Allgemeine Zeitung. Nr. 128. Augsburg, 7. Mai 1840.auf einen Zeitraum von drei Wochen jeden feindseligen Schritt gegen Neapel einstellen, und den Versuchen Frankreichs, auf gütlichem Wege die Streitsache zur Entscheidung zu bringen, diese Zeit über freien Spielraum gewähren zu wollen. Sonderbar genug traf hier vor einigen Tagen ein Courier aus Neapel ein, der das Ansuchen des Königs beider Sicilien um die Intervention des französischen Cabinets brachte. Mithin wäre Ludwig Philipp durch seine angebotene Vermittelung nur den Wünschen des neapolitanischen Hofs zuvorgekommen. Hrn. v. Montebello's Abreise auf seinen Posten ward nur deßhalb verschoben, weil man noch Zweifel hegt, ob man in Neapel die Intervention unter den in London gestellten Bedingungen annehmen werde. Denn erstens scheint man großbritannischerseits nur eine Rücksicht der Höflichkeit befolgt zu haben, wenn man die französische Vermittelung nicht unbedingt abgelehnt hat, keineswegs aber es ernst damit zu meinen, da der Termin von drei Wochen zu solchen Negociationen zwischen Paris, London und Neapel offenbar zu kurz ist. Dann aber erklärte Lord Palmerston, daß im Falle der Admiral Stopford die Ausführung der Coercitivmaaßregeln bereits begonnen und neapolitanische Schiffe detinirt haben sollte, diese bis zur Beendigung der Unterhandlungen auf keinen Fall in Freiheit gesetzt werden dürften. Die Zwangsmaaßregeln würden demnach uursuspendirt, keineswegs aufgehoben werden, und die 17 neapolitanisch-sicilianischen Schiffe, die das englische Blokadegeschwader bereits aufgebracht haben soll, würden bis zum Ausgang der Unterhandlungen in englischer Gewahrsam bleiben. Niederlande. Vom Niederrhein, 1 Mai. Die Regierung hat nun auch ihre Antworten auf die Bedenken der Kammer über die sieben letzten Entwürfe bekannt gemacht, worin namentlich die Angelegenheiten von Indien sehr weitläufig, aber nicht sehr klar und genügend behandelt werden. Der Ton dieser Antwort ist das merkwürdigste: man kann in gewisser Hinsicht sagen, die Regierung hat den Handschuh hingeworfen; sie erklärt, daß sie in der Revision des Grundgesetzes nicht gesonnen sey, weiter zu gehen, und setzt diese Ansicht auseinander; von ministerieller Verantwortlichkeit u. dgl. ist gar nicht die Rede. In Einer Beziehung hat die Regierung gewiß recht: wenn die bisherige Regierungsform überhaupt beibehalten werden soll, kann sie auf keine weitere Aenderung eingehen. Man kann indeß wohl sagen, daß der Ton, den die Regierung eingeschlagen hat, eine Art Schrecken selbst unter ihren Freunden erregte, und es kann jetzt kaum mehr ein Zweifel seyn, daß die Initiative, welche die Regierung von sich gewiesen hat, von der Kammer aufgenommen wird. Selbst das sonst so gemäßigte Handelsblad läßt seinem Unwillen freien Lauf, und wohl hat es dazu Ursache, denn diese Sprache der Regierung arbeitet der radicalen Partei in die Hände, indem sie die Macht der bisherigen Mittelpartei bricht. Dieß Blatt macht auf den Umstand aufmerksam, den ich in meinem letzten Brief erwähnte, daß die Regierung sich auf die in den Generalstaaten herrschende Verschiedenheit der Ansichten zu stützen hoffe. Der Handschuh, den die Regierung hingeworfen hat, wird sicherlich aufgenommen werden, die Generalstaaten werden sich zuerst in ihren Abtheilungen, dann öffentlich versammeln, und wenn nicht Alles trügt, werden sie der Regierung die Antwort nicht schuldig bleiben. Es ist für jeden, der Holland kennt und namentlich in frühern Zeiten gesehen hat, ein trüber Anblick, wie jetzt so manche Bande der Liebe und Anhänglichkeit schmerzlich reißen; es ist in der That kein Kampf, den die Opposition freudig durchführt, man hat ihn