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Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840.

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und gerader heraus. Aber bei Lichte besehen, hat es eben nichts damit zu sagen. Es ist eben nur etwas enthusiastische Krausköpfigkeit. Im letzten Polenkriege haben die Kurländer ihre entschiedene Anhänglichkeit an Rußland erprobt. Es brannte lichterloh in den benachbarten Landen, die Provinz war völlig ohne russische Truppen, und blieb doch matt und still, wie feuchtes Stroh, ja sie that sogar noch das Ihrige, mit ihren Förstern, Dienern und Bauern den Brand zu löschen.

Daher hat man es sich denn auch zu erklären, daß die deutschen Ostseeprovincianer, während sie im Lande selbst oft entbrannten und glühten von antirussischem Eifer, sich in Deutschland als so gute Russen zeigen, und ihre Regierung, ihren Kaiser, ihre Politik, ja alle russischen Zustände und am Ende auch die russische Nation, der anzugehören sie oft fälschlich prahlen, so hochstellen und preisen. Denn sie sind in politischer Hinsicht noch weit mehr antideutsch als in nationeller antirussisch.

Fragt man nun die Ostseeprovincianer, die weder Deutschland angehören möchten, noch auch mit Rußland völlig zufrieden sind, was sie denn möchten, oder fragt man, ihre Gedanken errathend, sich selbst darüber, so ist es wohl nicht schwer, den kleinen, bescheidenen Wunsch in ihrer Seele, freilich in sehr entfernter Perspective, zu erkennen - die alten, guten Zeiten möchten zurückkehren. Sie möchten gern Handel und Wandel wieder frei haben, keine Mauth und keine Zölle, keine Recruten und keine Steuern, wie es ehemals im Lande war; Freiheit zu kommen, Freiheit zu gehen; an der Spitze des Staats ein paar kleine Herzoge oder einen Ordensmeister, dem der Adel das Regieren nach Herzenslust verbittern könnte, leibeigene Bauern, hochweise Senatoren, wohllöbliche deutsche Gerichte. Mit Einem Worte, sie möchten eine kleine Commune wie ehemals für sich bilden. Sie möchten, daß die Götter ihnen aus der Fülle der Zeiten das gute Mittelalter ungeschmälert zurückgäben. Allein sie bedenken nicht, daß das selbst in des hohen Donnerers Macht nicht steht; die Zeit und das Geschick rollen unerbittlich über ihre kleinen, ehemals so glücklichen Herzogthümer dahin.

Deutschland.

Die vollständige Berichterstattung über die ständischen Verhandlungen in Betreff des neuen Strafgesetzbuchs hatte uns verhindert, die Debatten der zweiten Kammer hinsichtlich des hannover'schen Verfassungsstreits umständlicher wiederzugeben. Mittlerweile sind nun die gedruckten Protokolle der Kammer erschienen, und wir glauben daraus eine gedrängte Zusammenstellung des Ganges jener Discussion um so mehr nachtragen zu sollen, als einer der Minister lebhaften Antheil daran nahm, während in den meisten andern Ständeversammlungen die Vertreter der Regierung bei Anregung dieser Frage sich fast ganz passiv verhalten. Die Sitzung fand bekanntlich am 10 April statt. Der Abg. v. Itzstein stellte den Antrag. Wir können uns wohl enthalten, seine Rede und die der andern Sprecher auch in den Stellen wiederzugeben, die nur ein Echo der allgemein bekannten frühern Verhandlungen über diesen Gegenstand bilden. Wir heben daher mehr die Momente hervor, die durch das, was mittlerweile vorgefallen, bedingt worden.

