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Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840.

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Die Chabarows, Sinowiews, Stepanows und andere bei uns unbekannte Helden, in der That aber die wahren Cortez und Pizarros der Russen, bauten Flotten von Flußschiffen auf dem Amur und drangen damit bis in das Mündungsland dieses Flusses vor, schlugen sich flußaufwärts und abwärts fahrend mit ihren kleinen Häuflein, die gewöhnlich nur aus 50 - 100 - 200 Mann bestanden, durch große chinesische Heerhaufen durch, und erbauten hier und da kleine Festungen, so 1653 Irgenskoi, 1654 Kamarskoi, und etwas später "Albasin", von den Chinesen "Jacksa" genannt. Alle diese Festungen wurden nun von den Chinesen, die von den Russen nicht nur die völlige Räumung des Amurgebiets verlangten, sondern auch die ganze irkutzkische Provinz am Baikalsee in Anspruch nahmen, mit großen Armeen angegriffen. Die Russen vertheidigten sie gewöhnlich siegreich oder erkämpften sich doch, wenn sie der Uebermacht weichen mußten, in der Regel einen rühmlichen Abzug. Die wichtigste jener Festungen war die letztgenannte Albasin, die von einigen hundert Kosaken und Russen bewohnt war, welche die Umgegend bebauten und tributpflichtig machten. Die Chinesen zogen mit einem Heer von 20,000 Mann und 150 Kanonen gegen dieselben an, und brachten endlich im Jahr 1685 durch eine langwierige Belagerung die russische Besatzung zum Abzug. Ein Theil derselben ging zu den Chinesen über, trat in ihre Dienste und wurde von ihnen nach Peking geführt, wo sie von da an als Leibtrabanten des Kaisers von China in einem ihnen angewiesenen Quartier der Stadt, der sogenannten "russischen Sloboda", wohnten. Man nannte sie die russische "Ssotnä", das "russische Hundert.". Die Chinesen zerstörten Albasin; die Russen kehrten verstärkt zurück und bauten es wieder auf. Die Chinesen ihrerseits griffen es von neuem an, und so zogen sich diese wunderlichen Kämpfe bis ans Ende der achtziger Jahre hin. Wenn die Russen schon damals so zahlreich und mächtig in Sibirien gewesen wären, wie jetzt, so wäre es ihnen wohl leicht gewesen, sich das Amurland zu erhalten. Allein bei der unverhältnißmäßigen Ueberzahl der Chinesen war es von Peter dem Großen ein sehr vernünftiger Entschluß, einstweilen dem Fortschreiten der russischen Waffen hier ein Ziel zu stecken, die Gränzen mit China festzusetzen und vorläufig das, was man mit Leichtigkeit halten konnte, weiter zu begründen und auszubilden. Peter der Große ließ daher die Chinesen zu Unterhandlungen über jenen Punkt in Nertschinsk auffordern, und schickte seinerseits den Grafen Golowin nach diesem Orte, während die Chinesen ihrerseits einige chinesische Beamte nebst den Jesuiten Pereira und Gerbillon eben dahin sandten. Nach langen, höchst merkwürdigen und für beide Parteien, für Chinesen wie Russen, sehr charakteristischen Unterhandlungen kam es denn endlich im Jahr 1689 zwischen diesen Leuten zu dem ersten officiellen und im Namen beider Kaiser abgefaßten Friedensschluß. Die Gränzen zwischen beiden Reichen wurden in diesem Tractat im Ganzen so festgesetzt, wie sie noch bestehen. Die Russen beschränkten sich im Wesentlichen auf ihre Besitzungen jenseits der Gebirge, und behielten nur unbedeutende Theile des Amurlandes, indem sie auf die unteren und die mittleren Amurgegenden bei Albasin verzichteten, so wie die Chinesen ihrerseits auf die nertschinskischen und irkutzkischen Länder verzichteten. Der Handel zwischen beiden Nationen wurde freigegeben, so daß Chinesen ungehindert nach Rußland und umgekehrt Russen nach China sollten reisen können.

