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Allgemeine Zeitung. Nr. 123. Augsburg, 2. Mai 1840.

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Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum.

(Fortsetzung.)

Die Ruinen von Mesaourat (jeder Vocal des Worts wird voll ausgesprochen) deren äußerste Umfangsmauern nach Cailliaud 185 Metres in der Breite, und 248 in der Länge messen, sind meiner Ueberzeugung nach die Ueberreste eines großen königlichen Lustschlosses, mit allem nöthigen Zubehör an Wohnungen, Höfen, Ställen u. s. w., denen noch zwei kleine, höchst zierliche Tempel (ganz in der Art wie bei uns eine Hofcapelle) angehängt waren, und welchen gewiß, in dem pittoresken, fruchtbaren Thal auch einst die umgebenden Gärten nicht fehlten. *) Sämmtliche Gebäude ohne Ausnahme sind aus Quadern von mittlerer Größe aufgeführt, deren schön röthlichen Sandstein die nahen Berge lieferten; Alles ist zierlich, und auf die solideste Weise bearbeitet, aber nirgends bemerkt man weder die kolossalen Proportionen, noch die vollendete Kunst der alten Denkmäler Aegyptens, und es wird vielleicht passend seyn, hier gleich im voraus zu bemerken, daß alle Ruinen, die wir während unserer dießmaligen Expedition zu sehen bekamen, und von denen später weitläuftiger die Rede seyn wird, immer ganz einen und denselben Charakter trugen, welcher zwar einige Affinität mit den merkwürdigen Ueberresten bei Dschebel-Barkal, so wie zum Theil mit denen bei Meroe hat, jedoch auch eine decidirt verschiedene Nuance von ihnen zeigt. Diese besteht in der Mischung griechischen oder vielmehr römischen Styls mit dem bereits ganz corrumpirten ägyptischen, der in allen diesen, weit mehr eleganten, und nicht selten überladenen, als erhaben zu nennenden Gebäuden vorherrscht. Ich halte sie daher auch für neuer als jene Monumente, und kaum älter als höchstens aus gleicher Zeit mit den letzten Ptolemäern, wo nicht ganz aus der spätern römischen Epoche. Die oft ins Kleinliche gehende Ausschmückung, die offenbar aus griechischem Baustyl entnommenen Zierrathen neben den ägyptischen und mit diesen vermischt, die Abwesenheit aller kolossalen Massen und daraus hervorgehenden grandiosen Effecte zeugen sämmtlich für diese Meinung. Aber die weit sorgfältigere Rücksicht auf Bequemlichkeit und die viel größere Menge an einander stoßender Wohnzimmer, meistens von kleinerer Dimension als in den ägyptischen Denkmalen angetroffen wird, scheinen mir abermals das Wirken eines weiblichen Elements zu verrathen, und ich möchte daher der Vermuthung Raum geben, daß diese Gebäude sich aus den letzten Zeiten jener Königinnen herschreiben, die, wie schon bemerkt, Jahrhunderte lang unter demselben immer fortgesetzten Namen in Aethiopien herrschten, und in vielfachem kriegerischen und friedlichen Verkehr mit den Römern standen, so daß leicht Baumeister dieser Nation employirt worden seyn können, um den ägyptischen Styl hier, wie in ihrem Vaterlande den griechischen, zu verhunzen. Der Hypothese einiger Reisenden beipflichten zu wollen, welche schon bei den offenbar viel ältern Denkmälern von Merawi und Meroe als ganz unkritisch erscheint, nämlich: daß die Architekturüberreste Aethiopiens älter als die Aegyptens seyen, wäre hier eine vollständige Absurdität. In allen diesen Bauwerken sehen wir ohne Ausnahme nur eine untergeordnete Nachahmung, keineswegs einen untergeordneten Anfang. Die charakteristischen Zeichen dieser zwei verschiedenen Unvollkommenheiten sind aber zu sehr in die Augen springend, um sich darüber anders als absichtlich täuschen zu können, vorausgesetzt, daß man überhaupt eines gesunden Urtheils fähig sey.

