Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

und gewagten Schritte zu hüten haben. Der Hr. Abg. v. Rotteck hat sich sodann auch gegen einige Stellen des Votums einer Regierung erhoben, das bei der Bundesversammlung abgegeben worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob er diese Kenntniß auch aus französischen und englischen Zeitungen geschöpft oder anderswoher erhalten hat; allein es scheint mir doch, als ob er jenem Votum nicht die volle Gerechtigkeit habe widerfahren lassen. Jenes Votum dürfte sich ohne Zweifel vollständig rechtfertigen lassen, wenn eine solche Rechtfertigung hier an ihrer Stelle wäre... Die revolutionäre Tendenz erhalt allerdings Nahrung durch jedes Ereigniß, wodurch der Zustand im Innern eines Landes gestört wird, und insofern ist die Betrachtung auch vollkommen richtig, daß durch die Ereignisse in Hannover die revolutionäre Tendenz Nahrung erhalten hat. Es ist aber unrichtig und gewagt, zu behaupten, daß der Bundesbeschluß diese Nahrung der revolutionären Tendenz erst gab, denn dessen darf der Hr. Abg. v. Rotteck gewiß seyn, daß, wenn auch der Bundesbeschluß gerade in entgegengesetztem Sinne gelautet hätte, die revolutionäre Tendenz sich gleichwohl darauf geworfen und in anderm Sinne dieses Thema ausgebeutet haben würde. Der Hr. Abg. v. Rotteck würde gewiß nicht erwartet haben, daß durch einen solchen Bundesbeschluß wie durch einen Zauberschlag die Verhältnisse in Hannover würden geordnet worden seyn. Die Zerwürfnisse, insofern sie bestehen, würden fortgedauert haben, und diese wären das Feld gewesen, worauf sich die revolutionäre Tendenz herumgetummelt hätte. Gerade vor solchen revolutionären Tendenzen habe ich Sie gewarnt, und es scheint, daß diese Warnung nicht ganz nutzlos war, wiewohl der Hr. Abg. v. Rotteck sie für überflüssig erklärt hat. Uebrigens würde es mir leid thun, wenn Sie sich noch längere Zeit auf diesem Felde bewegten, weil ich nicht dafür stehen könnte, ob nicht zuletzt doch die Gränzen einer ordnungsgemäßen Berathung überschritten würden."

Welcker: "Ich ergreife das Wort in dieser Sache mit tiefem Schmerz. Deutschland war einst die erste Nation Europa's, freiheitsstolz und kräftig gegenüber den Völkern der gebildeten Erde: selbst noch als unglückliche Ereignisse, als Mangel einer wahrhaft thätigen Nationalgesinnung, als große Mißgriffe in dem Senate des Reichs, als Geringschätzung und ein wahres Vergessen der Nation von Seite eines großen Theils der Fürsten die deutsche Verfassung wesentlich gelähmt hatten, selbst da noch hatte dieselbe für den aufmerksamen Beobachter sehr viel Ehrwürdiges und Gutes; bis auf den letzten Augenblick, bis zur Zertrümmerung des deutschen Reichs durfte kein Fürst das wagen, was der König von Hannover wagte. Ein Mandatum sine clausula wäre auf der Stelle von dem Reichsgericht gekommen, wie in vielen ähnlichen Angelegenheiten deutscher Länder ein solch schnelles und unbedingtes Schutzmittel für den rechtmäßigen Besitzstand die angegriffenen Rechte rettete. Diese Verfassung ist jetzt zerstört, Fürsten und Völker haben für ihre Sünden schwer gebüßt. Viele Schmach und Erniedrigung, Demoralisation, auswärtige Unterjochung und blutige Bürgerkriege, ein schwarzes Register von Elend und Unrecht jeder Art liegt zwischen der Auflösung des Reichs und der Wiederherstellung eines neuen Rechtszustandes. Wie aber wurde dieser neue Rechtszustand herbeigeführt? Die Regierungen und die Völker sprachen einstimmig von einem heiligen, von einem deutschen und von einem Freiheitskriege. Mit der feierlichen Verkündung der Wiederherstellung einer moralischen Ordnung der Dinge, eines heiligen Bandes wechselseitiger Treue zwischen Fürst und Volk, mit dem Fürstenworte, daß Deutschland eins und frei seyn solle, mit so hohen und herrlichen Worten eröffneten die Fürsten den Kampf, und auf diese Bedingungen hin und unter diesem Feldzeichen haben sie Hunderttausende unter die Waffen gebracht. Großherzig haben die Völker geblutet, und treu haben sie ihrerseits ihre Versprechungen, ihre Pflichten erfüllt, treu ausgeharrt bis auf den heutigen Tag. Was aber wurde nun aus jenem ihnen verheißenen Rechtszustande? Nachdem in Hannover ein ehrwürdiger Fürst treu den Versprechungen, die alle Fürsten bei Eröffnung des Kampfes gegeben haben, einen Rechtszustand in dem Lande dieses jetzt unglücklichen Brudervolkes hergestellt hatte, und nachdem durch die Heiligkeit des Eides dieser Rechtszustand in dem ganzen Lande verbürgt war, kommt der neue Fürst, und nun werden die heiligen Eide zerrissen, das Recht zertrümmert und alle Mittel zur Vertheidigung des Rechts bis zum passiven moralischen Widerstande zerstört.... Ich erwarte nicht, daß eine günstige neue Entscheidung oder eine Interpretation des neuern Bundesbeschlusses