Mit diesem Frieden von Nertschinsk ist die Epoche der chinesisch-russischen Kriege beendigt, und seit 1689 haben sich beide Nationen noch nicht wieder feindlich gegenüber gestanden. Nichtsdestoweniger waren die Verhältnisse beider Reiche durch diesen Frieden noch nicht zu Aller Zufriedenheit geordnet. Die Russen beabsichtigten besonders wegen der in Peking bestehenden Colonie ihrer Landsleute, jener russischen "Ssotnä" von Kriegsgefangenen und Ueberläufern, die Wiedererbauung einer russischen Kirche und eines Klosters in Peking. Auch wünschte der weitblickende Peter I, daß eine bleibende russische Gesandtschaft in Peking ihre Residenz nehmen möchte. Die Chinesen ihrerseits wollten beides nicht bewilligen, und fanden auch die völlige Unbeschränktheit des Handels, die in dem Frieden von Nertschinsk zugestanden worden war, am Ende bedenklich. Diese Punkte veranlaßten vom Jahr 1692 an, wo der russische Gesandte Isbrand Ydes deßwegen nach Peking geschickt wurde, abermalige langwierige Unterhandlungen, welche erst nach Peters Tod, unter der Regierung Katharina's I, im Jahr 1728 zum Abschluß kamen.

Der Generalhandels- und Freundschaftstractat, den am 14 Junius des genannten Jahres der Gesandte Katharina's, der Graf Wladislawitsch Ragusinskoi, mit den Ministern der Bogdo-Chan'schen Majestät, des damals regierenden Kaisers Yung-Tsching, zu Stande brachte, und der bis auf den heutigen Tag, nebst jenem Nertschinskischen Frieden, die Hauptbasis der Verhältnisse zwischen Rußland und China bildet, lautet nun dahin, daß die Russen, wie zuvor, Handel mit den Chinesen sollten treiben können, jedoch sollte dieser Handel nur an den Gränzen der beiden Reiche statt haben, und die russischen Kaufleute sollten nicht mehr nach China selber reisen dürfen. Dagegen sollten die Russen in der Hauptstadt China's eine Kirche bauen und Priester dahin schicken dürfen, um mit ihren dortigen Glaubensgenossen - eben jenen Albasinern im chinesischen Dienst - nach ihrer Weise zu beten. Die Priester sollten ein Oberlama (Oberpriester, Archimandric) und drei ihnen zugegebene Unterpriester seyn. Auch sollte es den Russen gestattet seyn, zur Erlernung der chinesischen Sprache vier junge Leute in Peking zu unterhalten, welche dann nachher als Dolmetscher zwischen Rußland und China dienen könnten. Zur Aufnahme dieser Leute und Geistlichen sollte auf Kosten des chinesischen Kaisers den Russen ein Haus und Kloster neben der Kirche gebaut werden. Jene vier jungen Leute, so wie die Priester, sollten alle zehn Jahre durch neue ersetzt werden dürfen.

Bei den Bestimmungen dieses Tractats von 1728 ist es nun in allen Stücken, sogar auch in Beziehung auf die festgesetzte Anzahl von Priestern und Schülern, bis auf unsere Tage herab geblieben. In Folge desselben besitzen die Russen noch jetzt ihre Niederlassung in Peking, welche auf chinesisch "Koen" heißt und aus einer Kirche, einem Kloster für die Geistlichen und einem sogenannten Gesandtschaftshofe für jene vier Schüler und die die ganze Mission begleitende militärische Bedeckung besteht. Wenn die russischen Missionen immer den Termin von zehn Jahren innegehalten hätten, so müßten jetzt bereits eilf Missionen dahin abgegangen seyn. Doch wurden durch verschiedene im Laufe des vorigen Jahrhunderts eingetretene Störungen der freundschaftlichen Verhältnisse zwischen China und Rußland der Abgang der Missionen dann und wann verzögert, und so kommt es, daß jetzt erst der achte Archimandrit seit dem Jahr 1728 in Peking residirt.

Jene Mißhelligkeiten zwischen China und Rußland im Laufe des vorigen Jahrhunderts wurden wiederholt veranlaßt durch die Kriege, welche beide Staaten mit den ihnen benachbarten Nomaden führten. Die Chinesen vollendeten in der Mitte des Jahrhunderts ihre Eroberung der Sungarei. Viele sungarische Fürsten flohen auf russisches Gebiet und wurden von den Chinesen reclamirt. Die Russen ihrerseits unterjochten und bedrückten die Kalmücken, von denen ein Theil nach China entfloh, die wiederum von den Russen ebenso reclamirt wurden.

