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Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840.

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wie in organischer Bildung ist die tertiäre Periode der heutigen in dem Grade ähnlich, in dem sie sich von der frühern secundären unterscheidet. Der Hauptpunkt ist, wie wohl Jedermann weiß, daß selbst in den jüngsten secundären Flötzen bis jetzt nur sehr zweifelhafte Spuren von Säugethieren entdeckt worden sind, daß aber mit den tertiären so ziemlich alle jetzt lebenden Geschlechter derselben auftreten. Während ferner in jenen eine Menge Seethiere vorkommen, deren Geschlechter jetzt nirgends mehr gefunden werden, sind sämmtliche in den tertiären Conglomeraten enthaltene Conchylien von den heutigen nur der Art nach, specifisch verschieden, oder aber mit ihnen identisch. Letzteres Verhältniß zeigt sich nun aber in den verschiedenen Bänken aufs mannichfachste combinirt: in den einen kommen fast lauter Arten von Schalthieren vor, welche von den heutigen etwas abweichen, in andern sind alle von den jetzt im anstoßenden Meere lebenden nicht zu unterscheiden. Jene Bildungen wird man natürlich als die relativ ältesten, diese als die jüngsten in Anspruch zu nehmen haben; aber innerhalb dieser extremen Fälle kommen in den verschiedenen Schichten fast alle möglichen Verhältnisse zwischen ausgestorbenen und existirenden Muschelarten vor. Und was hier von den Bewohnern des Meeres gesagt ist, gilt ebenso von denen der süßen Gewässer und den Resten der Landthiere. Dieser Umstand, in Verbindung mit dem andern, daß diese verhältnißmäßig nothwendig so neuen Ablagerungen nicht, wie die ältern Formationen, in weiter, gleichförmiger Erstreckung, sondern nur strich- und stellenweise über die Erde verbreitet sind, macht gerade diese modernen Urkunden der Erdbildung für uns am verworrensten, und ihre jedesmalige Bedeutung und ihr relatives Alter häufig äußerst dunkel, und man muß sich in letzterer Beziehung oft genug mit einem wenig sagenden Comparativ begnügen.

Diese in allen ihren Verhältnissen oft noch so räthselhaften Niederschläge des Meers und der süßen Gewässer rühren sämmtlich aus Zeiten her, wo abgesehen von der allgemeinen Temperatur, alles auf Erden bereits ungefähr so seyn mußte wie jetzt. Aber auch diese Bildungen des gestrigen und vorgestrigen Welttages haben sichtbar die mannichfachsten Hebungen erfahren, deren geologisches Alter aus demselben Grunde, welcher die zeitliche Rangordnung dieser Formationen so verworren macht, meistens sehr dunkel ist, die aber offenbar ununterbrochen in unsere Gegenwart hereinverlaufen und ursächlich mit den oben angeführten Wirkungen der Erdbeben zusammenfallen. Es ist bereits bemerkt worden, daß manche tertiäre Conglomerate noch von den jüngsten eigentlichen Gebirgserhebungen mit betroffen sind. Schon in den Pyrenäen zeigen sich Spuren hievon; aber die Hauptkette der Alpen ist bestimmt erst in einer Zeit aufgestiegen, wo sich die der tertiären Periode angehörigen Massen in den benachbarten Meeren bereits theilweise oder ganz gebildet hatten: auf den Kämmen der Alpen und in ihren Hochthälern liegen auf den secundären mächtige tertiäre Bänke. - Auf Sicilien zeigen sich Muschelbänke, in denen 95 Procent der Arten mit den noch jetzt im Mittelmeer lebenden völlig übereinkommen, 3000 Fuß über die See erhoben. - Abgesehen von solchen localen und gewaltsamen Auftreibungen müssen in derselben, relativ so neuen Zeit durch die unterirdischen Kräfte noch weit ausgedehntere