"Daß ich (sagte Hr. v. Itzstein unter Anderm) die hannover'sche Verfassungsfrage wieder zur Sprache bringe, wird wohl nicht befremden. Zwar wurde die Sache in dieser Kammer bereits am 29 April v. J. auf meinen Antrag verhandelt, allein in der Zwischenzeit soll am 5 Sept. v. J. ein Beschluß der hohen Bundesversammlung ergangen seyn. Die Völker Deutschlands vernahmen ihn bis jetzt nur aus einer von dem königl. hannover'schen Cabinet erlassenen Proclamation vom 10 Sept. v. J. Verbergen wir uns nicht, denn Wahrheit ist die höchste und heiligste Pflicht einer jeden Ständeversammlung, verbergen wir uns nicht, daß dieser Beschluß weder den Erwartungen der Bevölkerung in Hannover noch jenen der übrigen deutschen Staaten entsprochen hat. Die bedauernswerthen Zerwürfnisse in Hannover dauern noch fort, das Vertrauen, jene versöhnende, wohlthätige Gewalt, ist untergraben. Was aus dem Dunkel, welches leider seit einigen Jahren die Verhandlungen der hohen Bundesversammlung über vaterländische Angelegenheiten umschwebt, und was aus den Protokollen derselben, so weit man davon Kunde zu erhalten vermochte, erfreulich und wohltönend für unser Baden hervortritt, ist die Thatsache, daß die Stimme unserer Regierung sich vereinigt hat mit den umfassenden Abstimmungen von Bayern, Würtemberg und Sachsen, die an der Bestimmung des Art. 56 der Wiener Schlußacte, als der Schutzwehr aller Verfassungen in Deutschland, festhielten. Die öffentliche Meinung in Deutschland hat immer nur eine die Verfassung von 1833 schützende Interpretation erwartet, und sie gab sich deßhalb gern dem Glauben hin, daß der Beschluß vom 5 Sept. 1839 nur eine Vorentscheidung über jene Anträge sey, die einige constitutionelle Staaten zur Niedersetzung einer Commission für die Schlichtung der hannover'schen Differenzen gemacht haben sollen, und daß somit der angeführte Beschluß nicht eine definitive Entscheidung in der Hauptsache geben wollte, indem der Bund sich nur bei obwaltender Sachlage für die Einschreitung nicht competent gehalten habe. Das hannover'sche Cabinet nimmt dagegen geradezu an, daß durch den Bundesbeschluß die Verfassung von 1833 für aufgehoben und diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover für anerkannt erklärt worden sey, welche das Cabinet selbst stets als die allein gültige bezeichnet habe, daß unter "dermalige Stände" die jetzt vorhandenen verstanden seyen; also jene nie anerkannte, durch die merkwürdigsten Minoritätswahlen und durch die verschiedenartigsten Mittel zusammengetriebene, höchst unvollständige Versammlung! Eine solche Auslegung des Bundesbeschlusses mußte nothwendig und natürlicherweise überall den übelsten Eindruck machen. Deßwegen erhob sich alsbald die öffentliche Stimme in allen Theilen Deutschlands laut und kräftig gegen dieselbe, und eben deßhalb haben auch die inzwischen zusammengetretenen Kammern von Braunschweig, Sachsen und Darmstadt in gleichem Sinne einstimmige Widersprüche entgegengesetzt. Die badische Kammer hat aber nach meiner innersten Ueberzeugung die heiligste Pflicht, auch von ihrer Seite sich gegen die Ansichten und Grundsätze zu erheben, welche die hannover'sche Interpretation enthält - Ansichten, welche die verfassungsmäßigen Einrichtungen wieder zu vernichten drohen, die von den deutschen Völkern mit ihrem Blut errungen wurden, und die ihnen nach ihrer Bildungsstufe gebühren. Ehe ich indessen zu der Stellung eines geeigneten Antrags schreite, erlaube ich mir an den Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Frage: ob die von dem hannover'schen Cabinet dem Bundesbeschluß vom 5 Sept. 1839 gegebene Interpretation, wonach die Verfassung von 1833 wirklich als aufgehoben erklärt wurde, in den diesem Beschluß des Bundes vorangegangenen Verhandlungen ihre Begründung finde? Und wenn nicht, ob von Seite unserer Regierung seit der Bekanntmachung dieser Interpretation und seit den dagegen erhobenen Widersprüchen Schritte und Einleitungen geschehen sind, um bei der Bundesversammlung auf Wiederherstellung der Verfassung von 1833, oder auf eine dahin führende authentische Interpretation des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839 nach den Bestimmungen des §. 56 der Wiener Schlußacte zu wirken?"

