern will er den Privatunternehmungsgeist. Daher lautet auch das beantragte Gesetz nur dahin, daß die Regierung ermächtigt seyn soll, die Errichtung von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten "zu begünstigen," und daß deßhalb vierzehn Jahre lang eine jährliche Summe von 400,000 Fr. auf den öffentlichen Schatz anzuweisen sey. Diejenigen, die der Meinung sind, daß bei der kolossalen Concurrenz Englands, dem jetzt auch Frankreich nachfolgen will, ohne eine großartige Entwickelung des Unternehmens nichts auszurichten ist, finden die jährliche Subsidie zu gering, während auf der andern Seite solche, die durch den Anwachs der öffentlichen Schuld und die weit über die ursprünglichen Anschläge hinausgehenden Kosten der Eisenbahn schon sehr bedenklich geworden, eben im Hinblick auf diese Concurrenz das Unternehmen für unfruchtbar und zu gewagt halten, und nur das einzige Sichere darin erblicken, daß der Staat jährlich eine halbe Million mehr auszugeben haben wird. Noch andere finden es unbillig gegen andere Zweige des Nationalwohlstandes, daß man wieder nur dem Handel und einigen Manufacturen solche Hülfe zuwenden will. Und so läuft unter dem Conflicte derjenigen, die mehr fordern als die Regierung vorschlägt, und derjenigen, denen dieses schon zu viel ist, das Project Gefahr, nicht zu Stande zu kommen. Die öffentliche Discussion, die in den nächsten Tagen statt haben soll, wird übrigens Anlaß geben, diesen Gegenstand noch zu besprechen.

Die Juden in Damaskus.

Ueber die Judenverfolgung in Damaskus gibt das Journal des Debats folgende Mittheilungen des Advocaten Cremieur: "Die Briefe, die wir mit dem Paketboot aus der Levante erwarteten, sind angekommen, und haben uns Nachrichten aus Damaskus über Konstantinopel und Alexandria gebracht. Der Advocat Darmon, bei der französischen Gesandtschaft in Konstantinopel angestellt, hat, auf Ansuchen der israelitischen Gemeinden in Konstantinopel und Damaskus und der Abgesandten aus dem heiligen Lande, dem Hrn. v. Pontois eine Klage gegen das unregelmäßige Betragen des französischen Consuls in Damaskus, Grafen v. Ratti-Menton, übergeben. Hr. v. Pontois hat schon am 27 April dem Generalconconsul in Alexandria, Hrn. Cochelet, geschrieben, dem Hrn. v. Ratti-Menton den Befehl zugehen zu lassen, jedes weitere Verfahren einzustellen. (Einer der Berichte des Consuls Merlato sagt, daß die Tortur schon am 23 April aufhörte.) Von Alexandria kommen uns genauere Nachrichten. "Mehemed Ali (heißt es darin) hatte anfangs Befehl gegeben, den Proceß, aber ohne Tortur, zu beginnen. Dieser Befehl kam nicht an, oder blieb ohne Wirkung. Darauf vereinigten sich die europäischen und ägyptischen Hebräer. Wir richteten an Se. Hoheit Mehemed Ali eine ehrfurchtsvolle Bitte, ohne uns wegzuwerfen oder zu demüthigen. Wir sprachen als Menschen, die Gerechtigkeit, kein Mitleiden verlangen, als Männer, die Gott ihm gegeben hat, zu regieren, nicht zu erwürgen. Se. Hoheit war an eine solche Sprache nicht gewöhnt, doch ohne sie zu verachten oder sich beleidigt zu zeigen, nahm er sie gütig auf, gewährte uns Gerechtigkeit und Befehl, sofortige Einstellung der Tortur und Sammlung aller Acten des Processes, die ihm zugeschickt werden sollten. Dieser besondere und strenge Befehl hat sogleich eine heilsame Wirkung hervorgebracht. Man schreibt uns aus Damaskus, daß die Hebräer wieder aufleben. Am 1 d. M. verlangte ein Bericht des Consuls Merlato an den Generalconsul Laurin einen Befehl des Vicekönigs für Scheriff-Pascha, daß er der Verfolgung und den Angriffen, die gegen die unglücklichen Israeliten gerichtet waren, ein Ziel setze *) Am 2 gab Se. Hoheit den Befehl, wir selbst haben ihn durch einen Courier abgesendet. Mehemed sagt in dem Befehle: "Wir erfahren, daß gewisse mächtige Männer unter den Christen unsre hebräischen Unterthanen in Damaskus anfeinden, und daß man dir vergeblich Vorstellungen gemacht hat. Solche Angriffe mißfallen uns; sie sind gegen unsern Willen; ich befehle dir zu verhindern, daß sie sich erneuern." Ein Gerichtshof, von dem Vicekönig und den Consuln Englands, Rußlands, Preußens und Oesterreichs zusammengesetzt, wird das Urtheil sprechen. Man versichert, der französische hiesige Consul, Hr. Cochelet, habe versucht, sich diesem Plan zu widersetzen, der Vicekönig sey aber auf seinem Plane beharrt."