Veränderungen bewirkt worden seyn, aber Allem nach durch sanfte, allmähliche Hebung. Die Lagerungsverhältnisse der tertiären Gebilde auf den großen Niederungen von Norddeutschland, Polen und Rußland, im Donau- und Rheinthal, in den abgeschlossenen Becken Böhmens und Ungarns, so wie in allen Ländern unsers Welttheils, lassen keinen Zweifel, daß Europa fast nach seiner ganzen Erstreckung langsam emporgestiegen ist. Die mit Seemuscheln der neuesten Zeit erfüllten Sand- und Lehmlager, welche oft tief im Lande und in bedeutender Mächtigkeit vorkommen, hatten sich offenbar auf dem Grunde von Binnenseen, Golfen und Meerengen gebildet, welche damals tief in den Welttheil einschnitten, und zwar zu einer Zeit, wo das Meer ganz oder fast ganz dieselben Bewohner nährte wie jetzt. Durch ein allmähliches Emporrücken des Continents wurden jene Meeresarme, so wie der Küstensaum in Festland verwandelt, und durch diesen unmerklichen Hebungsproceß erhielt unser Welttheil seine letzte Ausbildung. Ja, eine äußerst merkwürdige Erscheinung zeigt, daß dieser Proceß, wenigstens auf einem Punkte, noch jetzt ununterbrochen im Gange ist, und beseitigt völlig den Versuch, als ursachliches Moment nicht die Hebung des Landes, sondern das allgemeine Sinken des Meeres anzunehmen, mit welch letzterm übrigens die Thatsachen vorweg nie in Uebereinstimmung zu bringen wären. Die alte Beobachtung nämlich, daß die schwedische Küste langsam emporsteigt oder die See sich davon zurückzieht, ist in neuester Zeit, besonders durch den Engländer Lyell, vollkommen bestätigt worden. Es ist ausgemacht, daß die Uferränder des Landes an der Ostsee und dem bothnischen Busen stetig, um wenige Fuße im Jahrhundert, aufgehoben werden, so daß nach und nach immer mehr Küsteninseln oder Scheeren mit dem Lande verschmelzen, die Canäle zwischen den vorhandenen Scheeren immer seichter werden und seewärts immer neue Klippen, welche früher beständig von der See bedeckt waren, zu Tage kommen. Aus einem Sinken des Meeresspiegels ist die Erscheinung keineswegs zu erklären; denn ungerechnet, daß in einer gegebenen Zeit die Veränderung des Niveau an einem Punkt merklich stärker ist als an einem andern, müßte ja in jener Voraussetzung die Erscheinung an der gegenüberliegenden deutschen Küste gleichmäßig beobachtet werden, was gar nicht der Fall ist. Bänke voll Muscheln, wie sie noch jetzt im baltischen Meere leben, liegen in Schweden oft tief im Lande in den verschiedensten Höhen über der See bis zu mehreren Hundert Fußen; ja es wurde dort eine Fischerhütte unter einem 64 Fuß mächtigen Mergellager ausgegraben.

Diese überraschende, ganz ungeahnte Erscheinung von Bänken, die, Schalthiere der heutigen benachbarten Meere enthaltend, mehr oder minder hoch über dem jetzigen Meeresspiegel liegen, wurde, als einmal die Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, an den verschiedensten, von Europäern besuchten Küsten beobachtet. Sie wiederholt sich an vielen Küstenpunkten von England, Schottland, Irland, Frankreich, am Mittelmeer, am Hellespont, am rothen Meer, auf Timor, am Cap, auf St. Domingo, an der Küste von Nordamerika, an der Westküste von Südamerika u. s. w. Nicht selten sieht man die Seeufer in regelmäßigen Terrassen aufsteigen; jede der nur wenige Fuß übereinander liegenden Stufen stellt ein Stück des alten Meerbodens vor, und diese Hebungen müssen nothwendig in sehr neuer Zeit erfolgt seyn, weil auf den Treppenabsätzen gerollte Kiesel und Schalthiere liegen, wie sie jetzt noch das Meer am Fuß des Ufers ans Land spült.

