Allgemeine Zeitung. Nr. 109. Augsburg, 18. April 1840.Motion bezweckt eine bestimmte Erklärung, daß der unglückliche Stand der Dinge zwischen England und China dem Mangel an Umsicht und Besonnenheit auf Seite der Regierung, zunächst ihrer Saumsal in Ertheilung gewisser Instructionen und Vollmachten an ihre Repräsentanten in China, beizumessen sey. Die Motion spricht keine Meinung über den Opiumhandel, noch über die Politik und Ungerechtigkeit des Krieges aus. Der Krieg selbst mag unter den einmal gegebenen Umständen politisch und selbst gerecht seyn, und die Nothwendigkeit dieses Kriegs doch aus unpolitischen und ungerechten Vorgängen sich ergeben haben. Es mag seyn, daß eine jahrelange Reihe von Mißverständnissen und Collisionen mit einem Lande, das an europäische Gesetze und Sitten nicht gewohnt ist, endlich zu einem Acte der Gewaltthätigkeit führte, der keine andere Wahl mehr läßt als das Schwert. Vielleicht ward in einem Augenblicke gereizter Stimmung absichtslos ein Schuß gefeuert gegen eine geringere Streitmacht, es entspann sich daraus ein beklagenswerther Kampf mit einem so unglücklichen Ausgang, daß brittische Kriegsschiffe wegen ausgegangener Munition sich zurückziehen mußten, und eine Wiederherstellung des Ansehens der brittischen Waffen in den Augen der Chinesen nun unerläßlich geworden ist. (Hört!) Vielleicht ward auch an dem einen Tag eine Blokade verhängt, und fünf Tage später wieder zurückgenommen; der nachtheilige Eindruck, den dieser Umstand auf die Seele der Chinesen machte, muß wieder ausgelöscht werden. (Hört!) So mag der Krieg, zwar nicht gerecht, aber nothwendig geworden seyn, und insofern die Unterstützung des Volks und Parlaments von England verdienen, aber die Nothwendigkeit selbst ließe sich gleichwohl auf gröbliche Nachlässigkeit und Unklugheit der Minister Ihrer Maj. zurückführen. Wäre es, wenn dieß der Fall ist, billig und recht, diese Minister ohne Rüge, ja selbst ohne eine Besprechung der Sache durchschlüpfen zu lassen? Niemand beklagte mehr den Wiederausbruch des Kriegs mit Frankreich, als der selige Hr. Fox; er begriff dessen Unvermeidlichkeit und unterstützte die Rüstungen, aber in derselben Nacht trug er auf ein tadelndes Votum gegen das Ministerium an, das den Krieg, nach seiner Ansicht, unvermeidlich gemacht hatte. Das ist eine hohe Autorität dafür - zumal eine Autorität, welche ehrenwerthe Herren gegenüber wohl anerkennen werden - daß ein und derselbe Staatsmann die Nothwendigkeit eines Kriegs einräumen, und zugleich die gebieterische Verpflichtung fühlen kann, die Veranlasser des Kriegs zu tadeln. (Hört!) Ich bin fest überzeugt, daß der Krieg mit China hätte abgewendet werden können, nicht etwa durch eine menschliche Fähigkeiten übersteigende Voraussicht, sondern durch eine ganz alltägliche Aufmerksamkeit auf den Stand unserer Angelegenheiten nach Erlöschung des Monopolprivilegiums der ostindischen Compagnie. Der Vorwurf, der die Minister trifft, ist nicht, daß sie nicht voraussahen, was der Kaiser von China thun würde, sondern daß sie bei den veränderten Verhältnissen, die sich aus dem freigegebenen Handel mit China ergaben, einen Oberaufseher nach China schickten, ohne den Anhalt von Instructionen, ohne die moralische Stütze der Anwesenheit einer kleinen englischen Seemacht in jenen Gewässern. Die Minister wollen als einen Entschuldigungsgrund für ihre magern und sich widersprechenden Instructionen an ihren Repräsentanten in China die weite Entfernung dieses Landes von England anführen; aber ohne ihm durch specielle Vorschriften Fesseln anzulegen, hätte