Allgemeine Zeitung. Nr. 120. Augsburg, 29. April 1840.(Univers.) Obgleich die Regierung sich beeilt hat, durch den Telegraphen die Nachricht von der Annahme der Vermittlung Frankreichs von Seite Englands nach Marseille und von dort durch das Dampboot nach Neapel zu melden, drückten die Minister doch heute in der Deputirtenkammer die Besorgniß aus, daß diese Nachricht nicht bald genug ankommen dürfte, um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern. Die Quotidienne räth dem König von Neapel zu folgendem Widerstandssystem gegen England. Er solle Caperbriefe ausgeben, einen Aufruf an alle jene erlassen, welche sich ihres alten Soldatenhandwerks erinnerten, und diesen den Besitz unbebauter Ländereien in Sicilien zusichern. England werde dann erfahren, wie beliebt es seit 25 Jahren in Europa sey. (National.) Das Comite der Subscription Cormenin hat nach beharrlicher Weigerung des Hrn. Cormenin zur Annahme irgend einer Art von Belohnung geglaubt, den Wunsch der Geber nur dadurch erfüllen zu können, daß es Hrn. Cormenin eine Erz-Medaille von ganz geringem Preise überreiche, um das Andenken jenes denkwürdigen Siegs der Presse zu verweigern. Ebenso sollen, um dem Wunsche des Hrn. v. Cormenin zu entsprechen, und auf dessen Vorschlag, dem das Comite vollkommen beistimmt, aus der erhaltenen Summe fünf gleiche Theile gebildet, und fünf armen jungen Mädchen aus ebenso vielen durchs Loos bestimmten großen Städten gegeben werden. Jeder Theil soll bestehen aus 1200 Fr. Heirathgut, 200 Fr. Ausstattung und 100 Fr. Nadelgeld, im Ganzen 1500 Fr. Hr. Cormenin, welcher das Nadelgeld übernehmen wollte, hat zu dem Ende eine Zugabe vou 500 Fr. an das Comite eingesandt. Paris, 23 April. Ich werde heute die wichtigsten staatsökonomischen und staatsrechtlichen Dinge abhandeln; ich werde aus dem Grunde gründlich seyn. Es soll und muß endlich klar werden die so vielfach bestrittene Frage: ob es für einen Schuldner ökonomisch vortheilhafter sey, von einem Capital 4 1/2 Proc. Zinsen, oder aber 5 Proc. zu bezahlen? Es kann nicht länger unterschieden bleiben die in staats- und privatrechtlicher Hinsicht so vielfach in Anregung gebrachte Frage: ob ein Schuldner das Recht habe, seine Schulden zu bezahlen? oder ob er bis ans Ende der Zeiten in der Quasi-Hölle des Schuldenthurms verharren müsse? oder ob er nur wie in einem Quasi-Fegfeuer etliche Jahrzehnte oder Säcula darin zu verbleiben habe? Die Lösung dieser Fragen ist schwieriger, als Leute, die nur sogenannten gesunden Menschenverstand besitzen, wähnen mögen; sie bedenken nicht, daß es sich hier von öffentlichen Interessen handelt, wo die Politik uns in ihre Tiefen und Wirbel hineinzieht, wo Alles sich anders darstellt, als im ordinären Privatverhältniß. Zunächst führt uns unsre Untersuchung auf die Vorfrage: ob bei diesem Gegenstand die große Masse der armen Rentirer, oder aber die kleine Zahl der reichen Steuercontribuenten, z. B. der Agriculturisten und Manufacturisten, derer, die im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen, gemeinhin Nation genannt, besonders zu berücksichtigen sey? Das Journal des Debats dient uns zum sichern Führer. Man merke - das Journal spricht in Gleichnissen: "Die Staatseffecten oder sogenannten Rentenscheine, sind sie nicht Papiergeld? nein, besser als Papiergeld; sind sie nicht wirkliches Geld? nein, besser als wirkliches Geld. Gehen sie nicht von Hand zu Hand wie das Geld? Und besitzen nicht Rentenscheine vor der klingenden Baarschaft noch den unermeßlichen Vorzug, daß sie auch Renten bringen (woher sie vermuthlich den Namen