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Allgemeine Zeitung. Nr. 157. Augsburg, 5. Juni 1840.

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General Rosas.

Die Vermischung der Spanier mit Indianerinnen in Buenos-Ayres und Chili hat zwei merkwürdige Stämme erzeugt: die Gauchos in den Pampas der argentinischen Republik und die Guasos in den Hochebenen von Chili. Kühn, freiheitathmend, verwegen und rachsüchtig ist der Gaucho; alle Welt hält er für seinesgleichen. Zu Pferde nur will er sich rühren; Mann und Thier sind gleichsam mit einander verwachsen. Im wahren Sinne des Worts ist der Gaucho ein Gentleman. Der Guaso dagegen hat vielleicht noch mehr Geschicklichkeit zu Pferde; aber er hält sich für geringer, als der übrige Theil der bessern Gesellschaft, und verdingt sich zu allen Arbeiten. Der aristokratische Geist von Chili hat seinen Charakter gedämpft; in den Pampas hat dieser Geist keine Wurzel fassen können. Wie die Ebenen fast schrankenlos sich ausbreiten und Nahrungsfülle in jeder Richtung gewähren, so will der Gaucho fessellos einherschreiten, und wie über Thiere auch mit Macht über Menschen gebieten. General Rosas, der Gewaltige, ist von diesem Schlage. Einen Vertilgungskrieg hat er gegen Pincheira, auch eine Art Gaucho, den Häuptling wilder Indianer, geführt, und die ganze argentinische Republik durch seinen Namen in Schrecken gesetzt. Vom Februar 1820 bis zum März 1835 wurde die Regierung von Buenos-Ayres fünfzehnmal über den Haufen geworfen, bis endlich Rosas an die Spitze gerufen wurde, was er aber ohne unumschränkte Gewalt nicht annehmen wollte. Ein Briefchen allein, worin er die Umtriebe der Parteiwuth mißbilligte, trieb den Statthalter der Provinz, die Minister und einige hundert Soldaten in die Flucht.

General Rosas hat ungeheure Besitzungen. Sie umfassen einen Flächengehalt von 74 Geviertstunden und nähren 300,000 Stück Vieh. Seine Güter werden vorzüglich verwaltet, und ihr Ertrag ist immer besser als bei andern Grundbesitzern. Die Verwaltungsregeln, welche er selbst gegeben hat, und die Abrichtung einiger hundert Gauchos, um die Einfälle der Indianer abzuhalten, haben ihm zuerst einen Namen gemacht. Eine seiner Vorschriften bestand darin, des Sonntags kein Messer im Gürtel zu tragen, wie es dort die ganze Woche gebräuchlich ist. Er wollte so Streitigkeiten und Blutvergießen verhindern. Wer dagegen handelte, wurde wagerecht an vier hölzernen Pfählen aufgehängt, wie man die Häute zu trocknen pflegt. Eines Sonntags erschien der Statthalter von Buenos-Ayres in großem Gepränge, um dem General einen Besuch zu machen. Rosas, in der Eile, ihn zu empfangen, trat mit dem Messer im Gürtel hinaus. Der Aufseher des Guts zupfte Rosas beim Arme und erinnerte ihn ans Gesetz, worauf der General sich zum Statthalter wandte, ihm erklärend, daß er das Gesetz übertreten habe und an den Pfahl müsse, auch in seinem eigenen Hause von diesem Augenblick an nicht mehr zu befehlen habe. Wie gesagt, so gethan. Nach einiger Zeit ließ ihn der Aufseher wieder heraus. "Gut, sagte der General, jetzt hast du gefehlt, nun mußt du an den Pfahl." Solche Handlungen machen den Gauchos die größte Freude, die alle eine hohe Meinung von ihrer Gleichheit und Würde haben.

