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Allgemeine Zeitung. Nr. 94. Augsburg, 3. April 1840.

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Schluß-Beleuchtung des Aufsatzes "Wiener Briefe" in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 54.

In Nr. 347 dieser Zeitung erschien ohne alle Veranlassung ein Aufsatz, welcher die Verwaltung des Hofburgtheaters ungerecht und ungegründet angriff, indem er die Behauptung aussprach: diese Bühne sey, besonders was das Repertoire betrifft, viel schlechter als ehedem bestellt, worauf in Nr. 12 eine ruhige, auf Beweise gestützte, von jeder Persönlichkeit entfernte, Erwiederung erfolgte.

Ohne nun die in jenem Aufsatze angeführten Thatsachen, nämlich: daß kein Stück von irgend einer Bedeutung, welches in früherer Zeit auf der Hofbühne war, davon entfernt wurde; daß kein bedeutendes Stück weder vollkommener, oder nur so vollkommen wie jetzt besetzt war; daß das Repertoire in seinem wesentlichen Bestandtheile aus den Werken der Classiker früherer, und der vorzüglichsten dramatischen Dichter neuerer Zeit bestehe; daß in den letzten zwei Jahren mehrere classische Producte der Hofbühne neu einverleibt und viele neu in die Scene gesetzt wurden - ohne alle diese Thatsachen, welche hier allein entscheiden können, und die erwiesen worden sind, nur mit Einem Worte zu berühren, schlägt der Verfasser in einer Ehrensache der Kunst die Seitenwege der Persönlichkeit ein, und sucht, um die Freunde der Wahrheit sich nicht bekümmernd, die Feinde des Beleidigten auf seine Seite zu bringen. Dabei gibt er summarisch comparativ die Zahlen der in den Jahren 1823 bis 1839 auf der Hofbühne gegebenen französischen Vaudevilles zu Gunsten der Behauptung an, daß die Zahl nun größer sey als vordem.

Man könnte die Prüfung jener Angabe ersparen und entgegnen, daß sie nichts beweist, da sie die in Frage gestellten Jahre 1830, 31 und 32 gar nicht berührt und dabei keine, in der Widerlegung des Angriffes vorkommenden, Thatsachen entkräftet. Was aber soll man dazu sagen, wenn man dem Verfasser, der dem Publicum kein X für ein U machen lassen will, und "falsche Münze an den Zahltisch genagelt zu haben" vorgibt, entgegnet: daß sämmtliche, von ihm angegebene Ziffern unrichtig sind? Sollte er dieß in Abrede stellen, so wird ihm die genaueste Nachweisung mit Angabe der Titel der Uebersetzungen und des Tages, an dem sie gegeben wurden, öffentlich ertheilt werden.

Als Beweis diene nur einstweilen die Berichtigung der ersten und letzten comparativ angegebenen Zahlen, wo es statt:
1823. - 36. 1833. - 86.
1823. - 57. 1833. - 74.
und statt: 1829. - 39. 1839. - 99.
1829. - 46. 1839. - 75.
heißen muß. Dabei käme noch in Rücksicht des Repertoires zu bemerken, daß im ersten, als normal angeführten, Jahre 1823: 17 mal Claurens "Bräutigam von Mexico," - 6 mal das "Hotel von Wiburg," - 4 mal "Adelheit von Italien," - 3 mal ein Werk von Spieß und mehrmal "Bayard" gegeben wurde, welches letztere Stück nur deßhalb berührt wird, weil der Verfasser darüber sich ereifert, daß die gegenwärtige Verwaltung "Zeugs" wie Bayard gibt, welcher im Sommer des vergangenen Jahres Einmal, und zwar im Nothfalle, gegeben wurde.

Im Jahre 1829 erschienen wieder, außer den französischen Uebersetzungen, "der Bräutigam von Mexico, Hotel von Wiburg, Erbvertrag u. dgl. zahlreich auf dem Repertoire. Diese Bemerkung kann übrigens durchaus nicht als Tadel gelten, sie soll nur anschaulich machen, daß die beste Direction, an Zeitverhältnisse, Krankheit der Schauspieler und dergleichen gebunden, Manches, was sie selbst als Lückenbüßer erkennt, nicht zu beseitigen vermag.

Dieser Brief könnte nun füglich mit der geschehenen Hinweisung auf unlängbare Daten schließen, wenn die merkwürdige Art jener Polemik nicht eine genauere Beleuchtung verdiente.