man ihn doch mit allgemeinen Weisungen hinsichtlich des Orts seines Aufenthalts, hinsichtlich der Communicationsart mit den Chinesen, und in Betreff des Opiumhandels ausrüsten sollen. Die moralische Kraft des Bewußtseyns, daß eine brittische Seemacht in seinem Bereiche sey, hätte sich ihm geben lassen, ohne unsere Kriegsschiffe so nahe an der Küste zu stationiren, daß sie den Argwohn der Chinesen rege machen konnten." Sir Robert ging hier in ein ausführliches Detail von Vorstellungen, Bitten und dringenden Erinnerungen ein, welche die Handels-Superintendenten in Canton seit Jahren an die Regierung gerichtet, diese aber unbeachtet gelassen habe, wobei ihm die auf dem Tische liegenden Papiere in Bezug auf China als Anhaltspunkte dienten. Wäre, fügte er bei, sein einziger Zweck eine Majorität, so hätte sich dieser wohl durch eine Motion erreichen lassen, welche den Krieg und den Schmuggelhandel mit Opium einfach verdamme; allein wie der Stand der Dinge nun leider geworden sey, wage er nicht zu behaupten, daß weitere Feindseligkeiten gegen China, so verwerflich auch ihr Ursprung, nicht nöthig werden dürften. "Aber wäre dieß auch der Fall, so muß ich doch den Geist mißbilligen, in welchem man den Krieg führen zu wollen scheint. Ein sehr ehrenwerther Herr (Macaulay) hat an die bei Assaye genommene Rache, an die Demüthigung des Dey's von Algier im Tone einer Entrüstung und Kriegslust erinnert, die mir in unserm Streithandel mit China nicht am rechten Orte zu seyn scheinen. Auch die angeblich von den Chinesen verübten, aber nicht bewiesenen Frevel der Brunnenvergiftung u. dgl. hat man allzu leidenschaftlich besprochen. Die ganze Erzählung beruht auf der beiläufigen Notiz in einer Depesche von Capitän Elliot, daß er von einem bezüglichen Maueranschlag gehört habe, wobei er jedoch hinzufügt, daß er an die Wahrheit der Sache selbst nicht glaube, wenigstens nicht an die Betheiligung der chinesischen Behörden dabei. Es ist mir darum zu thun, einer unbilligen Aufreizung der öffentlichen Meinung in England gegen die Chinesen, so viel an mir ist, vorzubauen. Ein Krieg ist an und für sich schrecklich genug; vermehren wir seine Uebel nicht noch dadurch, daß wir zu einer fortdauernden Feindseligkeit den Grund legen; suchen wir ihn, wenn er denn doch seyn muß, nicht in einem rachsüchtigen Geiste, sondern lieber so zu führen, daß wir den Chinesen unsre Bereitwilligkeit zeigen, uns mit ihnen auszusöhnen, und auf ein dauerndes Friedens- und Freundschaftsbündniß einzugehen." (Beschluß folgt.) In der Oberhaussitzung am 10 April setzte Lord Melbourne die zweite Lesung der irischen Municipalreformbill auf den 4 Mai fest. Auf die Erklärung der Minister, daß Ihrer Maj. Regierung die Frage wegen der Verfügung über die canadischen Clergy-Reserves der Discussion des Hauses offen lassen wolle, nahm der Erzbischof von Canterbury seine angekündigte Motion einer Adresse an die Königin gegen die von der obercanadischen Legislatur in dieser Sache angenommene Bill zurück. Der Committeebericht über die Bill zum Schutze der Drucker parlamentarischer Actenstücke wurde mit einigen nachträglichen Modificationen angenommen; der Herzog v. Wellington verzichtete dabei auf sein Amendement, welches eine Beschränkung des Verkaufs dieser Papiere bezweckte. Im Oberhaus und nicht minder im Hause der Gemeinen kündigten die Minister an, am Ende voriger Woche sey man über einen Geheimenrathsbefehl (Order in Council) überein gekommen, wornach für den Fall, daß Repressalien gegen den Handel der Chinesen nöthig würden, Prisengerichte eingesetzt werden