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Allgemeine Zeitung. Nr. 117. Augsburg, 26. April 1840.

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Aegypten.

Wir erhielten gestern und heute über Livorno Briefe aus Alexandrien vom 26 v. M. des Inhalts, daß die mehrfach erwähnten sieben Juden in Damaskus hingerichtet worden sind, nachdem man ihnen durch die Tortur das Geständniß abgezwungen hatte, den Mord an Pater Thomas begangen zu haben, daß aber dann der wirkliche Mörder, ein Druse, aufgefunden wurde *)*), und daß man nun wisse, daß auch nicht ein Jude an dem schändlichen Verbrechen Theil genommen habe. Die jüdische Gemeinde in Alexandrien will beim Vicekönig auf eine öffentliche Ehrenerklärung antragen. Zwischen morgen und übermorgen trifft hier das Dampfboot mit Berichten aus Alexandrien vom 7 April ein, und da dürften wir wohl Ausführlicheres erhalten über den fraglichen Gegenstand, der in einem so gehässigen Lichte dargestellt wurde.

Das heut hier eingelaufene Dampfboot Barone Eichhof brachte Briefe aus Alexandria vom 7 d., welchen zufolge eine baldige entscheidende Krisis zu erwarten steht. Die Hauptveranlassung dürfte der brittische Generalconsul, Hr. Hodges, gegeben haben. Dieser forderte nämlich am 1 April den Vicekönig im Namen seiner Regierung auf, die türkische Flotte sofort segelfertig zu machen, und dieselbe nach Konstantinopel zurückzuschicken. Hr. Hodges blieb hierbei nicht stehen, sondern ließ die Flottenmannschaft wissen, er werde einen jeden, welcher sich von der Flotte entfernen wolle, unter brittischen Schutz nehmen. Der Vicekönig war darüber höchst entrüstet, erklärte, einen jeden, welchen Ranges er auch sey, füsiliren zu lassen, der sich erkühnen werde, ohne seinen Willen die Flotte zu verlassen, Hrn. Hodges aber sagte er rund heraus, daß er sich keine Gesetze vorschreiben lasse, und seine Rechte zu behaupten wissen werde, man möge thun, was man wolle. Am darauf folgenden Tage ernannte er Achmet Pascha zum Großadmiral der vereinigten türkischen und ägyptischen Flotte; den Mustapha Pascha entsetzte er seiner Würde, unter dem Vorwand, daß er die Flucht mehrerer türkischen Soldaten begünstigt habe.

Nach Abgang des letzten Paketbootes hatte Oberst Hodges mit dem Pascha mehrere lange Unterredungen, nicht, wie es scheint, um ihm von Seite seines Hofes bestimmte Notificationen zu machen, sondern ihn von den Bedingungen in Kenntniß zu setzen, welche England von ihm verlangt, und die es zur Abschließung eines dauerhaften Friedens zwischen ihm und der Pforte als absolut nöthig betrachtet. Diese Bedingungen sollen sehr hart seyn; man kennt sie nicht genau, indessen ist die Abtretung Syriens an die Pforte eine derselben. Hr. Hodges soll dem Pascha erklärt haben, daß ihm England erworbene Rechte auf gar nichts zugestehe, daß er Pascha der Pforte sey und weiter nichts, daß er sich glücklich schätzen müsse, wenn man ihm Aegypten lasse. Der Pascha soll bei dem Allem sehr kaltblütig geblieben seyn und bis heute nichts geantwortet haben, als daß er nicht das Mindeste von dem, was er in seiner Gewalt habe, heraus geben werde. Man sagt, daß Hr. Hodges, sobald er eine definitive Erklärung erhalten habe, das englische Kriegsdampfschiff Gorgon nach Malta senden werde. Der englische Consul war von Hrn. Allisson, der ihm, wie man sagt, von Lord Ponsonby als Rathgeber beigegeben worden, und welcher türkisch spricht, begleitet; jede der Unterhaltungen mit dem Pascha hat mehrere Stunden gedauert. Auch Hr. Cochelet hat lange Unterredungen mit dem Pascha gehabt, da, wie man sagt, derselbe von Hrn. Thiers den Auftrag erhalten, Mehemed