zu Gunsten des hannover'schen Volks erfolge. Ich theile hierin ganz die Ansicht des Abg. v. Rotteck, und kann sagen, daß auch mir der Sinn dieses Beschlusses nicht zweifelhaft gewesen ist. So bleibt denn also im jetzigen Falle die Hoffnung auf die Möglichkeit eines Rechtsschutzes durch unsere Bitte wirklich sehr gering. Man weiß ja, daß selbst die Stimme deutscher Fürsten, die kräftige Anträge machten, nicht durchdringen konnte. Selbst durch die öffentliche Meinung sollen wir nicht auf den deutschen Bund wirken. Der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist nämlich davon ausgegangen, wir hätten gar nicht das Recht, auf den Bund zu wirken, und zwar sollen wir nicht einmal mit der öffentlichen Meinung auf ihn einwirken, wie ich ihn wenigstens verstanden habe. Darum werden, wie er sagte, auch die ursprünglich öffentlich mitgetheilten Verhandlungen geheim gehalten, damit die öffentliche Meinung der Nation keinen Einfluß auf den Bundestag gewinne. Muthen Sie mir nicht zu, dasjenige zu sagen, was ich bei diesem Gedanken empfinde. Nur das will ich sagen, daß es das Außerordentlichste ist, was je in einer Gesellschaft, wo der Gedanke an einen Rechtszustand herrschte, gesagt wurde, daß nämlich die öffentliche Meinung der Nation nicht auf die Beschlüsse ihrer höchsten Autorität einwirken solle. Als die Fürsten die Völker aufriefen, als sie in Wien versammelt waren, um den neuen Bund zu gründen, ja da lautete die Stimme ganz anders, da appellirte man laut an die öffentliche Meinung und erklärte, daß der neue Rechtszustand durch ein Zusammenwirken des Volks und der Fürsten gegründet werden solle. Man erklärte die öffentliche Meinung als die Königin der Könige, und als der Bund in Wirksamkeit trat, setzte man ausdrücklich fest, daß von allen Seiten Petitionen an den Bund in allen öffentlichen Angelegenheiten ergehen können, daß der Bund Kenntniß von der Stimmung und den Wünschen des Volkes nehmen, und daß er in Uebereinstimmung mit den Wünschen und der Stimmung der Nation handeln werde. Groß, schön und edel wurde damals von der Unmöglichkeit gesprochen, daß ein Rechtszustand sich halten könne, wenn nicht die öffentliche Nationalstimme ihn in dieser Weise belebe, kräftig unterstütze.... Eine Regierung, die, gesondert von der Volksstimme und der öffentlichen Meinung, herrschen wollte, würde bei dem ersten Kanonenschusse mit Schrecken inne werden, welches Wagspiel sie spielte. So hoffnungslos aber auch in Beziehung auf alle rechtlichen Schutzmittel unser Rechtszustand ist, so kann ich doch mit freudigem Vertrauen den gestellten Antrag unterstützen. Die göttliche Kraft in dem Leben eines großen und edlen Volkes, die göttliche Kraft für das Wahre und Rechte im Volk ist es, die in Hannover herrscht, die in den gesellschaftlichen Kreisen der deutschen Nation allmählich sich verbreitet und Energie gewinnt. Auf diese moralische Kraft vertraue ich. Blicken Sie auf die Hannoveraner selbst, und Sie sehen dort eine moralische Kraft, inwohnend einem schwer gedrückten Volke, die moralische Kraft eines allgemein gesetzlichen Widerstandes gegen die übermächtige Gewalt, wie sie sich bisher noch in keinem deutschen Volksstamme zeigte. Jene heiligen deutschen Freiheitskämpfe, die mit Gott für Freiheit und Vaterland gekämpft wurden, haben ihre Früchte getragen. Die deutsche Nation hat, zersplittert und zerrissen wie sie war, und ohne jenen staatsrechtlich schützenden und erhaltenden Einigungspunkt, den wir hatten und hergestellt zu sehen hofften, sich mehr als je moralisch geeinigt. Sie hat die gemeinschaftliche Idee des deutschen Rechtszustandes, der Einheit aller deutschen Brüderstämme und der Pflicht eines jeden deutschen Volksstammes, die Rechte des andern zu vertheidigen, in sich belebt. Diese moralischen Kräfte, sie sind erwacht, sie sind im Wachsen und werden belebt selbst durch das Unrecht und Unglück in der hannover'schen Sache und durch jeden würdigen Schritt zu Gunsten des Rechts. Keine Macht wird sie niederdrücken. Auch unsere deutschen Fürsten fangen an, diese neuen Erscheinungen zu berücksichtigen. Daß eine so bedeutende Minorität der Stimmen am deutschen Bunde das hannover'sche Recht mit Aufrichtigkeit vertheidigte, ist ein gutes Zeichen. Diese Regierungen sind von der Wahrheit erleuchtet, daß es gefährlich für die Fürsten ist, der öffentlichen Meinung der Völker sich zu entschlagen oder sie verletzen zu wollen. Sie bedenken die Lage, die das arme Deutschland seinen östlichen und westlichen Nachbarn gegenüber hat.... Wenn diese Gesinnungen sich Bahn gebrochen haben in den Herzen vieler deutschen Fürsten und in einer unendlich großen Zahl von deutschen Bürgern, so lassen Sie uns bauen auf diese Grundlage,