Der Staatsminister Freiherr v. Blittersdorff entgegnete im Wesentlichen: "Wir können der Kammer weder eine directe noch indirecte Einwirkung auf die Bundestagsangelegenheiten gestatten, besonders so lange dieselben noch im Stadium der Verhandlungen begriffen sind. Die Verhandlungen des Bundestags sind kein Eigenthum des Großherzogs. Der Großherzog selbst ist nur ein Glied dieser hohen Versammlung. Andere Glieder haben das gleiche Recht auf die dort gepflogenen Verhandlungen, wie Er, und man ist aus den gewichtigsten Gründen übereingekommen, die Verhandlungen der Bundesversammlung der Oeffentlichkeit nicht zu übergeben. Insofern kann ich also über die Verhandlungen des Bundestags die Auskunft so, wie der Hr. Abg. v. Itzstein sie wünscht, nicht geben.

und gerader heraus. Aber bei Lichte besehen, hat es eben nichts damit zu sagen. Es ist eben nur etwas enthusiastische Krausköpfigkeit. Im letzten Polenkriege haben die Kurländer ihre entschiedene Anhänglichkeit an Rußland erprobt. Es brannte lichterloh in den benachbarten Landen, die Provinz war völlig ohne russische Truppen, und blieb doch matt und still, wie feuchtes Stroh, ja sie that sogar noch das Ihrige, mit ihren Förstern, Dienern und Bauern den Brand zu löschen.

Daher hat man es sich denn auch zu erklären, daß die deutschen Ostseeprovincianer, während sie im Lande selbst oft entbrannten und glühten von antirussischem Eifer, sich in Deutschland als so gute Russen zeigen, und ihre Regierung, ihren Kaiser, ihre Politik, ja alle russischen Zustände und am Ende auch die russische Nation, der anzugehören sie oft fälschlich prahlen, so hochstellen und preisen. Denn sie sind in politischer Hinsicht noch weit mehr antideutsch als in nationeller antirussisch.

Fragt man nun die Ostseeprovincianer, die weder Deutschland angehören möchten, noch auch mit Rußland völlig zufrieden sind, was sie denn möchten, oder fragt man, ihre Gedanken errathend, sich selbst darüber, so ist es wohl nicht schwer, den kleinen, bescheidenen Wunsch in ihrer Seele, freilich in sehr entfernter Perspective, zu erkennen – die alten, guten Zeiten möchten zurückkehren. Sie möchten gern Handel und Wandel wieder frei haben, keine Mauth und keine Zölle, keine Recruten und keine Steuern, wie es ehemals im Lande war; Freiheit zu kommen, Freiheit zu gehen; an der Spitze des Staats ein paar kleine Herzoge oder einen Ordensmeister, dem der Adel das Regieren nach Herzenslust verbittern könnte, leibeigene Bauern, hochweise Senatoren, wohllöbliche deutsche Gerichte. Mit Einem Worte, sie möchten eine kleine Commune wie ehemals für sich bilden. Sie möchten, daß die Götter ihnen aus der Fülle der Zeiten das gute Mittelalter ungeschmälert zurückgäben. Allein sie bedenken nicht, daß das selbst in des hohen Donnerers Macht nicht steht; die Zeit und das Geschick rollen unerbittlich über ihre kleinen, ehemals so glücklichen Herzogthümer dahin.

Deutschland.

