Allgemeine Zeitung. Nr. 125. Augsburg, 4. Mai 1840.ist ein harmloses Thier, dem Landmann allein schädlich durch seinen unstillbaren Appetit, und gefährlich nur dann, wenn man es zum Kampf herausfordert. Wahrscheinlich wäre das von uns beobachtete Individuum, da die Weide sehr reichlich schien, die ganze Nacht bei uns geblieben, wenn nicht auf dem Fluß ein Schiff mit vollen Segeln herangekommen wäre. Als dieß in seine Nähe gelangte, ging das Thier, anscheinend sehr verdrießlich über die Störung - denn es schüttelte mehrmals den Kopf, und sperrte drei- bis viermal seinen Rachen mit den großen Fangzähnen auf - langsam und gravitätisch ins Wasser, tauchte dann noch einigemal spähend mit dem Kopfe daraus hervor, und begab sich erst, als das Schiff beinahe über dasselbe hinwegzufahren im Begriff war, zur Nachtruhe in die Tiefe. Dort mag es besser und wärmer geschlafen haben als wir, denn kaum im Bett mußten wir eine zweite Edition des Sandsturmes erleben, der, wenn gleich mit nach und nach verminderter Heftigkeit, dießmal fünf Stunden lang anhielt, so daß während dieser Zeit an kein Reinigen der Zelte gedacht werden konnte, und die vereinigten Kräfte aller unserer schwarzen und weißen Leute fortwährend angewandt werden mußten, um diese Zelte nur vor dem Umwerfen zu schützen. Das Souper des Doctors entführte der Wind, ohne ihm irgend etwas davon übrig zu lassen, blies die Feuer aus, und füllte alle Koffer und Kisten mit Erde, so daß wir, als er endlich nachließ, nach einer schlaflosen Nacht noch den ganzen Morgen damit zubringen mußten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dazu war es so kalt geworden (ein ganz ungewöhnlicher Fall), daß ich trotz zweier Mäntel mich kaum zu erwärmen vermochte. Alles dieß verzögerte unsern Abmarsch bis um 2 Uhr Nachmittag. Hier muß ich aber eine kleine Pause machen, um meine Freude darüber auszudrücken, daß die so eben von mir erzählte entrevue mit dem Hippopotamos, durch cabbalistische Magie, unserem verehrten preußischen Regierungsrath Karl Immermann schon lange vor meiner Enthüllung derselben bekannt, und dann von ihm so geistreich variirt wurde, wie es mir selbst unmöglich hätte gelingen können. Nur dagegen muß ich protestiren, daß das Unthier mich verschlungen und wieder ausgespieen habe. Eine solche Ehre würde mir eine zu große Aehnlichkeit mit dem Propheten Jonas geben, was meine Bescheidenheit abweisen muß. Wahrscheinlich ist es auch, daß ich in einem solchen Falle nicht ausgerufen haben würde: ,Monsieur, Monsieur! avec permission je suis son Altesse telle et telle.' Die Phrase ist nicht recht in meinem Genre, und um dem Hippopotamos meine Unverdaulichkeit am schnellsten begreiflich zu machen, würde ich lieber gesagt haben: "Mon cher animal, cheval, boeuf ou cochon, qui que vous soyez, laissez-moi tranquille. Votre nature est de manger du foin - ne sutor ultra erepidam" - zu Deutsch: "Friß nicht über Vermögen, Hippopotamos!" und wenn es diese Rede zu weitschweifig für einen in seinem Rachen Steckenden gefunden, hätte ich mich damit entschuldigt, ein norddeutscher humoristischer Schriftsteller zu seyn, welche von jeher das Privilegium in Anspruch nahmen, ihre Goldkörner ungewaschen und noch mit allem ursprünglichen Sande vermischt abzuliefern. Der Salzgehalt der Wüste, durch die wir an diesem Tage zogen, ward immer reichlicher; die Eingebornen haben nichts zu thun, als kleine Gruben in den Sand zu machen - deren wir auch zu vielen Tausenden rechts und links der Straße erblickten - und dann die so ausgeschaufelte Erde mit Wasser zu kochen, um eine sehr bedeutende Quantität Salz, circa den sechsten Theil des Gewichts der Erde, daraus zu ziehen. Die Straße war heute noch belebter als gestern, und einmal begegneten wir sogar einem dem Anschein nach vornehmen Mann mit ansehnlichem Gefolge, der in seiner bunten Tracht, nebst dem spitzen Sonnenhut aus Papier angefertigt auf dem Kopfe, ganz einem chinesischen Mandarinen glich. Nachdem wir ungefähr vier deutsche Meilen zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Heerde Ziegen unter Mimosengebüschen an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdeputats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Karthum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch ebenes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunklen Nacht Mühe hatten zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dornenzweigen hängen blieben. Zuletzt verirrte sich der Doctor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uns nicht mehr schnell genug hatten folgen können. Wir wurden dieß erst gewahr, als wir wieder ins Freie hinaus kamen. Ich schickte den Dragoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Weltgegenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Bedenklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte befanden, und der Morgen schon nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang ausgestandener Angst im Walde, auch glücklich dort eingefunden, und nachdem sie den Schech geweckt, und von ihm Esel nebst einem Führer requirirt, langten sie drei Stunden nach mir in Karthum an. Diese Stadt liegt an der Gabel, welche gebildet wird durch die Vereinigung des weißen und des blauen Flusses, die beiden großen Arme des Nils, von denen es noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen berechtigt ist. Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den weithin sich erstreckenden crenelirten Befestigungsmauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nähe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohne Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als alle übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist größtentheils Wüste oder baumlose Feldflur; nur in der Nähe befinden sich einige Gärten, was auch kaum anders zu erwarten ist, da diese Hauptstadt des Sudans erst vor zehn Jahren auf Mehemed Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg. Noch ehe ich den blauen Fluß passirte, der dicht vor der Stadt in ihrer ganzen Länge hinfließt, fand ich am diesseitigen Ufer desselben den Schatzmeister Korschud Pascha's postirt, um mich im Namen seines Herrn zu becomplimentiren und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu führen. Dieß producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen - ich meine jene ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmutz und Elend - aber hier, nach der Sitte des Landes, in dreifach gesteigertem Maaßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor unter einer Veranda in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen (den Divan) führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhautschläuchen übergossen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan, war ebenfalls nichts als eine zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, aber mit den schönsten Teppichen in Profusion und ist ein harmloses Thier, dem Landmann allein schädlich durch seinen unstillbaren Appetit, und gefährlich nur dann, wenn man es zum Kampf herausfordert. Wahrscheinlich wäre das von uns beobachtete Individuum, da die Weide sehr reichlich schien, die ganze Nacht bei uns geblieben, wenn nicht auf dem Fluß ein Schiff mit vollen Segeln herangekommen wäre. Als dieß in seine Nähe gelangte, ging das Thier, anscheinend sehr verdrießlich über die Störung – denn es schüttelte mehrmals den Kopf, und sperrte drei- bis viermal seinen Rachen mit den großen Fangzähnen auf – langsam und gravitätisch ins Wasser, tauchte dann noch einigemal spähend mit dem Kopfe daraus hervor, und begab sich erst, als das Schiff beinahe über dasselbe hinwegzufahren im Begriff war, zur Nachtruhe in die Tiefe. Dort mag es besser und wärmer geschlafen haben als wir, denn kaum im Bett mußten wir eine zweite Edition des Sandsturmes erleben, der, wenn gleich mit nach und nach verminderter Heftigkeit, dießmal fünf Stunden lang anhielt, so daß während dieser Zeit an kein Reinigen der Zelte gedacht werden konnte, und