ihr aufgenöthigt, und ein bewegtes Gefühl wird sich im ganzen Lauf der Debatten zu erkennen geben. Italien. Von der italienischen Gränze, 28 April. Briefe aus Neapel bis zum 20 *)*) lassen wenig Hoffnung übrig, daß irgend eine Vermittlung den König zur Nachgiebigkeit bestimmen dürfte. Er soll vom größten Mißtrauen gegen alle Regierungen und ihre Repräsentanten erfüllt seyn, und man befürchtet, daß demnach die Bemühungen Frankreichs fruchtlos bleiben werden, so daß die angebotene Vermittelung nur dazu dienen wird, die Sachen hinauszuschieben, ohne sie zu ändern. Der König von Neapel scheint dem Beispiel Wilhelms von Holland folgen zu wollen, der sich auch sagte: Zeit gewonnen, viel gewonnen, und so die Londoner Conferenzen lange trainirte. Inzwischen waren die Holländer ihrem König unendlich ergeben, und es herrschte in den alten Niederlanden der beste Geist. In Neapel ist der Geist zweifelhaft, und es fehlt daher die Grundbedingung, um trotzen zu können. Der König schien dieß einen Augenblick einzusehen, er war auf die Vorstellungen des österreichischen und des sardinischen Gesandten bereits in sich gegangen, und obgleich er das Recht für sich zu haben glaubte, was auch wohl der Fall ist, hatte er doch selbst in einem am 12 abgehaltenen großen Conseil erklärt, daß man nicht das Aeußerste wagen dürfe, die Klugheit gebiete vielmehr die Ueberlegenheit des Gegners in Anschlag zu bringen und nachzugeben. Unter diesen Ansichten hatte sich das Conseil getrennt; auch wurde Alles eingeleitet, um Tags darauf den englischen Gesandten zufrieden zu stellen, als plötzlich in der Nacht vom 12 auf den 13 der König, man weiß nicht recht auf welche Veranlassung, andern Sinnes ward und seinen Räthen einschärfte, keinen Finger breit zu weichen, den Repräsentanten der befreundeten Höfe hingegen zu erklären, daß der Contract mit der Schwefelcompagnie zwar aufgehoben werden solle, daß aber von einer Schadloshaltung, welche England anspreche, keine Rede seyn könne. Diese Erklärung setzte Alles wieder in Frage. Hr. Temple wollte den Eindruck abwarten, welchen das Erscheinen der englischen Kriegsflagge vor Neapel machen werde. Am 16 war ein großes Kriegsfahrzeug und ein Kriegsdampfschiff, von Malta kommend, zur Verfügung Temple's gesetzt, und jetzt versuchte er abermals, die neapolitanische Regierung zur Annahme der früher gemachten Bedingungen zu vermögen. Er hatte dazu fast ununterbrochen den ganzen Tag vom 17 benützt und ward, wie versichert wird, dabei von vielen Seiten, von den höchsten, dem König am nächsten stehenden Personen des Landes unterstützt; allein vergebens. Er mußte einsehen, daß alle Mühe nichts nütze, und daß die Ereignisse zu entscheiden haben. Deßhalb traf er in seinem Haushalt die nöthigen Anstalten, um Neapel jeden Augenblick verlassen zu können. Am 18 verbreitete sich allgemein das Gerücht, daß mehrere neapolitanische Schiffe auf der Fahrt von Malta nach Sicilien durch die Engländer aufgebracht worden seyen. Eine amtliche Anzeige schien darüber zu fehlen. Doch ward auf jene Gerüchte hin der Befehl erlassen, über alle brittischen Schiffe, wo sie den neapolitanischen Behörden zugänglich seyen, das Embargo zu verhängen. Die erste Folge wird ohne Zweifel die Abreise Temple's und eine strenge Blokade aller neapolitanisch-sicilianischen Häfen seyn, wenn nicht das Dazwischentreten Frankreichs die beiden sich gegenüber stehenden Parteien zu bessern Ueberzeugungen bringt und wenigstens weitere Gewaltmaaßregeln hindert. * Die gestern erwähnte päpstliche Allocution vom 27 April lautet in wortgetreuer Uebersetzung des lateinischen *) Wir verweisen auf unsere gestrigen und vorgestrigen neuern Berichte.