Die vollständige Berichterstattung über die ständischen Verhandlungen in Betreff des neuen Strafgesetzbuchs hatte uns verhindert, die Debatten der zweiten Kammer hinsichtlich des hannover'schen Verfassungsstreits umständlicher wiederzugeben. Mittlerweile sind nun die gedruckten Protokolle der Kammer erschienen, und wir glauben daraus eine gedrängte Zusammenstellung des Ganges jener Discussion um so mehr nachtragen zu sollen, als einer der Minister lebhaften Antheil daran nahm, während in den meisten andern Ständeversammlungen die Vertreter der Regierung bei Anregung dieser Frage sich fast ganz passiv verhalten. Die Sitzung fand bekanntlich am 10 April statt. Der Abg. v. Itzstein stellte den Antrag. Wir können uns wohl enthalten, seine Rede und die der andern Sprecher auch in den Stellen wiederzugeben, die nur ein Echo der allgemein bekannten frühern Verhandlungen über diesen Gegenstand bilden. Wir heben daher mehr die Momente hervor, die durch das, was mittlerweile vorgefallen, bedingt worden.

„Daß ich (sagte Hr. v. Itzstein unter Anderm) die hannover'sche Verfassungsfrage wieder zur Sprache bringe, wird wohl nicht befremden. Zwar wurde die Sache in dieser Kammer bereits am 29 April v. J. auf meinen Antrag verhandelt, allein in der Zwischenzeit soll am 5 Sept. v. J. ein Beschluß der hohen Bundesversammlung ergangen seyn. Die Völker Deutschlands vernahmen ihn bis jetzt nur aus einer von dem königl. hannover'schen Cabinet erlassenen Proclamation vom 10 Sept. v. J. Verbergen wir uns nicht, denn Wahrheit ist die höchste und heiligste Pflicht einer jeden Ständeversammlung, verbergen wir uns nicht, daß dieser Beschluß weder den Erwartungen der Bevölkerung in Hannover noch jenen der übrigen deutschen Staaten entsprochen hat. Die bedauernswerthen Zerwürfnisse in Hannover dauern noch fort, das Vertrauen, jene versöhnende, wohlthätige Gewalt, ist untergraben. Was aus dem Dunkel, welches leider seit einigen Jahren die Verhandlungen der hohen Bundesversammlung über vaterländische Angelegenheiten umschwebt, und was aus den Protokollen derselben, so weit man davon Kunde zu erhalten vermochte, erfreulich und wohltönend für unser Baden hervortritt, ist die Thatsache, daß die Stimme unserer Regierung sich vereinigt hat mit den umfassenden Abstimmungen von Bayern, Würtemberg und Sachsen, die an der Bestimmung des Art. 56 der Wiener Schlußacte, als der Schutzwehr aller Verfassungen in Deutschland, festhielten. Die öffentliche Meinung in Deutschland hat immer nur eine die Verfassung von 1833 schützende Interpretation erwartet, und sie gab sich deßhalb gern dem Glauben hin, daß der Beschluß vom 5 Sept. 1839 nur eine Vorentscheidung über jene Anträge sey, die einige constitutionelle Staaten zur Niedersetzung einer Commission für die Schlichtung der hannover'schen Differenzen gemacht haben sollen, und daß somit der angeführte Beschluß nicht eine definitive Entscheidung in der Hauptsache geben wollte, indem der Bund sich nur bei obwaltender Sachlage für die Einschreitung nicht competent gehalten habe. Das hannover'sche Cabinet nimmt dagegen geradezu an, daß durch den Bundesbeschluß die Verfassung von 1833 für aufgehoben und diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover für anerkannt erklärt worden sey, welche das Cabinet selbst stets als die allein gültige bezeichnet habe, daß unter „dermalige Stände“ die jetzt vorhandenen verstanden seyen; also jene nie anerkannte, durch die merkwürdigsten Minoritätswahlen und durch die verschiedenartigsten Mittel zusammengetriebene, höchst unvollständige Versammlung! Eine solche Auslegung des Bundesbeschlusses mußte nothwendig und natürlicherweise überall den übelsten Eindruck machen. Deßwegen erhob sich alsbald die öffentliche Stimme in allen Theilen Deutschlands laut und kräftig gegen dieselbe, und eben deßhalb haben auch die inzwischen zusammengetretenen Kammern von Braunschweig, Sachsen und Darmstadt in gleichem Sinne einstimmige Widersprüche entgegengesetzt. Die badische Kammer hat aber nach meiner innersten Ueberzeugung die heiligste Pflicht, auch von ihrer Seite sich gegen die Ansichten und Grundsätze zu erheben, welche die hannover'sche Interpretation enthält – Ansichten, welche die verfassungsmäßigen Einrichtungen wieder zu vernichten drohen, die von den deutschen Völkern mit ihrem Blut errungen wurden, und die ihnen nach ihrer Bildungsstufe gebühren. Ehe ich indessen zu der Stellung eines geeigneten Antrags schreite, erlaube ich mir an den Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Frage: ob die von dem hannover'schen Cabinet dem Bundesbeschluß vom 5 Sept. 1839 gegebene Interpretation, wonach die Verfassung von 1833 wirklich als aufgehoben erklärt wurde, in den diesem Beschluß des Bundes vorangegangenen Verhandlungen ihre Begründung finde? Und wenn nicht, ob von Seite unserer Regierung seit der Bekanntmachung dieser Interpretation und seit den dagegen erhobenen Widersprüchen Schritte und Einleitungen geschehen sind, um bei der Bundesversammlung auf Wiederherstellung der Verfassung von 1833, oder auf eine dahin führende authentische Interpretation des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839 nach den Bestimmungen des §. 56 der Wiener Schlußacte zu wirken?“