Ich wiederhole jedoch, daß ich durchaus nicht bestreiten will, daß Cultur und selbst die Anfänge der Kunst aus diesen Gegenden im grauesten Alterthum nach Aegypten vorgerückt seyn mögen, und die Meinung, daß das flache, zum Theil erst später angeschwemmte Land Aegypten aus den Bergplainen Aethiopiens zuerst bevölkert worden sey, ist völlig naturgemäß, und folglich höchst wahrscheinlich - ich behaupte nur, daß die noch jetzt existirenden alten Monumente Aethiopiens, welche uns bekannt sind, keineswegs aus jener Zeit herstammen, und sogar größtentheils weit jünger als die ägyptischen Alterthümer aus der letzten Periode der Pharaonen, ja zum Theil der Ptolemäer sind.

Es ist indeß immer schon interessant genug, sich den hiesigen Ruinen gegenüber zu überzeugen, daß in so großer Entfernung von der jetzt civilisirten Welt, vor wahrscheinlich nicht länger als fünfzehnhundert Jahren, hier Tausende von Quadratmeilen blühender Fluren, voll Städte, Tempel und Paläste existirten, wo jetzt nur eine auf ihrer Oberfläche gänzlich wasserlose, keine Frucht mehr tragende Wüste, mit äußerst wenigen Brunnen in ungeheuren Distanzen, sich ausdehnt, und daß zugleich eine vielfach verfeinerte Cultur des Geistes, mit einer immer noch weit höhern Stufe der Kunst (der Baukunst wenigstens), als wir selbst einnehmen, da herrschte, wo es in diesem Augenblick nur noch einige umherwandernde wilde Horden räuberischer Beduinen gibt.

Der Gedanke also, mich in einem ehemaligen Lustschloß der gebildeten und lebenslustigen Königin Candace zu befinden, die ich mir natürlich als eine ungemein schöne und graziöse Schwarzbraune vorstellte, gab der Besichtigung des vor mir liegenden Labyrinths von Gemächern, Treppen, Gängen, Höfen, Säulenhallen, Tempeln und Mauern ein doppeltes Interesse, was einigermaßen der Müdigkeit, welche das beschwerliche Durchirren derselben herbeiführte, und der dumpfen Hitze, die uns dazu nicht wenig belästigte, die Wage hielt. Auch gab ich mich, ich muß es gestehen, mehr dem egoistischen Genusse als dem Fleiße des Reisebeschreibers hin, da weder die Zeit, welche wir hier zu verweilen im Stande waren (denn unser mitgenommener Wasservorrath reichte kaum auf drei Tage) genügend war, noch meine Abspannung es möglich machte, mich mit detaillirten Messungen und genaueren Untersuchungen dieser Art zu beschäftigen, um einen correcten Plan des Ganzen aufzunehmen, was überdieß, wie ich glaube, durch Hrn. Linant, mit der ihm eigenthümlichen Treue, schon geschehen ist. Der Leser möge daher nachsichtig mit folgender kurzen Beschreibung fürlieb nehmen.

Es scheint, daß es mehrere Haupteingänge zu dem Complex der verschiedenen Gebäude gegeben hat, welche, alle von einer gemeinschaftlichen Mauer geschützt, den königlichen Palast in seinem ganzen Umfang bildeten, es ist aber jetzt schwer zu ermitteln, wo sich die eigentlichen Propyläen desselben befanden. Nach meinem Dafürhalten war der Haupteingang auf derjenigen der schmalen Seiten des großen länglichen Vierecks, welche gegen Nordost liegt. Hier zeigen sich, nach Durchschreitung eines nicht sehr breiten Hofes, auf beiden Seiten lange Reihen

*) Cailliaud hält diese Ruinen für eine Erziehungsanstalt der Priester. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Es ist zu viel Prunk und Spielerei in diesen Räumen. Alles zu fern von der ernsten Pracht priesterlicher Etablissements aus jenen Zeiten.
Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum.