die vereinigten Kräfte aller unserer schwarzen und weißen Leute fortwährend angewandt werden mußten, um diese Zelte nur vor dem Umwerfen zu schützen. Das Souper des Doctors entführte der Wind, ohne ihm irgend etwas davon übrig zu lassen, blies die Feuer aus, und füllte alle Koffer und Kisten mit Erde, so daß wir, als er endlich nachließ, nach einer schlaflosen Nacht noch den ganzen Morgen damit zubringen mußten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dazu war es so kalt geworden (ein ganz ungewöhnlicher Fall), daß ich trotz zweier Mäntel mich kaum zu erwärmen vermochte. Alles dieß verzögerte unsern Abmarsch bis um 2 Uhr Nachmittag. Hier muß ich aber eine kleine Pause machen, um meine Freude darüber auszudrücken, daß die so eben von mir erzählte entrevue mit dem Hippopotamos, durch cabbalistische Magie, unserem verehrten preußischen Regierungsrath Karl Immermann schon lange vor meiner Enthüllung derselben bekannt, und dann von ihm so geistreich variirt wurde, wie es mir selbst unmöglich hätte gelingen können. Nur dagegen muß ich protestiren, daß das Unthier mich verschlungen und wieder ausgespieen habe. Eine solche Ehre würde mir eine zu große Aehnlichkeit mit dem Propheten Jonas geben, was meine Bescheidenheit abweisen muß. Wahrscheinlich ist es auch, daß ich in einem solchen Falle nicht ausgerufen haben würde: ‚Monsieur, Monsieur! avec permission je suis son Altesse telle et telle.‛ Die Phrase ist nicht recht in meinem Genre, und um dem Hippopotamos meine Unverdaulichkeit am schnellsten begreiflich zu machen, würde ich lieber gesagt haben: „Mon cher animal, cheval, bœuf ou cochon, qui que vous soyez, laissez-moi tranquille. Votre nature est de manger du foin – ne sutor ultra erepidam“ – zu Deutsch: „Friß nicht über Vermögen, Hippopotamos!“ und wenn es diese Rede zu weitschweifig für einen in seinem Rachen Steckenden gefunden, hätte ich mich damit entschuldigt, ein norddeutscher humoristischer Schriftsteller zu seyn, welche von jeher das Privilegium in Anspruch nahmen, ihre Goldkörner ungewaschen und noch mit allem ursprünglichen Sande vermischt abzuliefern. Der Salzgehalt der Wüste, durch die wir an diesem Tage zogen, ward immer reichlicher; die Eingebornen haben nichts zu thun, als kleine Gruben in den Sand zu machen – deren wir auch zu vielen Tausenden rechts und links der Straße erblickten – und dann die so ausgeschaufelte Erde mit Wasser zu kochen, um eine sehr bedeutende Quantität Salz, circa den sechsten Theil des Gewichts der Erde, daraus zu ziehen. Die Straße war heute noch belebter als gestern, und einmal begegneten wir sogar einem dem Anschein nach vornehmen Mann mit ansehnlichem Gefolge, der in seiner bunten Tracht, nebst dem spitzen Sonnenhut aus Papier angefertigt auf dem Kopfe, ganz einem chinesischen Mandarinen glich. Nachdem wir ungefähr vier deutsche Meilen zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Heerde Ziegen unter Mimosengebüschen an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdeputats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Karthum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch ebenes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunklen Nacht Mühe hatten zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dornenzweigen hängen blieben. Zuletzt verirrte sich der Doctor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uns nicht mehr schnell genug hatten folgen können. Wir wurden dieß erst gewahr, als wir wieder ins Freie hinaus kamen. Ich schickte den Dragoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Weltgegenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Bedenklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte befanden, und der Morgen schon nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang ausgestandener Angst im Walde, auch glücklich dort eingefunden, und nachdem sie den Schech geweckt, und von ihm Esel nebst einem Führer requirirt, langten sie drei Stunden nach mir in Karthum an. Diese Stadt liegt an der Gabel, welche gebildet wird durch die Vereinigung des weißen und des blauen Flusses, die beiden großen Arme des Nils, von denen es noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen berechtigt ist. Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den weithin sich erstreckenden crenelirten Befestigungsmauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nähe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohne Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als alle übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist größtentheils Wüste oder baumlose Feldflur; nur in der Nähe befinden sich einige Gärten, was auch kaum anders zu erwarten ist, da diese Hauptstadt des Sudans erst vor zehn Jahren auf Mehemed Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg. Noch ehe ich den blauen Fluß passirte, der dicht vor der Stadt in ihrer ganzen Länge hinfließt, fand ich am diesseitigen Ufer desselben den Schatzmeister Korschud Pascha's postirt, um mich im Namen seines Herrn zu becomplimentiren und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu führen. Dieß producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen – ich meine jene ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmutz und Elend – aber hier, nach der Sitte des Landes, in dreifach gesteigertem Maaßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor unter einer Veranda in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen (den Divan) führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhautschläuchen übergossen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan, war ebenfalls nichts als eine zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, aber mit den schönsten Teppichen in Profusion und <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="0994"/> ist ein harmloses Thier, dem Landmann allein schädlich durch seinen unstillbaren Appetit, und gefährlich nur dann, wenn man es zum Kampf herausfordert. Wahrscheinlich wäre das von uns beobachtete Individuum, da die Weide sehr reichlich schien, die ganze Nacht bei uns geblieben, wenn nicht auf dem Fluß ein Schiff mit vollen Segeln herangekommen wäre. Als dieß in seine Nähe gelangte, ging das Thier, anscheinend sehr verdrießlich über die Störung – denn es schüttelte mehrmals den Kopf, und sperrte drei- bis viermal seinen Rachen mit den großen Fangzähnen auf – langsam und gravitätisch ins Wasser, tauchte dann noch einigemal spähend mit dem Kopfe daraus hervor, und begab sich erst, als das Schiff beinahe über dasselbe hinwegzufahren im Begriff war, zur Nachtruhe in die Tiefe. Dort mag es besser und wärmer geschlafen haben als wir, denn kaum im Bett mußten wir eine zweite Edition des Sandsturmes erleben, der, wenn gleich mit nach und nach verminderter Heftigkeit, dießmal fünf Stunden lang anhielt, so daß während dieser Zeit an kein Reinigen der Zelte gedacht werden konnte, und die vereinigten Kräfte aller unserer schwarzen und weißen Leute fortwährend angewandt werden mußten, um diese Zelte nur vor dem Umwerfen zu schützen. Das Souper des Doctors entführte der Wind, ohne ihm irgend etwas davon übrig zu lassen, blies die Feuer aus, und füllte alle Koffer und Kisten mit Erde, so daß wir, als er endlich nachließ, nach einer schlaflosen Nacht noch den ganzen Morgen damit zubringen mußten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dazu war es so kalt geworden (ein ganz ungewöhnlicher Fall), daß ich trotz zweier Mäntel mich kaum zu erwärmen vermochte. Alles dieß verzögerte unsern Abmarsch bis um 2 Uhr Nachmittag.</p><lb/> <p>Hier muß ich aber eine kleine Pause machen, um meine Freude darüber auszudrücken, daß die so eben von mir erzählte entrevue mit dem Hippopotamos, durch cabbalistische Magie, unserem verehrten preußischen Regierungsrath Karl Immermann schon lange vor meiner Enthüllung derselben bekannt, und dann von ihm so geistreich variirt wurde, wie es mir selbst unmöglich hätte gelingen können. Nur dagegen muß ich protestiren, daß das Unthier mich verschlungen und wieder ausgespieen habe. Eine solche Ehre würde mir eine zu große Aehnlichkeit mit dem Propheten Jonas geben, was meine Bescheidenheit abweisen muß. Wahrscheinlich ist es auch, daß ich in einem solchen Falle nicht ausgerufen haben würde: ‚Monsieur, Monsieur! avec permission je suis son Altesse telle et telle.