Der Staatsminister Freiherr v. Blittersdorff entgegnete im Wesentlichen: „Wir können der Kammer weder eine directe noch indirecte Einwirkung auf die Bundestagsangelegenheiten gestatten, besonders so lange dieselben noch im Stadium der Verhandlungen begriffen sind. Die Verhandlungen des Bundestags sind kein Eigenthum des Großherzogs. Der Großherzog selbst ist nur ein Glied dieser hohen Versammlung. Andere Glieder haben das gleiche Recht auf die dort gepflogenen Verhandlungen, wie Er, und man ist aus den gewichtigsten Gründen übereingekommen, die Verhandlungen der Bundesversammlung der Oeffentlichkeit nicht zu übergeben. Insofern kann ich also über die Verhandlungen des Bundestags die Auskunft so, wie der Hr. Abg. v. Itzstein sie wünscht, nicht geben.

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[1227/0011] und gerader heraus. Aber bei Lichte besehen, hat es eben nichts damit zu sagen. Es ist eben nur etwas enthusiastische Krausköpfigkeit. Im letzten Polenkriege haben die Kurländer ihre entschiedene Anhänglichkeit an Rußland erprobt. Es brannte lichterloh in den benachbarten Landen, die Provinz war völlig ohne russische Truppen, und blieb doch matt und still, wie feuchtes Stroh, ja sie that sogar noch das Ihrige, mit ihren Förstern, Dienern und Bauern den Brand zu löschen. Daher hat man es sich denn auch zu erklären, daß die deutschen Ostseeprovincianer, während sie im Lande selbst oft entbrannten und glühten von antirussischem Eifer, sich in Deutschland als so gute Russen zeigen, und ihre Regierung, ihren Kaiser, ihre Politik, ja alle russischen Zustände und am Ende auch die russische Nation, der anzugehören sie oft fälschlich prahlen, so hochstellen und preisen. Denn sie sind in politischer Hinsicht noch weit mehr antideutsch als in nationeller antirussisch. Fragt man nun die Ostseeprovincianer, die weder Deutschland angehören möchten, noch auch mit Rußland völlig zufrieden sind, was sie denn möchten, oder fragt man, ihre Gedanken errathend, sich selbst darüber, so ist es wohl nicht schwer, den kleinen, bescheidenen Wunsch in ihrer Seele, freilich in sehr entfernter Perspective, zu erkennen – die alten, guten Zeiten möchten zurückkehren. Sie möchten gern Handel und Wandel wieder frei haben, keine Mauth und keine Zölle, keine Recruten und keine Steuern, wie es ehemals im Lande war; Freiheit zu kommen, Freiheit zu gehen; an der Spitze des Staats ein paar kleine Herzoge oder einen Ordensmeister, dem der Adel das Regieren nach Herzenslust verbittern könnte, leibeigene Bauern, hochweise Senatoren, wohllöbliche deutsche Gerichte. Mit Einem Worte, sie möchten eine kleine Commune wie ehemals für sich bilden. Sie möchten, daß die Götter ihnen aus der Fülle der Zeiten das gute Mittelalter ungeschmälert zurückgäben. Allein sie bedenken nicht, daß das selbst in des hohen Donnerers Macht nicht steht; die Zeit und das Geschick rollen unerbittlich über ihre kleinen, ehemals so glücklichen Herzogthümer dahin. Deutschland. _ Karlsruhe. Die vollständige Berichterstattung über die ständischen