Ali nochmals zu größerer Nachgiebigkeit, selbst zur freiwilligen Abtretung eines Theils von Syrien zu bestimmen, auf daß Frankreich ihm vielleicht den Rest retten könne; Hr. Cochelet hat aber den Pascha so hartnäckig als je gefunden: nichts trete er ab, er verhehle es sich nicht, daß er großes Spiel spiele; es sey indessen nicht das Erstemal, auch nicht das Erstemal, daß er Alles daran setze. - Hr. Cochelet scheint entmuthigt, denn bis jetzt hoffte er, daß, sobald einmal Frankreich mit den übrigen Mächten gemeinschaftliche Sache machen würde, der Pascha sich geschmeidiger für dessen Vorstellungen zeigen werde. - So stehen die Sachen jetzt. Daß der Pascha entschlossen ist, nur offener Gewalt zu weichen, beweisen neue Ordres, die gestern und vorgestern, zur Beschleunigung des Marsches auf hier an alle disponiblen Truppen, nach dem Innern abgegangen sind. Zwei Regimenter, die aus Arabien kommen, sind über el Arisch nach Syrien beordert; die erwartete Reiterei bezieht bei Ramley, zwischen hier und Abukir, ein Lager. - Der Pascha ist als ein kühner Mann bekannt, aber auch als ein Mann, der sein Interesse kennt, und nicht leicht den Don Quixote macht; sieht er einmal, daß die Uebermacht es ernstlich mit ihm nimmt, so wird er sich schon ergeben; aber er muß Ernst sehen, denn auf bloße Drohungen hin dasjenige abzutreten, was ein fünfjähriger Besitz ihm um so werther gemacht, wäre Kleinmuth, und kleinmüthig ist Mehemed Ali gewiß nicht. Wer kann indessen voraus wissen, ob er, wenn er einmal überzeugt ist, daß man Gewalt gegen ihn gebrauchen will, nicht seinen Sohn Ibrahim Pascha vorrücken läßt, um zu sehen, wie die Sachen sich dann gestalten; wer wird denselben aufhalten, wenn nicht russische Truppen in Konstantinopel oder englische in Syrien landen? Die orientalische Frage ist ihrem Ende noch nicht so nahe. Das Wichtigste ist für jetzt die Annäherung des französischen Cabinets an die von England gegen den Pascha befolgte Politik; anders darf man die durch Hrn. Cochelet dem Pascha gemachten Vorstellungen nicht deuten; man spricht nicht mehr von droits acquis, von Syrien, das dem Pascha zukommen müsse, man ladet ihn zu dessen Abtretung ein! - Sie können leicht denken, daß man seit einigen Tagen weder im Palaste noch in der Stadt guten Muthes ist. Die Uebellaune des Pascha's ist noch vermehrt worden durch die Flucht eines türkischen Linienschiffs-Capitäns mit zwanzig Mann; diese haben sich auf einem griechischen Kauffahrteischiffe vergangenen Sonntag am Eingange des Hafens eingeschifft; ein guter Südwind wehte, und in einigen Stunden waren sie außer Gesicht. Dieß beweist Ihnen, wie gern die Türken hier verweilen (wie einige Correspondenten von hier melden). Der Pascha hat nicht einmal gewagt, die so laut angekündigte Fusion der ägyptischen und türkischen Officiere vorzunehmen, vielweniger noch die der Matrosen, nur die ägyptische Uniform haben sie angelegt. Mustapha Pascha ist als Vekil des Kapudan Pascha (Said Pascha) anerkannt, und befehligt die Flotte, so weit dieß ihm Mehemed Ali gestattet; der Kapudan Pascha lebt in Kairo. - Man will hier die Nachricht erhalten haben, daß die Engländer einige mit Albanesen besetzte und auf hier bestimmte Schiffe in Corfu und Zante angehalten haben; diese Albaneser seyen auf Rechnung Mehemed Ali's angeworben worden, und sollen im Hedschas die hieher und nach Syrien beorderten Truppen ersetzen. England scheint für den Augenblick allein zu handeln; weder der russische noch der österreichische Consul haben sich in die Unterhandlungen gemischt.

*) Unsre directen Briefe aus Alexandria erwähnen davon nichts.
Aegypten.