Rosas ist ein vortrefflicher Reiter, und er hat seine Erwählung zum General einem Kunststück zu verdanken, das ihm nicht Viele nachahmen werden. Die versammelten Kriegerschaaren ließen nämlich eine Anzahl wilder Pferde in einen Corral treiben - eine Verzäunung, worin gewöhnlich Thiere geschlachtet werden. Ueber dem Eingang in diese Verzäunung wurde ein Balken befestigt, von welchem hinab Rosas auf eines der freigelassenen Pferde sich schwingen, ohne Sattel und Zaum es reiten und auch wieder nach dem Corral zurückbringen sollte. Dieß war Bedingung zur Befehlshaberstelle. Rosas hat es gethan, er wurde sogleich zum General erwählt.

In der Unterhaltung ist er enthusiastisch, aber sehr ernst. Er hält zwei Hofnarren, wovon einer folgende Geschichte von seinem Herrn und Meister erzählt hat: "Einst wollte ich ein Stück Musik hören. Ich ging zum General, um ihn darum zu bitten. "Packe dich," war die Antwort. Ich ging wieder hin, und er sagte, wenn du noch einmal kommst, wirst du bestraft! Zum drittenmal ging ich hin, und er lachte. Ich rannte zum Zelt hinaus, aber es war zu spät. Zwei Soldaten packten mich auf seinen Befehl, und ich mußte an den Pfahl. Ich bat bei allen Heiligen, mich zu verschonen; aber es half nichts. Wenn der General lacht, verschont er weder Narren noch Weise."

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Politische Aussichten. Die bevorstehende Präsidentenwahl. Die Deutschen.

Das ganze Land befindet sich in einem Zustand politischer Aufregung, wie ich es noch nie gesehen, und wie nur aus dem gänzlichen Stillstand des Handels und der Fabriken, und dem niedrigen Preise der Arbeit in allen Staaten des Nordens erklärbar ist. Wir befinden uns inmitten eines Bürgerkriegs, bis jetzt zwar ohne Blutvergießen, aber in seinen Folgen vielleicht noch schlimmer auf den Credit des Staats wirkend, als ein Streit um die höchste Staatsgewalt der einen oder der andern Partei. Jackson, dessen Vaterlandsliebe und Heldentugenden wir keineswegs in Abrede stellen, hat den Fehler begangen, die arbeitenden untersten Classen, und mit ihnen hauptsächlich den Ackerbauer gegen die höheren, verfeinerten Stände feindlich aufzuregen, bis zuletzt das Land gegen die Städte, der stätige Fleiß des Landmanns gegen den Unternehmungsgeist des nicht minder thätigen Fabricanten in die Schranken getreten und die höchste Lebensfrage der Republik bloßes Loosungswort stürmisch angeregter Leidenschaften geworden ist. Ich bin zwar keiner von denen, welche aus diesen Erscheinungen sogleich den Untergang des Staatenvereins, oder wohl gar die politische Auflösung unserer Verfassung prophezeien; aber dessen ungeachtet kann ich Ihnen nicht länger verhehlen, daß ein fortgesetzter Krieg gegen diejenigen Classen der Gesellschaft, welche hauptsächlich Amerika zu dem gemacht, wofür es in Europa gilt, unsern Wohlstand auf viele Jahre, vielleicht auf ein halbes Jahrhundert zu Grunde richten und das Land an den Rand des Verderbens bringen dürfte. Läugnen wir es nur nicht, wir befinden uns am Rande des Verderbens, wir gränzen an den Zustand der südamerikanischen Staaten. Die verschiedenen Classen der Gesellschaft haben einander den Fehdehandschuh hingeworfen, und das ist etwas ganz Anderes und in seinen verderblichen Folgen Unabsehbares, als alles Trachten und Streben nach einer verschiedenen rein politischen Organisation, wie z. B. in Frankreich, wobei es nur auf Formen, auf abstracte Regierungsgrundsätze oder auf eine verschiedene Stellung zum Auslande und zu den Weltmächten abgesehen ist. Dergleichen Veränderungen können von blutigen Revolutionen begleitet seyn und zu den verheerendsten Kriegen führen, aber sie schwächen bei weitem weniger die Cohäsion, den innern Zusammenhang der den Staat bildenden Gesellschaft

General Rosas.