‛ Die Phrase ist nicht recht in meinem Genre, und um dem Hippopotamos meine Unverdaulichkeit am schnellsten begreiflich zu machen, würde ich lieber gesagt haben: „Mon cher animal, cheval, bœuf ou cochon, qui que vous soyez, laissez-moi tranquille. Votre nature est de manger du foin – ne sutor ultra erepidam“ – zu Deutsch: „Friß nicht über Vermögen, Hippopotamos!“ und wenn es diese Rede zu weitschweifig für einen in seinem Rachen Steckenden gefunden, hätte ich mich damit entschuldigt, ein norddeutscher humoristischer Schriftsteller zu seyn, welche von jeher das Privilegium in Anspruch nahmen, ihre Goldkörner ungewaschen und noch mit allem ursprünglichen Sande vermischt abzuliefern.</p><lb/> <p>Der Salzgehalt der Wüste, durch die wir an diesem Tage zogen, ward immer reichlicher; die Eingebornen haben nichts zu thun, als kleine Gruben in den Sand zu machen – deren wir auch zu vielen Tausenden rechts und links der Straße erblickten – und dann die so ausgeschaufelte Erde mit Wasser zu kochen, um eine sehr bedeutende Quantität Salz, circa den sechsten Theil des Gewichts der Erde, daraus zu ziehen. Die Straße war heute noch belebter als gestern, und einmal begegneten wir sogar einem dem Anschein nach vornehmen Mann mit ansehnlichem Gefolge, der in seiner bunten Tracht, nebst dem spitzen Sonnenhut aus Papier angefertigt auf dem Kopfe, ganz einem chinesischen Mandarinen glich. Nachdem wir ungefähr vier deutsche Meilen zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Heerde Ziegen unter Mimosengebüschen an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdeputats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Karthum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch ebenes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunklen Nacht Mühe hatten zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dornenzweigen hängen blieben. Zuletzt verirrte sich der Doctor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uns nicht mehr schnell genug hatten folgen können. Wir wurden dieß erst gewahr, als wir wieder ins Freie hinaus kamen. Ich schickte den Dragoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Weltgegenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Bedenklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte befanden, und der Morgen schon nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang ausgestandener Angst im Walde, auch glücklich dort eingefunden, und nachdem sie den Schech geweckt, und von ihm Esel nebst einem Führer requirirt, langten sie drei Stunden nach mir in Karthum an.</p><lb/> <p>Diese Stadt liegt an der Gabel, welche gebildet wird durch die Vereinigung des weißen und des blauen Flusses, die beiden großen Arme des Nils, von denen es noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen berechtigt ist. Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den weithin sich erstreckenden crenelirten Befestigungsmauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nähe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohne Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als alle übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist größtentheils Wüste oder baumlose Feldflur; nur in der Nähe befinden sich einige Gärten, was auch kaum anders zu erwarten ist, da diese Hauptstadt des Sudans erst vor zehn Jahren auf Mehemed Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg.</p><lb/> <p>Noch ehe ich den blauen Fluß passirte, der dicht vor der Stadt in ihrer ganzen Länge hinfließt, fand ich am diesseitigen Ufer desselben den Schatzmeister Korschud Pascha's postirt, um mich im Namen seines Herrn zu becomplimentiren und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu führen. Dieß producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen – ich meine jene ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmutz und Elend – aber hier, nach der Sitte des Landes, in dreifach gesteigertem Maaßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor unter einer Veranda in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen (den Divan) führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhautschläuchen übergossen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan, war ebenfalls nichts als eine zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, aber mit den schönsten Teppichen in Profusion und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0994/0010]
ist ein harmloses Thier, dem Landmann allein schädlich durch seinen unstillbaren Appetit, und gefährlich nur dann, wenn man es zum Kampf herausfordert. Wahrscheinlich wäre das von uns beobachtete Individuum, da die Weide sehr reichlich schien, die ganze Nacht bei uns geblieben, wenn nicht auf dem Fluß ein Schiff mit vollen Segeln herangekommen wäre. Als dieß in seine Nähe gelangte, ging das Thier, anscheinend sehr verdrießlich über die Störung – denn es schüttelte mehrmals den Kopf, und sperrte drei- bis viermal seinen Rachen mit den großen Fangzähnen auf – langsam und gravitätisch ins Wasser, tauchte dann noch einigemal spähend mit dem Kopfe daraus hervor, und begab sich erst, als das Schiff beinahe über dasselbe hinwegzufahren im Begriff war, zur Nachtruhe in die Tiefe. Dort mag es besser und wärmer geschlafen haben als wir, denn kaum im Bett mußten wir eine zweite Edition des Sandsturmes erleben, der, wenn gleich mit nach und nach verminderter Heftigkeit, dießmal fünf Stunden lang anhielt, so daß während dieser Zeit an kein Reinigen der Zelte gedacht werden konnte, und die vereinigten Kräfte aller unserer schwarzen und weißen Leute fortwährend angewandt werden mußten, um diese Zelte nur vor dem Umwerfen zu schützen. Das Souper des Doctors entführte der Wind, ohne ihm irgend etwas davon übrig zu lassen, blies die Feuer aus, und füllte alle Koffer und Kisten mit Erde, so daß wir, als er endlich nachließ, nach einer schlaflosen Nacht noch den ganzen Morgen damit zubringen mußten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Dazu war es so kalt geworden (ein ganz ungewöhnlicher Fall), daß ich trotz zweier Mäntel mich kaum zu erwärmen vermochte. Alles dieß verzögerte unsern Abmarsch bis um 2 Uhr Nachmittag.
Hier muß ich aber eine kleine Pause machen, um meine Freude darüber auszudrücken, daß die so eben von mir erzählte entrevue mit dem Hippopotamos, durch cabbalistische Magie, unserem verehrten preußischen Regierungsrath Karl Immermann schon lange vor meiner Enthüllung derselben bekannt, und dann von ihm so geistreich variirt wurde, wie es mir selbst unmöglich hätte gelingen können. Nur dagegen muß ich protestiren, daß das Unthier mich verschlungen und wieder ausgespieen habe. Eine solche Ehre würde mir eine zu große Aehnlichkeit mit dem Propheten Jonas geben, was meine Bescheidenheit abweisen muß. Wahrscheinlich ist es auch, daß ich in einem solchen Falle nicht ausgerufen haben würde: ‚Monsieur, Monsieur! avec permission je suis son Altesse telle et telle.‛ Die Phrase ist nicht recht in meinem Genre, und um dem Hippopotamos meine Unverdaulichkeit am schnellsten begreiflich zu machen, würde ich lieber gesagt haben: „Mon cher animal, cheval, bœuf ou cochon, qui que vous soyez, laissez-moi tranquille. Votre nature est de manger du foin – ne sutor ultra erepidam“ – zu Deutsch: „Friß nicht über Vermögen, Hippopotamos!“ und wenn es diese Rede zu weitschweifig für einen in seinem Rachen Steckenden gefunden, hätte ich mich damit entschuldigt, ein norddeutscher humoristischer Schriftsteller zu seyn, welche von jeher das Privilegium in Anspruch nahmen, ihre Goldkörner ungewaschen und noch mit allem ursprünglichen Sande vermischt abzuliefern.
