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Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840.

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Paschalik zuerst entdeckt wurden, beschuldigt. - Nach den neuesten Instructionen, die Lord Ponsonby von seinem Cabinet erhielt, hatte sich der brittische Botschafter zu dem Reis-Effendi begeben, und eine Conferenz von mehreren Stunden mit ihm gehabt. Gleich darauf verfügte sich Reschid Pascha zum Sultan, und verweilte den ganzen Nachmittag im Palais. Es soll Großes im Werke seyn. Man spricht von nichts Geringerem als von einem Vorrücken der osmanischen Armee gegen die syrischen Gränzen und einer gleichzeitig an den ägyptischen Küsten vorzunehmenden Blokade durch die Engländer. Dem sey wie ihm wolle, gewiß ist, wie ich aus verläßlichen Quellen erfahre, daß die englische Politik hinsichtlich Aegyptens keine Modification erfahren hat, daß vielmehr, nach der Stimmung des Cabinets von St. James zu urtheilen, angenommen werden muß, daß wenn die bewaffnete Intervention Englands mit Erfolgen gekrönt werden sollte, die politische Stellung Mehemed Ali's wankend und seine Herrschaft über Aegypten in Frage gestellt werden dürfte. Die türkische Regierung hat gegen bedeutende Gefahren zu kämpfen; diese erheben sich allenthalben, jetzt auch im Herzen des Reichs. Die Stimmung in Adrianopel, das Dunkle und Ungewisse der daselbst stattfindenden Umtriebe ist geeignet, Besorgniß einzuflößen; das Benehmen mächtiger Personen in Konstantinopel ist zweideutig, die Mutter des regierenden Sultans für Mehemed Ali eingenommen und geschickt, die verwickeltsten Intriguen durchzuführen, Halil Pascha, des Sultans Schwager, zwar an Geistesfähigkeiten beschränkt, aber tapfer, ja tollkühn und in Folge der letzten Reibungen und der ungnädigen Behandlung von Seite seines Herrn äußerst erbittert, jetzt an der Spitze einer nicht unmächtigen Serailspartei, von der man nicht weiß, ob und in welchen Verbindungen sie mit der Valide stehe, deren Verkehr mit dem Palais seit der unlängst gemachten Entdeckung der von ihr zu Gunsten des Vicekönigs angezettelten Cabalen unterbrochen ward; endlich die wachsende Ungeduld und Unzufriedenheit der Rajas, die Erbitterung der Moslims - Stoff genug, um auch die muthigste Regierung in Verlegenheit zu bringen, die Vertheidiger der osmanischen Interessen bestürzt zu machen. - Was man andrerseits auch über die Lage des Vicekönigs sagen mag, muß man sich doch gestehen, daß seine Lage zwar schwächer ist in Folge des der Pforte durch die Protection der Mächte verliehenen Gewichts, aber an sich und in ihrem Innern bei weitem nicht so viel Elemente der Auflösung in sich schließt. Eine einzige von den Osmanen gewonnene Schlacht, ein einziger von den Engländern in Syrien oder Aegypten occupirter Punkt würde ohne Zweifel die Lage der Dinge ändern, und das umgekehrte Verhältniß zum Resultat haben; aber die Schlacht ist nicht gewonnen, und die englische Escadre zu einem guten Theil in Malta. Indessen will man hier wissen, daß um die Mitte des kommenden Junius die ganze englische Flotte des Mittelmeers nach den ägyptischen Küsten segeln werde, und bis dahin glaubt man, daß die türkische Armee sich Marasch genähert haben wird. - Die Nachrichten aus Alexandria schildern den Vicekönig als gänzlich unfügsam, und gegen die fremden Agenten rücksichtslos, da er oft bei Anlässen, welche die von ihm angesprochene Landeshoheit nicht entfernt berühren, in ganz brutale Ausfälle geräth, und