Auszug aus einem Bericht des Hrn. Merlato, österreichischens Consul in Damaskus, an den Generalconsul Hrn. v. Laurici vom 17 April. Ew. Exc. hat aus meinen frühern Berichten erfahren, daß sieben der vornehmsten Israeliten in Damaskus, des Mordes angeklagt, den entsetzlichsten Martern übergeben worden sind; daß man, trotz der Betheuerung ihrer Unschuld, ihnen das Geständniß eines Verbrechens entreißen wollte, das sie läugneten, daß zwei dieser Unglücklichen endlich unter den fürchterlichsten Martern den Geist aufgaben. Die barbarischen Martern, welche die fünf andern erduldet haben, sind so entsetzlich, daß nur ein Wunder der Vorsehung ihnen das Leben erhalten konnte. Man hat sie mit Ruthen geschlagen, sie stundenlang in kaltes Wasser geworfen, die Zeugungsglieder grausam gedrückt und zerrieben. Von weitem hörte man das Schreien und die Seufzer der Dulder. Man hat ihnen die Ohren zerrissen, das Gesicht zersetzt, mit glühenden Eisen das Kinn, die Nase und den Bart verbrannt. Soldaten sind auf ihrem ausgestreckten Körper, nach erhaltenem Befehl, herumgetreten. Einem der Unglücklichen, Mussa Salonicli, hat man eine andere Marter bereitet, man hat ihm kleine Zangen in das Fleisch, zwischen die Nägel der Füße und Hände gesteckt... Diese Martern setzte man fort, bis wenigstens die Mehrzahl ihre Schuld eingestanden hatte. Nur Salonicli hat seine Unschuld unter den fürchterlichsten Schmerzen betheuert. In Bezug auf die sieben andern des Bedienten-Mordes Angeklagten, unter denen man auch Hrn. Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, begreifen wollte, habe ich Ihnen schon geschrieben, wie man den Aslan Farhi verhaftet, und den schwachen jungen Menschen zu dem ungereimten Geständniß brachte. Auch Meyr Farhi wurde verhaftet, vertheidigte aber seine Unschuld so siegreich, daß man sich nur begnügte, ihn ohne ferneres Verhör 25 Tage lang einzusperren. Man sagt, daß der Gouverneur insgeheim Mohammed-Effendi (oder Mussa-Abuluffia) einen der sogenannten Schuldigen vor sich habe kommen lassen, der, als der Gouverneur ihm feierlich, die Rechte auf den Koran gelegt, seinen Schutz versprochen, sein ganzes Geständniß zurückgenommen, und es als Folge der entsetzlichen Martern erklärt haben soll. Er könne sogar ein Alibi in Bezug auf Stunde und Ort des begangenen Mordes beweisen. Indeß der Thatbestand des Processes ist aufgestellt und durchgesehen worden, der Hauptredacteur ist der berühmte Scibli Ayub, der unter dem Vorwande der Pest im französischen Consulat eingeschlossen

*) Vergl. weiter unten den Bericht vom 25 April. Die Juden von Alexandria und Konstantinopel klagen über den Einfluß des Hanna-Bahry-Bey, eines Christen, der eifersüchtig über die hohe Stellung der Familie Farhi sey, und ihr die Absetzung seines Bruders zuschreibe.