sollen, doch habe man nicht die Absicht, eine Botschaft von der Krone über diesen Punkt vor das Parlament zu bringen. Auf die Frage eines Mitglieds erklärte jedoch Lord J. Russell, daß keine Caperbriefe gegen die Chinesen ausgegeben werden sollen. Die Pensionsbill für Lord Seaton ging unter erneutem vergeblichem Widerspruch Motion bezweckt eine bestimmte Erklärung, daß der unglückliche Stand der Dinge zwischen England und China dem Mangel an Umsicht und Besonnenheit auf Seite der Regierung, zunächst ihrer Saumsal in Ertheilung gewisser Instructionen und Vollmachten an ihre Repräsentanten in China, beizumessen sey. Die Motion spricht keine Meinung über den Opiumhandel, noch über die Politik und Ungerechtigkeit des Krieges aus. Der Krieg selbst mag unter den einmal gegebenen Umständen politisch und selbst gerecht seyn, und die Nothwendigkeit dieses Kriegs doch aus unpolitischen und ungerechten Vorgängen sich ergeben haben. Es mag seyn, daß eine jahrelange Reihe von Mißverständnissen und Collisionen mit einem Lande, das an europäische Gesetze und Sitten nicht gewohnt ist, endlich zu einem Acte der Gewaltthätigkeit führte, der keine andere Wahl mehr läßt als das Schwert. Vielleicht ward in einem Augenblicke gereizter Stimmung absichtslos ein Schuß gefeuert gegen eine geringere Streitmacht, es entspann sich daraus ein beklagenswerther Kampf mit einem so unglücklichen Ausgang, daß brittische Kriegsschiffe wegen ausgegangener Munition sich zurückziehen mußten, und eine Wiederherstellung des Ansehens der brittischen Waffen in den Augen der Chinesen nun unerläßlich geworden ist. (Hört!) Vielleicht ward auch an dem einen Tag eine Blokade verhängt, und fünf Tage später wieder zurückgenommen; der nachtheilige Eindruck, den dieser Umstand auf die Seele der Chinesen machte, muß wieder ausgelöscht werden. (Hört!) So mag der Krieg, zwar nicht gerecht, aber nothwendig geworden seyn, und insofern die Unterstützung des Volks und Parlaments von England verdienen, aber die Nothwendigkeit selbst ließe sich gleichwohl auf gröbliche Nachlässigkeit und Unklugheit der Minister Ihrer Maj. zurückführen. Wäre es, wenn dieß der Fall ist, billig und recht, diese Minister ohne Rüge, ja selbst ohne eine Besprechung der Sache durchschlüpfen zu lassen? Niemand beklagte mehr den Wiederausbruch des Kriegs mit Frankreich, als der selige Hr. Fox; er begriff dessen Unvermeidlichkeit und unterstützte die Rüstungen, aber in derselben Nacht trug er auf ein tadelndes Votum gegen das Ministerium an, das den Krieg, nach seiner Ansicht, unvermeidlich gemacht hatte. Das ist eine hohe Autorität dafür – zumal eine Autorität, welche ehrenwerthe Herren gegenüber wohl anerkennen werden – daß ein und derselbe Staatsmann die Nothwendigkeit eines Kriegs einräumen, und zugleich die gebieterische Verpflichtung fühlen kann, die Veranlasser des Kriegs zu tadeln. (Hört!) Ich bin fest überzeugt, daß der Krieg mit China hätte abgewendet werden können, nicht etwa durch eine menschliche Fähigkeiten übersteigende Voraussicht, sondern durch eine ganz alltägliche Aufmerksamkeit auf den Stand unserer Angelegenheiten nach Erlöschung des Monopolprivilegiums der ostindischen Compagnie. Der Vorwurf, der die Minister trifft, ist nicht, daß sie nicht voraussahen, was der Kaiser von China thun würde, sondern daß sie bei den veränderten Verhältnissen, die sich aus dem freigegebenen Handel mit China ergaben, einen Oberaufseher nach China schickten, ohne den Anhalt von Instructionen, ohne die moralische Stütze der Anwesenheit einer kleinen englischen Seemacht in jenen