(Fortsetzung.)

Die Ruinen von Mesaourat (jeder Vocal des Worts wird voll ausgesprochen) deren äußerste Umfangsmauern nach Cailliaud 185 Metres in der Breite, und 248 in der Länge messen, sind meiner Ueberzeugung nach die Ueberreste eines großen königlichen Lustschlosses, mit allem nöthigen Zubehör an Wohnungen, Höfen, Ställen u. s. w., denen noch zwei kleine, höchst zierliche Tempel (ganz in der Art wie bei uns eine Hofcapelle) angehängt waren, und welchen gewiß, in dem pittoresken, fruchtbaren Thal auch einst die umgebenden Gärten nicht fehlten. *) Sämmtliche Gebäude ohne Ausnahme sind aus Quadern von mittlerer Größe aufgeführt, deren schön röthlichen Sandstein die nahen Berge lieferten; Alles ist zierlich, und auf die solideste Weise bearbeitet, aber nirgends bemerkt man weder die kolossalen Proportionen, noch die vollendete Kunst der alten Denkmäler Aegyptens, und es wird vielleicht passend seyn, hier gleich im voraus zu bemerken, daß alle Ruinen, die wir während unserer dießmaligen Expedition zu sehen bekamen, und von denen später weitläuftiger die Rede seyn wird, immer ganz einen und denselben Charakter trugen, welcher zwar einige Affinität mit den merkwürdigen Ueberresten bei Dschebel-Barkal, so wie zum Theil mit denen bei Meroe hat, jedoch auch eine decidirt verschiedene Nuance von ihnen zeigt. Diese besteht in der Mischung griechischen oder vielmehr römischen Styls mit dem bereits ganz corrumpirten ägyptischen, der in allen diesen, weit mehr eleganten, und nicht selten überladenen, als erhaben zu nennenden Gebäuden vorherrscht. Ich halte sie daher auch für neuer als jene Monumente, und kaum älter als höchstens aus gleicher Zeit mit den letzten Ptolemäern, wo nicht ganz aus der spätern römischen Epoche. Die oft ins Kleinliche gehende Ausschmückung, die offenbar aus griechischem Baustyl entnommenen Zierrathen neben den ägyptischen und mit diesen vermischt, die Abwesenheit aller kolossalen Massen und daraus hervorgehenden grandiosen Effecte zeugen sämmtlich für diese Meinung. Aber die weit sorgfältigere Rücksicht auf Bequemlichkeit und die viel größere Menge an einander stoßender Wohnzimmer, meistens von kleinerer Dimension als in den ägyptischen Denkmalen angetroffen wird, scheinen mir abermals das Wirken eines weiblichen Elements zu verrathen, und ich möchte daher der Vermuthung Raum geben, daß diese Gebäude sich aus den letzten Zeiten jener Königinnen herschreiben, die, wie schon bemerkt, Jahrhunderte lang unter demselben immer fortgesetzten Namen in Aethiopien herrschten, und in vielfachem kriegerischen und friedlichen Verkehr mit den Römern standen, so daß leicht Baumeister dieser Nation employirt worden seyn können, um den ägyptischen Styl hier, wie in ihrem Vaterlande den griechischen, zu verhunzen. Der Hypothese einiger Reisenden beipflichten zu wollen, welche schon bei den offenbar viel ältern Denkmälern von Merawi und Meroe als ganz unkritisch erscheint, nämlich: daß die Architekturüberreste Aethiopiens älter als die Aegyptens seyen, wäre hier eine vollständige Absurdität. In allen diesen Bauwerken sehen wir ohne Ausnahme nur eine untergeordnete Nachahmung, keineswegs einen untergeordneten Anfang. Die charakteristischen Zeichen dieser zwei verschiedenen Unvollkommenheiten sind aber zu sehr in die Augen springend, um sich darüber anders als absichtlich täuschen zu können, vorausgesetzt, daß man überhaupt eines gesunden Urtheils fähig sey.