auf einen Zeitraum von drei Wochen jeden feindseligen Schritt gegen Neapel einstellen, und den Versuchen Frankreichs, auf gütlichem Wege die Streitsache zur Entscheidung zu bringen, diese Zeit über freien Spielraum gewähren zu wollen. Sonderbar genug traf hier vor einigen Tagen ein Courier aus Neapel ein, der das Ansuchen des Königs beider Sicilien um die Intervention des französischen Cabinets brachte. Mithin wäre Ludwig Philipp durch seine angebotene Vermittelung nur den Wünschen des neapolitanischen Hofs zuvorgekommen. Hrn. v. Montebello's Abreise auf seinen Posten ward nur deßhalb verschoben, weil man noch Zweifel hegt, ob man in Neapel die Intervention unter den in London gestellten Bedingungen annehmen werde. Denn erstens scheint man großbritannischerseits nur eine Rücksicht der Höflichkeit befolgt zu haben, wenn man die französische Vermittelung nicht unbedingt abgelehnt hat, keineswegs aber es ernst damit zu meinen, da der Termin von drei Wochen zu solchen Negociationen zwischen Paris, London und Neapel offenbar zu kurz ist. Dann aber erklärte Lord Palmerston, daß im Falle der Admiral Stopford die Ausführung der Coërcitivmaaßregeln bereits begonnen und neapolitanische Schiffe detinirt haben sollte, diese bis zur Beendigung der Unterhandlungen auf keinen Fall in Freiheit gesetzt werden dürften. Die Zwangsmaaßregeln würden demnach uursuspendirt, keineswegs aufgehoben werden, und die 17 neapolitanisch-sicilianischen Schiffe, die das englische Blokadegeschwader bereits aufgebracht haben soll, würden bis zum Ausgang der Unterhandlungen in englischer Gewahrsam bleiben. Niederlande. Vom Niederrhein, 1 Mai. Die Regierung hat nun auch ihre Antworten auf die Bedenken der Kammer über die sieben letzten Entwürfe bekannt gemacht, worin namentlich die Angelegenheiten von Indien sehr weitläufig, aber nicht sehr klar und genügend behandelt werden. Der Ton dieser Antwort ist das merkwürdigste: man kann in gewisser Hinsicht sagen, die Regierung hat den Handschuh hingeworfen; sie erklärt, daß sie in der Revision des Grundgesetzes nicht gesonnen sey, weiter zu gehen, und setzt diese Ansicht auseinander; von ministerieller Verantwortlichkeit u. dgl. ist gar nicht die Rede. In Einer Beziehung hat die Regierung gewiß recht: wenn die bisherige Regierungsform überhaupt beibehalten werden soll, kann sie auf keine weitere Aenderung eingehen. Man kann indeß wohl sagen, daß der Ton, den die Regierung eingeschlagen hat, eine Art Schrecken selbst unter ihren Freunden erregte, und es kann jetzt kaum mehr ein Zweifel seyn, daß die Initiative, welche die Regierung von sich gewiesen hat, von der Kammer aufgenommen wird. Selbst das sonst so gemäßigte Handelsblad läßt seinem Unwillen freien Lauf, und wohl hat es dazu Ursache, denn diese Sprache der Regierung arbeitet der radicalen Partei in die Hände, indem sie die Macht der bisherigen Mittelpartei bricht. Dieß Blatt macht auf den Umstand aufmerksam, den ich in meinem letzten Brief erwähnte, daß die Regierung sich auf die in den Generalstaaten herrschende Verschiedenheit der Ansichten zu stützen hoffe. Der Handschuh, den die Regierung hingeworfen hat, wird sicherlich aufgenommen werden, die Generalstaaten werden sich zuerst in ihren Abtheilungen, dann öffentlich versammeln, und wenn nicht Alles trügt, werden sie der Regierung die Antwort nicht schuldig bleiben. Es ist für jeden, der Holland kennt und namentlich in frühern Zeiten gesehen hat, ein trüber Anblick, wie jetzt so manche Bande der Liebe und Anhänglichkeit schmerzlich reißen; es ist in der That kein Kampf, den die Opposition freudig durchführt, man hat ihn ihr aufgenöthigt, und ein