Verhandlungen in Betreff des neuen Strafgesetzbuchs hatte uns verhindert, die Debatten der zweiten Kammer hinsichtlich des hannover'schen Verfassungsstreits umständlicher wiederzugeben. Mittlerweile sind nun die gedruckten Protokolle der Kammer erschienen, und wir glauben daraus eine gedrängte Zusammenstellung des Ganges jener Discussion um so mehr nachtragen zu sollen, als einer der Minister lebhaften Antheil daran nahm, während in den meisten andern Ständeversammlungen die Vertreter der Regierung bei Anregung dieser Frage sich fast ganz passiv verhalten. Die Sitzung fand bekanntlich am 10 April statt. Der Abg. v. Itzstein stellte den Antrag. Wir können uns wohl enthalten, seine Rede und die der andern Sprecher auch in den Stellen wiederzugeben, die nur ein Echo der allgemein bekannten frühern Verhandlungen über diesen Gegenstand bilden. Wir heben daher mehr die Momente hervor, die durch das, was mittlerweile vorgefallen, bedingt worden. „Daß ich (sagte Hr. v. Itzstein unter Anderm) die hannover'sche Verfassungsfrage wieder zur Sprache bringe, wird wohl nicht befremden. Zwar wurde die Sache in dieser Kammer bereits am 29 April v. J. auf meinen Antrag verhandelt, allein in der Zwischenzeit soll am 5 Sept. v. J. ein Beschluß der hohen Bundesversammlung ergangen seyn. Die Völker Deutschlands vernahmen ihn bis jetzt nur aus einer von dem königl. hannover'schen Cabinet erlassenen Proclamation vom 10 Sept. v. J. Verbergen wir uns nicht, denn Wahrheit ist die höchste und heiligste Pflicht einer jeden Ständeversammlung, verbergen wir uns nicht, daß dieser Beschluß weder den Erwartungen der Bevölkerung in Hannover noch jenen der übrigen deutschen Staaten entsprochen hat. Die bedauernswerthen Zerwürfnisse in Hannover dauern noch fort, das Vertrauen, jene versöhnende, wohlthätige Gewalt, ist untergraben. Was aus dem Dunkel, welches leider seit einigen Jahren die Verhandlungen der hohen Bundesversammlung über vaterländische Angelegenheiten umschwebt, und was aus den Protokollen derselben, so weit man davon Kunde zu erhalten vermochte, erfreulich und wohltönend für unser Baden hervortritt, ist die Thatsache, daß die Stimme unserer Regierung sich vereinigt hat mit den umfassenden Abstimmungen von Bayern, Würtemberg und Sachsen, die an der Bestimmung des Art. 56 der Wiener Schlußacte, als der Schutzwehr aller Verfassungen in Deutschland, festhielten. Die öffentliche Meinung in Deutschland hat immer nur eine die Verfassung von 1833 schützende Interpretation erwartet, und sie gab sich deßhalb gern dem Glauben hin, daß der Beschluß vom 5 Sept. 1839 nur eine Vorentscheidung über jene Anträge sey, die einige constitutionelle Staaten zur Niedersetzung einer Commission für die Schlichtung der hannover'schen Differenzen gemacht haben sollen, und daß somit der angeführte Beschluß nicht eine definitive Entscheidung in der Hauptsache geben wollte, indem der Bund sich nur bei obwaltender Sachlage für die Einschreitung nicht competent gehalten habe. Das hannover'sche Cabinet nimmt dagegen geradezu an, daß