haben), darin ganz verschieden vom Gelde, welches uns wohl auch dergleichen frucus civiles bringt, aber nur wenn man es aus dem Hause schafft, wenn man sich dessen entäußert, und wenn man dafür eine Hypothek einthut, die denn wohl fructus civiles bringt, aber bei weitem nicht jeden Tag so leicht umsetzbar ist wie das Geld, oder der ihm in dieser Beziehung gleichkommende Rentenschein. Geht nun dem Leser ein Licht auf? Sieht er nicht, daß ein Rentenschein, der noch besser ist als Geld, allerwenigstens so gut seyn muß als das Geld? daß folglich eine Abschätzung des Rentenscheins allerwenigstens so schlimm seyn muß, als eine Abschätzung des Geldes? Wo ist das Geld abgeschätzt worden? wann ist es abgeschätzt worden? was waren die Folgen dieser Abschätzung? Bringen nicht Actienscheine zur Zeit 6-8-10- ja 15 Proc. Dividende? Sind aber die Rentenscheine nicht Quasi-Actienscheine? Werden sie nicht wie die Actienscheine an der Börse von den Maklern ausgerufen, umgesetzt - quotirt? Sieht man nicht, daß in Folge der Rentenreduction der Werth der liegenden Güter sehr bedeutend vermindert werden muß? - furchtbar aber wahr - denn alles, was die Ausgaben vermindert, muß auch die Abgaben vermindern, und es ist bekannt, daß je geringer die Abgaben, um so geringer der Werth des liegenden Eigenthums. Ferner: wie viel denn kann im Ganzen erspart werden? Lumpige tausend Millionen - Was sind aber tausend Millionen für ein Land wie Frankreich im Vergleich mit so traurigen Wirkungen der Staatsausgaben- und Abgabenverminderung? Endlich zum Princip der Thunlichkeit - wie ist die Ausführung der Maaßregel möglich? Nie - nimmer - Privatschulden sind heimzahlbar. Ja! wo es sich um die Tilgung einer Schuld von einer Million, von zehn Millionen, ja von fünfzig, oder von hundert Millionen handelt - das ist allenfalls noch möglich - davon hat man Beispiele - das übersteigt nicht menschliche Vorstellungen und Kräfte. Wo in aller Welt aber hat man je eine Schuld von 3 bis 4 Milliarden tilgen oder verwandeln sehen? Das ist absurd. Das würde vier Wochen, drei Monate, ja vielleicht gar sechs Monate dauern; und was konnte in dieser Zeit passiren? Der Himmel weiß was." - Ich glaubte Ihnen einen gründlichen Bericht geben zu müssen über die geistreiche und gründliche Art und Weise, womit in dieser herrlichen Zeit der Wahrheit, des großartigen Strebens und der Entschiedenheit politisch-ökonomische und staatsrechtliche Fragen von den loyalsten und gründlichsten aller französischen Publicisten behandelt werden. Die Kammer, scheint's, will auf dem unsichern und falschen Weg des gesunden Menschenverstandes vorwärts schreiten. Garnier Pages trägt die Fahne, und man sieht in dieser Stellung nicht die mindeste Gefahr. Das Journal des Debats vertraut auf seine geharnischten Deductionen, und eine gewisse Partei ist sehr ruhig, und hofft die schönsten Früchte von dem gelehrten und tüchtigen Streben des weisen Journals. Ja das Journal des Debats gibt sich nicht einmal die Mühe, den gefährlichsten aller Grundsätze, den je eine radicale Partei aufgestellt hat, den Grundsatz, daß die Verminderung des Nationalcapitals die Zustände der Arbeiter verbessere - diesen von Garnier Pages mit großer Kunst der Dialektik aufgestellten und durchgeführten, offenbar aber grundfalschen, und auf den Umsturz des Eigenthums und die Erhebung der Proletarier, auf eine sociale Revolution abzielenden Satz nimmt das weiseste aller politischen Journale, dieser Pfeiler des alten Juste-Milieu, nicht einmal sich die Mühe zu widerlegen. Oder sieht das weise Journal nicht so tief in