bewegtes Gefühl wird sich im ganzen Lauf der Debatten zu erkennen geben. Italien. Von der italienischen Gränze, 28 April. Briefe aus Neapel bis zum 20 *)*) lassen wenig Hoffnung übrig, daß irgend eine Vermittlung den König zur Nachgiebigkeit bestimmen dürfte. Er soll vom größten Mißtrauen gegen alle Regierungen und ihre Repräsentanten erfüllt seyn, und man befürchtet, daß demnach die Bemühungen Frankreichs fruchtlos bleiben werden, so daß die angebotene Vermittelung nur dazu dienen wird, die Sachen hinauszuschieben, ohne sie zu ändern. Der König von Neapel scheint dem Beispiel Wilhelms von Holland folgen zu wollen, der sich auch sagte: Zeit gewonnen, viel gewonnen, und so die Londoner Conferenzen lange trainirte. Inzwischen waren die Holländer ihrem König unendlich ergeben, und es herrschte in den alten Niederlanden der beste Geist. In Neapel ist der Geist zweifelhaft, und es fehlt daher die Grundbedingung, um trotzen zu können. Der König schien dieß einen Augenblick einzusehen, er war auf die Vorstellungen des österreichischen und des sardinischen Gesandten bereits in sich gegangen, und obgleich er das Recht für sich zu haben glaubte, was auch wohl der Fall ist, hatte er doch selbst in einem am 12 abgehaltenen großen Conseil erklärt, daß man nicht das Aeußerste wagen dürfe, die Klugheit gebiete vielmehr die Ueberlegenheit des Gegners in Anschlag zu bringen und nachzugeben. Unter diesen Ansichten hatte sich das Conseil getrennt; auch wurde Alles eingeleitet, um Tags darauf den englischen Gesandten zufrieden zu stellen, als plötzlich in der Nacht vom 12 auf den 13 der König, man weiß nicht recht auf welche Veranlassung, andern Sinnes ward und seinen Räthen einschärfte, keinen Finger breit zu weichen, den Repräsentanten der befreundeten Höfe hingegen zu erklären, daß der Contract mit der Schwefelcompagnie zwar aufgehoben werden solle, daß aber von einer Schadloshaltung, welche England anspreche, keine Rede seyn könne. Diese Erklärung setzte Alles wieder in Frage. Hr. Temple wollte den Eindruck abwarten, welchen das Erscheinen der englischen Kriegsflagge vor Neapel machen werde. Am 16 war ein großes Kriegsfahrzeug und ein Kriegsdampfschiff, von Malta kommend, zur Verfügung Temple's gesetzt, und jetzt versuchte er abermals, die neapolitanische Regierung zur Annahme der früher gemachten Bedingungen zu vermögen. Er hatte dazu fast ununterbrochen den ganzen Tag vom 17 benützt und ward, wie versichert wird, dabei von vielen Seiten, von den höchsten, dem König am nächsten stehenden Personen des Landes unterstützt; allein vergebens. Er mußte einsehen, daß alle Mühe nichts nütze, und daß die Ereignisse zu entscheiden haben. Deßhalb traf er in seinem Haushalt die nöthigen Anstalten, um Neapel jeden Augenblick verlassen zu können. Am 18 verbreitete sich allgemein das Gerücht, daß mehrere neapolitanische Schiffe auf der Fahrt von Malta nach Sicilien durch die Engländer aufgebracht worden seyen. Eine amtliche Anzeige schien darüber zu fehlen. Doch ward auf jene Gerüchte hin der Befehl erlassen, über alle brittischen Schiffe, wo sie den neapolitanischen Behörden zugänglich seyen, das Embargo zu verhängen. Die erste Folge wird ohne Zweifel die Abreise Temple's und eine strenge Blokade aller neapolitanisch-sicilianischen Häfen seyn, wenn nicht das Dazwischentreten Frankreichs die beiden sich gegenüber stehenden Parteien zu bessern Ueberzeugungen bringt und wenigstens weitere Gewaltmaaßregeln hindert. * Die gestern erwähnte päpstliche Allocution vom 27 April lautet in wortgetreuer Uebersetzung des lateinischen *) Wir verweisen auf unsere gestrigen und vorgestrigen neuern Berichte.