Die Chabarows, Sinowiews, Stepanows und andere bei uns unbekannte Helden, in der That aber die wahren Cortez und Pizarros der Russen, bauten Flotten von Flußschiffen auf dem Amur und drangen damit bis in das Mündungsland dieses Flusses vor, schlugen sich flußaufwärts und abwärts fahrend mit ihren kleinen Häuflein, die gewöhnlich nur aus 50 - 100 - 200 Mann bestanden, durch große chinesische Heerhaufen durch, und erbauten hier und da kleine Festungen, so 1653 Irgenskoi, 1654 Kamarskoi, und etwas später „Albasin“, von den Chinesen „Jacksa“ genannt. Alle diese Festungen wurden nun von den Chinesen, die von den Russen nicht nur die völlige Räumung des Amurgebiets verlangten, sondern auch die ganze irkutzkische Provinz am Baikalsee in Anspruch nahmen, mit großen Armeen angegriffen. Die Russen vertheidigten sie gewöhnlich siegreich oder erkämpften sich doch, wenn sie der Uebermacht weichen mußten, in der Regel einen rühmlichen Abzug. Die wichtigste jener Festungen war die letztgenannte Albasin, die von einigen hundert Kosaken und Russen bewohnt war, welche die Umgegend bebauten und tributpflichtig machten. Die Chinesen zogen mit einem Heer von 20,000 Mann und 150 Kanonen gegen dieselben an, und brachten endlich im Jahr 1685 durch eine langwierige Belagerung die russische Besatzung zum Abzug. Ein Theil derselben ging zu den Chinesen über, trat in ihre Dienste und wurde von ihnen nach Peking geführt, wo sie von da an als Leibtrabanten des Kaisers von China in einem ihnen angewiesenen Quartier der Stadt, der sogenannten „russischen Sloboda“, wohnten. Man nannte sie die russische „Ssotnä“, das „russische Hundert.“. Die Chinesen zerstörten Albasin; die Russen kehrten verstärkt zurück und bauten es wieder auf. Die Chinesen ihrerseits griffen es von neuem an, und so zogen sich diese wunderlichen Kämpfe bis ans Ende der achtziger Jahre hin. Wenn die Russen schon damals so zahlreich und mächtig in Sibirien gewesen wären, wie jetzt, so wäre es ihnen wohl leicht gewesen, sich das Amurland zu erhalten. Allein bei der unverhältnißmäßigen Ueberzahl der Chinesen war es von Peter dem Großen ein sehr vernünftiger Entschluß, einstweilen dem Fortschreiten der russischen Waffen hier ein Ziel zu stecken, die Gränzen mit China festzusetzen und vorläufig das, was man mit Leichtigkeit halten konnte, weiter zu begründen und auszubilden. Peter der Große ließ daher die Chinesen zu Unterhandlungen über jenen Punkt in Nertschinsk auffordern, und schickte seinerseits den Grafen Golowin nach diesem Orte, während die Chinesen ihrerseits einige chinesische Beamte nebst den Jesuiten Pereira und Gerbillon eben dahin sandten. Nach langen, höchst merkwürdigen und für beide Parteien, für Chinesen wie Russen, sehr charakteristischen Unterhandlungen kam es denn endlich im Jahr 1689 zwischen diesen Leuten zu dem ersten officiellen und im Namen beider Kaiser abgefaßten Friedensschluß. Die Gränzen zwischen beiden Reichen wurden in diesem Tractat im Ganzen so festgesetzt, wie sie noch bestehen. Die Russen beschränkten sich im Wesentlichen auf ihre Besitzungen jenseits der Gebirge, und behielten nur unbedeutende Theile des Amurlandes, indem sie auf die unteren und die mittleren Amurgegenden bei Albasin verzichteten, so wie die Chinesen ihrerseits auf die nertschinskischen und irkutzkischen Länder verzichteten. Der Handel zwischen beiden Nationen wurde freigegeben, so daß Chinesen ungehindert nach Rußland und umgekehrt Russen nach China sollten reisen können.