Gewässern. Die Minister wollen als einen Entschuldigungsgrund für ihre magern und sich widersprechenden Instructionen an ihren Repräsentanten in China die weite Entfernung dieses Landes von England anführen; aber ohne ihm durch specielle Vorschriften Fesseln anzulegen, hätte man ihn doch mit allgemeinen Weisungen hinsichtlich des Orts seines Aufenthalts, hinsichtlich der Communicationsart mit den Chinesen, und in Betreff des Opiumhandels ausrüsten sollen. Die moralische Kraft des Bewußtseyns, daß eine brittische Seemacht in seinem Bereiche sey, hätte sich ihm geben lassen, ohne unsere Kriegsschiffe so nahe an der Küste zu stationiren, daß sie den Argwohn der Chinesen rege machen konnten.“ Sir Robert ging hier in ein ausführliches Detail von Vorstellungen, Bitten und dringenden Erinnerungen ein, welche die Handels-Superintendenten in Canton seit Jahren an die Regierung gerichtet, diese aber unbeachtet gelassen habe, wobei ihm die auf dem Tische liegenden Papiere in Bezug auf China als Anhaltspunkte dienten. Wäre, fügte er bei, sein einziger Zweck eine Majorität, so hätte sich dieser wohl durch eine Motion erreichen lassen, welche den Krieg und den Schmuggelhandel mit Opium einfach verdamme; allein wie der Stand der Dinge nun leider geworden sey, wage er nicht zu behaupten, daß weitere Feindseligkeiten gegen China, so verwerflich auch ihr Ursprung, nicht nöthig werden dürften. „Aber wäre dieß auch der Fall, so muß ich doch den Geist mißbilligen, in welchem man den Krieg führen zu wollen scheint. Ein sehr ehrenwerther Herr (Macaulay) hat an die bei Assaye genommene Rache, an die Demüthigung des Dey's von Algier im Tone einer Entrüstung und Kriegslust erinnert, die mir in unserm Streithandel mit China nicht am rechten Orte zu seyn scheinen. Auch die angeblich von den Chinesen verübten, aber nicht bewiesenen Frevel der Brunnenvergiftung u. dgl. hat man allzu leidenschaftlich besprochen. Die ganze Erzählung beruht auf der beiläufigen Notiz in einer Depesche von Capitän Elliot, daß er von einem bezüglichen Maueranschlag gehört habe, wobei er jedoch hinzufügt, daß er an die Wahrheit der Sache selbst nicht glaube, wenigstens nicht an die Betheiligung der chinesischen Behörden dabei. Es ist mir darum zu thun, einer unbilligen Aufreizung der öffentlichen Meinung in England gegen die Chinesen, so viel an mir ist, vorzubauen. Ein Krieg ist an und für sich schrecklich genug; vermehren wir seine Uebel nicht noch dadurch, daß wir zu einer fortdauernden Feindseligkeit den Grund legen; suchen wir ihn, wenn er denn doch seyn muß, nicht in einem rachsüchtigen Geiste, sondern lieber so zu führen, daß wir den Chinesen unsre Bereitwilligkeit zeigen, uns mit ihnen auszusöhnen, und auf ein dauerndes Friedens- und Freundschaftsbündniß einzugehen.“ (Beschluß folgt.) In der Oberhaussitzung am 10 April setzte Lord Melbourne die zweite Lesung der irischen Municipalreformbill auf den 4 Mai fest. Auf die Erklärung der Minister, daß Ihrer Maj. Regierung die Frage wegen der Verfügung über die canadischen Clergy-Reserves der Discussion des Hauses offen lassen wolle, nahm der Erzbischof von Canterbury seine angekündigte Motion einer Adresse an die Königin gegen die von der obercanadischen Legislatur in dieser Sache angenommene Bill zurück. Der Committeebericht über die Bill zum Schutze der Drucker parlamentarischer Actenstücke wurde mit einigen nachträglichen Modificationen angenommen; der Herzog v. Wellington verzichtete dabei auf sein Amendement, welches eine Beschränkung des Verkaufs dieser Papiere bezweckte. Im Oberhaus und