Die Vermischung der Spanier mit Indianerinnen in Buenos-Ayres und Chili hat zwei merkwürdige Stämme erzeugt: die Gauchos in den Pampas der argentinischen Republik und die Guasos in den Hochebenen von Chili. Kühn, freiheitathmend, verwegen und rachsüchtig ist der Gaucho; alle Welt hält er für seinesgleichen. Zu Pferde nur will er sich rühren; Mann und Thier sind gleichsam mit einander verwachsen. Im wahren Sinne des Worts ist der Gaucho ein Gentleman. Der Guaso dagegen hat vielleicht noch mehr Geschicklichkeit zu Pferde; aber er hält sich für geringer, als der übrige Theil der bessern Gesellschaft, und verdingt sich zu allen Arbeiten. Der aristokratische Geist von Chili hat seinen Charakter gedämpft; in den Pampas hat dieser Geist keine Wurzel fassen können. Wie die Ebenen fast schrankenlos sich ausbreiten und Nahrungsfülle in jeder Richtung gewähren, so will der Gaucho fessellos einherschreiten, und wie über Thiere auch mit Macht über Menschen gebieten. General Rosas, der Gewaltige, ist von diesem Schlage. Einen Vertilgungskrieg hat er gegen Pincheira, auch eine Art Gaucho, den Häuptling wilder Indianer, geführt, und die ganze argentinische Republik durch seinen Namen in Schrecken gesetzt. Vom Februar 1820 bis zum März 1835 wurde die Regierung von Buenos-Ayres fünfzehnmal über den Haufen geworfen, bis endlich Rosas an die Spitze gerufen wurde, was er aber ohne unumschränkte Gewalt nicht annehmen wollte. Ein Briefchen allein, worin er die Umtriebe der Parteiwuth mißbilligte, trieb den Statthalter der Provinz, die Minister und einige hundert Soldaten in die Flucht.

General Rosas hat ungeheure Besitzungen. Sie umfassen einen Flächengehalt von 74 Geviertstunden und nähren 300,000 Stück Vieh. Seine Güter werden vorzüglich verwaltet, und ihr Ertrag ist immer besser als bei andern Grundbesitzern. Die Verwaltungsregeln, welche er selbst gegeben hat, und die Abrichtung einiger hundert Gauchos, um die Einfälle der Indianer abzuhalten, haben ihm zuerst einen Namen gemacht. Eine seiner Vorschriften bestand darin, des Sonntags kein Messer im Gürtel zu tragen, wie es dort die ganze Woche gebräuchlich ist. Er wollte so Streitigkeiten und Blutvergießen verhindern. Wer dagegen handelte, wurde wagerecht an vier hölzernen Pfählen aufgehängt, wie man die Häute zu trocknen pflegt. Eines Sonntags erschien der Statthalter von Buenos-Ayres in großem Gepränge, um dem General einen Besuch zu machen. Rosas, in der Eile, ihn zu empfangen, trat mit dem Messer im Gürtel hinaus. Der Aufseher des Guts zupfte Rosas beim Arme und erinnerte ihn ans Gesetz, worauf der General sich zum Statthalter wandte, ihm erklärend, daß er das Gesetz übertreten habe und an den Pfahl müsse, auch in seinem eigenen Hause von diesem Augenblick an nicht mehr zu befehlen habe. Wie gesagt, so gethan. Nach einiger Zeit ließ ihn der Aufseher wieder heraus. „Gut, sagte der General, jetzt hast du gefehlt, nun mußt du an den Pfahl.“ Solche Handlungen machen den Gauchos die größte Freude, die alle eine hohe Meinung von ihrer Gleichheit und Würde haben.

Rosas ist ein vortrefflicher Reiter, und er hat seine Erwählung zum General einem Kunststück zu verdanken, das ihm nicht Viele nachahmen werden. Die versammelten Kriegerschaaren ließen nämlich eine Anzahl wilder Pferde in einen Corral treiben – eine Verzäunung, worin gewöhnlich Thiere geschlachtet werden. Ueber dem Eingang in diese Verzäunung wurde ein Balken befestigt, von welchem hinab Rosas auf eines der freigelassenen Pferde sich schwingen, ohne Sattel und Zaum es reiten und auch wieder nach dem Corral zurückbringen sollte. Dieß war Bedingung zur Befehlshaberstelle. Rosas hat es gethan, er wurde sogleich zum General erwählt.