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Denn erstens scheint man großbritannischerseits nur eine Rücksicht der Höflichkeit befolgt zu haben, wenn man die französische Vermittelung nicht unbedingt abgelehnt hat, keineswegs aber es ernst damit zu meinen, da der Termin von drei Wochen zu solchen Negociationen zwischen Paris, London und Neapel offenbar zu kurz ist. Dann aber erklärte Lord Palmerston, daß im Falle der Admiral Stopford die Ausführung der Coërcitivmaaßregeln bereits begonnen und neapolitanische Schiffe detinirt haben sollte, diese bis zur Beendigung der Unterhandlungen auf keinen Fall in Freiheit gesetzt werden dürften. Die Zwangsmaaßregeln würden demnach uursuspendirt, keineswegs aufgehoben werden, und die 17 neapolitanisch-sicilianischen Schiffe, die das englische Blokadegeschwader bereits aufgebracht haben soll, würden bis zum Ausgang der Unterhandlungen in englischer Gewahrsam bleiben.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Niederlande.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Vom Niederrhein,</hi> 1 Mai.</dateline> <p> Die Regierung hat nun auch ihre Antworten auf die Bedenken der Kammer über die sieben letzten Entwürfe bekannt gemacht, worin namentlich die Angelegenheiten von Indien sehr weitläufig, aber nicht sehr klar und genügend behandelt werden. Der Ton dieser Antwort ist das merkwürdigste: man kann in gewisser Hinsicht sagen, die Regierung hat den Handschuh hingeworfen; sie erklärt, daß sie in der Revision des Grundgesetzes nicht gesonnen sey, weiter zu gehen, und setzt diese Ansicht auseinander; von ministerieller Verantwortlichkeit u. dgl. ist gar nicht die Rede. In Einer Beziehung hat die Regierung gewiß recht: wenn die bisherige Regierungsform überhaupt beibehalten werden soll, kann sie auf keine weitere Aenderung eingehen. Man kann indeß wohl sagen, daß der Ton, den die Regierung eingeschlagen hat, eine Art Schrecken selbst unter ihren Freunden erregte, und es kann jetzt kaum mehr ein Zweifel seyn, daß die Initiative, welche die Regierung von sich gewiesen hat, von der Kammer aufgenommen wird. Selbst das sonst so gemäßigte Handelsblad läßt seinem Unwillen freien Lauf, und wohl hat es dazu Ursache, denn diese Sprache der Regierung arbeitet der radicalen Partei in die Hände, indem sie die Macht der bisherigen Mittelpartei bricht. Dieß Blatt macht auf den Umstand aufmerksam, den ich in meinem letzten Brief erwähnte, daß die Regierung sich auf die in den Generalstaaten herrschende Verschiedenheit der Ansichten zu stützen hoffe. Der Handschuh, den die Regierung hingeworfen hat, wird sicherlich aufgenommen werden, die Generalstaaten werden sich zuerst in ihren Abtheilungen, dann öffentlich versammeln, und wenn nicht Alles trügt, werden sie der Regierung die Antwort nicht schuldig bleiben. Es ist für jeden, der Holland kennt und namentlich in frühern Zeiten gesehen hat, ein trüber Anblick, wie jetzt so manche Bande der Liebe und Anhänglichkeit schmerzlich reißen; es ist in der That kein Kampf, den die Opposition freudig durchführt, man hat ihn ihr aufgenöthigt, und ein bewegtes Gefühl wird sich im ganzen Lauf der Debatten zu erkennen geben.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <byline> <docAuthor> <gap reason="insignificant"/> </docAuthor> </byline> <dateline><hi rendition="#b">Von der italienischen Gränze,</hi> 28 April.</dateline> <p> Briefe aus Neapel bis zum 20 <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"><p>Wir verweisen auf unsere gestrigen und vorgestrigen neuern Berichte.</p></note> lassen wenig Hoffnung übrig, daß irgend eine Vermittlung den König zur Nachgiebigkeit bestimmen dürfte. 