und gewagten Schritte zu hüten haben. Der Hr. Abg. v. Rotteck hat sich sodann auch gegen einige Stellen des Votums einer Regierung erhoben, das bei der Bundesversammlung abgegeben worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob er diese Kenntniß auch aus französischen und englischen Zeitungen geschöpft oder anderswoher erhalten hat; allein es scheint mir doch, als ob er jenem Votum nicht die volle Gerechtigkeit habe widerfahren lassen. Jenes Votum dürfte sich ohne Zweifel vollständig rechtfertigen lassen, wenn eine solche Rechtfertigung hier an ihrer Stelle wäre... Die revolutionäre Tendenz erhalt allerdings Nahrung durch jedes Ereigniß, wodurch der Zustand im Innern eines Landes gestört wird, und insofern ist die Betrachtung auch vollkommen richtig, daß durch die Ereignisse in Hannover die revolutionäre Tendenz Nahrung erhalten hat. Es ist aber unrichtig und gewagt, zu behaupten, daß der Bundesbeschluß diese Nahrung der revolutionären Tendenz erst gab, denn dessen darf der Hr. Abg. v. Rotteck gewiß seyn, daß, wenn auch der Bundesbeschluß gerade in entgegengesetztem Sinne gelautet hätte, die revolutionäre Tendenz sich gleichwohl darauf geworfen und in anderm Sinne dieses Thema ausgebeutet haben würde. Der Hr. Abg. v. Rotteck würde gewiß nicht erwartet haben, daß durch einen solchen Bundesbeschluß wie durch einen Zauberschlag die Verhältnisse in Hannover würden geordnet worden seyn. Die Zerwürfnisse, insofern sie bestehen, würden fortgedauert haben, und diese wären das Feld gewesen, worauf sich die revolutionäre Tendenz herumgetummelt hätte. Gerade vor solchen revolutionären Tendenzen habe ich Sie gewarnt, und es scheint, daß diese Warnung nicht ganz nutzlos war, wiewohl der Hr. Abg. v. Rotteck sie für überflüssig erklärt hat. Uebrigens würde es mir leid thun, wenn Sie sich noch längere Zeit auf diesem Felde bewegten, weil ich nicht dafür stehen könnte, ob nicht zuletzt doch die Gränzen einer ordnungsgemäßen Berathung überschritten würden.“

Welcker: „Ich ergreife das Wort in dieser Sache mit tiefem Schmerz. Deutschland war einst die erste Nation Europa's, freiheitsstolz und kräftig gegenüber den Völkern der gebildeten Erde: selbst noch als unglückliche Ereignisse, als Mangel einer wahrhaft thätigen Nationalgesinnung, als große Mißgriffe in dem Senate des Reichs, als Geringschätzung und ein wahres Vergessen der Nation von Seite eines großen Theils der Fürsten die deutsche Verfassung wesentlich gelähmt hatten, selbst da noch hatte dieselbe für den aufmerksamen Beobachter sehr viel Ehrwürdiges und Gutes; bis auf den letzten Augenblick, bis zur Zertrümmerung des deutschen Reichs durfte kein Fürst das wagen, was der König von Hannover wagte. Ein Mandatum sine clausula wäre auf der Stelle von dem Reichsgericht gekommen, wie in vielen ähnlichen Angelegenheiten deutscher Länder ein solch schnelles und unbedingtes Schutzmittel für den rechtmäßigen Besitzstand die angegriffenen Rechte rettete. Diese Verfassung ist jetzt zerstört, Fürsten und Völker haben für ihre Sünden schwer gebüßt. Viele Schmach und Erniedrigung, Demoralisation, auswärtige Unterjochung und blutige Bürgerkriege, ein schwarzes Register von Elend und Unrecht jeder Art liegt zwischen der Auflösung des Reichs und der Wiederherstellung eines neuen Rechtszustandes. Wie aber wurde dieser neue Rechtszustand herbeigeführt? Die Regierungen und die Völker sprachen einstimmig von einem heiligen, von einem deutschen und von einem Freiheitskriege. Mit der feierlichen Verkündung der Wiederherstellung einer moralischen Ordnung der Dinge, eines heiligen Bandes wechselseitiger Treue zwischen Fürst und Volk, mit dem Fürstenworte, daß Deutschland eins und frei seyn solle, mit so hohen und herrlichen Worten eröffneten die Fürsten den Kampf, und auf diese Bedingungen hin und unter diesem Feldzeichen haben sie Hunderttausende unter die Waffen gebracht. Großherzig haben die Völker geblutet, und treu haben sie ihrerseits ihre Versprechungen, ihre Pflichten erfüllt, treu ausgeharrt bis auf den heutigen Tag. Was aber wurde nun aus jenem ihnen verheißenen Rechtszustande? Nachdem in Hannover ein ehrwürdiger Fürst treu den Versprechungen, die alle Fürsten bei Eröffnung des Kampfes gegeben haben, einen Rechtszustand in dem Lande dieses jetzt unglücklichen Brudervolkes hergestellt hatte, und nachdem durch die Heiligkeit des Eides dieser Rechtszustand in dem ganzen Lande verbürgt war, kommt der neue Fürst, und nun werden die heiligen Eide zerrissen, das Recht zertrümmert und alle Mittel zur Vertheidigung des Rechts bis zum passiven moralischen Widerstande zerstört.... Ich erwarte nicht, daß eine günstige neue Entscheidung oder eine Interpretation des neuern Bundesbeschlusses zu Gunsten des hannover'schen Volks erfolge. Ich theile hierin ganz die Ansicht des Abg. v. Rotteck, und kann sagen, daß