Ich wiederhole jedoch, daß ich durchaus nicht bestreiten will, daß Cultur und selbst die Anfänge der Kunst aus diesen Gegenden im grauesten Alterthum nach Aegypten vorgerückt seyn mögen, und die Meinung, daß das flache, zum Theil erst später angeschwemmte Land Aegypten aus den Bergplainen Aethiopiens zuerst bevölkert worden sey, ist völlig naturgemäß, und folglich höchst wahrscheinlich – ich behaupte nur, daß die noch jetzt existirenden alten Monumente Aethiopiens, welche uns bekannt sind, keineswegs aus jener Zeit herstammen, und sogar größtentheils weit jünger als die ägyptischen Alterthümer aus der letzten Periode der Pharaonen, ja zum Theil der Ptolemäer sind.

Es ist indeß immer schon interessant genug, sich den hiesigen Ruinen gegenüber zu überzeugen, daß in so großer Entfernung von der jetzt civilisirten Welt, vor wahrscheinlich nicht länger als fünfzehnhundert Jahren, hier Tausende von Quadratmeilen blühender Fluren, voll Städte, Tempel und Paläste existirten, wo jetzt nur eine auf ihrer Oberfläche gänzlich wasserlose, keine Frucht mehr tragende Wüste, mit äußerst wenigen Brunnen in ungeheuren Distanzen, sich ausdehnt, und daß zugleich eine vielfach verfeinerte Cultur des Geistes, mit einer immer noch weit höhern Stufe der Kunst (der Baukunst wenigstens), als wir selbst einnehmen, da herrschte, wo es in diesem Augenblick nur noch einige umherwandernde wilde Horden räuberischer Beduinen gibt.

Der Gedanke also, mich in einem ehemaligen Lustschloß der gebildeten und lebenslustigen Königin Candace zu befinden, die ich mir natürlich als eine ungemein schöne und graziöse Schwarzbraune vorstellte, gab der Besichtigung des vor mir liegenden Labyrinths von Gemächern, Treppen, Gängen, Höfen, Säulenhallen, Tempeln und Mauern ein doppeltes Interesse, was einigermaßen der Müdigkeit, welche das beschwerliche Durchirren derselben herbeiführte, und der dumpfen Hitze, die uns dazu nicht wenig belästigte, die Wage hielt. Auch gab ich mich, ich muß es gestehen, mehr dem egoistischen Genusse als dem Fleiße des Reisebeschreibers hin, da weder die Zeit, welche wir hier zu verweilen im Stande waren (denn unser mitgenommener Wasservorrath reichte kaum auf drei Tage) genügend war, noch meine Abspannung es möglich machte, mich mit detaillirten Messungen und genaueren Untersuchungen dieser Art zu beschäftigen, um einen correcten Plan des Ganzen aufzunehmen, was überdieß, wie ich glaube, durch Hrn. Linant, mit der ihm eigenthümlichen Treue, schon geschehen ist. Der Leser möge daher nachsichtig mit folgender kurzen Beschreibung fürlieb nehmen.

Es scheint, daß es mehrere Haupteingänge zu dem Complex der verschiedenen Gebäude gegeben hat, welche, alle von einer gemeinschaftlichen Mauer geschützt, den königlichen Palast in seinem ganzen Umfang bildeten, es ist aber jetzt schwer zu ermitteln, wo sich die eigentlichen Propyläen desselben befanden. Nach meinem Dafürhalten war der Haupteingang auf derjenigen der schmalen Seiten des großen länglichen Vierecks, welche gegen Nordost liegt. Hier zeigen sich, nach Durchschreitung eines nicht sehr breiten Hofes, auf beiden Seiten lange Reihen