seinem ultramonarchischen Eifer? Um den Hamstern und Kornmäusen zu Ohren zu reden, verschafft es den Tigern und Löwen die herrlichste Gelegenheit sich populär zu machen. - Das Ministerium benimmt sich in dieser Sache so gut, als es unter den vorwaltenden Umständen möglich ist, und es ist sonnenklar, daß sein guter Wille, (Univers.) Obgleich die Regierung sich beeilt hat, durch den Telegraphen die Nachricht von der Annahme der Vermittlung Frankreichs von Seite Englands nach Marseille und von dort durch das Dampboot nach Neapel zu melden, drückten die Minister doch heute in der Deputirtenkammer die Besorgniß aus, daß diese Nachricht nicht bald genug ankommen dürfte, um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern. Die Quotidienne räth dem König von Neapel zu folgendem Widerstandssystem gegen England. Er solle Caperbriefe ausgeben, einen Aufruf an alle jene erlassen, welche sich ihres alten Soldatenhandwerks erinnerten, und diesen den Besitz unbebauter Ländereien in Sicilien zusichern. England werde dann erfahren, wie beliebt es seit 25 Jahren in Europa sey. (National.) Das Comité der Subscription Cormenin hat nach beharrlicher Weigerung des Hrn. Cormenin zur Annahme irgend einer Art von Belohnung geglaubt, den Wunsch der Geber nur dadurch erfüllen zu können, daß es Hrn. Cormenin eine Erz-Medaille von ganz geringem Preise überreiche, um das Andenken jenes denkwürdigen Siegs der Presse zu verweigern. Ebenso sollen, um dem Wunsche des Hrn. v. Cormenin zu entsprechen, und auf dessen Vorschlag, dem das Comité vollkommen beistimmt, aus der erhaltenen Summe fünf gleiche Theile gebildet, und fünf armen jungen Mädchen aus ebenso vielen durchs Loos bestimmten großen Städten gegeben werden. Jeder Theil soll bestehen aus 1200 Fr. Heirathgut, 200 Fr. Ausstattung und 100 Fr. Nadelgeld, im Ganzen 1500 Fr. Hr. Cormenin, welcher das Nadelgeld übernehmen wollte, hat zu dem Ende eine Zugabe vou 500 Fr. an das Comité eingesandt. Paris, 23 April. Ich werde heute die wichtigsten staatsökonomischen und staatsrechtlichen Dinge abhandeln; ich werde aus dem Grunde gründlich seyn. Es soll und muß endlich klar werden die so vielfach bestrittene Frage: ob es für einen Schuldner ökonomisch vortheilhafter sey, von einem Capital 4 1/2 Proc. Zinsen, oder aber 5 Proc. zu bezahlen? Es kann nicht länger unterschieden bleiben die in staats- und privatrechtlicher Hinsicht so vielfach in Anregung gebrachte Frage: ob ein Schuldner das Recht habe, seine Schulden zu bezahlen? oder ob er bis ans Ende der Zeiten in der Quasi-Hölle des Schuldenthurms verharren müsse? oder ob er nur wie in einem Quasi-Fegfeuer etliche Jahrzehnte oder Säcula darin zu verbleiben habe? Die Lösung dieser Fragen ist schwieriger, als Leute, die nur sogenannten gesunden Menschenverstand besitzen, wähnen mögen; sie bedenken nicht, daß es sich hier von öffentlichen Interessen handelt, wo die Politik uns in ihre Tiefen und Wirbel hineinzieht, wo Alles sich anders darstellt, als im ordinären Privatverhältniß. Zunächst führt uns unsre Untersuchung auf die Vorfrage: ob bei diesem Gegenstand die große Masse der armen Rentirer, oder aber die kleine Zahl der reichen Steuercontribuenten, z. B. der Agriculturisten und Manufacturisten, derer, die im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen, gemeinhin Nation genannt, besonders zu berücksichtigen sey? Das Journal des Débats dient uns zum sichern Führer. Man merke – das Journal spricht in Gleichnissen: „Die Staatseffecten oder sogenannten Rentenscheine, sind sie nicht Papiergeld? nein, besser als Papiergeld; sind