Alle diese Thatsachen lassen sich entschieden nur dadurch erklären, daß einzelne Striche der Festländer in Absätzen, ruckweise über den Spiegel des Meeres erhoben worden. Es steht fest, wovon man vor L. v. Buchs, Brongniarts und Lyells Untersuchungen gar keine Ahnung hatte: sehr beträchtliche Stücke der jetzigen Inseln und Continente sind durch unterirdische Kräfte aus Meeresboden in Festland verwandelt worden, seit die Geschöpfe im Schooße der See nach Geschlechtern und Arten

wie in organischer Bildung ist die tertiäre Periode der heutigen in dem Grade ähnlich, in dem sie sich von der frühern secundären unterscheidet. Der Hauptpunkt ist, wie wohl Jedermann weiß, daß selbst in den jüngsten secundären Flötzen bis jetzt nur sehr zweifelhafte Spuren von Säugethieren entdeckt worden sind, daß aber mit den tertiären so ziemlich alle jetzt lebenden Geschlechter derselben auftreten. Während ferner in jenen eine Menge Seethiere vorkommen, deren Geschlechter jetzt nirgends mehr gefunden werden, sind sämmtliche in den tertiären Conglomeraten enthaltene Conchylien von den heutigen nur der Art nach, specifisch verschieden, oder aber mit ihnen identisch. Letzteres Verhältniß zeigt sich nun aber in den verschiedenen Bänken aufs mannichfachste combinirt: in den einen kommen fast lauter Arten von Schalthieren vor, welche von den heutigen etwas abweichen, in andern sind alle von den jetzt im anstoßenden Meere lebenden nicht zu unterscheiden. Jene Bildungen wird man natürlich als die relativ ältesten, diese als die jüngsten in Anspruch zu nehmen haben; aber innerhalb dieser extremen Fälle kommen in den verschiedenen Schichten fast alle möglichen Verhältnisse zwischen ausgestorbenen und existirenden Muschelarten vor. Und was hier von den Bewohnern des Meeres gesagt ist, gilt ebenso von denen der süßen Gewässer und den Resten der Landthiere. Dieser Umstand, in Verbindung mit dem andern, daß diese verhältnißmäßig nothwendig so neuen Ablagerungen nicht, wie die ältern Formationen, in weiter, gleichförmiger Erstreckung, sondern nur strich- und stellenweise über die Erde verbreitet sind, macht gerade diese modernen Urkunden der Erdbildung für uns am verworrensten, und ihre jedesmalige Bedeutung und ihr relatives Alter häufig äußerst dunkel, und man muß sich in letzterer Beziehung oft genug mit einem wenig sagenden Comparativ begnügen.

Diese in allen ihren Verhältnissen oft noch so räthselhaften Niederschläge des Meers und der süßen Gewässer rühren sämmtlich aus Zeiten her, wo abgesehen von der allgemeinen Temperatur, alles auf Erden bereits ungefähr so seyn mußte wie jetzt. Aber auch diese Bildungen des gestrigen und vorgestrigen Welttages haben sichtbar die mannichfachsten Hebungen erfahren, deren geologisches Alter aus demselben Grunde, welcher die zeitliche Rangordnung dieser Formationen so verworren macht, meistens sehr dunkel ist, die aber offenbar ununterbrochen in unsere Gegenwart hereinverlaufen und ursächlich mit den oben angeführten Wirkungen der Erdbeben zusammenfallen. Es ist bereits bemerkt worden, daß manche tertiäre Conglomerate noch von den jüngsten eigentlichen Gebirgserhebungen mit betroffen sind. Schon in den Pyrenäen zeigen sich Spuren hievon; aber die Hauptkette der Alpen ist bestimmt erst in einer Zeit aufgestiegen, wo sich die der tertiären Periode angehörigen Massen in den benachbarten Meeren bereits theilweise oder ganz gebildet hatten: auf den Kämmen der Alpen und in ihren Hochthälern liegen auf den secundären mächtige tertiäre Bänke. – Auf Sicilien zeigen sich Muschelbänke, in denen 95 Procent der Arten mit den noch jetzt im Mittelmeer lebenden völlig übereinkommen, 3000 Fuß über die See erhoben. – Abgesehen