auch mir der Sinn dieses Beschlusses nicht zweifelhaft gewesen ist. So bleibt denn also im jetzigen Falle die Hoffnung auf die Möglichkeit eines Rechtsschutzes durch unsere Bitte wirklich sehr gering. Man weiß ja, daß selbst die Stimme deutscher Fürsten, die kräftige Anträge machten, nicht durchdringen konnte. Selbst durch die öffentliche Meinung sollen wir nicht auf den deutschen Bund wirken. Der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist nämlich davon ausgegangen, wir hätten gar nicht das Recht, auf den Bund zu wirken, und zwar sollen wir nicht einmal mit der öffentlichen Meinung auf ihn einwirken, wie ich ihn wenigstens verstanden habe. Darum werden, wie er sagte, auch die ursprünglich öffentlich mitgetheilten Verhandlungen geheim gehalten, damit die öffentliche Meinung der Nation keinen Einfluß auf den Bundestag gewinne. Muthen Sie mir nicht zu, dasjenige zu sagen, was ich bei diesem Gedanken empfinde. Nur das will ich sagen, daß es das Außerordentlichste ist, was je in einer Gesellschaft, wo der Gedanke an einen Rechtszustand herrschte, gesagt wurde, daß nämlich die öffentliche Meinung der Nation nicht auf die Beschlüsse ihrer höchsten Autorität einwirken solle. Als die Fürsten die Völker aufriefen, als sie in Wien versammelt waren, um den neuen Bund zu gründen, ja da lautete die Stimme ganz anders, da appellirte man laut an die öffentliche Meinung und erklärte, daß der neue Rechtszustand durch ein Zusammenwirken des Volks und der Fürsten gegründet werden solle. Man erklärte die öffentliche Meinung als die Königin der Könige, und als der Bund in Wirksamkeit trat, setzte man ausdrücklich fest, daß von allen Seiten Petitionen an den Bund in allen öffentlichen Angelegenheiten ergehen können, daß der Bund Kenntniß von der Stimmung und den Wünschen des Volkes nehmen, und daß er in Uebereinstimmung mit den Wünschen und der Stimmung der Nation handeln werde. Groß, schön und edel wurde damals von der Unmöglichkeit gesprochen, daß ein Rechtszustand sich halten könne, wenn nicht die öffentliche Nationalstimme ihn in dieser Weise belebe, kräftig unterstütze.... Eine Regierung, die, gesondert von der Volksstimme und der öffentlichen Meinung, herrschen wollte, würde bei dem ersten Kanonenschusse mit Schrecken inne werden, welches Wagspiel sie spielte. So hoffnungslos aber auch in Beziehung auf alle rechtlichen Schutzmittel unser Rechtszustand ist, so kann ich doch mit freudigem Vertrauen den gestellten Antrag unterstützen. Die göttliche Kraft in dem Leben eines großen und edlen Volkes, die göttliche Kraft für das Wahre und Rechte im Volk ist es, die in Hannover herrscht, die in den gesellschaftlichen Kreisen der deutschen Nation allmählich sich verbreitet und Energie gewinnt. Auf diese moralische Kraft vertraue ich. Blicken Sie auf die Hannoveraner selbst, und Sie sehen dort eine moralische Kraft, inwohnend einem schwer gedrückten Volke, die moralische Kraft eines allgemein gesetzlichen Widerstandes gegen die übermächtige Gewalt, wie sie sich bisher noch in keinem deutschen Volksstamme zeigte. Jene heiligen deutschen Freiheitskämpfe, die mit Gott für Freiheit und Vaterland gekämpft wurden, haben ihre Früchte getragen. Die deutsche Nation hat, zersplittert und zerrissen wie sie war, und ohne jenen staatsrechtlich schützenden und erhaltenden Einigungspunkt, den wir hatten und hergestellt zu sehen hofften, sich mehr als je moralisch geeinigt. Sie hat die gemeinschaftliche Idee des deutschen Rechtszustandes, der Einheit aller deutschen Brüderstämme und der Pflicht eines jeden deutschen Volksstammes, die Rechte des andern zu vertheidigen, in sich belebt. Diese moralischen Kräfte, sie sind erwacht, sie sind im Wachsen und werden belebt selbst durch das Unrecht und Unglück in der hannover'schen Sache und durch jeden würdigen Schritt zu Gunsten des Rechts. Keine Macht wird sie niederdrücken. Auch unsere deutschen Fürsten fangen an, diese neuen Erscheinungen zu berücksichtigen. Daß eine so bedeutende Minorität der Stimmen am deutschen Bunde das hannover'sche Recht mit Aufrichtigkeit vertheidigte, ist ein gutes Zeichen. Diese Regierungen sind von der Wahrheit erleuchtet, daß es gefährlich für die Fürsten ist, der öffentlichen Meinung der Völker sich zu entschlagen oder sie verletzen zu wollen. Sie bedenken die Lage, die das arme Deutschland seinen östlichen und westlichen Nachbarn gegenüber hat.... Wenn diese Gesinnungen sich Bahn gebrochen haben in den Herzen vieler deutschen Fürsten und in einer unendlich großen Zahl von deutschen Bürgern, so lassen Sie uns bauen auf diese Grundlage,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0011" n="1243"/>