Mit diesem Frieden von Nertschinsk ist die Epoche der chinesisch-russischen Kriege beendigt, und seit 1689 haben sich beide Nationen noch nicht wieder feindlich gegenüber gestanden. Nichtsdestoweniger waren die Verhältnisse beider Reiche durch diesen Frieden noch nicht zu Aller Zufriedenheit geordnet. Die Russen beabsichtigten besonders wegen der in Peking bestehenden Colonie ihrer Landsleute, jener russischen „Ssotnä“ von Kriegsgefangenen und Ueberläufern, die Wiedererbauung einer russischen Kirche und eines Klosters in Peking. Auch wünschte der weitblickende Peter I, daß eine bleibende russische Gesandtschaft in Peking ihre Residenz nehmen möchte. Die Chinesen ihrerseits wollten beides nicht bewilligen, und fanden auch die völlige Unbeschränktheit des Handels, die in dem Frieden von Nertschinsk zugestanden worden war, am Ende bedenklich. Diese Punkte veranlaßten vom Jahr 1692 an, wo der russische Gesandte Isbrand Ydes deßwegen nach Peking geschickt wurde, abermalige langwierige Unterhandlungen, welche erst nach Peters Tod, unter der Regierung Katharina's I, im Jahr 1728 zum Abschluß kamen.

Der Generalhandels- und Freundschaftstractat, den am 14 Junius des genannten Jahres der Gesandte Katharina's, der Graf Wladislawitsch Ragusinskoi, mit den Ministern der Bogdo-Chan'schen Majestät, des damals regierenden Kaisers Yung-Tsching, zu Stande brachte, und der bis auf den heutigen Tag, nebst jenem Nertschinskischen Frieden, die Hauptbasis der Verhältnisse zwischen Rußland und China bildet, lautet nun dahin, daß die Russen, wie zuvor, Handel mit den Chinesen sollten treiben können, jedoch sollte dieser Handel nur an den Gränzen der beiden Reiche statt haben, und die russischen Kaufleute sollten nicht mehr nach China selber reisen dürfen. Dagegen sollten die Russen in der Hauptstadt China's eine Kirche bauen und Priester dahin schicken dürfen, um mit ihren dortigen Glaubensgenossen – eben jenen Albasinern im chinesischen Dienst – nach ihrer Weise zu beten. Die Priester sollten ein Oberlama (Oberpriester, Archimandric) und drei ihnen zugegebene Unterpriester seyn. Auch sollte es den Russen gestattet seyn, zur Erlernung der chinesischen Sprache vier junge Leute in Peking zu unterhalten, welche dann nachher als Dolmetscher zwischen Rußland und China dienen könnten. Zur Aufnahme dieser Leute und Geistlichen sollte auf Kosten des chinesischen Kaisers den Russen ein Haus und Kloster neben der Kirche gebaut werden. Jene vier jungen Leute, so wie die Priester, sollten alle zehn Jahre durch neue ersetzt werden dürfen.

Bei den Bestimmungen dieses Tractats von 1728 ist es nun in allen Stücken, sogar auch in Beziehung auf die festgesetzte Anzahl von Priestern und Schülern, bis auf unsere Tage herab geblieben. In Folge desselben besitzen die Russen noch jetzt ihre Niederlassung in Peking, welche auf chinesisch „Koen“ heißt und aus einer Kirche, einem Kloster für die Geistlichen und einem sogenannten Gesandtschaftshofe für jene vier Schüler und die die ganze Mission begleitende militärische Bedeckung besteht. Wenn die russischen Missionen immer den Termin von zehn Jahren innegehalten hätten, so müßten jetzt bereits eilf Missionen dahin abgegangen seyn. Doch wurden durch verschiedene im Laufe des vorigen Jahrhunderts eingetretene Störungen der freundschaftlichen Verhältnisse zwischen China und Rußland der Abgang der Missionen dann und wann verzögert, und so kommt es, daß jetzt erst der achte Archimandrit seit dem Jahr 1728 in Peking residirt.

Jene Mißhelligkeiten zwischen China und Rußland im Laufe des vorigen Jahrhunderts wurden wiederholt veranlaßt durch die Kriege, welche beide Staaten mit den ihnen benachbarten Nomaden führten. Die Chinesen vollendeten in der Mitte des Jahrhunderts ihre Eroberung der Sungarei. Viele sungarische Fürsten flohen auf russisches Gebiet und wurden von den Chinesen reclamirt. Die Russen ihrerseits unterjochten und bedrückten die Kalmücken, von denen ein Theil nach China entfloh, die wiederum von den Russen ebenso reclamirt wurden.