Wir erhielten gestern und heute über Livorno Briefe aus Alexandrien vom 26 v. M. des Inhalts, daß die mehrfach erwähnten sieben Juden in Damaskus hingerichtet worden sind, nachdem man ihnen durch die Tortur das Geständniß abgezwungen hatte, den Mord an Pater Thomas begangen zu haben, daß aber dann der wirkliche Mörder, ein Druse, aufgefunden wurde *)*), und daß man nun wisse, daß auch nicht ein Jude an dem schändlichen Verbrechen Theil genommen habe. Die jüdische Gemeinde in Alexandrien will beim Vicekönig auf eine öffentliche Ehrenerklärung antragen. Zwischen morgen und übermorgen trifft hier das Dampfboot mit Berichten aus Alexandrien vom 7 April ein, und da dürften wir wohl Ausführlicheres erhalten über den fraglichen Gegenstand, der in einem so gehässigen Lichte dargestellt wurde.

Das heut hier eingelaufene Dampfboot Barone Eichhof brachte Briefe aus Alexandria vom 7 d., welchen zufolge eine baldige entscheidende Krisis zu erwarten steht. Die Hauptveranlassung dürfte der brittische Generalconsul, Hr. Hodges, gegeben haben. Dieser forderte nämlich am 1 April den Vicekönig im Namen seiner Regierung auf, die türkische Flotte sofort segelfertig zu machen, und dieselbe nach Konstantinopel zurückzuschicken. Hr. Hodges blieb hierbei nicht stehen, sondern ließ die Flottenmannschaft wissen, er werde einen jeden, welcher sich von der Flotte entfernen wolle, unter brittischen Schutz nehmen. Der Vicekönig war darüber höchst entrüstet, erklärte, einen jeden, welchen Ranges er auch sey, füsiliren zu lassen, der sich erkühnen werde, ohne seinen Willen die Flotte zu verlassen, Hrn. Hodges aber sagte er rund heraus, daß er sich keine Gesetze vorschreiben lasse, und seine Rechte zu behaupten wissen werde, man möge thun, was man wolle. Am darauf folgenden Tage ernannte er Achmet Pascha zum Großadmiral der vereinigten türkischen und ägyptischen Flotte; den Mustapha Pascha entsetzte er seiner Würde, unter dem Vorwand, daß er die Flucht mehrerer türkischen Soldaten begünstigt habe.

Nach Abgang des letzten Paketbootes hatte Oberst Hodges mit dem Pascha mehrere lange Unterredungen, nicht, wie es scheint, um ihm von Seite seines Hofes bestimmte Notificationen zu machen, sondern ihn von den Bedingungen in Kenntniß zu setzen, welche England von ihm verlangt, und die es zur Abschließung eines dauerhaften Friedens zwischen ihm und der Pforte als absolut nöthig betrachtet. Diese Bedingungen sollen sehr hart seyn; man kennt sie nicht genau, indessen ist die Abtretung Syriens an die Pforte eine derselben. Hr. Hodges soll dem Pascha erklärt haben, daß ihm England erworbene Rechte auf gar nichts zugestehe, daß er Pascha der Pforte sey und weiter nichts, daß er sich glücklich schätzen müsse, wenn man ihm Aegypten lasse. Der Pascha soll bei dem Allem sehr kaltblütig geblieben seyn und bis heute nichts geantwortet haben, als daß er nicht das Mindeste von dem, was er in seiner Gewalt habe, heraus geben werde. Man sagt, daß Hr. Hodges, sobald er eine definitive Erklärung erhalten habe, das englische Kriegsdampfschiff Gorgon nach Malta senden werde. Der englische Consul war von Hrn. Allisson, der ihm, wie man sagt, von Lord Ponsonby als Rathgeber beigegeben worden, und welcher türkisch spricht, begleitet; jede der Unterhaltungen mit dem Pascha hat mehrere Stunden gedauert. Auch Hr. Cochelet hat lange Unterredungen mit dem Pascha gehabt, da, wie man sagt, derselbe von Hrn. Thiers den Auftrag erhalten, Mehemed Ali nochmals zu größerer Nachgiebigkeit, selbst zur freiwilligen Abtretung