und gewagten Schritte zu hüten haben. Der Hr. Abg. v. Rotteck hat sich sodann auch gegen einige Stellen des Votums einer Regierung erhoben, das bei der Bundesversammlung abgegeben worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob er diese Kenntniß auch aus französischen und englischen Zeitungen geschöpft oder anderswoher erhalten hat; allein es scheint mir doch, als ob er jenem Votum nicht die volle Gerechtigkeit habe widerfahren lassen. Jenes Votum dürfte sich ohne Zweifel vollständig rechtfertigen lassen, wenn eine solche Rechtfertigung hier an ihrer Stelle wäre... Die revolutionäre Tendenz erhalt allerdings Nahrung durch jedes Ereigniß, wodurch der Zustand im Innern eines Landes gestört wird, und insofern ist die Betrachtung auch vollkommen richtig, daß durch die Ereignisse in Hannover die revolutionäre Tendenz Nahrung erhalten hat. Es ist aber unrichtig und gewagt, zu behaupten, daß der Bundesbeschluß diese Nahrung der revolutionären Tendenz erst gab, denn dessen darf der Hr. Abg. v. Rotteck gewiß seyn, daß, wenn auch der Bundesbeschluß gerade in entgegengesetztem Sinne gelautet hätte, die revolutionäre Tendenz sich gleichwohl darauf geworfen und in anderm Sinne dieses Thema ausgebeutet haben würde. Der Hr. Abg. v. Rotteck würde gewiß nicht erwartet haben, daß durch einen solchen Bundesbeschluß wie durch einen Zauberschlag die Verhältnisse in Hannover würden geordnet worden seyn. Die Zerwürfnisse, insofern sie bestehen, würden fortgedauert haben, und diese wären das Feld gewesen, worauf sich die revolutionäre Tendenz herumgetummelt hätte. Gerade vor solchen revolutionären Tendenzen habe ich Sie gewarnt, und es scheint, daß diese Warnung nicht ganz nutzlos war, wiewohl der Hr. Abg. v. Rotteck sie für überflüssig erklärt hat. Uebrigens würde es mir leid thun, wenn Sie sich noch längere Zeit auf diesem Felde bewegten, weil ich nicht dafür stehen könnte, ob nicht zuletzt doch die Gränzen einer ordnungsgemäßen Berathung überschritten würden.&#x201C;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">Welcker</hi>: &#x201E;Ich ergreife das Wort in dieser Sache mit tiefem Schmerz. Deutschland war einst die erste Nation Europa's, freiheitsstolz und kräftig gegenüber den Völkern der gebildeten Erde: selbst noch als unglückliche Ereignisse, als Mangel einer wahrhaft thätigen Nationalgesinnung, als große Mißgriffe in dem Senate des Reichs, als Geringschätzung und ein wahres Vergessen der Nation von Seite eines großen Theils der Fürsten die deutsche Verfassung wesentlich gelähmt hatten, selbst da noch hatte dieselbe für den aufmerksamen Beobachter sehr viel Ehrwürdiges und Gutes; bis auf den letzten Augenblick, bis zur Zertrümmerung des deutschen Reichs durfte kein Fürst das wagen, was der König von Hannover wagte. Ein Mandatum sine clausula wäre auf der Stelle von dem Reichsgericht gekommen, wie in vielen ähnlichen Angelegenheiten deutscher Länder ein solch schnelles und unbedingtes Schutzmittel für den rechtmäßigen Besitzstand die angegriffenen Rechte rettete. Diese Verfassung ist jetzt zerstört, Fürsten und Völker haben für ihre Sünden schwer gebüßt. Viele Schmach und Erniedrigung, Demoralisation, auswärtige Unterjochung und blutige Bürgerkriege, ein schwarzes Register von Elend und Unrecht jeder Art liegt zwischen der Auflösung des Reichs und der Wiederherstellung eines neuen Rechtszustandes. Wie aber wurde dieser neue Rechtszustand herbeigeführt? Die Regierungen und die Völker sprachen einstimmig von einem heiligen, von einem deutschen und von einem Freiheitskriege. Mit der feierlichen Verkündung der Wiederherstellung einer moralischen Ordnung der Dinge, eines heiligen Bandes wechselseitiger Treue zwischen Fürst und Volk, mit dem Fürstenworte, daß Deutschland eins und frei seyn solle, mit so hohen und herrlichen Worten eröffneten die Fürsten den Kampf, und auf diese Bedingungen hin und unter diesem Feldzeichen haben sie Hunderttausende unter die Waffen gebracht. Großherzig haben die Völker geblutet, und treu haben sie ihrerseits ihre Versprechungen, ihre Pflichten erfüllt, treu ausgeharrt bis auf den heutigen Tag. Was aber wurde nun aus jenem ihnen verheißenen Rechtszustande? Nachdem in Hannover ein ehrwürdiger Fürst treu den Versprechungen, die alle Fürsten bei Eröffnung des Kampfes gegeben haben, einen Rechtszustand in dem Lande dieses jetzt unglücklichen Brudervolkes hergestellt hatte, und nachdem durch die Heiligkeit des Eides dieser Rechtszustand in dem ganzen Lande verbürgt war, kommt der neue Fürst, und nun werden die heiligen Eide zerrissen, das Recht zertrümmert und alle Mittel zur Vertheidigung des Rechts bis zum passiven moralischen Widerstande zerstört.... Ich erwarte nicht, daß eine günstige neue Entscheidung oder eine Interpretation des neuern Bundesbeschlusses zu Gunsten des hannover'schen Volks erfolge. Ich theile hierin ganz die Ansicht des Abg. v. Rotteck, und