vorgetragene Anliegen mit unpassenden Redensarten zurückweist, als: "er wisse schon, was er in seinem Lande zu thun habe; er allein sey Herr in seinem Lande, in seinem Lande lasse er sich nichts vorschreiben." Die Einübung der den Franzosen nachgeäfften Nationalgarde so wie der für das Heer neu ausgehobenen Mannschaft dauert bei Alexandria fort; in letzter Zeit waren Manöuvres im Feuer ausgeführt worden, wobei die neu aus Europa bezogenen Feuergewehre sich schlecht bewährten, indem bei jeder Decharge die Läufe zu Duzenden zersprangen. Aus dem Betragen des Vicekönigs läßt sich durchaus nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Ausgleichung schließen; seine Erbitterung gegen Chosrew Pascha namentlich scheint die Kluft zwischen ihm und der Pforte erweitert zu haben. Er beschuldigt ihn, sein Vertrauen schnöderweise mißbraucht zu haben, da der Großwessier die confidentielle Correspondenz, die er mit ihm gepflogen, gegen sein ausdrückliches Versprechen dem Divan und den Repräsentanten der Großmächte verrathen habe. Mehemed Ali scheint dabei zu vergessen, daß der Großwessier selbst wegen jener confidentiellen Correspondenz in Verdacht bei der Pforte gerieth, und daß er durch die Vorlegung des ganzen Briefwechsels seine Loyalität erweisen mußte. Die Mittheilung an die Repräsentanten geschah später und nicht durch Chosrew, sondern durch Reschid Pascha. - Es steht eine große Epuration in den höhern Stellen bevor. Nuri Effendi, Bevollmächtigter der Pforte bei den Londoner Conferenzen, früher osmanischer Gesandter zu Paris, des Mehemedalismus verdächtig, soll zurückberufen werden. Man glaubt, daß Schekib Effendi, der auf einer außerordentlichen Mission nach England begriffen ist, um die Königin Victoria zu ihrer Vermählung zu becomplimentiren, bei der erwähnten Conferenz accreditirt werden wird.

Paschalik zuerst entdeckt wurden, beschuldigt. – Nach den neuesten Instructionen, die Lord Ponsonby von seinem Cabinet erhielt, hatte sich der brittische Botschafter zu dem Reis-Effendi begeben, und eine Conferenz von mehreren Stunden mit ihm gehabt. Gleich darauf verfügte sich Reschid Pascha zum Sultan, und verweilte den ganzen Nachmittag im Palais. Es soll Großes im Werke seyn. Man spricht von nichts Geringerem als von einem Vorrücken der osmanischen Armee gegen die syrischen Gränzen und einer gleichzeitig an den ägyptischen Küsten vorzunehmenden Blokade durch die Engländer. Dem sey wie ihm wolle, gewiß ist, wie ich aus verläßlichen Quellen erfahre, daß die englische Politik hinsichtlich Aegyptens keine Modification erfahren hat, daß vielmehr, nach der Stimmung des Cabinets von St. James zu urtheilen, angenommen werden muß, daß wenn die bewaffnete Intervention Englands mit Erfolgen gekrönt werden sollte, die politische Stellung Mehemed Ali's wankend und seine Herrschaft über Aegypten in Frage gestellt werden dürfte. Die türkische Regierung hat gegen bedeutende Gefahren zu kämpfen; diese erheben sich allenthalben, jetzt auch im Herzen des Reichs. Die Stimmung in Adrianopel, das Dunkle und Ungewisse der daselbst stattfindenden Umtriebe ist geeignet, Besorgniß einzuflößen; das Benehmen mächtiger Personen in Konstantinopel ist zweideutig, die Mutter des regierenden Sultans für Mehemed Ali eingenommen und geschickt, die verwickeltsten Intriguen durchzuführen, Halil Pascha, des Sultans Schwager, zwar an Geistesfähigkeiten beschränkt, aber tapfer, ja tollkühn und in Folge der letzten Reibungen und der ungnädigen Behandlung von Seite seines