sie nicht wirkliches Geld? nein, besser als wirkliches Geld. Gehen sie nicht von Hand zu Hand wie das Geld? Und besitzen nicht Rentenscheine vor der klingenden Baarschaft noch den unermeßlichen Vorzug, daß sie auch Renten bringen (woher sie vermuthlich den Namen haben), darin ganz verschieden vom Gelde, welches uns wohl auch dergleichen frucus civiles bringt, aber nur wenn man es aus dem Hause schafft, wenn man sich dessen entäußert, und wenn man dafür eine Hypothek einthut, die denn wohl fructus civiles bringt, aber bei weitem nicht jeden Tag so leicht umsetzbar ist wie das Geld, oder der ihm in dieser Beziehung gleichkommende Rentenschein. Geht nun dem Leser ein Licht auf? Sieht er nicht, daß ein Rentenschein, der noch besser ist als Geld, allerwenigstens so gut seyn muß als das Geld? daß folglich eine Abschätzung des Rentenscheins allerwenigstens so schlimm seyn muß, als eine Abschätzung des Geldes? Wo ist das Geld abgeschätzt worden? wann ist es abgeschätzt worden? was waren die Folgen dieser Abschätzung? Bringen nicht Actienscheine zur Zeit 6-8-10- ja 15 Proc. Dividende? Sind aber die Rentenscheine nicht Quasi-Actienscheine? Werden sie nicht wie die Actienscheine an der Börse von den Maklern ausgerufen, umgesetzt – quotirt? Sieht man nicht, daß in Folge der Rentenreduction der Werth der liegenden Güter sehr bedeutend vermindert werden muß? – furchtbar aber wahr – denn alles, was die Ausgaben vermindert, muß auch die Abgaben vermindern, und es ist bekannt, daß je geringer die Abgaben, um so geringer der Werth des liegenden Eigenthums. Ferner: wie viel denn kann im Ganzen erspart werden? Lumpige tausend Millionen – Was sind aber tausend Millionen für ein Land wie Frankreich im Vergleich mit so traurigen Wirkungen der Staatsausgaben- und Abgabenverminderung? Endlich zum Princip der Thunlichkeit – wie ist die Ausführung der Maaßregel möglich? Nie – nimmer – Privatschulden sind heimzahlbar. Ja! wo es sich um die Tilgung einer Schuld von einer Million, von zehn Millionen, ja von fünfzig, oder von hundert Millionen handelt – das ist allenfalls noch möglich – davon hat man Beispiele – das übersteigt nicht menschliche Vorstellungen und Kräfte. Wo in aller Welt aber hat man je eine Schuld von 3 bis 4 Milliarden tilgen oder verwandeln sehen? Das ist absurd. Das würde vier Wochen, drei Monate, ja vielleicht gar sechs Monate dauern; und was konnte in dieser Zeit passiren? Der Himmel weiß was.“ – Ich glaubte Ihnen einen gründlichen Bericht geben zu müssen über die geistreiche und gründliche Art und Weise, womit in dieser herrlichen Zeit der Wahrheit, des großartigen Strebens und der Entschiedenheit politisch-ökonomische und staatsrechtliche Fragen von den loyalsten und gründlichsten aller französischen Publicisten behandelt werden. Die Kammer, scheint's, will auf dem unsichern und falschen Weg des gesunden Menschenverstandes vorwärts schreiten. Garnier Pagès trägt die Fahne, und man sieht in dieser Stellung nicht die mindeste Gefahr. Das Journal des Débats vertraut auf seine geharnischten Deductionen, und eine gewisse Partei ist sehr ruhig, und hofft die schönsten Früchte von dem gelehrten und tüchtigen Streben des weisen Journals. Ja das Journal des Débats gibt sich nicht einmal die Mühe, den gefährlichsten aller Grundsätze, den je eine radicale Partei aufgestellt hat, den Grundsatz, daß die Verminderung des Nationalcapitals die Zustände der Arbeiter verbessere – diesen von Garnier Pagès mit großer Kunst der Dialektik aufgestellten und durchgeführten, offenbar aber grundfalschen, und auf den Umsturz des