Errichtung von Dampfbooten soll nun hierin zu Hülfe kommen, und den Weg bahnen helfen, denn es ist nicht die Absicht, daß der Staat die ganze Unternehmung auf seine Rechnung übernehme, nur aufmuntern will er den Privatunternehmungsgeist. Daher lautet auch das beantragte Gesetz nur dahin, daß die Regierung ermächtigt seyn soll, die Errichtung von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten „zu begünstigen,“ und daß deßhalb vierzehn Jahre lang eine jährliche Summe von 400,000 Fr. auf den öffentlichen Schatz anzuweisen sey. Diejenigen, die der Meinung sind, daß bei der kolossalen Concurrenz Englands, dem jetzt auch Frankreich nachfolgen will, ohne eine großartige Entwickelung des Unternehmens nichts auszurichten ist, finden die jährliche Subsidie zu gering, während auf der andern Seite solche, die durch den Anwachs der öffentlichen Schuld und die weit über die ursprünglichen Anschläge hinausgehenden Kosten der Eisenbahn schon sehr bedenklich geworden, eben im Hinblick auf diese Concurrenz das Unternehmen für unfruchtbar und zu gewagt halten, und nur das einzige Sichere darin erblicken, daß der Staat jährlich eine halbe Million mehr auszugeben haben wird. Noch andere finden es unbillig gegen andere Zweige des Nationalwohlstandes, daß man wieder nur dem Handel und einigen Manufacturen solche Hülfe zuwenden will. Und so läuft unter dem Conflicte derjenigen, die mehr fordern als die Regierung vorschlägt, und derjenigen, denen dieses schon zu viel ist, das Project Gefahr, nicht zu Stande zu kommen. Die öffentliche Discussion, die in den nächsten Tagen statt haben soll, wird übrigens Anlaß geben, diesen Gegenstand noch zu besprechen.

Die Juden in Damaskus.

Ueber die Judenverfolgung in Damaskus gibt das Journal des Débats folgende Mittheilungen des Advocaten Cremieur: „Die Briefe, die wir mit dem Paketboot aus der Levante erwarteten, sind angekommen, und haben uns Nachrichten aus Damaskus über Konstantinopel und Alexandria gebracht. Der Advocat Darmon, bei der französischen Gesandtschaft in Konstantinopel angestellt, hat, auf Ansuchen der israelitischen Gemeinden in Konstantinopel und Damaskus und der Abgesandten aus dem heiligen Lande, dem Hrn. v. Pontois eine Klage gegen das unregelmäßige Betragen des französischen Consuls in Damaskus, Grafen v. Ratti-Menton, übergeben. Hr. v. Pontois hat schon am 27 April dem Generalconconsul in Alexandria, Hrn. Cochelet, geschrieben, dem Hrn. v. Ratti-Menton den Befehl zugehen zu lassen, jedes weitere Verfahren einzustellen. (Einer der Berichte des Consuls Merlato sagt, daß die Tortur schon am 23 April aufhörte.) Von Alexandria kommen uns genauere Nachrichten. „Mehemed Ali (heißt es darin) hatte anfangs Befehl gegeben, den Proceß, aber ohne Tortur, zu beginnen. Dieser Befehl kam nicht an, oder blieb ohne Wirkung. Darauf vereinigten sich die europäischen und ägyptischen Hebräer. Wir richteten an Se. Hoheit Mehemed Ali eine ehrfurchtsvolle Bitte, ohne uns wegzuwerfen oder zu demüthigen. Wir sprachen als Menschen, die Gerechtigkeit, kein Mitleiden verlangen, als Männer, die Gott ihm gegeben hat, zu regieren, nicht zu erwürgen. Se. Hoheit war an eine solche Sprache nicht gewöhnt, doch ohne sie zu verachten oder sich beleidigt zu zeigen, nahm er sie gütig auf, gewährte uns Gerechtigkeit und Befehl, sofortige Einstellung der Tortur und Sammlung aller Acten des Processes, die ihm zugeschickt werden sollten. Dieser besondere und strenge Befehl hat sogleich eine heilsame Wirkung hervorgebracht. Man schreibt uns aus Damaskus, daß die Hebräer wieder aufleben. Am 1 d. M. verlangte ein Bericht des Consuls Merlato an den Generalconsul Laurin