von solchen localen und gewaltsamen Auftreibungen müssen in derselben, relativ so neuen Zeit durch die unterirdischen Kräfte noch weit ausgedehntere Veränderungen bewirkt worden seyn, aber Allem nach durch sanfte, allmähliche Hebung. Die Lagerungsverhältnisse der tertiären Gebilde auf den großen Niederungen von Norddeutschland, Polen und Rußland, im Donau- und Rheinthal, in den abgeschlossenen Becken Böhmens und Ungarns, so wie in allen Ländern unsers Welttheils, lassen keinen Zweifel, daß Europa fast nach seiner ganzen Erstreckung langsam emporgestiegen ist. Die mit Seemuscheln der neuesten Zeit erfüllten Sand- und Lehmlager, welche oft tief im Lande und in bedeutender Mächtigkeit vorkommen, hatten sich offenbar auf dem Grunde von Binnenseen, Golfen und Meerengen gebildet, welche damals tief in den Welttheil einschnitten, und zwar zu einer Zeit, wo das Meer ganz oder fast ganz dieselben Bewohner nährte wie jetzt. Durch ein allmähliches Emporrücken des Continents wurden jene Meeresarme, so wie der Küstensaum in Festland verwandelt, und durch diesen unmerklichen Hebungsproceß erhielt unser Welttheil seine letzte Ausbildung. Ja, eine äußerst merkwürdige Erscheinung zeigt, daß dieser Proceß, wenigstens auf einem Punkte, noch jetzt ununterbrochen im Gange ist, und beseitigt völlig den Versuch, als ursachliches Moment nicht die Hebung des Landes, sondern das allgemeine Sinken des Meeres anzunehmen, mit welch letzterm übrigens die Thatsachen vorweg nie in Uebereinstimmung zu bringen wären. Die alte Beobachtung nämlich, daß die schwedische Küste langsam emporsteigt oder die See sich davon zurückzieht, ist in neuester Zeit, besonders durch den Engländer Lyell, vollkommen bestätigt worden. Es ist ausgemacht, daß die Uferränder des Landes an der Ostsee und dem bothnischen Busen stetig, um wenige Fuße im Jahrhundert, aufgehoben werden, so daß nach und nach immer mehr Küsteninseln oder Scheeren mit dem Lande verschmelzen, die Canäle zwischen den vorhandenen Scheeren immer seichter werden und seewärts immer neue Klippen, welche früher beständig von der See bedeckt waren, zu Tage kommen. Aus einem Sinken des Meeresspiegels ist die Erscheinung keineswegs zu erklären; denn ungerechnet, daß in einer gegebenen Zeit die Veränderung des Niveau an einem Punkt merklich stärker ist als an einem andern, müßte ja in jener Voraussetzung die Erscheinung an der gegenüberliegenden deutschen Küste gleichmäßig beobachtet werden, was gar nicht der Fall ist. Bänke voll Muscheln, wie sie noch jetzt im baltischen Meere leben, liegen in Schweden oft tief im Lande in den verschiedensten Höhen über der See bis zu mehreren Hundert Fußen; ja es wurde dort eine Fischerhütte unter einem 64 Fuß mächtigen Mergellager ausgegraben.

Diese überraschende, ganz ungeahnte Erscheinung von Bänken, die, Schalthiere der heutigen benachbarten Meere enthaltend, mehr oder minder hoch über dem jetzigen Meeresspiegel liegen, wurde, als einmal die Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, an den verschiedensten, von Europäern besuchten Küsten beobachtet. Sie wiederholt sich an vielen Küstenpunkten von England, Schottland, Irland, Frankreich, am Mittelmeer, am Hellespont, am rothen Meer, auf Timor, am Cap, auf St. Domingo, an der Küste von Nordamerika, an der Westküste von Südamerika u. s. w. Nicht selten sieht man die Seeufer in regelmäßigen Terrassen aufsteigen; jede der nur wenige Fuß übereinander liegenden Stufen stellt ein Stück des alten Meerbodens vor, und diese Hebungen müssen nothwendig in sehr neuer Zeit erfolgt seyn, weil auf den Treppenabsätzen gerollte Kiesel und Schalthiere liegen, wie sie jetzt noch das Meer am Fuß des Ufers ans Land spült.