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Der König schien dieß einen Augenblick einzusehen, er war auf die Vorstellungen des österreichischen und des sardinischen Gesandten bereits in sich gegangen, und obgleich er das Recht für sich zu haben glaubte, was auch wohl der Fall ist, hatte er doch selbst in einem am 12 abgehaltenen großen Conseil erklärt, daß man nicht das Aeußerste wagen dürfe, die Klugheit gebiete vielmehr die Ueberlegenheit des Gegners in Anschlag zu bringen und nachzugeben. Unter diesen Ansichten hatte sich das Conseil getrennt; auch wurde Alles eingeleitet, um Tags darauf den englischen Gesandten zufrieden zu stellen, als plötzlich in der Nacht vom 12 auf den 13 der König, man weiß nicht recht auf welche Veranlassung, andern Sinnes ward und seinen Räthen einschärfte, keinen Finger breit zu weichen, den Repräsentanten der befreundeten Höfe hingegen zu erklären, daß der Contract mit der Schwefelcompagnie zwar aufgehoben werden solle, daß aber von einer Schadloshaltung, welche England anspreche, keine Rede seyn könne. Diese Erklärung setzte Alles wieder in Frage. Hr. Temple wollte den Eindruck abwarten, welchen das Erscheinen der englischen Kriegsflagge vor Neapel machen werde. Am 16 war ein großes Kriegsfahrzeug und ein Kriegsdampfschiff, von Malta kommend, zur Verfügung Temple's gesetzt, und jetzt versuchte er abermals, die neapolitanische Regierung zur Annahme der früher gemachten Bedingungen zu vermögen. Er hatte dazu fast ununterbrochen den ganzen Tag vom 17 benützt und ward, wie versichert wird, dabei von vielen Seiten, von den höchsten, dem König am nächsten stehenden Personen des Landes unterstützt; allein vergebens. Er mußte einsehen, daß alle Mühe nichts nütze, und daß die Ereignisse zu entscheiden haben. Deßhalb traf er in seinem Haushalt die nöthigen Anstalten, um Neapel jeden Augenblick verlassen zu können. Am 18 verbreitete sich allgemein das Gerücht, daß mehrere neapolitanische Schiffe auf der Fahrt von Malta nach Sicilien durch die Engländer aufgebracht worden seyen. Eine amtliche Anzeige schien darüber zu fehlen. Doch ward auf jene Gerüchte hin der Befehl erlassen, über alle brittischen Schiffe, wo sie den neapolitanischen Behörden zugänglich seyen, das Embargo zu verhängen. 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Niederlande.
_ Vom Niederrhein, 1 Mai. Die Regierung hat nun auch ihre Antworten auf die Bedenken der Kammer über die sieben letzten Entwürfe bekannt gemacht, worin namentlich die Angelegenheiten von Indien sehr weitläufig, aber nicht sehr klar und genügend behandelt werden. Der Ton dieser Antwort ist das merkwürdigste: man kann in gewisser Hinsicht sagen, die Regierung hat den Handschuh hingeworfen; sie erklärt, daß sie in der Revision des Grundgesetzes nicht gesonnen sey, weiter zu gehen, und setzt diese Ansicht auseinander; von ministerieller Verantwortlichkeit u. dgl. ist gar nicht die Rede. In Einer Beziehung hat die Regierung gewiß recht: wenn die bisherige Regierungsform überhaupt beibehalten werden soll, kann sie auf keine weitere Aenderung eingehen. Man kann indeß wohl sagen, daß der Ton, den die Regierung eingeschlagen hat, eine Art Schrecken selbst unter ihren Freunden erregte, und es kann jetzt kaum mehr ein Zweifel seyn, daß die Initiative, welche die Regierung von sich gewiesen hat, von der Kammer aufgenommen wird. Selbst das sonst so gemäßigte Handelsblad läßt seinem Unwillen freien Lauf, und wohl hat es dazu Ursache, denn diese Sprache der Regierung arbeitet der radicalen Partei in die Hände, indem sie die Macht der bisherigen Mittelpartei bricht. Dieß Blatt macht auf den Umstand aufmerksam, den ich in meinem letzten Brief erwähnte, daß die Regierung sich auf die in den Generalstaaten herrschende Verschiedenheit der Ansichten zu stützen hoffe. Der Handschuh, den die Regierung hingeworfen hat, wird sicherlich aufgenommen werden, die Generalstaaten werden sich zuerst in ihren Abtheilungen, dann öffentlich versammeln, und wenn nicht Alles trügt, werden sie der Regierung die Antwort nicht schuldig bleiben. Es ist für jeden, der Holland kennt und namentlich in frühern Zeiten gesehen hat, ein trüber Anblick, wie jetzt so manche Bande der Liebe und Anhänglichkeit schmerzlich reißen; es ist in der That kein Kampf, den die Opposition freudig durchführt, man hat ihn ihr aufgenöthigt, und ein bewegtes Gefühl wird sich im ganzen Lauf der Debatten zu erkennen geben.