Herrn äußerst erbittert, jetzt an der Spitze einer nicht unmächtigen Serailspartei, von der man nicht weiß, ob und in welchen Verbindungen sie mit der Valide stehe, deren Verkehr mit dem Palais seit der unlängst gemachten Entdeckung der von ihr zu Gunsten des Vicekönigs angezettelten Cabalen unterbrochen ward; endlich die wachsende Ungeduld und Unzufriedenheit der Rajas, die Erbitterung der Moslims – Stoff genug, um auch die muthigste Regierung in Verlegenheit zu bringen, die Vertheidiger der osmanischen Interessen bestürzt zu machen. – Was man andrerseits auch über die Lage des Vicekönigs sagen mag, muß man sich doch gestehen, daß seine Lage zwar schwächer ist in Folge des der Pforte durch die Protection der Mächte verliehenen Gewichts, aber an sich und in ihrem Innern bei weitem nicht so viel Elemente der Auflösung in sich schließt. Eine einzige von den Osmanen gewonnene Schlacht, ein einziger von den Engländern in Syrien oder Aegypten occupirter Punkt würde ohne Zweifel die Lage der Dinge ändern, und das umgekehrte Verhältniß zum Resultat haben; aber die Schlacht ist nicht gewonnen, und die englische Escadre zu einem guten Theil in Malta. Indessen will man hier wissen, daß um die Mitte des kommenden Junius die ganze englische Flotte des Mittelmeers nach den ägyptischen Küsten segeln werde, und bis dahin glaubt man, daß die türkische Armee sich Marasch genähert haben wird. – Die Nachrichten aus Alexandria schildern den Vicekönig als gänzlich unfügsam, und gegen die fremden Agenten rücksichtslos, da er oft bei Anlässen, welche die von ihm angesprochene Landeshoheit nicht entfernt berühren, in ganz brutale Ausfälle geräth, und vorgetragene Anliegen mit unpassenden Redensarten zurückweist, als: „er wisse schon, was er in seinem Lande zu thun habe; er allein sey Herr in seinem Lande, in seinem Lande lasse er sich nichts vorschreiben.“ Die Einübung der den Franzosen nachgeäfften Nationalgarde so wie der für das Heer neu ausgehobenen Mannschaft dauert bei Alexandria fort; in letzter Zeit waren Manöuvres im Feuer ausgeführt worden, wobei die neu aus Europa bezogenen Feuergewehre sich schlecht bewährten, indem bei jeder Décharge die Läufe zu Duzenden zersprangen. Aus dem Betragen des Vicekönigs läßt sich durchaus nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Ausgleichung schließen; seine Erbitterung gegen Chosrew Pascha namentlich scheint die Kluft zwischen ihm und der Pforte erweitert zu haben. Er beschuldigt ihn, sein Vertrauen schnöderweise mißbraucht zu haben, da der Großwessier die confidentielle Correspondenz, die er mit ihm gepflogen, gegen sein ausdrückliches Versprechen dem Divan und den Repräsentanten der Großmächte verrathen habe. Mehemed Ali scheint dabei zu vergessen, daß der Großwessier selbst wegen jener confidentiellen Correspondenz in Verdacht bei der Pforte gerieth, und daß er durch die Vorlegung des ganzen Briefwechsels seine Loyalität erweisen mußte. Die Mittheilung an die Repräsentanten geschah später und nicht durch Chosrew, sondern durch Reschid Pascha. – Es steht eine große Epuration in den höhern Stellen bevor. Nuri Effendi, Bevollmächtigter der Pforte bei den Londoner Conferenzen, früher osmanischer Gesandter zu Paris, des Mehemedalismus verdächtig, soll zurückberufen werden. Man glaubt, daß Schekib Effendi, der auf einer außerordentlichen Mission nach England begriffen ist, um die Königin Victoria zu ihrer Vermählung zu becomplimentiren, bei der erwähnten Conferenz accreditirt werden wird.