In der Unterhaltung ist er enthusiastisch, aber sehr ernst. Er hält zwei Hofnarren, wovon einer folgende Geschichte von seinem Herrn und Meister erzählt hat: „Einst wollte ich ein Stück Musik hören. Ich ging zum General, um ihn darum zu bitten. „Packe dich,“ war die Antwort. Ich ging wieder hin, und er sagte, wenn du noch einmal kommst, wirst du bestraft! Zum drittenmal ging ich hin, und er lachte. Ich rannte zum Zelt hinaus, aber es war zu spät. Zwei Soldaten packten mich auf seinen Befehl, und ich mußte an den Pfahl. Ich bat bei allen Heiligen, mich zu verschonen; aber es half nichts. Wenn der General lacht, verschont er weder Narren noch Weise.“

Vereinigte Staaten von Nordamerika.

Politische Aussichten. Die bevorstehende Präsidentenwahl. Die Deutschen.

Das ganze Land befindet sich in einem Zustand politischer Aufregung, wie ich es noch nie gesehen, und wie nur aus dem gänzlichen Stillstand des Handels und der Fabriken, und dem niedrigen Preise der Arbeit in allen Staaten des Nordens erklärbar ist. Wir befinden uns inmitten eines Bürgerkriegs, bis jetzt zwar ohne Blutvergießen, aber in seinen Folgen vielleicht noch schlimmer auf den Credit des Staats wirkend, als ein Streit um die höchste Staatsgewalt der einen oder der andern Partei. Jackson, dessen Vaterlandsliebe und Heldentugenden wir keineswegs in Abrede stellen, hat den Fehler begangen, die arbeitenden untersten Classen, und mit ihnen hauptsächlich den Ackerbauer gegen die höheren, verfeinerten Stände feindlich aufzuregen, bis zuletzt das Land gegen die Städte, der stätige Fleiß des Landmanns gegen den Unternehmungsgeist des nicht minder thätigen Fabricanten in die Schranken getreten und die höchste Lebensfrage der Republik bloßes Loosungswort stürmisch angeregter Leidenschaften geworden ist. Ich bin zwar keiner von denen, welche aus diesen Erscheinungen sogleich den Untergang des Staatenvereins, oder wohl gar die politische Auflösung unserer Verfassung prophezeien; aber dessen ungeachtet kann ich Ihnen nicht länger verhehlen, daß ein fortgesetzter Krieg gegen diejenigen Classen der Gesellschaft, welche hauptsächlich Amerika zu dem gemacht, wofür es in Europa gilt, unsern Wohlstand auf viele Jahre, vielleicht auf ein halbes Jahrhundert zu Grunde richten und das Land an den Rand des Verderbens bringen dürfte. Läugnen wir es nur nicht, wir befinden uns am Rande des Verderbens, wir gränzen an den Zustand der südamerikanischen Staaten. Die verschiedenen Classen der Gesellschaft haben einander den Fehdehandschuh hingeworfen, und das ist etwas ganz Anderes und in seinen verderblichen Folgen Unabsehbares, als alles Trachten und Streben nach einer verschiedenen rein politischen Organisation, wie z. B. in Frankreich, wobei es nur auf Formen, auf abstracte Regierungsgrundsätze oder auf eine verschiedene Stellung zum Auslande und zu den Weltmächten abgesehen ist. Dergleichen Veränderungen können von blutigen Revolutionen begleitet seyn und zu den verheerendsten Kriegen führen, aber sie schwächen bei weitem weniger die Cohäsion, den innern Zusammenhang der den Staat bildenden Gesellschaft