einen Befehl des Vicekönigs für Scheriff-Pascha, daß er der Verfolgung und den Angriffen, die gegen die unglücklichen Israeliten gerichtet waren, ein Ziel setze *) Am 2 gab Se. Hoheit den Befehl, wir selbst haben ihn durch einen Courier abgesendet. Mehemed sagt in dem Befehle: „Wir erfahren, daß gewisse mächtige Männer unter den Christen unsre hebräischen Unterthanen in Damaskus anfeinden, und daß man dir vergeblich Vorstellungen gemacht hat. Solche Angriffe mißfallen uns; sie sind gegen unsern Willen; ich befehle dir zu verhindern, daß sie sich erneuern.“ Ein Gerichtshof, von dem Vicekönig und den Consuln Englands, Rußlands, Preußens und Oesterreichs zusammengesetzt, wird das Urtheil sprechen. Man versichert, der französische hiesige Consul, Hr. Cochelet, habe versucht, sich diesem Plan zu widersetzen, der Vicekönig sey aber auf seinem Plane beharrt.“

Auszug aus einem Bericht des Hrn. Merlato, österreichischens Consul in Damaskus, an den Generalconsul Hrn. v. Laurici vom 17 April. Ew. Exc. hat aus meinen frühern Berichten erfahren, daß sieben der vornehmsten Israeliten in Damaskus, des Mordes angeklagt, den entsetzlichsten Martern übergeben worden sind; daß man, trotz der Betheuerung ihrer Unschuld, ihnen das Geständniß eines Verbrechens entreißen wollte, das sie läugneten, daß zwei dieser Unglücklichen endlich unter den fürchterlichsten Martern den Geist aufgaben. Die barbarischen Martern, welche die fünf andern erduldet haben, sind so entsetzlich, daß nur ein Wunder der Vorsehung ihnen das Leben erhalten konnte. Man hat sie mit Ruthen geschlagen, sie stundenlang in kaltes Wasser geworfen, die Zeugungsglieder grausam gedrückt und zerrieben. Von weitem hörte man das Schreien und die Seufzer der Dulder. Man hat ihnen die Ohren zerrissen, das Gesicht zersetzt, mit glühenden Eisen das Kinn, die Nase und den Bart verbrannt. Soldaten sind auf ihrem ausgestreckten Körper, nach erhaltenem Befehl, herumgetreten. Einem der Unglücklichen, Mussa Salonicli, hat man eine andere Marter bereitet, man hat ihm kleine Zangen in das Fleisch, zwischen die Nägel der Füße und Hände gesteckt... Diese Martern setzte man fort, bis wenigstens die Mehrzahl ihre Schuld eingestanden hatte. Nur Salonicli hat seine Unschuld unter den fürchterlichsten Schmerzen betheuert. In Bezug auf die sieben andern des Bedienten-Mordes Angeklagten, unter denen man auch Hrn. Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, begreifen wollte, habe ich Ihnen schon geschrieben, wie man den Aslan Farhi verhaftet, und den schwachen jungen Menschen zu dem ungereimten Geständniß brachte. Auch Meyr Farhi wurde verhaftet, vertheidigte aber seine Unschuld so siegreich, daß man sich nur begnügte, ihn ohne ferneres Verhör 25 Tage lang einzusperren. Man sagt, daß der Gouverneur insgeheim Mohammed-Effendi (oder Mussa-Abuluffia) einen der sogenannten Schuldigen vor sich habe kommen lassen, der, als der Gouverneur ihm feierlich, die Rechte auf den Koran gelegt, seinen Schutz versprochen, sein ganzes Geständniß zurückgenommen, und es als Folge der entsetzlichen Martern erklärt haben soll. Er könne sogar ein Alibi in Bezug auf Stunde und Ort des begangenen Mordes beweisen. Indeß der Thatbestand des Processes ist aufgestellt und durchgesehen worden, der Hauptredacteur ist der berühmte Scibli Ayub, der unter dem Vorwande der Pest im französischen Consulat eingeschlossen

*) Vergl. weiter unten den Bericht vom 25 April. Die Juden von Alexandria und Konstantinopel klagen über den Einfluß des Hannà-Bahry-Bey, eines Christen, der eifersüchtig über die hohe Stellung der Familie Farhi sey, und ihr die Absetzung seines Bruders zuschreibe.