eines Theils von Syrien zu bestimmen, auf daß Frankreich ihm vielleicht den Rest retten könne; Hr. Cochelet hat aber den Pascha so hartnäckig als je gefunden: nichts trete er ab, er verhehle es sich nicht, daß er großes Spiel spiele; es sey indessen nicht das Erstemal, auch nicht das Erstemal, daß er Alles daran setze. – Hr. Cochelet scheint entmuthigt, denn bis jetzt hoffte er, daß, sobald einmal Frankreich mit den übrigen Mächten gemeinschaftliche Sache machen würde, der Pascha sich geschmeidiger für dessen Vorstellungen zeigen werde. – So stehen die Sachen jetzt. Daß der Pascha entschlossen ist, nur offener Gewalt zu weichen, beweisen neue Ordres, die gestern und vorgestern, zur Beschleunigung des Marsches auf hier an alle disponiblen Truppen, nach dem Innern abgegangen sind. Zwei Regimenter, die aus Arabien kommen, sind über el Arisch nach Syrien beordert; die erwartete Reiterei bezieht bei Ramley, zwischen hier und Abukir, ein Lager. – Der Pascha ist als ein kühner Mann bekannt, aber auch als ein Mann, der sein Interesse kennt, und nicht leicht den Don Quixote macht; sieht er einmal, daß die Uebermacht es ernstlich mit ihm nimmt, so wird er sich schon ergeben; aber er muß Ernst sehen, denn auf bloße Drohungen hin dasjenige abzutreten, was ein fünfjähriger Besitz ihm um so werther gemacht, wäre Kleinmuth, und kleinmüthig ist Mehemed Ali gewiß nicht. Wer kann indessen voraus wissen, ob er, wenn er einmal überzeugt ist, daß man Gewalt gegen ihn gebrauchen will, nicht seinen Sohn Ibrahim Pascha vorrücken läßt, um zu sehen, wie die Sachen sich dann gestalten; wer wird denselben aufhalten, wenn nicht russische Truppen in Konstantinopel oder englische in Syrien landen? Die orientalische Frage ist ihrem Ende noch nicht so nahe. Das Wichtigste ist für jetzt die Annäherung des französischen Cabinets an die von England gegen den Pascha befolgte Politik; anders darf man die durch Hrn. Cochelet dem Pascha gemachten Vorstellungen nicht deuten; man spricht nicht mehr von droits acquis, von Syrien, das dem Pascha zukommen müsse, man ladet ihn zu dessen Abtretung ein! – Sie können leicht denken, daß man seit einigen Tagen weder im Palaste noch in der Stadt guten Muthes ist. Die Uebellaune des Pascha's ist noch vermehrt worden durch die Flucht eines türkischen Linienschiffs-Capitäns mit zwanzig Mann; diese haben sich auf einem griechischen Kauffahrteischiffe vergangenen Sonntag am Eingange des Hafens eingeschifft; ein guter Südwind wehte, und in einigen Stunden waren sie außer Gesicht. Dieß beweist Ihnen, wie gern die Türken hier verweilen (wie einige Correspondenten von hier melden). Der Pascha hat nicht einmal gewagt, die so laut angekündigte Fusion der ägyptischen und türkischen Officiere vorzunehmen, vielweniger noch die der Matrosen, nur die ägyptische Uniform haben sie angelegt. Mustapha Pascha ist als Vekil des Kapudan Pascha (Said Pascha) anerkannt, und befehligt die Flotte, so weit dieß ihm Mehemed Ali gestattet; der Kapudan Pascha lebt in Kairo. – Man will hier die Nachricht erhalten haben, daß die Engländer einige mit Albanesen besetzte und auf hier bestimmte Schiffe in Corfu und Zante angehalten haben; diese Albaneser seyen auf Rechnung Mehemed Ali's angeworben worden, und sollen im Hedschas die hieher und nach Syrien beorderten Truppen ersetzen. England scheint für den Augenblick allein zu handeln; weder der russische noch der österreichische Consul haben sich in die Unterhandlungen gemischt.

*) Unsre directen Briefe aus Alexandria erwähnen davon nichts.