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Paschalik zuerst entdeckt wurden, beschuldigt. &#x2013; Nach den neuesten Instructionen, die Lord Ponsonby von seinem Cabinet erhielt, hatte sich der brittische Botschafter zu dem Reis-Effendi begeben, und eine Conferenz von mehreren Stunden mit ihm gehabt. Gleich darauf verfügte sich Reschid Pascha zum Sultan, und verweilte den ganzen Nachmittag im Palais. Es soll Großes im Werke seyn. Man spricht von nichts Geringerem als von einem Vorrücken der osmanischen Armee gegen die syrischen Gränzen und einer gleichzeitig an den ägyptischen Küsten vorzunehmenden Blokade durch die Engländer. Dem sey wie ihm wolle, gewiß ist, wie ich aus verläßlichen Quellen erfahre, daß die englische Politik hinsichtlich Aegyptens keine Modification erfahren hat, daß vielmehr, nach der Stimmung des Cabinets von St. James zu urtheilen, angenommen werden muß, daß wenn die bewaffnete Intervention Englands mit Erfolgen gekrönt werden sollte, die politische Stellung Mehemed Ali's wankend und seine Herrschaft über Aegypten in Frage gestellt werden dürfte. Die türkische Regierung hat gegen bedeutende Gefahren zu kämpfen; diese erheben sich allenthalben, jetzt auch im Herzen des Reichs. Die Stimmung in Adrianopel, das Dunkle und Ungewisse der daselbst stattfindenden Umtriebe ist geeignet, Besorgniß einzuflößen; das Benehmen mächtiger Personen in Konstantinopel ist zweideutig, die Mutter des regierenden Sultans für Mehemed Ali eingenommen und geschickt, die verwickeltsten Intriguen durchzuführen, Halil Pascha, des Sultans Schwager, zwar an Geistesfähigkeiten beschränkt, aber tapfer, ja tollkühn und in Folge der letzten Reibungen und der ungnädigen Behandlung von Seite seines Herrn äußerst erbittert, jetzt an der Spitze einer nicht unmächtigen Serailspartei, von der man nicht weiß, ob und in welchen Verbindungen sie mit der Valide stehe, deren Verkehr mit dem Palais seit der unlängst gemachten Entdeckung der von ihr zu Gunsten des Vicekönigs angezettelten Cabalen unterbrochen ward; endlich die wachsende Ungeduld und Unzufriedenheit der Rajas, die Erbitterung der Moslims &#x2013; Stoff genug, um auch die muthigste Regierung in Verlegenheit zu bringen, die Vertheidiger der osmanischen Interessen bestürzt zu machen. &#x2013; Was man andrerseits auch über die Lage des Vicekönigs sagen mag, muß man sich doch gestehen, daß seine Lage zwar schwächer ist in Folge des der Pforte durch die Protection der Mächte verliehenen Gewichts, aber an sich und in ihrem Innern bei weitem nicht so viel Elemente der Auflösung in sich schließt. Eine einzige von den Osmanen gewonnene Schlacht, ein einziger von den Engländern in Syrien oder Aegypten occupirter Punkt würde ohne Zweifel die Lage der Dinge ändern, und das umgekehrte Verhältniß zum Resultat haben; aber die Schlacht ist nicht gewonnen, und die englische Escadre zu einem guten Theil in Malta. Indessen will man hier wissen, daß um die Mitte des kommenden Junius die ganze englische Flotte des Mittelmeers nach den ägyptischen Küsten segeln werde, und bis dahin glaubt man, daß die türkische Armee sich Marasch genähert haben wird. &#x2013; Die Nachrichten aus Alexandria schildern den Vicekönig als gänzlich unfügsam, und gegen die fremden Agenten rücksichtslos, da er oft bei Anlässen, welche die von ihm angesprochene Landeshoheit nicht entfernt berühren, in ganz brutale Ausfälle geräth, und vorgetragene Anliegen mit unpassenden Redensarten zurückweist, als: &#x201E;er wisse schon, was er in seinem Lande zu thun habe; er allein sey Herr in seinem Lande, in seinem Lande lasse er sich nichts vorschreiben.