Italien.
_ Von der italienischen Gränze, 28 April. Briefe aus Neapel bis zum 20 *) *) lassen wenig Hoffnung übrig, daß irgend eine Vermittlung den König zur Nachgiebigkeit bestimmen dürfte. Er soll vom größten Mißtrauen gegen alle Regierungen und ihre Repräsentanten erfüllt seyn, und man befürchtet, daß demnach die Bemühungen Frankreichs fruchtlos bleiben werden, so daß die angebotene Vermittelung nur dazu dienen wird, die Sachen hinauszuschieben, ohne sie zu ändern. Der König von Neapel scheint dem Beispiel Wilhelms von Holland folgen zu wollen, der sich auch sagte: Zeit gewonnen, viel gewonnen, und so die Londoner Conferenzen lange trainirte. Inzwischen waren die Holländer ihrem König unendlich ergeben, und es herrschte in den alten Niederlanden der beste Geist. In Neapel ist der Geist zweifelhaft, und es fehlt daher die Grundbedingung, um trotzen zu können. Der König schien dieß einen Augenblick einzusehen, er war auf die Vorstellungen des österreichischen und des sardinischen Gesandten bereits in sich gegangen, und obgleich er das Recht für sich zu haben glaubte, was auch wohl der Fall ist, hatte er doch selbst in einem am 12 abgehaltenen großen Conseil erklärt, daß man nicht das Aeußerste wagen dürfe, die Klugheit gebiete vielmehr die Ueberlegenheit des Gegners in Anschlag zu bringen und nachzugeben. Unter diesen Ansichten hatte sich das Conseil getrennt; auch wurde Alles eingeleitet, um Tags darauf den englischen Gesandten zufrieden zu stellen, als plötzlich in der Nacht vom 12 auf den 13 der König, man weiß nicht recht auf welche Veranlassung, andern Sinnes ward und seinen Räthen einschärfte, keinen Finger breit zu weichen, den Repräsentanten der befreundeten Höfe hingegen zu erklären, daß der Contract mit der Schwefelcompagnie zwar aufgehoben werden solle, daß aber von einer Schadloshaltung, welche England anspreche, keine Rede seyn könne. Diese Erklärung setzte Alles wieder in Frage. Hr. Temple wollte den Eindruck abwarten, welchen das Erscheinen der englischen Kriegsflagge vor Neapel machen werde. Am 16 war ein großes Kriegsfahrzeug und ein Kriegsdampfschiff, von Malta kommend, zur Verfügung Temple's gesetzt, und jetzt versuchte er abermals, die neapolitanische Regierung zur Annahme der früher gemachten Bedingungen zu vermögen. Er hatte dazu fast ununterbrochen den ganzen Tag vom 17 benützt und ward, wie versichert wird, dabei von vielen Seiten, von den höchsten, dem König am nächsten stehenden Personen des Landes unterstützt; allein vergebens. Er mußte einsehen, daß alle Mühe nichts nütze, und daß die Ereignisse zu entscheiden haben. Deßhalb traf er in seinem Haushalt die nöthigen Anstalten, um Neapel jeden Augenblick verlassen zu können. Am 18 verbreitete sich allgemein das Gerücht, daß mehrere neapolitanische Schiffe auf der Fahrt von Malta nach Sicilien durch die Engländer aufgebracht worden seyen. Eine amtliche Anzeige schien darüber zu fehlen. Doch ward auf jene Gerüchte hin der Befehl erlassen, über alle brittischen Schiffe, wo sie den neapolitanischen Behörden zugänglich seyen, das Embargo zu verhängen. Die erste Folge wird ohne Zweifel die Abreise Temple's und eine strenge Blokade aller neapolitanisch-sicilianischen Häfen seyn, wenn nicht das Dazwischentreten Frankreichs die beiden sich gegenüber stehenden Parteien zu bessern Ueberzeugungen bringt und wenigstens weitere Gewaltmaaßregeln hindert.
* Die gestern erwähnte päpstliche Allocution vom 27 April lautet in wortgetreuer Uebersetzung des lateinischen
*) Wir verweisen auf unsere gestrigen und vorgestrigen neuern Berichte.
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