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[1267/0011] Errichtung von Dampfbooten soll nun hierin zu Hülfe kommen, und den Weg bahnen helfen, denn es ist nicht die Absicht, daß der Staat die ganze Unternehmung auf seine Rechnung übernehme, nur aufmuntern will er den Privatunternehmungsgeist. Daher lautet auch das beantragte Gesetz nur dahin, daß die Regierung ermächtigt seyn soll, die Errichtung von Dampfbooten zwischen Belgien und den Vereinigten Staaten „zu begünstigen,“ und daß deßhalb vierzehn Jahre lang eine jährliche Summe von 400,000 Fr. auf den öffentlichen Schatz anzuweisen sey. Diejenigen, die der Meinung sind, daß bei der kolossalen Concurrenz Englands, dem jetzt auch Frankreich nachfolgen will, ohne eine großartige Entwickelung des Unternehmens nichts auszurichten ist, finden die jährliche Subsidie zu gering, während auf der andern Seite solche, die durch den Anwachs der öffentlichen Schuld und die weit über die ursprünglichen Anschläge hinausgehenden Kosten der Eisenbahn schon sehr bedenklich geworden, eben im Hinblick auf diese Concurrenz das Unternehmen für unfruchtbar und zu gewagt halten, und nur das einzige Sichere darin erblicken, daß der Staat jährlich eine halbe Million mehr auszugeben haben wird. Noch andere finden es unbillig gegen andere Zweige des Nationalwohlstandes, daß man wieder nur dem Handel und einigen Manufacturen solche Hülfe zuwenden will. Und so läuft unter dem Conflicte derjenigen, die mehr fordern als die Regierung vorschlägt, und derjenigen, denen dieses schon zu viel ist, das Project Gefahr, nicht zu Stande zu kommen. Die öffentliche Discussion, die in den nächsten Tagen statt haben soll, wird übrigens Anlaß geben, diesen Gegenstand noch zu besprechen. Die Juden in Damaskus. Ueber die Judenverfolgung in Damaskus gibt das Journal des Débats folgende Mittheilungen des Advocaten Cremieur: „Die Briefe, die wir mit dem Paketboot aus der Levante erwarteten, sind angekommen, und haben uns Nachrichten aus Damaskus über Konstantinopel und Alexandria gebracht. Der Advocat Darmon, bei der französischen Gesandtschaft in Konstantinopel angestellt, hat, auf Ansuchen der israelitischen Gemeinden in Konstantinopel und Damaskus und der Abgesandten aus dem heiligen Lande, dem Hrn. v. Pontois eine Klage gegen das unregelmäßige Betragen des französischen Consuls in Damaskus, Grafen v. Ratti-Menton, übergeben. Hr. v. Pontois hat schon am 27 April dem Generalconconsul in Alexandria, Hrn. Cochelet, geschrieben, dem Hrn. v. Ratti-Menton den Befehl zugehen zu lassen, jedes weitere Verfahren einzustellen. (Einer der Berichte des Consuls Merlato sagt, daß die Tortur schon am 23 April aufhörte.) Von Alexandria kommen uns genauere Nachrichten. „Mehemed Ali (heißt es darin) hatte anfangs Befehl gegeben, den Proceß, aber ohne Tortur, zu beginnen. Dieser Befehl kam nicht an, oder blieb ohne Wirkung. Darauf vereinigten sich die europäischen und ägyptischen Hebräer. Wir richteten an Se. Hoheit Mehemed Ali eine ehrfurchtsvolle Bitte, ohne uns wegzuwerfen oder zu demüthigen. Wir sprachen als Menschen, die Gerechtigkeit, kein Mitleiden verlangen, als Männer, die Gott ihm gegeben hat, zu regieren, nicht zu erwürgen. Se. Hoheit war an eine solche Sprache nicht gewöhnt, doch ohne sie zu verachten oder sich beleidigt zu zeigen, nahm er sie gütig auf, gewährte uns Gerechtigkeit und Befehl, sofortige Einstellung der Tortur und Sammlung aller Acten des Processes, die ihm zugeschickt werden sollten. Dieser besondere und strenge Befehl hat sogleich eine heilsame Wirkung hervorgebracht. Man schreibt uns aus Damaskus, daß die Hebräer wieder aufleben. Am 1 d. M. verlangte ein Bericht des Consuls Merlato an den Generalconsul Laurin einen Befehl des Vicekönigs für Scheriff-Pascha, daß er der Verfolgung und den Angriffen, die gegen die unglücklichen Israeliten gerichtet waren, ein Ziel setze *) Am 2 gab Se. Hoheit den Befehl, wir selbst haben ihn durch einen Courier abgesendet. Mehemed sagt in dem Befehle: „Wir erfahren, daß gewisse mächtige Männer unter den Christen unsre hebräischen Unterthanen in Damaskus anfeinden, und daß man dir vergeblich Vorstellungen gemacht hat. Solche Angriffe mißfallen uns; sie sind gegen unsern Willen; ich befehle dir zu verhindern, daß sie sich erneuern.