&#x201C; Die Einübung der den Franzosen nachgeäfften Nationalgarde so wie der für das Heer neu ausgehobenen Mannschaft dauert bei Alexandria fort; in letzter Zeit waren Manöuvres im Feuer ausgeführt worden, wobei die neu aus Europa bezogenen Feuergewehre sich schlecht bewährten, indem bei jeder Décharge die Läufe zu Duzenden zersprangen. Aus dem Betragen des Vicekönigs läßt sich durchaus nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Ausgleichung schließen; seine Erbitterung gegen Chosrew Pascha namentlich scheint die Kluft zwischen ihm und der Pforte erweitert zu haben. Er beschuldigt ihn, sein Vertrauen schnöderweise mißbraucht zu haben, da der Großwessier die confidentielle Correspondenz, die er mit ihm gepflogen, gegen sein ausdrückliches Versprechen dem Divan und den Repräsentanten der Großmächte verrathen habe. Mehemed Ali scheint dabei zu vergessen, daß der Großwessier selbst wegen jener confidentiellen Correspondenz in Verdacht bei der Pforte gerieth, und daß er durch die Vorlegung des ganzen Briefwechsels seine Loyalität erweisen mußte. Die Mittheilung an die Repräsentanten geschah später und nicht durch Chosrew, sondern durch Reschid Pascha. &#x2013; Es steht eine große Epuration in den höhern Stellen bevor. Nuri Effendi, Bevollmächtigter der Pforte bei den Londoner Conferenzen, früher osmanischer Gesandter zu Paris, des Mehemedalismus verdächtig, soll zurückberufen werden. Man glaubt, daß Schekib Effendi, der auf einer außerordentlichen Mission nach England begriffen ist, um die Königin Victoria zu ihrer Vermählung zu becomplimentiren, bei der erwähnten Conferenz accreditirt werden wird.</p><lb/>
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[1120/0008] Paschalik zuerst entdeckt wurden, beschuldigt. – Nach den neuesten Instructionen, die Lord Ponsonby von seinem Cabinet erhielt, hatte sich der brittische Botschafter zu dem Reis-Effendi begeben, und eine Conferenz von mehreren Stunden mit ihm gehabt. Gleich darauf verfügte sich Reschid Pascha zum Sultan, und verweilte den ganzen Nachmittag im Palais. Es soll Großes im Werke seyn. Man spricht von nichts Geringerem als von einem Vorrücken der osmanischen Armee gegen die syrischen Gränzen und einer gleichzeitig an den ägyptischen Küsten vorzunehmenden Blokade durch die Engländer. Dem sey wie ihm wolle, gewiß ist, wie ich aus verläßlichen Quellen erfahre, daß die englische Politik hinsichtlich Aegyptens keine Modification erfahren hat, daß vielmehr, nach der Stimmung des Cabinets von St. James zu urtheilen, angenommen werden muß, daß wenn die bewaffnete Intervention Englands mit Erfolgen gekrönt werden sollte, die politische Stellung Mehemed Ali's wankend und seine Herrschaft über Aegypten in Frage gestellt werden dürfte. Die türkische Regierung hat gegen bedeutende Gefahren zu kämpfen; diese erheben sich allenthalben, jetzt auch im Herzen des Reichs. Die Stimmung in Adrianopel, das Dunkle und Ungewisse der daselbst stattfindenden Umtriebe ist geeignet, Besorgniß einzuflößen; das Benehmen mächtiger Personen in Konstantinopel ist zweideutig, die Mutter des regierenden Sultans für Mehemed Ali eingenommen und geschickt, die verwickeltsten Intriguen durchzuführen, Halil Pascha, des Sultans Schwager, zwar an Geistesfähigkeiten beschränkt, aber tapfer, ja tollkühn und in Folge der letzten Reibungen und der ungnädigen Behandlung von Seite seines Herrn äußerst erbittert, jetzt an der Spitze einer nicht unmächtigen Serailspartei, von der man nicht weiß, ob und