*) Cailliaud hält diese Ruinen für eine Erziehungsanstalt der Priester. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Es ist zu viel Prunk und Spielerei in diesen Räumen. Alles zu fern von der ernsten Pracht priesterlicher Etablissements aus jenen Zeiten.
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[0977/0009] Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum. (Fortsetzung.) Die Ruinen von Mesaourat (jeder Vocal des Worts wird voll ausgesprochen) deren äußerste Umfangsmauern nach Cailliaud 185 Metres in der Breite, und 248 in der Länge messen, sind meiner Ueberzeugung nach die Ueberreste eines großen königlichen Lustschlosses, mit allem nöthigen Zubehör an Wohnungen, Höfen, Ställen u. s. w., denen noch zwei kleine, höchst zierliche Tempel (ganz in der Art wie bei uns eine Hofcapelle) angehängt waren, und welchen gewiß, in dem pittoresken, fruchtbaren Thal auch einst die umgebenden Gärten nicht fehlten. *) Sämmtliche Gebäude ohne Ausnahme sind aus Quadern von mittlerer Größe aufgeführt, deren schön röthlichen Sandstein die nahen Berge lieferten; Alles ist zierlich, und auf die solideste Weise bearbeitet, aber nirgends bemerkt man weder die kolossalen Proportionen, noch die vollendete Kunst der alten Denkmäler Aegyptens, und es wird vielleicht passend seyn, hier gleich im voraus zu bemerken, daß alle Ruinen, die wir während unserer dießmaligen Expedition zu sehen bekamen, und von denen später weitläuftiger die Rede seyn wird, immer ganz einen und denselben Charakter trugen, welcher zwar einige Affinität mit den merkwürdigen Ueberresten bei Dschebel-Barkal, so wie zum Theil mit denen bei Meroe hat, jedoch auch eine decidirt verschiedene Nuance von ihnen zeigt. Diese besteht in der Mischung griechischen oder vielmehr römischen Styls mit dem bereits ganz corrumpirten ägyptischen, der in allen diesen, weit mehr eleganten, und nicht selten überladenen, als erhaben zu nennenden Gebäuden vorherrscht. Ich halte sie daher auch für neuer als jene Monumente, und kaum älter als höchstens aus gleicher Zeit mit den letzten Ptolemäern, wo nicht ganz aus der spätern römischen Epoche. Die oft ins Kleinliche gehende Ausschmückung, die offenbar aus griechischem Baustyl entnommenen Zierrathen neben den ägyptischen und mit diesen vermischt, die Abwesenheit aller kolossalen Massen und daraus hervorgehenden grandiosen Effecte zeugen sämmtlich für diese Meinung. Aber die weit sorgfältigere Rücksicht auf Bequemlichkeit und die viel größere Menge an einander stoßender Wohnzimmer, meistens von kleinerer Dimension als in den ägyptischen Denkmalen angetroffen wird, scheinen mir abermals das Wirken eines weiblichen Elements zu verrathen, und ich möchte daher der Vermuthung Raum geben, daß diese Gebäude sich aus den letzten Zeiten jener Königinnen herschreiben, die, wie schon bemerkt, Jahrhunderte lang unter demselben immer fortgesetzten Namen in Aethiopien herrschten, und in vielfachem kriegerischen und friedlichen Verkehr mit den Römern standen, so daß leicht Baumeister dieser Nation employirt worden seyn können, um den ägyptischen Styl hier, wie in ihrem Vaterlande den griechischen, zu verhunzen. Der Hypothese einiger Reisenden beipflichten zu wollen, welche schon bei den offenbar viel ältern Denkmälern von Merawi und Meroe als ganz unkritisch erscheint, nämlich: daß die Architekturüberreste Aethiopiens älter als die Aegyptens seyen, wäre hier eine vollständige Absurdität. In allen diesen Bauwerken sehen wir ohne Ausnahme nur eine untergeordnete Nachahmung, keineswegs einen untergeordneten Anfang. Die charakteristischen Zeichen dieser zwei verschiedenen Unvollkommenheiten sind aber zu sehr in die Augen springend, um