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[1059/0011] Die Chabarows, Sinowiews, Stepanows und andere bei uns unbekannte Helden, in der That aber die wahren Cortez und Pizarros der Russen, bauten Flotten von Flußschiffen auf dem Amur und drangen damit bis in das Mündungsland dieses Flusses vor, schlugen sich flußaufwärts und abwärts fahrend mit ihren kleinen Häuflein, die gewöhnlich nur aus 50 - 100 - 200 Mann bestanden, durch große chinesische Heerhaufen durch, und erbauten hier und da kleine Festungen, so 1653 Irgenskoi, 1654 Kamarskoi, und etwas später „Albasin“, von den Chinesen „Jacksa“ genannt. Alle diese Festungen wurden nun von den Chinesen, die von den Russen nicht nur die völlige Räumung des Amurgebiets verlangten, sondern auch die ganze irkutzkische Provinz am Baikalsee in Anspruch nahmen, mit großen Armeen angegriffen. Die Russen vertheidigten sie gewöhnlich siegreich oder erkämpften sich doch, wenn sie der Uebermacht weichen mußten, in der Regel einen rühmlichen Abzug. Die wichtigste jener Festungen war die letztgenannte Albasin, die von einigen hundert Kosaken und Russen bewohnt war, welche die Umgegend bebauten und tributpflichtig machten. Die Chinesen zogen mit einem Heer von 20,000 Mann und 150 Kanonen gegen dieselben an, und brachten endlich im Jahr 1685 durch eine langwierige Belagerung die russische Besatzung zum Abzug. Ein Theil derselben ging zu den Chinesen über, trat in ihre Dienste und wurde von ihnen nach Peking geführt, wo sie von da an als Leibtrabanten des Kaisers von China in einem ihnen angewiesenen Quartier der Stadt, der sogenannten „russischen Sloboda“, wohnten. Man nannte sie die russische „Ssotnä“, das „russische Hundert.“. Die Chinesen zerstörten Albasin; die Russen kehrten verstärkt zurück und bauten es wieder auf. Die Chinesen ihrerseits griffen es von neuem an, und so zogen sich diese wunderlichen Kämpfe bis ans Ende der achtziger Jahre hin. Wenn die Russen schon damals so zahlreich und mächtig in Sibirien gewesen wären, wie jetzt, so wäre es ihnen wohl leicht gewesen, sich das Amurland zu erhalten. Allein bei der unverhältnißmäßigen Ueberzahl der Chinesen war es von Peter dem Großen ein sehr vernünftiger Entschluß, einstweilen dem Fortschreiten der russischen Waffen hier ein Ziel zu stecken, die Gränzen mit China festzusetzen und vorläufig das, was man mit Leichtigkeit halten konnte, weiter zu begründen und auszubilden. Peter der Große ließ daher die Chinesen zu Unterhandlungen über jenen Punkt in Nertschinsk auffordern, und schickte seinerseits den Grafen Golowin nach diesem Orte, während die Chinesen ihrerseits einige chinesische Beamte nebst den Jesuiten Pereira und Gerbillon eben dahin sandten. Nach langen, höchst merkwürdigen und für beide Parteien, für Chinesen wie Russen, sehr charakteristischen Unterhandlungen kam es denn endlich im Jahr 1689 zwischen diesen Leuten zu dem ersten officiellen und im Namen beider Kaiser abgefaßten Friedensschluß. Die Gränzen zwischen beiden Reichen wurden in diesem Tractat im Ganzen so festgesetzt, wie sie noch bestehen. Die Russen beschränkten sich im Wesentlichen auf ihre Besitzungen jenseits der Gebirge, und behielten nur unbedeutende Theile des Amurlandes, indem sie auf die unteren und die mittleren Amurgegenden bei Albasin verzichteten, so wie die Chinesen ihrerseits auf die nertschinskischen und irkutzkischen Länder verzichteten. Der Handel zwischen beiden Nationen wurde freigegeben, so daß Chinesen ungehindert nach Rußland und umgekehrt Russen nach China sollten reisen können. Mit diesem Frieden von Nertschinsk ist die Epoche der chinesisch-russischen Kriege beendigt, und seit 1689 haben sich beide Nationen noch nicht wieder feindlich gegenüber gestanden. Nichtsdestoweniger waren die Verhältnisse beider Reiche durch diesen Frieden noch nicht zu Aller Zufriedenheit geordnet. Die Russen