Eigenthums und die Erhebung der Proletarier, auf eine sociale Revolution abzielenden Satz nimmt das weiseste aller politischen Journale, dieser Pfeiler des alten Juste-Milieu, nicht einmal sich die Mühe zu widerlegen. Oder sieht das weise Journal nicht so tief in seinem ultramonarchischen Eifer? Um den Hamstern und Kornmäusen zu Ohren zu reden, verschafft es den Tigern und Löwen die herrlichste Gelegenheit sich populär zu machen. – Das Ministerium benimmt sich in dieser Sache so gut, als es unter den vorwaltenden Umständen möglich ist, und es ist sonnenklar, daß sein guter Wille, <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0004" n="0956"/> <p>(<hi rendition="#g">Univers</hi>.) Obgleich die Regierung sich beeilt hat, durch den Telegraphen die Nachricht von der Annahme der Vermittlung Frankreichs von Seite Englands nach Marseille und von dort durch das Dampboot nach Neapel zu melden, drückten die Minister doch heute in der Deputirtenkammer die Besorgniß aus, daß diese Nachricht nicht bald genug ankommen dürfte, um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Quotidienne</hi> räth dem König von Neapel zu folgendem Widerstandssystem gegen England. 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Es kann nicht länger unterschieden bleiben die in staats- und privatrechtlicher Hinsicht so vielfach in Anregung gebrachte Frage: ob ein Schuldner das Recht habe, seine Schulden zu bezahlen? oder ob er bis ans Ende der Zeiten in der Quasi-Hölle des Schuldenthurms verharren müsse? oder ob er nur wie in einem Quasi-Fegfeuer etliche Jahrzehnte oder Säcula darin zu verbleiben habe? Die Lösung dieser Fragen ist schwieriger, als Leute, die nur sogenannten gesunden Menschenverstand besitzen, wähnen mögen; sie bedenken nicht, daß es sich hier von öffentlichen Interessen handelt, wo die Politik uns in ihre Tiefen und Wirbel hineinzieht, wo Alles sich anders darstellt, als im ordinären Privatverhältniß. Zunächst führt uns unsre Untersuchung auf die Vorfrage: ob bei diesem Gegenstand die große Masse der armen Rentirer, oder aber die kleine Zahl der reichen Steuercontribuenten, z. B. der Agriculturisten und Manufacturisten, derer, die im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen, gemeinhin Nation genannt, besonders zu berücksichtigen sey? Das Journal des Débats dient uns zum sichern Führer. Man merke – das Journal spricht in Gleichnissen: „Die Staatseffecten oder sogenannten Rentenscheine, sind sie nicht Papiergeld? nein, besser als Papiergeld; sind sie nicht wirkliches Geld? nein, besser als wirkliches Geld. Gehen sie nicht von Hand zu Hand wie das Geld? Und besitzen nicht Rentenscheine vor der klingenden Baarschaft noch den unermeßlichen Vorzug, daß sie auch Renten bringen (woher sie vermuthlich den Namen haben), darin ganz verschieden vom Gelde, welches uns wohl auch dergleichen frucus civiles bringt, aber nur wenn man es aus dem Hause schafft, wenn man sich dessen entäußert, und wenn man dafür eine Hypothek einthut, die denn wohl fructus civiles bringt, aber bei weitem nicht jeden Tag so leicht umsetzbar ist wie das Geld, oder der ihm in dieser Beziehung gleichkommende Rentenschein. Geht nun dem Leser ein Licht auf? Sieht er nicht, daß ein Rentenschein, der noch <hi rendition="#g">besser</hi> ist als Geld, allerwenigstens so <hi rendition="#g">gut</hi> seyn muß als das Geld? daß folglich eine Abschätzung des Rentenscheins allerwenigstens so schlimm seyn muß, als eine Abschätzung des Geldes? Wo ist das Geld abgeschätzt worden? wann ist es abgeschätzt worden? was waren die Folgen dieser