nicht minder im Hause der Gemeinen kündigten die Minister an, am Ende voriger Woche sey man über einen Geheimenrathsbefehl (Order in Council) überein gekommen, wornach für den Fall, daß Repressalien gegen den Handel der Chinesen nöthig würden, Prisengerichte eingesetzt werden sollen, doch habe man nicht die Absicht, eine Botschaft von der Krone über diesen Punkt vor das Parlament zu bringen. Auf die Frage eines Mitglieds erklärte jedoch Lord J. Russell, daß keine Caperbriefe gegen die Chinesen ausgegeben werden sollen. Die Pensionsbill für Lord Seaton ging unter erneutem vergeblichem Widerspruch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0002" n="0866"/> Motion bezweckt eine bestimmte Erklärung, daß der unglückliche Stand der Dinge zwischen England und China dem Mangel an Umsicht und Besonnenheit auf Seite der Regierung, zunächst ihrer Saumsal in Ertheilung gewisser Instructionen und Vollmachten an ihre Repräsentanten in China, beizumessen sey. Die Motion spricht keine Meinung über den Opiumhandel, noch über die Politik und Ungerechtigkeit des Krieges aus. Der Krieg selbst mag unter den einmal gegebenen Umständen politisch und selbst gerecht seyn, und die Nothwendigkeit dieses Kriegs doch aus unpolitischen und ungerechten Vorgängen sich ergeben haben. Es mag seyn, daß eine jahrelange Reihe von Mißverständnissen und Collisionen mit einem Lande, das an europäische Gesetze und Sitten nicht gewohnt ist, endlich zu einem Acte der Gewaltthätigkeit führte, der keine andere Wahl mehr läßt als das Schwert. Vielleicht ward in einem Augenblicke gereizter Stimmung absichtslos ein Schuß gefeuert gegen eine geringere Streitmacht, es entspann sich daraus ein beklagenswerther Kampf mit einem so unglücklichen Ausgang, daß brittische Kriegsschiffe wegen ausgegangener Munition sich zurückziehen mußten, und eine Wiederherstellung des Ansehens der brittischen Waffen in den Augen der Chinesen nun unerläßlich geworden ist. (Hört!) Vielleicht ward auch an dem einen Tag eine Blokade verhängt, und fünf Tage später wieder zurückgenommen; der nachtheilige Eindruck, den dieser Umstand auf die Seele der Chinesen machte, muß wieder ausgelöscht werden. (Hört!) So mag der Krieg, zwar nicht gerecht, aber nothwendig geworden seyn, und insofern die Unterstützung des Volks und Parlaments von England verdienen, aber die Nothwendigkeit selbst ließe sich gleichwohl auf gröbliche Nachlässigkeit und Unklugheit der Minister Ihrer Maj. zurückführen. Wäre es, wenn dieß der Fall ist, billig und recht, diese Minister ohne Rüge, ja selbst ohne eine Besprechung der Sache durchschlüpfen zu lassen? Niemand beklagte mehr den Wiederausbruch des Kriegs mit Frankreich, als der selige Hr. Fox; er begriff dessen Unvermeidlichkeit und unterstützte die Rüstungen, aber in derselben Nacht trug er auf ein tadelndes Votum gegen das Ministerium an, das den Krieg, nach seiner Ansicht, unvermeidlich gemacht hatte. Das ist eine hohe Autorität dafür – zumal eine Autorität, welche ehrenwerthe Herren gegenüber wohl anerkennen werden – daß ein und derselbe Staatsmann die Nothwendigkeit eines Kriegs einräumen, und zugleich die gebieterische Verpflichtung fühlen kann, die Veranlasser des Kriegs zu tadeln. (Hört!) Ich bin fest überzeugt, daß der Krieg mit China hätte abgewendet werden können, nicht etwa durch eine menschliche Fähigkeiten übersteigende Voraussicht, sondern durch eine ganz alltägliche Aufmerksamkeit auf den Stand unserer Angelegenheiten nach Erlöschung des Monopolprivilegiums der ostindischen Compagnie. Der Vorwurf, der die Minister trifft, ist