Alle diese Thatsachen lassen sich entschieden nur dadurch erklären, daß einzelne Striche der Festländer in Absätzen, ruckweise über den Spiegel des Meeres erhoben worden. Es steht fest, wovon man vor L. v. Buchs, Brongniarts und Lyells Untersuchungen gar keine Ahnung hatte: sehr beträchtliche Stücke der jetzigen Inseln und Continente sind durch unterirdische Kräfte aus Meeresboden in Festland verwandelt worden, seit die Geschöpfe im Schooße der See nach Geschlechtern und Arten

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        <p>Diese in allen ihren Verhältnissen oft noch so räthselhaften Niederschläge des Meers und der süßen Gewässer rühren sämmtlich aus Zeiten her, wo abgesehen von der allgemeinen Temperatur, alles auf Erden bereits ungefähr so seyn mußte wie jetzt. Aber auch diese Bildungen des gestrigen und vorgestrigen Welttages haben sichtbar die mannichfachsten Hebungen erfahren, deren geologisches Alter aus demselben Grunde, welcher die zeitliche Rangordnung dieser Formationen so verworren macht, meistens sehr dunkel ist, die aber offenbar ununterbrochen in unsere Gegenwart hereinverlaufen und ursächlich mit den oben angeführten Wirkungen der Erdbeben zusammenfallen. Es ist bereits bemerkt worden, daß manche tertiäre Conglomerate noch von den jüngsten eigentlichen Gebirgserhebungen mit betroffen sind. Schon in den Pyrenäen zeigen sich Spuren hievon; aber die Hauptkette der Alpen ist bestimmt erst in einer Zeit aufgestiegen, wo sich die der tertiären Periode angehörigen Massen in den benachbarten Meeren bereits theilweise oder ganz gebildet hatten: auf den Kämmen der Alpen und in ihren Hochthälern liegen auf den secundären mächtige tertiäre Bänke. &#x2013; Auf Sicilien zeigen sich Muschelbänke, in denen 95 Procent der Arten mit den noch jetzt im Mittelmeer lebenden völlig übereinkommen, 3000 Fuß über die See erhoben. &#x2013; Abgesehen von solchen localen und gewaltsamen Auftreibungen müssen in derselben, relativ so neuen Zeit durch die unterirdischen Kräfte noch weit ausgedehntere Veränderungen bewirkt worden seyn, aber Allem nach durch sanfte, allmähliche Hebung. Die Lagerungsverhältnisse der tertiären Gebilde auf den großen Niederungen von Norddeutschland, Polen und Rußland, im Donau- und Rheinthal, in den abgeschlossenen Becken Böhmens und Ungarns, so wie in allen Ländern unsers Welttheils, lassen keinen Zweifel, daß Europa fast nach seiner ganzen Erstreckung langsam emporgestiegen ist. Die mit Seemuscheln der neuesten Zeit erfüllten Sand- und Lehmlager, welche oft tief im Lande und in bedeutender Mächtigkeit vorkommen, hatten sich offenbar auf dem Grunde von Binnenseen, Golfen und Meerengen gebildet, welche damals tief in den Welttheil einschnitten, und zwar zu einer Zeit, wo das Meer ganz oder fast ganz dieselben Bewohner nährte wie jetzt. Durch ein allmähliches Emporrücken des Continents wurden jene Meeresarme, so wie der Küstensaum in Festland verwandelt, und durch diesen unmerklichen Hebungsproceß erhielt unser Welttheil seine letzte Ausbildung. Ja, eine äußerst merkwürdige Erscheinung zeigt, daß dieser Proceß, wenigstens auf einem Punkte, noch jetzt ununterbrochen im Gange ist, und beseitigt völlig den Versuch, als ursachliches Moment nicht die Hebung des Landes, sondern das allgemeine Sinken des Meeres anzunehmen, mit welch letzterm übrigens die Thatsachen vorweg nie in Uebereinstimmung zu bringen wären. Die alte Beobachtung nämlich, daß die schwedische Küste langsam emporsteigt oder die See sich davon zurückzieht, ist in neuester Zeit, besonders durch den Engländer <hi rendition="#g">Lyell</hi>, vollkommen bestätigt worden. Es ist ausgemacht, daß die Uferränder des Landes an der Ostsee und dem bothnischen Busen stetig, um wenige Fuße im Jahrhundert, aufgehoben werden, so daß nach und nach immer mehr Küsteninseln oder Scheeren mit dem Lande verschmelzen, die Canäle zwischen den vorhandenen Scheeren immer seichter werden und seewärts immer neue Klippen, welche früher beständig von der See bedeckt waren, zu Tage kommen. Aus einem Sinken des Meeresspiegels ist die Erscheinung keineswegs zu erklären; denn ungerechnet, daß in einer gegebenen Zeit die Veränderung des Niveau an einem Punkt merklich stärker ist als an einem andern, müßte ja in jener Voraussetzung die Erscheinung an der gegenüberliegenden deutschen Küste gleichmäßig beobachtet werden, was gar nicht der Fall ist. Bänke voll Muscheln, wie sie noch jetzt im baltischen Meere leben, liegen in Schweden oft tief im Lande in den verschiedensten Höhen über der See bis zu mehreren Hundert Fußen; ja es wurde dort eine Fischerhütte unter einem 64 Fuß mächtigen Mergellager ausgegraben.</p><lb/>