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[1249/0009] General Rosas. Die Vermischung der Spanier mit Indianerinnen in Buenos-Ayres und Chili hat zwei merkwürdige Stämme erzeugt: die Gauchos in den Pampas der argentinischen Republik und die Guasos in den Hochebenen von Chili. Kühn, freiheitathmend, verwegen und rachsüchtig ist der Gaucho; alle Welt hält er für seinesgleichen. Zu Pferde nur will er sich rühren; Mann und Thier sind gleichsam mit einander verwachsen. Im wahren Sinne des Worts ist der Gaucho ein Gentleman. Der Guaso dagegen hat vielleicht noch mehr Geschicklichkeit zu Pferde; aber er hält sich für geringer, als der übrige Theil der bessern Gesellschaft, und verdingt sich zu allen Arbeiten. Der aristokratische Geist von Chili hat seinen Charakter gedämpft; in den Pampas hat dieser Geist keine Wurzel fassen können. Wie die Ebenen fast schrankenlos sich ausbreiten und Nahrungsfülle in jeder Richtung gewähren, so will der Gaucho fessellos einherschreiten, und wie über Thiere auch mit Macht über Menschen gebieten. General Rosas, der Gewaltige, ist von diesem Schlage. Einen Vertilgungskrieg hat er gegen Pincheira, auch eine Art Gaucho, den Häuptling wilder Indianer, geführt, und die ganze argentinische Republik durch seinen Namen in Schrecken gesetzt. Vom Februar 1820 bis zum März 1835 wurde die Regierung von Buenos-Ayres fünfzehnmal über den Haufen geworfen, bis endlich Rosas an die Spitze gerufen wurde, was er aber ohne unumschränkte Gewalt nicht annehmen wollte. Ein Briefchen allein, worin er die Umtriebe der Parteiwuth mißbilligte, trieb den Statthalter der Provinz, die Minister und einige hundert Soldaten in die Flucht. General Rosas hat ungeheure Besitzungen. Sie umfassen einen Flächengehalt von 74 Geviertstunden und nähren 300,000 Stück Vieh. Seine Güter werden vorzüglich verwaltet, und ihr Ertrag ist immer besser als bei andern Grundbesitzern. Die Verwaltungsregeln, welche er selbst gegeben hat, und die Abrichtung einiger hundert Gauchos, um die Einfälle der Indianer abzuhalten, haben ihm zuerst einen Namen gemacht. Eine seiner Vorschriften bestand darin, des Sonntags kein Messer im Gürtel zu tragen, wie es dort die ganze Woche gebräuchlich ist. Er wollte so Streitigkeiten und Blutvergießen verhindern. Wer dagegen handelte, wurde wagerecht an vier hölzernen Pfählen aufgehängt, wie man die Häute zu trocknen pflegt. Eines Sonntags erschien der Statthalter von Buenos-Ayres in großem Gepränge, um dem General einen Besuch zu machen. Rosas, in der Eile, ihn zu empfangen, trat mit dem Messer im Gürtel hinaus. Der Aufseher des Guts zupfte Rosas beim Arme und erinnerte ihn ans Gesetz, worauf der General sich zum Statthalter wandte, ihm erklärend, daß er das Gesetz übertreten habe und an den Pfahl müsse, auch in seinem eigenen Hause von diesem Augenblick an nicht mehr zu befehlen habe. Wie gesagt, so gethan. Nach einiger Zeit ließ ihn der Aufseher wieder heraus. „Gut, sagte der General, jetzt hast du gefehlt, nun mußt du an den Pfahl.