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Hodges, sobald er eine definitive Erklärung erhalten habe, das englische Kriegsdampfschiff Gorgon nach Malta senden werde. Der englische Consul war von Hrn. Allisson, der ihm, wie man sagt, von Lord Ponsonby als Rathgeber beigegeben worden, und welcher türkisch spricht, begleitet; jede der Unterhaltungen mit dem Pascha hat mehrere Stunden gedauert. Auch Hr. Cochelet hat lange Unterredungen mit dem Pascha gehabt, da, wie man sagt, derselbe von Hrn. Thiers den Auftrag erhalten, Mehemed Ali nochmals zu größerer Nachgiebigkeit, selbst zur freiwilligen Abtretung eines Theils von Syrien zu bestimmen, auf daß Frankreich ihm vielleicht den Rest retten könne; Hr. Cochelet hat aber den Pascha so hartnäckig als je gefunden: nichts trete er ab, er verhehle es sich nicht, daß er großes Spiel spiele; es sey indessen nicht das Erstemal, auch nicht das Erstemal, daß er Alles daran setze. &#x2013; Hr. Cochelet scheint entmuthigt, denn bis jetzt hoffte er, daß, sobald einmal Frankreich mit den übrigen Mächten gemeinschaftliche Sache machen würde, der Pascha sich geschmeidiger für dessen Vorstellungen zeigen werde. &#x2013; So stehen die Sachen jetzt. Daß der Pascha entschlossen ist, nur offener Gewalt zu weichen, beweisen neue Ordres, die gestern und vorgestern, zur Beschleunigung des Marsches auf hier an alle disponiblen Truppen, nach dem Innern abgegangen sind. Zwei Regimenter, die aus Arabien kommen, sind über el Arisch nach Syrien beordert; die erwartete Reiterei bezieht bei Ramley, zwischen hier und Abukir, ein Lager. &#x2013; Der Pascha ist als ein kühner Mann bekannt, aber auch als ein Mann, der sein Interesse kennt, und nicht leicht den Don Quixote macht; sieht er einmal, daß die Uebermacht es ernstlich mit ihm nimmt, so wird er sich schon ergeben; aber er muß Ernst sehen, denn auf bloße Drohungen hin dasjenige abzutreten, was ein fünfjähriger Besitz ihm um so werther gemacht, wäre Kleinmuth, und kleinmüthig ist Mehemed Ali gewiß nicht. Wer kann indessen voraus wissen, ob er, wenn er einmal überzeugt ist, daß man Gewalt gegen ihn gebrauchen will, nicht seinen Sohn Ibrahim Pascha vorrücken läßt, um zu sehen, wie die Sachen sich dann gestalten; wer wird denselben aufhalten, wenn nicht russische Truppen in Konstantinopel oder englische in Syrien landen? Die orientalische Frage ist ihrem Ende noch nicht so nahe. Das Wichtigste ist für jetzt die Annäherung des französischen Cabinets an die von England gegen den Pascha befolgte Politik; anders darf man die durch Hrn. Cochelet dem Pascha gemachten Vorstellungen nicht deuten; man spricht nicht mehr von droits acquis, von Syrien, das dem Pascha zukommen müsse, man ladet ihn zu dessen Abtretung ein! &#x2013; Sie können leicht denken, daß man seit einigen Tagen weder im Palaste noch in der Stadt guten Muthes ist. Die Uebellaune des Pascha's ist noch vermehrt worden durch die Flucht eines türkischen Linienschiffs-Capitäns mit zwanzig Mann; diese haben sich auf einem griechischen Kauffahrteischiffe vergangenen Sonntag am Eingange des Hafens eingeschifft; ein guter Südwind wehte, und in einigen Stunden waren sie außer Gesicht. Dieß beweist Ihnen, wie gern die Türken hier verweilen (wie einige Correspondenten von hier melden). Der Pascha hat nicht einmal gewagt, die so laut angekündigte Fusion der ägyptischen und türkischen Officiere vorzunehmen, vielweniger noch die der Matrosen, nur die ägyptische Uniform haben sie angelegt. Mustapha Pascha ist als Vekil des Kapudan Pascha (Said Pascha) anerkannt, und befehligt die Flotte, so weit dieß ihm Mehemed Ali gestattet; der Kapudan Pascha lebt in Kairo. &#x2013; Man will hier die Nachricht erhalten haben, daß die Engländer einige mit Albanesen besetzte und auf hier bestimmte Schiffe in Corfu und Zante angehalten haben; diese Albaneser seyen auf Rechnung Mehemed Ali's angeworben worden, und sollen im Hedschas die hieher und nach Syrien beorderten Truppen ersetzen. England scheint für den Augenblick allein zu handeln; weder der russische noch der österreichische Consul haben sich in die Unterhandlungen gemischt.</p><lb/>