“ Ein Gerichtshof, von dem Vicekönig und den Consuln Englands, Rußlands, Preußens und Oesterreichs zusammengesetzt, wird das Urtheil sprechen. Man versichert, der französische hiesige Consul, Hr. Cochelet, habe versucht, sich diesem Plan zu widersetzen, der Vicekönig sey aber auf seinem Plane beharrt.“ Auszug aus einem Bericht des Hrn. Merlato, österreichischens Consul in Damaskus, an den Generalconsul Hrn. v. Laurici vom 17 April. Ew. Exc. hat aus meinen frühern Berichten erfahren, daß sieben der vornehmsten Israeliten in Damaskus, des Mordes angeklagt, den entsetzlichsten Martern übergeben worden sind; daß man, trotz der Betheuerung ihrer Unschuld, ihnen das Geständniß eines Verbrechens entreißen wollte, das sie läugneten, daß zwei dieser Unglücklichen endlich unter den fürchterlichsten Martern den Geist aufgaben. Die barbarischen Martern, welche die fünf andern erduldet haben, sind so entsetzlich, daß nur ein Wunder der Vorsehung ihnen das Leben erhalten konnte. Man hat sie mit Ruthen geschlagen, sie stundenlang in kaltes Wasser geworfen, die Zeugungsglieder grausam gedrückt und zerrieben. Von weitem hörte man das Schreien und die Seufzer der Dulder. Man hat ihnen die Ohren zerrissen, das Gesicht zersetzt, mit glühenden Eisen das Kinn, die Nase und den Bart verbrannt. Soldaten sind auf ihrem ausgestreckten Körper, nach erhaltenem Befehl, herumgetreten. Einem der Unglücklichen, Mussa Salonicli, hat man eine andere Marter bereitet, man hat ihm kleine Zangen in das Fleisch, zwischen die Nägel der Füße und Hände gesteckt... Diese Martern setzte man fort, bis wenigstens die Mehrzahl ihre Schuld eingestanden hatte. Nur Salonicli hat seine Unschuld unter den fürchterlichsten Schmerzen betheuert. In Bezug auf die sieben andern des Bedienten-Mordes Angeklagten, unter denen man auch Hrn. Isaak de Piccioto, einen österreichischen Unterthan, begreifen wollte, habe ich Ihnen schon geschrieben, wie man den Aslan Farhi verhaftet, und den schwachen jungen Menschen zu dem ungereimten Geständniß brachte. Auch Meyr Farhi wurde verhaftet, vertheidigte aber seine Unschuld so siegreich, daß man sich nur begnügte, ihn ohne ferneres Verhör 25 Tage lang einzusperren. Man sagt, daß der Gouverneur insgeheim Mohammed-Effendi (oder Mussa-Abuluffia) einen der sogenannten Schuldigen vor sich habe kommen lassen, der, als der Gouverneur ihm feierlich, die Rechte auf den Koran gelegt, seinen Schutz versprochen, sein ganzes Geständniß zurückgenommen, und es als Folge der entsetzlichen Martern erklärt haben soll. Er könne sogar ein Alibi in Bezug auf Stunde und Ort des begangenen Mordes beweisen. Indeß der Thatbestand des Processes ist aufgestellt und durchgesehen worden, der Hauptredacteur ist der berühmte Scibli Ayub, der unter dem Vorwande der Pest im französischen Consulat eingeschlossen *) Vergl. weiter unten den Bericht vom 25 April. Die Juden von Alexandria und Konstantinopel klagen über den Einfluß des Hannà-Bahry-Bey, eines Christen, der eifersüchtig über die hohe Stellung der Familie Farhi sey, und ihr die Absetzung seines Bruders zuschreibe.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 159. Augsburg, 7. Juni 1840, S. 1267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_159_18400607/11>, abgerufen am 21.11.2024.