Abschätzung? Bringen nicht Actienscheine zur Zeit 6-8-10- ja 15 Proc. Dividende? Sind aber die Rentenscheine nicht Quasi-Actienscheine? Werden sie nicht wie die Actienscheine an der Börse von den Maklern ausgerufen, umgesetzt – quotirt? Sieht man nicht, daß in Folge der Rentenreduction der Werth der liegenden Güter sehr bedeutend vermindert werden muß? – furchtbar aber wahr – denn alles, was die Ausgaben vermindert, muß auch die Abgaben vermindern, und es ist bekannt, daß je geringer die Abgaben, um so geringer der Werth des liegenden Eigenthums. Ferner: wie viel denn kann im Ganzen erspart werden? Lumpige tausend Millionen – Was sind aber tausend Millionen für ein Land wie Frankreich im Vergleich mit so traurigen Wirkungen der Staatsausgaben- und Abgabenverminderung? Endlich zum Princip der Thunlichkeit – wie ist die Ausführung der Maaßregel möglich? Nie – nimmer – Privatschulden sind heimzahlbar. Ja! wo es sich um die Tilgung einer Schuld von einer Million, von zehn Millionen, ja von fünfzig, oder von hundert Millionen handelt – das ist allenfalls noch möglich – davon hat man Beispiele – das übersteigt nicht menschliche Vorstellungen und Kräfte. Wo in aller Welt aber hat man je eine Schuld von 3 bis 4 Milliarden tilgen oder verwandeln sehen? Das ist absurd. Das würde vier Wochen, drei Monate, ja vielleicht gar sechs Monate dauern; und was konnte in dieser Zeit passiren? Der Himmel weiß was.“ – Ich glaubte Ihnen einen gründlichen Bericht geben zu müssen über die geistreiche und gründliche Art und Weise, womit in dieser herrlichen Zeit der Wahrheit, des großartigen Strebens und der Entschiedenheit politisch-ökonomische und staatsrechtliche Fragen von den loyalsten und gründlichsten aller französischen Publicisten behandelt werden. Die Kammer, scheint's, will auf dem unsichern und falschen Weg des gesunden Menschenverstandes vorwärts schreiten. Garnier Pagès trägt die Fahne, und man sieht in dieser Stellung nicht die mindeste Gefahr. Das Journal des Débats vertraut auf seine geharnischten Deductionen, und eine gewisse Partei ist sehr ruhig, und hofft die schönsten Früchte von dem gelehrten und tüchtigen Streben des weisen Journals. Ja das Journal des Débats gibt sich nicht einmal die Mühe, den gefährlichsten aller Grundsätze, den je eine radicale Partei aufgestellt hat, den Grundsatz, daß die Verminderung des Nationalcapitals die Zustände der Arbeiter verbessere – diesen von Garnier Pagès mit großer Kunst der Dialektik aufgestellten und durchgeführten, offenbar aber grundfalschen, und auf den Umsturz des Eigenthums und die Erhebung der Proletarier, auf eine sociale Revolution abzielenden Satz nimmt das weiseste aller politischen Journale, dieser Pfeiler des alten Juste-Milieu, nicht einmal sich die Mühe zu widerlegen. Oder sieht das weise Journal nicht so tief in seinem ultramonarchischen Eifer? Um den Hamstern und Kornmäusen zu Ohren zu reden, verschafft es den Tigern und Löwen die herrlichste Gelegenheit sich populär zu machen. – Das Ministerium benimmt sich in dieser Sache so gut, als es unter den vorwaltenden Umständen möglich ist, und es ist sonnenklar, daß sein guter Wille,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0956/0004]
(Univers.) Obgleich die Regierung sich beeilt hat, durch den Telegraphen die Nachricht von der Annahme der Vermittlung Frankreichs von Seite Englands nach Marseille und von dort durch das Dampboot nach Neapel zu melden, drückten die Minister doch heute in der Deputirtenkammer die Besorgniß aus, daß diese Nachricht nicht bald genug ankommen dürfte, um den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern.