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[0935/0007] Aegypten. _ Triest, 19 April. Wir erhielten gestern und heute über Livorno Briefe aus Alexandrien vom 26 v. M. des Inhalts, daß die mehrfach erwähnten sieben Juden in Damaskus hingerichtet worden sind, nachdem man ihnen durch die Tortur das Geständniß abgezwungen hatte, den Mord an Pater Thomas begangen zu haben, daß aber dann der wirkliche Mörder, ein Druse, aufgefunden wurde *) *), und daß man nun wisse, daß auch nicht ein Jude an dem schändlichen Verbrechen Theil genommen habe. Die jüdische Gemeinde in Alexandrien will beim Vicekönig auf eine öffentliche Ehrenerklärung antragen. Zwischen morgen und übermorgen trifft hier das Dampfboot mit Berichten aus Alexandrien vom 7 April ein, und da dürften wir wohl Ausführlicheres erhalten über den fraglichen Gegenstand, der in einem so gehässigen Lichte dargestellt wurde. _ Triest, 20 April. Das heut hier eingelaufene Dampfboot Barone Eichhof brachte Briefe aus Alexandria vom 7 d., welchen zufolge eine baldige entscheidende Krisis zu erwarten steht. Die Hauptveranlassung dürfte der brittische Generalconsul, Hr. Hodges, gegeben haben. Dieser forderte nämlich am 1 April den Vicekönig im Namen seiner Regierung auf, die türkische Flotte sofort segelfertig zu machen, und dieselbe nach Konstantinopel zurückzuschicken. Hr. Hodges blieb hierbei nicht stehen, sondern ließ die Flottenmannschaft wissen, er werde einen jeden, welcher sich von der Flotte entfernen wolle, unter brittischen Schutz nehmen. Der Vicekönig war darüber höchst entrüstet, erklärte, einen jeden, welchen Ranges er auch sey, füsiliren zu lassen, der sich erkühnen werde, ohne seinen Willen die Flotte zu verlassen, Hrn. Hodges aber sagte er rund heraus, daß er sich keine Gesetze vorschreiben lasse, und seine Rechte zu behaupten wissen werde, man möge thun, was man wolle. Am darauf folgenden Tage ernannte er Achmet Pascha zum Großadmiral der vereinigten türkischen und ägyptischen Flotte; den Mustapha Pascha entsetzte er seiner Würde, unter dem Vorwand, daß er die Flucht mehrerer türkischen Soldaten begünstigt habe. _ Alexandria, 1 April. Nach Abgang des letzten Paketbootes hatte Oberst Hodges mit dem Pascha mehrere lange Unterredungen, nicht, wie es scheint, um ihm von Seite seines Hofes bestimmte Notificationen zu machen, sondern ihn von den Bedingungen in Kenntniß zu setzen, welche England von ihm verlangt, und die es zur Abschließung eines dauerhaften Friedens zwischen ihm und der Pforte als absolut nöthig betrachtet. Diese Bedingungen sollen sehr hart seyn; man kennt sie nicht genau, indessen ist die Abtretung Syriens an die Pforte eine derselben. Hr. Hodges soll dem Pascha erklärt haben, daß ihm England erworbene Rechte auf gar nichts zugestehe, daß er Pascha der Pforte sey und weiter nichts, daß er sich glücklich schätzen müsse, wenn man ihm Aegypten lasse. Der Pascha soll bei dem Allem sehr kaltblütig geblieben seyn und bis heute nichts geantwortet haben, als daß er nicht das Mindeste von dem, was er in seiner Gewalt habe, heraus geben werde. Man sagt, daß Hr. Hodges, sobald er eine definitive Erklärung erhalten habe, das englische Kriegsdampfschiff Gorgon nach Malta senden werde. Der englische Consul war von Hrn. Allisson, der ihm, wie man sagt, von Lord Ponsonby als Rathgeber beigegeben worden, und welcher türkisch spricht, begleitet; jede der Unterhaltungen mit dem Pascha hat mehrere Stunden gedauert. Auch Hr. Cochelet hat lange Unterredungen mit dem Pascha gehabt, da, wie man sagt, derselbe von