sich darüber anders als absichtlich täuschen zu können, vorausgesetzt, daß man überhaupt eines gesunden Urtheils fähig sey. Ich wiederhole jedoch, daß ich durchaus nicht bestreiten will, daß Cultur und selbst die Anfänge der Kunst aus diesen Gegenden im grauesten Alterthum nach Aegypten vorgerückt seyn mögen, und die Meinung, daß das flache, zum Theil erst später angeschwemmte Land Aegypten aus den Bergplainen Aethiopiens zuerst bevölkert worden sey, ist völlig naturgemäß, und folglich höchst wahrscheinlich – ich behaupte nur, daß die noch jetzt existirenden alten Monumente Aethiopiens, welche uns bekannt sind, keineswegs aus jener Zeit herstammen, und sogar größtentheils weit jünger als die ägyptischen Alterthümer aus der letzten Periode der Pharaonen, ja zum Theil der Ptolemäer sind. Es ist indeß immer schon interessant genug, sich den hiesigen Ruinen gegenüber zu überzeugen, daß in so großer Entfernung von der jetzt civilisirten Welt, vor wahrscheinlich nicht länger als fünfzehnhundert Jahren, hier Tausende von Quadratmeilen blühender Fluren, voll Städte, Tempel und Paläste existirten, wo jetzt nur eine auf ihrer Oberfläche gänzlich wasserlose, keine Frucht mehr tragende Wüste, mit äußerst wenigen Brunnen in ungeheuren Distanzen, sich ausdehnt, und daß zugleich eine vielfach verfeinerte Cultur des Geistes, mit einer immer noch weit höhern Stufe der Kunst (der Baukunst wenigstens), als wir selbst einnehmen, da herrschte, wo es in diesem Augenblick nur noch einige umherwandernde wilde Horden räuberischer Beduinen gibt. Der Gedanke also, mich in einem ehemaligen Lustschloß der gebildeten und lebenslustigen Königin Candace zu befinden, die ich mir natürlich als eine ungemein schöne und graziöse Schwarzbraune vorstellte, gab der Besichtigung des vor mir liegenden Labyrinths von Gemächern, Treppen, Gängen, Höfen, Säulenhallen, Tempeln und Mauern ein doppeltes Interesse, was einigermaßen der Müdigkeit, welche das beschwerliche Durchirren derselben herbeiführte, und der dumpfen Hitze, die uns dazu nicht wenig belästigte, die Wage hielt. Auch gab ich mich, ich muß es gestehen, mehr dem egoistischen Genusse als dem Fleiße des Reisebeschreibers hin, da weder die Zeit, welche wir hier zu verweilen im Stande waren (denn unser mitgenommener Wasservorrath reichte kaum auf drei Tage) genügend war, noch meine Abspannung es möglich machte, mich mit detaillirten Messungen und genaueren Untersuchungen dieser Art zu beschäftigen, um einen correcten Plan des Ganzen aufzunehmen, was überdieß, wie ich glaube, durch Hrn. Linant, mit der ihm eigenthümlichen Treue, schon geschehen ist. Der Leser möge daher nachsichtig mit folgender kurzen Beschreibung fürlieb nehmen. Es scheint, daß es mehrere Haupteingänge zu dem Complex der verschiedenen Gebäude gegeben hat, welche, alle von einer gemeinschaftlichen Mauer geschützt, den königlichen Palast in seinem ganzen Umfang bildeten, es ist aber jetzt schwer zu ermitteln, wo sich die eigentlichen Propyläen desselben befanden. Nach meinem Dafürhalten war der Haupteingang auf derjenigen der schmalen Seiten des großen länglichen Vierecks, welche gegen Nordost liegt. Hier zeigen sich, nach Durchschreitung eines nicht sehr breiten Hofes, auf beiden Seiten lange Reihen *) Cailliaud hält diese Ruinen für eine Erziehungsanstalt der Priester. Ich kann diese Meinung nicht theilen. Es ist zu viel Prunk und Spielerei in diesen Räumen. Alles zu fern von der ernsten Pracht priesterlicher Etablissements aus jenen Zeiten.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 123. Augsburg, 2. Mai 1840, S. 0977. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_123_18400502/9>, abgerufen am 23.11.2024.