Die Quotidienne räth dem König von Neapel zu folgendem Widerstandssystem gegen England. Er solle Caperbriefe ausgeben, einen Aufruf an alle jene erlassen, welche sich ihres alten Soldatenhandwerks erinnerten, und diesen den Besitz unbebauter Ländereien in Sicilien zusichern. England werde dann erfahren, wie beliebt es seit 25 Jahren in Europa sey.
(National.) Das Comité der Subscription Cormenin hat nach beharrlicher Weigerung des Hrn. Cormenin zur Annahme irgend einer Art von Belohnung geglaubt, den Wunsch der Geber nur dadurch erfüllen zu können, daß es Hrn. Cormenin eine Erz-Medaille von ganz geringem Preise überreiche, um das Andenken jenes denkwürdigen Siegs der Presse zu verweigern. Ebenso sollen, um dem Wunsche des Hrn. v. Cormenin zu entsprechen, und auf dessen Vorschlag, dem das Comité vollkommen beistimmt, aus der erhaltenen Summe fünf gleiche Theile gebildet, und fünf armen jungen Mädchen aus ebenso vielen durchs Loos bestimmten großen Städten gegeben werden. Jeder Theil soll bestehen aus 1200 Fr. Heirathgut, 200 Fr. Ausstattung und 100 Fr. Nadelgeld, im Ganzen 1500 Fr. Hr. Cormenin, welcher das Nadelgeld übernehmen wollte, hat zu dem Ende eine Zugabe vou 500 Fr. an das Comité eingesandt.
_ Paris, 23 April. Ich werde heute die wichtigsten staatsökonomischen und staatsrechtlichen Dinge abhandeln; ich werde aus dem Grunde gründlich seyn. Es soll und muß endlich klar werden die so vielfach bestrittene Frage: ob es für einen Schuldner ökonomisch vortheilhafter sey, von einem Capital 4 1/2 Proc. Zinsen, oder aber 5 Proc. zu bezahlen? Es kann nicht länger unterschieden bleiben die in staats- und privatrechtlicher Hinsicht so vielfach in Anregung gebrachte Frage: ob ein Schuldner das Recht habe, seine Schulden zu bezahlen? oder ob er bis ans Ende der Zeiten in der Quasi-Hölle des Schuldenthurms verharren müsse? oder ob er nur wie in einem Quasi-Fegfeuer etliche Jahrzehnte oder Säcula darin zu verbleiben habe? Die Lösung dieser Fragen ist schwieriger, als Leute, die nur sogenannten gesunden Menschenverstand besitzen, wähnen mögen; sie bedenken nicht, daß es sich hier von öffentlichen Interessen handelt, wo die Politik uns in ihre Tiefen und Wirbel hineinzieht, wo Alles sich anders darstellt, als im ordinären Privatverhältniß. Zunächst führt uns unsre Untersuchung auf die Vorfrage: ob bei diesem Gegenstand die große Masse der armen Rentirer, oder aber die kleine Zahl der reichen Steuercontribuenten, z. B. der Agriculturisten und Manufacturisten, derer, die im Schweiß ihres Angesichts ihr Brod essen, gemeinhin Nation genannt, besonders zu berücksichtigen sey? Das Journal des Débats dient uns zum sichern Führer. Man merke – das Journal spricht in Gleichnissen: „Die Staatseffecten oder sogenannten Rentenscheine, sind sie nicht Papiergeld? nein, besser als Papiergeld; sind sie nicht wirkliches Geld? nein, besser als wirkliches Geld. Gehen sie nicht von Hand zu Hand wie das Geld? Und besitzen nicht Rentenscheine vor der klingenden Baarschaft noch den unermeßlichen Vorzug, daß sie auch Renten bringen (woher sie vermuthlich den Namen haben), darin ganz verschieden vom Gelde, welches uns wohl auch dergleichen frucus civiles bringt, aber nur wenn man es aus dem Hause schafft, wenn man sich dessen entäußert, und wenn man dafür eine Hypothek einthut, die denn wohl fructus civiles bringt, aber bei weitem nicht jeden Tag so leicht umsetzbar ist wie das Geld, oder der ihm in dieser Beziehung gleichkommende Rentenschein. Geht nun dem Leser ein Licht auf? Sieht