in welchen Verbindungen sie mit der Valide stehe, deren Verkehr mit dem Palais seit der unlängst gemachten Entdeckung der von ihr zu Gunsten des Vicekönigs angezettelten Cabalen unterbrochen ward; endlich die wachsende Ungeduld und Unzufriedenheit der Rajas, die Erbitterung der Moslims – Stoff genug, um auch die muthigste Regierung in Verlegenheit zu bringen, die Vertheidiger der osmanischen Interessen bestürzt zu machen. – Was man andrerseits auch über die Lage des Vicekönigs sagen mag, muß man sich doch gestehen, daß seine Lage zwar schwächer ist in Folge des der Pforte durch die Protection der Mächte verliehenen Gewichts, aber an sich und in ihrem Innern bei weitem nicht so viel Elemente der Auflösung in sich schließt. Eine einzige von den Osmanen gewonnene Schlacht, ein einziger von den Engländern in Syrien oder Aegypten occupirter Punkt würde ohne Zweifel die Lage der Dinge ändern, und das umgekehrte Verhältniß zum Resultat haben; aber die Schlacht ist nicht gewonnen, und die englische Escadre zu einem guten Theil in Malta. Indessen will man hier wissen, daß um die Mitte des kommenden Junius die ganze englische Flotte des Mittelmeers nach den ägyptischen Küsten segeln werde, und bis dahin glaubt man, daß die türkische Armee sich Marasch genähert haben wird. – Die Nachrichten aus Alexandria schildern den Vicekönig als gänzlich unfügsam, und gegen die fremden Agenten rücksichtslos, da er oft bei Anlässen, welche die von ihm angesprochene Landeshoheit nicht entfernt berühren, in ganz brutale Ausfälle geräth, und vorgetragene Anliegen mit unpassenden Redensarten zurückweist, als: „er wisse schon, was er in seinem Lande zu thun habe; er allein sey Herr in seinem Lande, in seinem Lande lasse er sich nichts vorschreiben.“ Die Einübung der den Franzosen nachgeäfften Nationalgarde so wie der für das Heer neu ausgehobenen Mannschaft dauert bei Alexandria fort; in letzter Zeit waren Manöuvres im Feuer ausgeführt worden, wobei die neu aus Europa bezogenen Feuergewehre sich schlecht bewährten, indem bei jeder Décharge die Läufe zu Duzenden zersprangen. Aus dem Betragen des Vicekönigs läßt sich durchaus nicht auf die Wahrscheinlichkeit einer friedlichen Ausgleichung schließen; seine Erbitterung gegen Chosrew Pascha namentlich scheint die Kluft zwischen ihm und der Pforte erweitert zu haben. Er beschuldigt ihn, sein Vertrauen schnöderweise mißbraucht zu haben, da der Großwessier die confidentielle Correspondenz, die er mit ihm gepflogen, gegen sein ausdrückliches Versprechen dem Divan und den Repräsentanten der Großmächte verrathen habe. Mehemed Ali scheint dabei zu vergessen, daß der Großwessier selbst wegen jener confidentiellen Correspondenz in Verdacht bei der Pforte gerieth, und daß er durch die Vorlegung des ganzen Briefwechsels seine Loyalität erweisen mußte. Die Mittheilung an die Repräsentanten geschah später und nicht durch Chosrew, sondern durch Reschid Pascha. – Es steht eine große Epuration in den höhern Stellen bevor. Nuri Effendi, Bevollmächtigter der Pforte bei den Londoner Conferenzen, früher osmanischer Gesandter zu Paris, des Mehemedalismus verdächtig, soll zurückberufen werden. Man glaubt, daß Schekib Effendi, der auf einer außerordentlichen Mission nach England begriffen ist, um die Königin Victoria zu ihrer Vermählung zu becomplimentiren, bei der erwähnten Conferenz accreditirt werden wird.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 140. Augsburg, 19. Mai 1840, S. 1120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_140_18400519/8>, abgerufen am 11.12.2024.