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[0898/0010] wie in organischer Bildung ist die tertiäre Periode der heutigen in dem Grade ähnlich, in dem sie sich von der frühern secundären unterscheidet. Der Hauptpunkt ist, wie wohl Jedermann weiß, daß selbst in den jüngsten secundären Flötzen bis jetzt nur sehr zweifelhafte Spuren von Säugethieren entdeckt worden sind, daß aber mit den tertiären so ziemlich alle jetzt lebenden Geschlechter derselben auftreten. Während ferner in jenen eine Menge Seethiere vorkommen, deren Geschlechter jetzt nirgends mehr gefunden werden, sind sämmtliche in den tertiären Conglomeraten enthaltene Conchylien von den heutigen nur der Art nach, specifisch verschieden, oder aber mit ihnen identisch. Letzteres Verhältniß zeigt sich nun aber in den verschiedenen Bänken aufs mannichfachste combinirt: in den einen kommen fast lauter Arten von Schalthieren vor, welche von den heutigen etwas abweichen, in andern sind alle von den jetzt im anstoßenden Meere lebenden nicht zu unterscheiden. Jene Bildungen wird man natürlich als die relativ ältesten, diese als die jüngsten in Anspruch zu nehmen haben; aber innerhalb dieser extremen Fälle kommen in den verschiedenen Schichten fast alle möglichen Verhältnisse zwischen ausgestorbenen und existirenden Muschelarten vor. Und was hier von den Bewohnern des Meeres gesagt ist, gilt ebenso von denen der süßen Gewässer und den Resten der Landthiere. Dieser Umstand, in Verbindung mit dem andern, daß diese verhältnißmäßig nothwendig so neuen Ablagerungen nicht, wie die ältern Formationen, in weiter, gleichförmiger Erstreckung, sondern nur strich- und stellenweise über die Erde verbreitet sind, macht gerade diese modernen Urkunden der Erdbildung für uns am verworrensten, und ihre jedesmalige Bedeutung und ihr relatives Alter häufig äußerst dunkel, und man muß sich in letzterer Beziehung oft genug mit einem wenig sagenden Comparativ begnügen. Diese in allen ihren Verhältnissen oft noch so räthselhaften Niederschläge des Meers und der süßen Gewässer rühren sämmtlich aus Zeiten her, wo abgesehen von der allgemeinen Temperatur, alles auf Erden bereits ungefähr so seyn mußte wie jetzt. Aber auch diese Bildungen des gestrigen und vorgestrigen Welttages haben sichtbar die mannichfachsten Hebungen erfahren, deren geologisches Alter aus demselben Grunde, welcher die zeitliche Rangordnung dieser Formationen so verworren macht, meistens sehr dunkel ist, die aber offenbar ununterbrochen in unsere Gegenwart hereinverlaufen und ursächlich mit den oben angeführten Wirkungen der Erdbeben zusammenfallen. Es ist bereits bemerkt worden, daß manche tertiäre Conglomerate noch von den jüngsten eigentlichen Gebirgserhebungen mit betroffen sind. Schon in den Pyrenäen zeigen sich Spuren hievon; aber die Hauptkette der Alpen ist bestimmt erst in einer Zeit aufgestiegen, wo sich die der tertiären Periode angehörigen Massen in den benachbarten Meeren bereits theilweise oder ganz gebildet hatten: auf den Kämmen der Alpen und in ihren Hochthälern liegen auf den secundären mächtige tertiäre Bänke. – Auf Sicilien zeigen sich Muschelbänke, in denen 95 Procent der Arten mit den noch jetzt im Mittelmeer lebenden völlig übereinkommen, 3000 Fuß über die See erhoben. – Abgesehen von solchen localen und gewaltsamen Auftreibungen müssen in derselben, relativ so neuen Zeit durch die unterirdischen Kräfte noch weit ausgedehntere Veränderungen bewirkt worden seyn, aber Allem nach durch sanfte, allmähliche