nicht, daß sie nicht voraussahen, was der Kaiser von China thun würde, sondern daß sie bei den veränderten Verhältnissen, die sich aus dem freigegebenen Handel mit China ergaben, einen Oberaufseher nach China schickten, ohne den Anhalt von Instructionen, ohne die moralische Stütze der Anwesenheit einer kleinen englischen Seemacht in jenen Gewässern. Die Minister wollen als einen Entschuldigungsgrund für ihre magern und sich widersprechenden Instructionen an ihren Repräsentanten in China die weite Entfernung dieses Landes von England anführen; aber ohne ihm durch specielle Vorschriften Fesseln anzulegen, hätte man ihn doch mit allgemeinen Weisungen hinsichtlich des Orts seines Aufenthalts, hinsichtlich der Communicationsart mit den Chinesen, und in Betreff des Opiumhandels ausrüsten sollen. Die moralische Kraft des Bewußtseyns, daß eine brittische Seemacht in seinem Bereiche sey, hätte sich ihm geben lassen, ohne unsere Kriegsschiffe so nahe an der Küste zu stationiren, daß sie den Argwohn der Chinesen rege machen konnten.“ Sir Robert ging hier in ein ausführliches Detail von Vorstellungen, Bitten und dringenden Erinnerungen ein, welche die Handels-Superintendenten in Canton seit Jahren an die Regierung gerichtet, diese aber unbeachtet gelassen habe, wobei ihm die auf dem Tische liegenden Papiere in Bezug auf China als Anhaltspunkte dienten. Wäre, fügte er bei, sein einziger Zweck eine Majorität, so hätte sich dieser wohl durch eine Motion erreichen lassen, welche den Krieg und den Schmuggelhandel mit Opium einfach verdamme; allein wie der Stand der Dinge nun leider geworden sey, wage er nicht zu behaupten, daß weitere Feindseligkeiten gegen China, so verwerflich auch ihr Ursprung, nicht nöthig werden dürften. „Aber wäre dieß auch der Fall, so muß ich doch den Geist mißbilligen, in welchem man den Krieg führen zu wollen scheint. Ein sehr ehrenwerther Herr (Macaulay) hat an die bei Assaye genommene Rache, an die Demüthigung des Dey's von Algier im Tone einer Entrüstung und Kriegslust erinnert, die mir in unserm Streithandel mit China nicht am rechten Orte zu seyn scheinen. Auch die angeblich von den Chinesen verübten, aber nicht bewiesenen Frevel der Brunnenvergiftung u. dgl. hat man allzu leidenschaftlich besprochen. 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Ein Krieg ist an und für sich schrecklich genug; vermehren wir seine Uebel nicht noch dadurch, daß wir zu einer fortdauernden Feindseligkeit den Grund legen; suchen wir ihn, wenn er denn doch seyn muß, nicht in einem rachsüchtigen Geiste, sondern lieber so zu führen, daß wir den Chinesen unsre Bereitwilligkeit zeigen, uns mit ihnen auszusöhnen, und auf ein dauerndes Friedens- und Freundschaftsbündniß einzugehen.“</p><lb/> <p>(Beschluß folgt.)</p><lb/> <p>In der <hi rendition="#g">Oberhaussitzung</hi> am 10 April setzte Lord <hi rendition="#g">Melbourne</hi> die zweite Lesung der irischen Municipalreformbill auf den 4 Mai fest. Auf die Erklärung der Minister, daß Ihrer Maj. 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Motion bezweckt eine bestimmte Erklärung, daß der unglückliche Stand der Dinge zwischen England und China dem Mangel an Umsicht und Besonnenheit auf Seite der Regierung, zunächst ihrer Saumsal in Ertheilung gewisser Instructionen und Vollmachten an ihre Repräsentanten in China, beizumessen sey. Die Motion spricht keine Meinung über den Opiumhandel, noch über die Politik und Ungerechtigkeit des Krieges aus. Der Krieg selbst mag unter den einmal gegebenen Umständen politisch und selbst gerecht seyn, und die