kann sagen, daß auch mir der Sinn dieses Beschlusses nicht zweifelhaft gewesen ist. So bleibt denn also im jetzigen Falle die Hoffnung auf die Möglichkeit eines Rechtsschutzes durch unsere Bitte wirklich sehr gering. Man weiß ja, daß selbst die Stimme deutscher Fürsten, die kräftige Anträge machten, nicht durchdringen konnte. Selbst durch die öffentliche Meinung sollen wir nicht auf den deutschen Bund wirken. Der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist nämlich davon ausgegangen, wir hätten gar nicht das Recht, auf den Bund zu wirken, und zwar sollen wir nicht einmal mit der öffentlichen Meinung auf ihn einwirken, wie ich ihn wenigstens verstanden habe. Darum werden, wie er sagte, auch die ursprünglich öffentlich mitgetheilten Verhandlungen geheim gehalten, damit die öffentliche Meinung der Nation keinen Einfluß auf den Bundestag gewinne. Muthen Sie mir nicht zu, dasjenige zu sagen, was ich bei diesem Gedanken empfinde. Nur das will ich sagen, daß es das Außerordentlichste ist, was je in einer Gesellschaft, wo der Gedanke an einen Rechtszustand herrschte, gesagt wurde, daß nämlich die öffentliche Meinung der Nation nicht auf die Beschlüsse ihrer höchsten Autorität einwirken solle. Als die Fürsten die Völker aufriefen, als sie in Wien versammelt waren, um den neuen Bund zu gründen, ja da lautete die Stimme ganz anders, da appellirte man laut an die öffentliche Meinung und erklärte, daß der neue Rechtszustand durch ein Zusammenwirken des Volks und der Fürsten gegründet werden solle. Man erklärte die öffentliche Meinung als die Königin der Könige, und als der Bund in Wirksamkeit trat, setzte man ausdrücklich fest, daß von allen Seiten Petitionen an den Bund in allen öffentlichen Angelegenheiten ergehen können, daß der Bund Kenntniß von der Stimmung und den Wünschen des Volkes nehmen, und daß er in Uebereinstimmung mit den Wünschen und der Stimmung der Nation handeln werde. Groß, schön und edel wurde damals von der Unmöglichkeit gesprochen, daß ein Rechtszustand sich halten könne, wenn nicht die öffentliche Nationalstimme ihn in dieser Weise belebe, kräftig unterstütze.... Eine Regierung, die, gesondert von der Volksstimme und der öffentlichen Meinung, herrschen wollte, würde bei dem ersten Kanonenschusse mit Schrecken inne werden, welches Wagspiel sie spielte. So hoffnungslos aber auch in Beziehung auf alle rechtlichen Schutzmittel unser Rechtszustand ist, so kann ich doch mit freudigem Vertrauen den gestellten Antrag unterstützen. Die göttliche Kraft in dem Leben eines großen und edlen Volkes, die göttliche Kraft für das Wahre und Rechte im Volk ist es, die in Hannover herrscht, die in den gesellschaftlichen Kreisen der deutschen Nation allmählich sich verbreitet und Energie gewinnt. Auf diese moralische Kraft vertraue ich. Blicken Sie auf die Hannoveraner selbst, und Sie sehen dort eine moralische Kraft, inwohnend einem schwer gedrückten Volke, die moralische Kraft eines allgemein gesetzlichen Widerstandes gegen die übermächtige Gewalt, wie sie sich bisher noch in keinem deutschen Volksstamme zeigte. Jene heiligen deutschen Freiheitskämpfe, die mit Gott für Freiheit und Vaterland gekämpft wurden, haben ihre Früchte getragen. Die deutsche Nation hat, zersplittert und zerrissen wie sie war, und ohne jenen staatsrechtlich schützenden und erhaltenden Einigungspunkt, den wir hatten und hergestellt zu sehen hofften, sich mehr als je moralisch geeinigt. Sie hat die gemeinschaftliche Idee des deutschen Rechtszustandes, der Einheit aller deutschen Brüderstämme und der Pflicht eines jeden deutschen Volksstammes, die Rechte des andern zu vertheidigen, in sich belebt. Diese moralischen Kräfte, sie sind erwacht, sie sind im Wachsen und werden belebt selbst durch das Unrecht und Unglück in der hannover'schen Sache und durch jeden würdigen Schritt zu Gunsten des Rechts. Keine Macht wird sie niederdrücken. Auch unsere deutschen Fürsten fangen an, diese neuen Erscheinungen zu berücksichtigen. Daß eine so bedeutende Minorität der Stimmen am deutschen Bunde das hannover'sche Recht mit Aufrichtigkeit vertheidigte, ist ein gutes Zeichen. Diese Regierungen sind von der Wahrheit erleuchtet, daß es gefährlich für die Fürsten ist, der öffentlichen Meinung der Völker sich zu entschlagen oder sie verletzen zu wollen. Sie bedenken die Lage, die das arme Deutschland seinen östlichen und westlichen Nachbarn gegenüber hat.... Wenn diese Gesinnungen sich Bahn gebrochen haben in den Herzen vieler deutschen Fürsten und in einer unendlich großen Zahl von deutschen Bürgern, so lassen Sie uns bauen auf diese Grundlage,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1243/0011] und gewagten Schritte zu hüten haben. Der Hr. Abg. v. Rotteck hat sich sodann auch gegen einige Stellen des