Hebung. Die Lagerungsverhältnisse der tertiären Gebilde auf den großen Niederungen von Norddeutschland, Polen und Rußland, im Donau- und Rheinthal, in den abgeschlossenen Becken Böhmens und Ungarns, so wie in allen Ländern unsers Welttheils, lassen keinen Zweifel, daß Europa fast nach seiner ganzen Erstreckung langsam emporgestiegen ist. Die mit Seemuscheln der neuesten Zeit erfüllten Sand- und Lehmlager, welche oft tief im Lande und in bedeutender Mächtigkeit vorkommen, hatten sich offenbar auf dem Grunde von Binnenseen, Golfen und Meerengen gebildet, welche damals tief in den Welttheil einschnitten, und zwar zu einer Zeit, wo das Meer ganz oder fast ganz dieselben Bewohner nährte wie jetzt. Durch ein allmähliches Emporrücken des Continents wurden jene Meeresarme, so wie der Küstensaum in Festland verwandelt, und durch diesen unmerklichen Hebungsproceß erhielt unser Welttheil seine letzte Ausbildung. Ja, eine äußerst merkwürdige Erscheinung zeigt, daß dieser Proceß, wenigstens auf einem Punkte, noch jetzt ununterbrochen im Gange ist, und beseitigt völlig den Versuch, als ursachliches Moment nicht die Hebung des Landes, sondern das allgemeine Sinken des Meeres anzunehmen, mit welch letzterm übrigens die Thatsachen vorweg nie in Uebereinstimmung zu bringen wären. Die alte Beobachtung nämlich, daß die schwedische Küste langsam emporsteigt oder die See sich davon zurückzieht, ist in neuester Zeit, besonders durch den Engländer Lyell, vollkommen bestätigt worden. Es ist ausgemacht, daß die Uferränder des Landes an der Ostsee und dem bothnischen Busen stetig, um wenige Fuße im Jahrhundert, aufgehoben werden, so daß nach und nach immer mehr Küsteninseln oder Scheeren mit dem Lande verschmelzen, die Canäle zwischen den vorhandenen Scheeren immer seichter werden und seewärts immer neue Klippen, welche früher beständig von der See bedeckt waren, zu Tage kommen. Aus einem Sinken des Meeresspiegels ist die Erscheinung keineswegs zu erklären; denn ungerechnet, daß in einer gegebenen Zeit die Veränderung des Niveau an einem Punkt merklich stärker ist als an einem andern, müßte ja in jener Voraussetzung die Erscheinung an der gegenüberliegenden deutschen Küste gleichmäßig beobachtet werden, was gar nicht der Fall ist. Bänke voll Muscheln, wie sie noch jetzt im baltischen Meere leben, liegen in Schweden oft tief im Lande in den verschiedensten Höhen über der See bis zu mehreren Hundert Fußen; ja es wurde dort eine Fischerhütte unter einem 64 Fuß mächtigen Mergellager ausgegraben. Diese überraschende, ganz ungeahnte Erscheinung von Bänken, die, Schalthiere der heutigen benachbarten Meere enthaltend, mehr oder minder hoch über dem jetzigen Meeresspiegel liegen, wurde, als einmal die Aufmerksamkeit darauf gerichtet war, an den verschiedensten, von Europäern besuchten Küsten beobachtet. Sie wiederholt sich an vielen Küstenpunkten von England, Schottland, Irland, Frankreich, am Mittelmeer, am Hellespont, am rothen Meer, auf Timor, am Cap, auf St. Domingo, an der Küste von Nordamerika, an der Westküste von Südamerika u. s. w. Nicht selten sieht man die Seeufer in regelmäßigen Terrassen aufsteigen; jede der nur wenige Fuß übereinander liegenden Stufen stellt ein Stück des alten Meerbodens vor, und diese Hebungen müssen nothwendig in sehr neuer Zeit erfolgt seyn, weil auf den Treppenabsätzen gerollte Kiesel und Schalthiere liegen, wie sie jetzt noch das Meer am Fuß des Ufers ans Land spült. Alle diese Thatsachen lassen sich entschieden nur dadurch erklären, daß einzelne Striche der Festländer in Absätzen, ruckweise über den Spiegel des Meeres erhoben worden. Es steht fest, wovon man vor L. v. Buchs, Brongniarts und Lyells Untersuchungen gar keine Ahnung hatte: sehr beträchtliche Stücke der jetzigen Inseln und Continente sind durch unterirdische Kräfte aus Meeresboden in Festland verwandelt worden, seit die Geschöpfe im Schooße der See nach Geschlechtern und Arten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840, S. 0898. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/10>, abgerufen am 24.11.2024.