Hrn. Thiers den Auftrag erhalten, Mehemed Ali nochmals zu größerer Nachgiebigkeit, selbst zur freiwilligen Abtretung eines Theils von Syrien zu bestimmen, auf daß Frankreich ihm vielleicht den Rest retten könne; Hr. Cochelet hat aber den Pascha so hartnäckig als je gefunden: nichts trete er ab, er verhehle es sich nicht, daß er großes Spiel spiele; es sey indessen nicht das Erstemal, auch nicht das Erstemal, daß er Alles daran setze. – Hr. Cochelet scheint entmuthigt, denn bis jetzt hoffte er, daß, sobald einmal Frankreich mit den übrigen Mächten gemeinschaftliche Sache machen würde, der Pascha sich geschmeidiger für dessen Vorstellungen zeigen werde. – So stehen die Sachen jetzt. Daß der Pascha entschlossen ist, nur offener Gewalt zu weichen, beweisen neue Ordres, die gestern und vorgestern, zur Beschleunigung des Marsches auf hier an alle disponiblen Truppen, nach dem Innern abgegangen sind. Zwei Regimenter, die aus Arabien kommen, sind über el Arisch nach Syrien beordert; die erwartete Reiterei bezieht bei Ramley, zwischen hier und Abukir, ein Lager. – Der Pascha ist als ein kühner Mann bekannt, aber auch als ein Mann, der sein Interesse kennt, und nicht leicht den Don Quixote macht; sieht er einmal, daß die Uebermacht es ernstlich mit ihm nimmt, so wird er sich schon ergeben; aber er muß Ernst sehen, denn auf bloße Drohungen hin dasjenige abzutreten, was ein fünfjähriger Besitz ihm um so werther gemacht, wäre Kleinmuth, und kleinmüthig ist Mehemed Ali gewiß nicht. Wer kann indessen voraus wissen, ob er, wenn er einmal überzeugt ist, daß man Gewalt gegen ihn gebrauchen will, nicht seinen Sohn Ibrahim Pascha vorrücken läßt, um zu sehen, wie die Sachen sich dann gestalten; wer wird denselben aufhalten, wenn nicht russische Truppen in Konstantinopel oder englische in Syrien landen? Die orientalische Frage ist ihrem Ende noch nicht so nahe. Das Wichtigste ist für jetzt die Annäherung des französischen Cabinets an die von England gegen den Pascha befolgte Politik; anders darf man die durch Hrn. Cochelet dem Pascha gemachten Vorstellungen nicht deuten; man spricht nicht mehr von droits acquis, von Syrien, das dem Pascha zukommen müsse, man ladet ihn zu dessen Abtretung ein! – Sie können leicht denken, daß man seit einigen Tagen weder im Palaste noch in der Stadt guten Muthes ist. Die Uebellaune des Pascha's ist noch vermehrt worden durch die Flucht eines türkischen Linienschiffs-Capitäns mit zwanzig Mann; diese haben sich auf einem griechischen Kauffahrteischiffe vergangenen Sonntag am Eingange des Hafens eingeschifft; ein guter Südwind wehte, und in einigen Stunden waren sie außer Gesicht. Dieß beweist Ihnen, wie gern die Türken hier verweilen (wie einige Correspondenten von hier melden). Der Pascha hat nicht einmal gewagt, die so laut angekündigte Fusion der ägyptischen und türkischen Officiere vorzunehmen, vielweniger noch die der Matrosen, nur die ägyptische Uniform haben sie angelegt. Mustapha Pascha ist als Vekil des Kapudan Pascha (Said Pascha) anerkannt, und befehligt die Flotte, so weit dieß ihm Mehemed Ali gestattet; der Kapudan Pascha lebt in Kairo. – Man will hier die Nachricht erhalten haben, daß die Engländer einige mit Albanesen besetzte und auf hier bestimmte Schiffe in Corfu und Zante angehalten haben; diese Albaneser seyen auf Rechnung Mehemed Ali's angeworben worden, und sollen im Hedschas die hieher und nach Syrien beorderten Truppen ersetzen. England scheint für den Augenblick allein zu handeln; weder der russische noch der österreichische Consul haben sich in die Unterhandlungen gemischt. *) Unsre directen Briefe aus Alexandria erwähnen davon nichts.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 117. Augsburg, 26. April 1840, S. 0935. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_117_18400426/7>, abgerufen am 22.11.2024.