Nothwendigkeit dieses Kriegs doch aus unpolitischen und ungerechten Vorgängen sich ergeben haben. Es mag seyn, daß eine jahrelange Reihe von Mißverständnissen und Collisionen mit einem Lande, das an europäische Gesetze und Sitten nicht gewohnt ist, endlich zu einem Acte der Gewaltthätigkeit führte, der keine andere Wahl mehr läßt als das Schwert. Vielleicht ward in einem Augenblicke gereizter Stimmung absichtslos ein Schuß gefeuert gegen eine geringere Streitmacht, es entspann sich daraus ein beklagenswerther Kampf mit einem so unglücklichen Ausgang, daß brittische Kriegsschiffe wegen ausgegangener Munition sich zurückziehen mußten, und eine Wiederherstellung des Ansehens der brittischen Waffen in den Augen der Chinesen nun unerläßlich geworden ist. (Hört!) Vielleicht ward auch an dem einen Tag eine Blokade verhängt, und fünf Tage später wieder zurückgenommen; der nachtheilige Eindruck, den dieser Umstand auf die Seele der Chinesen machte, muß wieder ausgelöscht werden. (Hört!) So mag der Krieg, zwar nicht gerecht, aber nothwendig geworden seyn, und insofern die Unterstützung des Volks und Parlaments von England verdienen, aber die Nothwendigkeit selbst ließe sich gleichwohl auf gröbliche Nachlässigkeit und Unklugheit der Minister Ihrer Maj. zurückführen. Wäre es, wenn dieß der Fall ist, billig und recht, diese Minister ohne Rüge, ja selbst ohne eine Besprechung der Sache durchschlüpfen zu lassen? Niemand beklagte mehr den Wiederausbruch des Kriegs mit Frankreich, als der selige Hr. Fox; er begriff dessen Unvermeidlichkeit und unterstützte die Rüstungen, aber in derselben Nacht trug er auf ein tadelndes Votum gegen das Ministerium an, das den Krieg, nach seiner Ansicht, unvermeidlich gemacht hatte. Das ist eine hohe Autorität dafür – zumal eine Autorität, welche ehrenwerthe Herren gegenüber wohl anerkennen werden – daß ein und derselbe Staatsmann die Nothwendigkeit eines Kriegs einräumen, und zugleich die gebieterische Verpflichtung fühlen kann, die Veranlasser des Kriegs zu tadeln. (Hört!) Ich bin fest überzeugt, daß der Krieg mit China hätte abgewendet werden können, nicht etwa durch eine menschliche Fähigkeiten übersteigende Voraussicht, sondern durch eine ganz alltägliche Aufmerksamkeit auf den Stand unserer Angelegenheiten nach Erlöschung des Monopolprivilegiums der ostindischen Compagnie. Der Vorwurf, der die Minister trifft, ist nicht, daß sie nicht voraussahen, was der Kaiser von China thun würde, sondern daß sie bei den veränderten Verhältnissen, die sich aus dem freigegebenen Handel mit China ergaben, einen Oberaufseher nach China schickten, ohne den Anhalt von Instructionen, ohne die moralische Stütze der Anwesenheit einer kleinen englischen Seemacht in jenen Gewässern. Die Minister wollen als einen Entschuldigungsgrund für ihre magern und sich widersprechenden Instructionen an ihren Repräsentanten in China die weite Entfernung dieses Landes von England anführen; aber ohne ihm durch specielle Vorschriften Fesseln anzulegen, hätte man ihn doch mit allgemeinen Weisungen hinsichtlich des Orts seines Aufenthalts, hinsichtlich der Communicationsart mit den Chinesen, und in Betreff des Opiumhandels ausrüsten sollen. Die moralische Kraft des Bewußtseyns, daß eine brittische Seemacht in seinem Bereiche sey, hätte sich ihm geben lassen, ohne unsere Kriegsschiffe so nahe an der Küste zu stationiren, daß sie den Argwohn der Chinesen rege machen konnten.