beabsichtigten besonders wegen der in Peking bestehenden Colonie ihrer Landsleute, jener russischen „Ssotnä“ von Kriegsgefangenen und Ueberläufern, die Wiedererbauung einer russischen Kirche und eines Klosters in Peking. Auch wünschte der weitblickende Peter I, daß eine bleibende russische Gesandtschaft in Peking ihre Residenz nehmen möchte. Die Chinesen ihrerseits wollten beides nicht bewilligen, und fanden auch die völlige Unbeschränktheit des Handels, die in dem Frieden von Nertschinsk zugestanden worden war, am Ende bedenklich. Diese Punkte veranlaßten vom Jahr 1692 an, wo der russische Gesandte Isbrand Ydes deßwegen nach Peking geschickt wurde, abermalige langwierige Unterhandlungen, welche erst nach Peters Tod, unter der Regierung Katharina's I, im Jahr 1728 zum Abschluß kamen. Der Generalhandels- und Freundschaftstractat, den am 14 Junius des genannten Jahres der Gesandte Katharina's, der Graf Wladislawitsch Ragusinskoi, mit den Ministern der Bogdo-Chan'schen Majestät, des damals regierenden Kaisers Yung-Tsching, zu Stande brachte, und der bis auf den heutigen Tag, nebst jenem Nertschinskischen Frieden, die Hauptbasis der Verhältnisse zwischen Rußland und China bildet, lautet nun dahin, daß die Russen, wie zuvor, Handel mit den Chinesen sollten treiben können, jedoch sollte dieser Handel nur an den Gränzen der beiden Reiche statt haben, und die russischen Kaufleute sollten nicht mehr nach China selber reisen dürfen. Dagegen sollten die Russen in der Hauptstadt China's eine Kirche bauen und Priester dahin schicken dürfen, um mit ihren dortigen Glaubensgenossen – eben jenen Albasinern im chinesischen Dienst – nach ihrer Weise zu beten. Die Priester sollten ein Oberlama (Oberpriester, Archimandric) und drei ihnen zugegebene Unterpriester seyn. Auch sollte es den Russen gestattet seyn, zur Erlernung der chinesischen Sprache vier junge Leute in Peking zu unterhalten, welche dann nachher als Dolmetscher zwischen Rußland und China dienen könnten. Zur Aufnahme dieser Leute und Geistlichen sollte auf Kosten des chinesischen Kaisers den Russen ein Haus und Kloster neben der Kirche gebaut werden. Jene vier jungen Leute, so wie die Priester, sollten alle zehn Jahre durch neue ersetzt werden dürfen. Bei den Bestimmungen dieses Tractats von 1728 ist es nun in allen Stücken, sogar auch in Beziehung auf die festgesetzte Anzahl von Priestern und Schülern, bis auf unsere Tage herab geblieben. In Folge desselben besitzen die Russen noch jetzt ihre Niederlassung in Peking, welche auf chinesisch „Koen“ heißt und aus einer Kirche, einem Kloster für die Geistlichen und einem sogenannten Gesandtschaftshofe für jene vier Schüler und die die ganze Mission begleitende militärische Bedeckung besteht. Wenn die russischen Missionen immer den Termin von zehn Jahren innegehalten hätten, so müßten jetzt bereits eilf Missionen dahin abgegangen seyn. Doch wurden durch verschiedene im Laufe des vorigen Jahrhunderts eingetretene Störungen der freundschaftlichen Verhältnisse zwischen China und Rußland der Abgang der Missionen dann und wann verzögert, und so kommt es, daß jetzt erst der achte Archimandrit seit dem Jahr 1728 in Peking residirt. Jene Mißhelligkeiten zwischen China und Rußland im Laufe des vorigen Jahrhunderts wurden wiederholt veranlaßt durch die Kriege, welche beide Staaten mit den ihnen benachbarten Nomaden führten. Die Chinesen vollendeten in der Mitte des Jahrhunderts ihre Eroberung der Sungarei. Viele sungarische Fürsten flohen auf russisches Gebiet und wurden von den Chinesen reclamirt. Die Russen ihrerseits unterjochten und bedrückten die Kalmücken, von denen ein Theil nach China entfloh, die wiederum von den Russen ebenso reclamirt wurden.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840, S. 1059. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_133_18400512/11>, abgerufen am 27.11.2024.