Votums einer Regierung erhoben, das bei der Bundesversammlung abgegeben worden ist. Ich will nicht untersuchen, ob er diese Kenntniß auch aus französischen und englischen Zeitungen geschöpft oder anderswoher erhalten hat; allein es scheint mir doch, als ob er jenem Votum nicht die volle Gerechtigkeit habe widerfahren lassen. Jenes Votum dürfte sich ohne Zweifel vollständig rechtfertigen lassen, wenn eine solche Rechtfertigung hier an ihrer Stelle wäre... Die revolutionäre Tendenz erhalt allerdings Nahrung durch jedes Ereigniß, wodurch der Zustand im Innern eines Landes gestört wird, und insofern ist die Betrachtung auch vollkommen richtig, daß durch die Ereignisse in Hannover die revolutionäre Tendenz Nahrung erhalten hat. Es ist aber unrichtig und gewagt, zu behaupten, daß der Bundesbeschluß diese Nahrung der revolutionären Tendenz erst gab, denn dessen darf der Hr. Abg. v. Rotteck gewiß seyn, daß, wenn auch der Bundesbeschluß gerade in entgegengesetztem Sinne gelautet hätte, die revolutionäre Tendenz sich gleichwohl darauf geworfen und in anderm Sinne dieses Thema ausgebeutet haben würde. Der Hr. Abg. v. Rotteck würde gewiß nicht erwartet haben, daß durch einen solchen Bundesbeschluß wie durch einen Zauberschlag die Verhältnisse in Hannover würden geordnet worden seyn. Die Zerwürfnisse, insofern sie bestehen, würden fortgedauert haben, und diese wären das Feld gewesen, worauf sich die revolutionäre Tendenz herumgetummelt hätte. Gerade vor solchen revolutionären Tendenzen habe ich Sie gewarnt, und es scheint, daß diese Warnung nicht ganz nutzlos war, wiewohl der Hr. Abg. v. Rotteck sie für überflüssig erklärt hat. Uebrigens würde es mir leid thun, wenn Sie sich noch längere Zeit auf diesem Felde bewegten, weil ich nicht dafür stehen könnte, ob nicht zuletzt doch die Gränzen einer ordnungsgemäßen Berathung überschritten würden.“ Welcker: „Ich ergreife das Wort in dieser Sache mit tiefem Schmerz. Deutschland war einst die erste Nation Europa's, freiheitsstolz und kräftig gegenüber den Völkern der gebildeten Erde: selbst noch als unglückliche Ereignisse, als Mangel einer wahrhaft thätigen Nationalgesinnung, als große Mißgriffe in dem Senate des Reichs, als Geringschätzung und ein wahres Vergessen der Nation von Seite eines großen Theils der Fürsten die deutsche Verfassung wesentlich gelähmt hatten, selbst da noch hatte dieselbe für den aufmerksamen Beobachter sehr viel Ehrwürdiges und Gutes; bis auf den letzten Augenblick, bis zur Zertrümmerung des deutschen Reichs durfte kein Fürst das wagen, was der König von Hannover wagte. Ein Mandatum sine clausula wäre auf der Stelle von dem Reichsgericht gekommen, wie in vielen ähnlichen Angelegenheiten deutscher Länder ein solch schnelles und unbedingtes Schutzmittel für den rechtmäßigen Besitzstand die angegriffenen Rechte rettete. Diese Verfassung ist jetzt zerstört, Fürsten und Völker haben für ihre Sünden schwer gebüßt. Viele Schmach und Erniedrigung, Demoralisation, auswärtige Unterjochung und blutige Bürgerkriege, ein schwarzes Register von Elend und Unrecht jeder Art liegt zwischen der Auflösung des Reichs und der Wiederherstellung eines neuen Rechtszustandes. Wie aber wurde dieser neue Rechtszustand herbeigeführt? Die Regierungen und die Völker sprachen einstimmig von einem heiligen, von einem deutschen und von einem Freiheitskriege. Mit der feierlichen Verkündung der Wiederherstellung einer moralischen Ordnung der Dinge, eines heiligen Bandes wechselseitiger Treue zwischen Fürst und Volk, mit dem Fürstenworte, daß Deutschland eins und frei seyn solle, mit so hohen und herrlichen Worten eröffneten die Fürsten den Kampf, und auf diese Bedingungen hin und unter diesem Feldzeichen haben sie Hunderttausende unter die Waffen gebracht. Großherzig haben die Völker geblutet, und treu haben sie ihrerseits ihre Versprechungen, ihre Pflichten erfüllt, treu ausgeharrt bis auf den heutigen Tag. Was aber wurde nun aus jenem ihnen verheißenen Rechtszustande? Nachdem in Hannover ein ehrwürdiger Fürst treu den Versprechungen, die alle Fürsten bei Eröffnung des Kampfes gegeben haben, einen Rechtszustand in dem Lande dieses jetzt unglücklichen Brudervolkes hergestellt hatte, und nachdem durch die Heiligkeit des Eides dieser Rechtszustand in dem ganzen Lande verbürgt war, kommt der neue Fürst, und nun werden die heiligen Eide zerrissen, das Recht zertrümmert und alle Mittel zur Vertheidigung des Rechts bis zum passiven moralischen Widerstande zerstört.... Ich erwarte nicht, daß eine günstige neue Entscheidung oder eine Interpretation des neuern Bundesbeschlusses zu Gunsten des hannover'schen Volks erfolge. Ich theile hierin ganz die Ansicht des Abg. v. Rotteck, und kann sagen, daß auch mir der Sinn dieses Beschlusses nicht zweifelhaft gewesen ist. So bleibt denn also im jetzigen Falle die Hoffnung auf die Möglichkeit eines Rechtsschutzes durch unsere Bitte wirklich sehr gering. Man weiß ja, daß selbst die Stimme deutscher Fürsten, die kräftige Anträge machten, nicht durchdringen konnte. Selbst durch die öffentliche Meinung sollen wir nicht auf den deutschen Bund wirken. Der Hr. Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist nämlich davon ausgegangen, wir hätten gar nicht das Recht, auf den Bund zu wirken, und zwar sollen wir nicht einmal mit der öffentlichen Meinung auf ihn einwirken, wie ich ihn wenigstens verstanden habe. Darum werden, wie er sagte, auch die ursprünglich öffentlich mitgetheilten Verhandlungen geheim gehalten, damit die öffentliche Meinung der Nation keinen Einfluß auf den Bundestag gewinne. Muthen Sie mir nicht zu, dasjenige zu sagen, was ich bei diesem Gedanken empfinde. Nur das will ich sagen, daß es das Außerordentlichste ist, was je in einer Gesellschaft, wo der Gedanke an einen Rechtszustand herrschte, gesagt wurde, daß nämlich die öffentliche Meinung der Nation nicht auf die Beschlüsse ihrer höchsten Autorität einwirken solle. Als die Fürsten die Völker aufriefen, als sie in Wien versammelt waren, um den neuen Bund zu gründen, ja da lautete die Stimme ganz anders, da appellirte man laut an die öffentliche Meinung und erklärte, daß der neue Rechtszustand durch ein Zusammenwirken des Volks und der Fürsten gegründet werden solle. Man erklärte die öffentliche Meinung als die Königin der Könige, und als der Bund in Wirksamkeit trat, setzte man ausdrücklich fest, daß von allen Seiten Petitionen an den Bund in allen öffentlichen Angelegenheiten ergehen können, daß der Bund Kenntniß von der Stimmung und den Wünschen des Volkes nehmen, und daß er in Uebereinstimmung mit den Wünschen und der Stimmung der Nation handeln werde. Groß, schön und edel wurde damals von der Unmöglichkeit gesprochen, daß ein Rechtszustand sich halten könne, wenn nicht die öffentliche Nationalstimme ihn in dieser Weise belebe, kräftig unterstütze.... Eine Regierung, die, gesondert von der Volksstimme und der öffentlichen Meinung, herrschen wollte, würde bei dem ersten Kanonenschusse mit Schrecken inne werden, welches Wagspiel sie spielte. So hoffnungslos aber auch in Beziehung auf alle rechtlichen Schutzmittel unser Rechtszustand ist, so kann ich doch mit freudigem Vertrauen den gestellten Antrag unterstützen. Die göttliche Kraft in dem Leben eines großen und edlen Volkes, die göttliche Kraft für das Wahre und Rechte im Volk ist es, die in Hannover herrscht, die in den gesellschaftlichen Kreisen der deutschen Nation allmählich sich verbreitet und Energie gewinnt. Auf diese moralische Kraft vertraue ich. Blicken Sie auf die Hannoveraner selbst, und Sie sehen dort eine moralische Kraft, inwohnend einem schwer gedrückten Volke, die moralische Kraft eines allgemein gesetzlichen Widerstandes gegen die übermächtige Gewalt, wie sie sich bisher noch in keinem deutschen Volksstamme zeigte. Jene heiligen deutschen Freiheitskämpfe, die mit Gott für Freiheit und Vaterland gekämpft wurden, haben ihre Früchte getragen. Die deutsche Nation hat, zersplittert und zerrissen wie sie war, und ohne jenen staatsrechtlich schützenden und erhaltenden Einigungspunkt, den wir hatten und hergestellt zu sehen hofften, sich mehr als je moralisch geeinigt. Sie hat die gemeinschaftliche Idee des deutschen Rechtszustandes, der Einheit aller deutschen Brüderstämme und der Pflicht eines jeden deutschen Volksstammes, die Rechte des andern zu vertheidigen, in sich belebt. Diese moralischen Kräfte, sie sind erwacht, sie sind im Wachsen und werden belebt selbst durch das Unrecht und Unglück in der hannover'schen Sache und durch jeden würdigen Schritt zu Gunsten des Rechts. Keine Macht wird sie niederdrücken. Auch unsere deutschen Fürsten fangen an, diese neuen Erscheinungen zu berücksichtigen. Daß eine so bedeutende Minorität der Stimmen am deutschen Bunde das hannover'sche Recht mit Aufrichtigkeit vertheidigte, ist ein gutes Zeichen. Diese Regierungen sind von der Wahrheit erleuchtet, daß es gefährlich für die Fürsten ist, der öffentlichen Meinung der Völker sich zu entschlagen oder sie verletzen zu wollen. Sie bedenken die Lage, die das arme Deutschland seinen östlichen und westlichen Nachbarn gegenüber hat.... Wenn diese Gesinnungen sich Bahn gebrochen haben in den Herzen vieler deutschen Fürsten und in einer unendlich großen Zahl von deutschen Bürgern, so lassen Sie uns bauen auf diese Grundlage,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/11
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 156. Augsburg, 4. Juni 1840, S. 1243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_156_18400604/11>, abgerufen am 22.11.2024.