durch den Bundesbeschluß die Verfassung von 1833 für aufgehoben und diejenige Grundlage des öffentlichen Rechts in Hannover für anerkannt erklärt worden sey, welche das Cabinet selbst stets als die allein gültige bezeichnet habe, daß unter „dermalige Stände“ die jetzt vorhandenen verstanden seyen; also jene nie anerkannte, durch die merkwürdigsten Minoritätswahlen und durch die verschiedenartigsten Mittel zusammengetriebene, höchst unvollständige Versammlung! Eine solche Auslegung des Bundesbeschlusses mußte nothwendig und natürlicherweise überall den übelsten Eindruck machen. Deßwegen erhob sich alsbald die öffentliche Stimme in allen Theilen Deutschlands laut und kräftig gegen dieselbe, und eben deßhalb haben auch die inzwischen zusammengetretenen Kammern von Braunschweig, Sachsen und Darmstadt in gleichem Sinne einstimmige Widersprüche entgegengesetzt. Die badische Kammer hat aber nach meiner innersten Ueberzeugung die heiligste Pflicht, auch von ihrer Seite sich gegen die Ansichten und Grundsätze zu erheben, welche die hannover'sche Interpretation enthält – Ansichten, welche die verfassungsmäßigen Einrichtungen wieder zu vernichten drohen, die von den deutschen Völkern mit ihrem Blut errungen wurden, und die ihnen nach ihrer Bildungsstufe gebühren. Ehe ich indessen zu der Stellung eines geeigneten Antrags schreite, erlaube ich mir an den Hrn. Minister der auswärtigen Angelegenheiten die Frage: ob die von dem hannover'schen Cabinet dem Bundesbeschluß vom 5 Sept. 1839 gegebene Interpretation, wonach die Verfassung von 1833 wirklich als aufgehoben erklärt wurde, in den diesem Beschluß des Bundes vorangegangenen Verhandlungen ihre Begründung finde? Und wenn nicht, ob von Seite unserer Regierung seit der Bekanntmachung dieser Interpretation und seit den dagegen erhobenen Widersprüchen Schritte und Einleitungen geschehen sind, um bei der Bundesversammlung auf Wiederherstellung der Verfassung von 1833, oder auf eine dahin führende authentische Interpretation des Bundesbeschlusses vom 5 Sept. 1839 nach den Bestimmungen des §. 56 der Wiener Schlußacte zu wirken?“ Der Staatsminister Freiherr v. Blittersdorff entgegnete im Wesentlichen: „Wir können der Kammer weder eine directe noch indirecte Einwirkung auf die Bundestagsangelegenheiten gestatten, besonders so lange dieselben noch im Stadium der Verhandlungen begriffen sind. Die Verhandlungen des Bundestags sind kein Eigenthum des Großherzogs. Der Großherzog selbst ist nur ein Glied dieser hohen Versammlung. Andere Glieder haben das gleiche Recht auf die dort gepflogenen Verhandlungen, wie Er, und man ist aus den gewichtigsten Gründen übereingekommen, die Verhandlungen der Bundesversammlung der Oeffentlichkeit nicht zu übergeben. Insofern kann ich also über die Verhandlungen des Bundestags die Auskunft so, wie der Hr. Abg. v. Itzstein sie wünscht, nicht geben.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 154. Augsburg, 2. Juni 1840, S. 1227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_154_18400602/11>, abgerufen am 23.11.2024.