“ Solche Handlungen machen den Gauchos die größte Freude, die alle eine hohe Meinung von ihrer Gleichheit und Würde haben. Rosas ist ein vortrefflicher Reiter, und er hat seine Erwählung zum General einem Kunststück zu verdanken, das ihm nicht Viele nachahmen werden. Die versammelten Kriegerschaaren ließen nämlich eine Anzahl wilder Pferde in einen Corral treiben – eine Verzäunung, worin gewöhnlich Thiere geschlachtet werden. Ueber dem Eingang in diese Verzäunung wurde ein Balken befestigt, von welchem hinab Rosas auf eines der freigelassenen Pferde sich schwingen, ohne Sattel und Zaum es reiten und auch wieder nach dem Corral zurückbringen sollte. Dieß war Bedingung zur Befehlshaberstelle. Rosas hat es gethan, er wurde sogleich zum General erwählt. In der Unterhaltung ist er enthusiastisch, aber sehr ernst. Er hält zwei Hofnarren, wovon einer folgende Geschichte von seinem Herrn und Meister erzählt hat: „Einst wollte ich ein Stück Musik hören. Ich ging zum General, um ihn darum zu bitten. „Packe dich,“ war die Antwort. Ich ging wieder hin, und er sagte, wenn du noch einmal kommst, wirst du bestraft! Zum drittenmal ging ich hin, und er lachte. Ich rannte zum Zelt hinaus, aber es war zu spät. Zwei Soldaten packten mich auf seinen Befehl, und ich mußte an den Pfahl. Ich bat bei allen Heiligen, mich zu verschonen; aber es half nichts. Wenn der General lacht, verschont er weder Narren noch Weise.“ Vereinigte Staaten von Nordamerika. Politische Aussichten. Die bevorstehende Präsidentenwahl. Die Deutschen. _ Washington, 24 April. Das ganze Land befindet sich in einem Zustand politischer Aufregung, wie ich es noch nie gesehen, und wie nur aus dem gänzlichen Stillstand des Handels und der Fabriken, und dem niedrigen Preise der Arbeit in allen Staaten des Nordens erklärbar ist. Wir befinden uns inmitten eines Bürgerkriegs, bis jetzt zwar ohne Blutvergießen, aber in seinen Folgen vielleicht noch schlimmer auf den Credit des Staats wirkend, als ein Streit um die höchste Staatsgewalt der einen oder der andern Partei. Jackson, dessen Vaterlandsliebe und Heldentugenden wir keineswegs in Abrede stellen, hat den Fehler begangen, die arbeitenden untersten Classen, und mit ihnen hauptsächlich den Ackerbauer gegen die höheren, verfeinerten Stände feindlich aufzuregen, bis zuletzt das Land gegen die Städte, der stätige Fleiß des Landmanns gegen den Unternehmungsgeist des nicht minder thätigen Fabricanten in die Schranken getreten und die höchste Lebensfrage der Republik bloßes Loosungswort stürmisch angeregter Leidenschaften geworden ist. Ich bin zwar keiner von denen, welche aus diesen Erscheinungen sogleich den Untergang des Staatenvereins, oder wohl gar die politische Auflösung unserer Verfassung prophezeien; aber dessen ungeachtet kann ich Ihnen nicht länger verhehlen, daß ein fortgesetzter Krieg gegen diejenigen Classen der Gesellschaft, welche hauptsächlich Amerika zu dem gemacht, wofür es in Europa gilt, unsern Wohlstand auf viele Jahre, vielleicht auf ein halbes Jahrhundert zu Grunde richten und das Land an den Rand des Verderbens bringen dürfte. Läugnen wir es nur nicht, wir befinden uns am Rande des Verderbens, wir gränzen an den Zustand der südamerikanischen Staaten. Die verschiedenen Classen der Gesellschaft haben einander den Fehdehandschuh hingeworfen, und das ist etwas ganz Anderes und in seinen verderblichen Folgen Unabsehbares, als alles Trachten und Streben nach einer verschiedenen rein politischen Organisation, wie z. B. in Frankreich, wobei es nur auf Formen, auf abstracte Regierungsgrundsätze oder auf eine verschiedene Stellung zum Auslande und zu den Weltmächten abgesehen ist. Dergleichen Veränderungen können von blutigen Revolutionen begleitet seyn und zu den verheerendsten Kriegen führen, aber sie schwächen bei weitem weniger die Cohäsion, den innern Zusammenhang der den Staat bildenden Gesellschaft

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 157. Augsburg, 5. Juni 1840, S. 1249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_157_18400605/9>, abgerufen am 23.11.2024.