“ Sir Robert ging hier in ein ausführliches Detail von Vorstellungen, Bitten und dringenden Erinnerungen ein, welche die Handels-Superintendenten in Canton seit Jahren an die Regierung gerichtet, diese aber unbeachtet gelassen habe, wobei ihm die auf dem Tische liegenden Papiere in Bezug auf China als Anhaltspunkte dienten. Wäre, fügte er bei, sein einziger Zweck eine Majorität, so hätte sich dieser wohl durch eine Motion erreichen lassen, welche den Krieg und den Schmuggelhandel mit Opium einfach verdamme; allein wie der Stand der Dinge nun leider geworden sey, wage er nicht zu behaupten, daß weitere Feindseligkeiten gegen China, so verwerflich auch ihr Ursprung, nicht nöthig werden dürften. „Aber wäre dieß auch der Fall, so muß ich doch den Geist mißbilligen, in welchem man den Krieg führen zu wollen scheint. Ein sehr ehrenwerther Herr (Macaulay) hat an die bei Assaye genommene Rache, an die Demüthigung des Dey's von Algier im Tone einer Entrüstung und Kriegslust erinnert, die mir in unserm Streithandel mit China nicht am rechten Orte zu seyn scheinen. Auch die angeblich von den Chinesen verübten, aber nicht bewiesenen Frevel der Brunnenvergiftung u. dgl. hat man allzu leidenschaftlich besprochen. Die ganze Erzählung beruht auf der beiläufigen Notiz in einer Depesche von Capitän Elliot, daß er von einem bezüglichen Maueranschlag gehört habe, wobei er jedoch hinzufügt, daß er an die Wahrheit der Sache selbst nicht glaube, wenigstens nicht an die Betheiligung der chinesischen Behörden dabei. Es ist mir darum zu thun, einer unbilligen Aufreizung der öffentlichen Meinung in England gegen die Chinesen, so viel an mir ist, vorzubauen. Ein Krieg ist an und für sich schrecklich genug; vermehren wir seine Uebel nicht noch dadurch, daß wir zu einer fortdauernden Feindseligkeit den Grund legen; suchen wir ihn, wenn er denn doch seyn muß, nicht in einem rachsüchtigen Geiste, sondern lieber so zu führen, daß wir den Chinesen unsre Bereitwilligkeit zeigen, uns mit ihnen auszusöhnen, und auf ein dauerndes Friedens- und Freundschaftsbündniß einzugehen.“
(Beschluß folgt.)
In der Oberhaussitzung am 10 April setzte Lord Melbourne die zweite Lesung der irischen Municipalreformbill auf den 4 Mai fest. Auf die Erklärung der Minister, daß Ihrer Maj. Regierung die Frage wegen der Verfügung über die canadischen Clergy-Reserves der Discussion des Hauses offen lassen wolle, nahm der Erzbischof von Canterbury seine angekündigte Motion einer Adresse an die Königin gegen die von der obercanadischen Legislatur in dieser Sache angenommene Bill zurück. Der Committeebericht über die Bill zum Schutze der Drucker parlamentarischer Actenstücke wurde mit einigen nachträglichen Modificationen angenommen; der Herzog v. Wellington verzichtete dabei auf sein Amendement, welches eine Beschränkung des Verkaufs dieser Papiere bezweckte. Im Oberhaus und nicht minder im Hause der Gemeinen kündigten die Minister an, am Ende voriger Woche sey man über einen Geheimenrathsbefehl (Order in Council) überein gekommen, wornach für den Fall, daß Repressalien gegen den Handel der Chinesen nöthig würden, Prisengerichte eingesetzt werden sollen, doch habe man nicht die Absicht, eine Botschaft von der Krone über diesen Punkt vor das Parlament zu bringen. Auf die Frage eines Mitglieds erklärte jedoch Lord J. Russell, daß keine Caperbriefe gegen die Chinesen ausgegeben werden sollen. Die Pensionsbill für Lord Seaton ging unter erneutem vergeblichem Widerspruch
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(2016-06-28T11:37:15Z)
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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
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