Der Salzgehalt der Wüste, durch die wir an diesem Tage zogen, ward immer reichlicher; die Eingebornen haben nichts zu thun, als kleine Gruben in den Sand zu machen – deren wir auch zu vielen Tausenden rechts und links der Straße erblickten – und dann die so ausgeschaufelte Erde mit Wasser zu kochen, um eine sehr bedeutende Quantität Salz, circa den sechsten Theil des Gewichts der Erde, daraus zu ziehen. Die Straße war heute noch belebter als gestern, und einmal begegneten wir sogar einem dem Anschein nach vornehmen Mann mit ansehnlichem Gefolge, der in seiner bunten Tracht, nebst dem spitzen Sonnenhut aus Papier angefertigt auf dem Kopfe, ganz einem chinesischen Mandarinen glich. Nachdem wir ungefähr vier deutsche Meilen zurückgelegt hatten, hielt ich um sieben Uhr bei einer Heerde Ziegen unter Mimosengebüschen an, um ein wenig auszuruhen und dort eine doppelte Portion meines Milchdeputats zu mir zu nehmen. Dann ward bei Sternenlicht weiter geritten, um wo möglich Karthum schon am frühen Morgen zu erreichen. Der Weg ging jetzt meistens durch ebenes Terrain und dichtes Gebüsch, so daß wir gleich von Anfang an bei der ziemlich dunklen Nacht Mühe hatten zusammen zu bleiben, und oft an unbemerkten Dornenzweigen hängen blieben. Zuletzt verirrte sich der Doctor und mein Kammerdiener, da sie wegen zu großer Ermüdung ihrer Thiere uns nicht mehr schnell genug hatten folgen können. Wir wurden dieß erst gewahr, als wir wieder ins Freie hinaus kamen. Ich schickte den Dragoman ab, um sie zu suchen, doch vergeblich, und nachdem wir noch eine geraume Zeit gewartet und nach allen Weltgegenden hin gerufen hatten, ohne Antwort zu erhalten, mußten wir sie sich selbst überlassen, was auch ohne große Bedenklichkeit geschehen konnte, da wir uns nur eine halbe Stunde von Halfaja, einem ansehnlichen Orte befanden, und der Morgen schon nahe war. Wie wir später erfuhren, hatten sich die Verlornen, nach lang ausgestandener Angst im Walde, auch glücklich dort eingefunden, und nachdem sie den Schech geweckt, und von ihm Esel nebst einem Führer requirirt, langten sie drei Stunden nach mir in Karthum an.
Diese Stadt liegt an der Gabel, welche gebildet wird durch die Vereinigung des weißen und des blauen Flusses, die beiden großen Arme des Nils, von denen es noch immer unbestimmt bleibt, welcher von beiden den Namen dieses Flusses zu tragen berechtigt ist. Sie nimmt sich mit dem hohen Thurme ihrer Moschee, und den weithin sich erstreckenden crenelirten Befestigungsmauern in der Ferne recht stattlich aus, doch in der Nähe ist sie, da alle Gebäude darin nur aus Erde ohne Abputz aufgeführt sind, eben so unscheinbar als alle übrigen Städte dieses Landes. Die Umgegend ist größtentheils Wüste oder baumlose Feldflur; nur in der Nähe befinden sich einige Gärten, was auch kaum anders zu erwarten ist, da diese Hauptstadt des Sudans erst vor zehn Jahren auf Mehemed Ali's Befehl aus der Einöde emporstieg.
Noch ehe ich den blauen Fluß passirte, der dicht vor der Stadt in ihrer ganzen Länge hinfließt, fand ich am diesseitigen Ufer desselben den Schatzmeister Korschud Pascha's postirt, um mich im Namen seines Herrn zu becomplimentiren und mich in der eleganten Barke desselben hinüber in das mir bereitete Haus zu führen. Dieß producirte wie gewöhnlich ein Muster vom charakteristischen Geschmack der Türken und Orientalen – ich meine jene ihnen so eigenthümliche Mischung von Pracht, Schmutz und Elend – aber hier, nach der Sitte des Landes, in dreifach gesteigertem Maaßstabe. Von außen rohe Lehmwände, durch die ein hohes und verziertes Thor unter einer Veranda in einen Saal von ansehnlichen Dimensionen (den Divan) führte, dessen Decke nur aus rohen Balken, und der Boden aus festgestampfter Erde bestand, die alle zwei Stunden von einem Sklaven aus großen Ochsenhautschläuchen übergossen wurde, um den Staub zu löschen. Auch der an drei Seiten des Saales sich umherziehende, einen Fuß erhöhte Divan, war ebenfalls nichts als eine zweite Erdtenne mit einer hölzernen Einfassung, aber mit den schönsten Teppichen in Profusion und
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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