er nicht, daß ein Rentenschein, der noch besser ist als Geld, allerwenigstens so gut seyn muß als das Geld? daß folglich eine Abschätzung des Rentenscheins allerwenigstens so schlimm seyn muß, als eine Abschätzung des Geldes? Wo ist das Geld abgeschätzt worden? wann ist es abgeschätzt worden? was waren die Folgen dieser Abschätzung? Bringen nicht Actienscheine zur Zeit 6-8-10- ja 15 Proc. Dividende? Sind aber die Rentenscheine nicht Quasi-Actienscheine? Werden sie nicht wie die Actienscheine an der Börse von den Maklern ausgerufen, umgesetzt – quotirt? Sieht man nicht, daß in Folge der Rentenreduction der Werth der liegenden Güter sehr bedeutend vermindert werden muß? – furchtbar aber wahr – denn alles, was die Ausgaben vermindert, muß auch die Abgaben vermindern, und es ist bekannt, daß je geringer die Abgaben, um so geringer der Werth des liegenden Eigenthums. Ferner: wie viel denn kann im Ganzen erspart werden? Lumpige tausend Millionen – Was sind aber tausend Millionen für ein Land wie Frankreich im Vergleich mit so traurigen Wirkungen der Staatsausgaben- und Abgabenverminderung? Endlich zum Princip der Thunlichkeit – wie ist die Ausführung der Maaßregel möglich? Nie – nimmer – Privatschulden sind heimzahlbar. Ja! wo es sich um die Tilgung einer Schuld von einer Million, von zehn Millionen, ja von fünfzig, oder von hundert Millionen handelt – das ist allenfalls noch möglich – davon hat man Beispiele – das übersteigt nicht menschliche Vorstellungen und Kräfte. Wo in aller Welt aber hat man je eine Schuld von 3 bis 4 Milliarden tilgen oder verwandeln sehen? Das ist absurd. Das würde vier Wochen, drei Monate, ja vielleicht gar sechs Monate dauern; und was konnte in dieser Zeit passiren? Der Himmel weiß was.“ – Ich glaubte Ihnen einen gründlichen Bericht geben zu müssen über die geistreiche und gründliche Art und Weise, womit in dieser herrlichen Zeit der Wahrheit, des großartigen Strebens und der Entschiedenheit politisch-ökonomische und staatsrechtliche Fragen von den loyalsten und gründlichsten aller französischen Publicisten behandelt werden. Die Kammer, scheint's, will auf dem unsichern und falschen Weg des gesunden Menschenverstandes vorwärts schreiten. Garnier Pagès trägt die Fahne, und man sieht in dieser Stellung nicht die mindeste Gefahr. Das Journal des Débats vertraut auf seine geharnischten Deductionen, und eine gewisse Partei ist sehr ruhig, und hofft die schönsten Früchte von dem gelehrten und tüchtigen Streben des weisen Journals. Ja das Journal des Débats gibt sich nicht einmal die Mühe, den gefährlichsten aller Grundsätze, den je eine radicale Partei aufgestellt hat, den Grundsatz, daß die Verminderung des Nationalcapitals die Zustände der Arbeiter verbessere – diesen von Garnier Pagès mit großer Kunst der Dialektik aufgestellten und durchgeführten, offenbar aber grundfalschen, und auf den Umsturz des Eigenthums und die Erhebung der Proletarier, auf eine sociale Revolution abzielenden Satz nimmt das weiseste aller politischen Journale, dieser Pfeiler des alten Juste-Milieu, nicht einmal sich die Mühe zu widerlegen. Oder sieht das weise Journal nicht so tief in seinem ultramonarchischen Eifer? Um den Hamstern und Kornmäusen zu Ohren zu reden, verschafft es den Tigern und Löwen die herrlichste Gelegenheit sich populär zu machen. – Das Ministerium benimmt sich in dieser Sache so gut, als es unter den vorwaltenden Umständen möglich ist, und es ist sonnenklar, daß sein guter Wille,
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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