Von allen Kämpfen ist der der leichteste, wenn man mit einer Theater-Direction anbindet, deßhalb gehören solche Streite auch zu den täglichen Erscheinungen jeder Zeit. Aber gerade weil der Kampf so leicht war, mußte er mit größerem Tact, Ruhe und Sachkenntniß geführt werden, um ihm doch einige Bedeutung zu geben. Der Angreifer durfte keinen Groll zeigen, sich nicht in Widersprüche verwickeln, keine Unrichtigkeiten angeben; er mußte ungefähr wie Müllner vorgehen, der ein Meister in solchen Kämpfen war. Wie aber geht er vor? Er behauptet die Direction halte sich für beleidigt, daß sie an Schreyvogels Verdienste erinnert wird, und in der gedruckten Reclamation ist gerade das Gegentheil zu lesen. Er sagt, die im Jahre 1839 gegebenen Stücke zeigten von der erbärmlichsten Wahl, indeß darunter Stücke von Shakspeare, Goethe, Raupach, der Prinzessin Amalie vorkommen, und selbst die Lustspiele von Frau von Weissenthurn, Töpfer, Blum, nämlich: Alles aus Freundschaft, der reiche Mann, Ich bleibe ledig, die allgemeinste Theilnahme gefunden haben und auf den Repertoiren aller Hofbühnen sind. Er verwirft eine Bearbeitung des Faust, die nie statt gefunden hat, da in Goethe's Faust - (bis nun eines der besuchtesten Repertoirstücke), - nur die Translocirung einer Scene vorkommt. Er will, daß zur Ehre der Kunst diese Bearbeitung der frühern weiche, und vergißt, daß beide Arbeiten von einer Feder herrühren. - Er will von Bearbeitungen classischer Stücke nichts wissen, und nimmt die "Hamlets," wo die zum Verständniß des Ganzen nothwendigsten Scenen, wie z. B. die Todtengräberscene, weggelassen wurden, und die der "Heinriche," wo aus zwei Theilen ein Theil gemacht wurde, in Schutz; er erklärt in seinem frühern Aufsatze: das Burgtheater sey noch seines alten Ruhmes würdig, und in diesem, in komischem Widerspruche mit sich selbst: es sey desselben nicht würdig; er bezieht sich auf einen zu seinen Gunsten geschrieben seyn sollenden Aufsatz in der Preußischen Staatszeitung, indeß derselbe, aus wenigen Zeilen bestehend, zugleich die Hoftheater Direction in Schutz nimmt. Bei solchen Behauptungen kann sogar der Mangel logischer Verbindung, wie z. B. in der Stelle: "Molly fand in der Darstellung Beifall; diesem Stücke folgte ein Trauerspiel: "ein weibliches Herz, das gleichfalls mißfiel," kaum in die Rechnung kommen.

Er spricht beständig von Schreyvogel, als dem alleinigen Leiter der Hofbühne, was er nie gewesen. Warum verschweigt er das Verhältniß zu seinem Chef, der, durch die klarste, vollendetste Kunstkenntniß und durch energisches Bestimmen gleich anerkannt, als der eigentliche Gründer der bessern Periode des Burgtheaters erscheint und sich Schreyvogels nur consultativ bediente. Die Pietät für die Verstorbenen ist keine schickliche Maske für den Haß gegen die Lebenden.

Er erhitzt sich über das Vorhandenseyn französischer Uebersetzungen, und beweist damit nur den Mangel seiner Sach- und Terrain-Kenntniß. Es liegt am Tage, daß es am besten wäre, wenn auf der Hofbühne nur Original-Werke, und darunter möglichst classische Productionen gegeben würden; dazu gehört aber bei einer Bühne, die täglich recitirende Schauspiele geben muß, und dabei, ungeachtet eines bestimmten Zuschusses durch die Großmuth des Hofes, bei den bedeutenden Auslagen und den Anforderungen des Publicums gar sehr an die Einnahme der Casse gewiesen ist, eine gehörige Menge productiver classischer Dichter, die für den Wechsel sorgen, eine große Anzahl erster Schauspieler, damit keiner übermäßig angestrengt werde und durch Krankheiten keine Störung erfolge, ein Publicum, welches an nichts als an classischen Productionen Gefallen findet, und noch andere Kleinigkeiten. Daß aber bei diesen Verhältnissen jede Hofbühne mitunter zu französischen Uebersetzungen ihre Zuflucht nehmen muß, geht daraus hervor, daß die Dichter aller andern Nationen, die deutsche mit eingeschlossen, nicht genug productiv sind, das heißt: productiv in theatralisch Brauchbarem. Es erscheinen jährlich wohl bessere deutsche als französische Dramen, aber sie sind nicht bühnenwirksam. Wie bedeutend übrigens jene Uebersetzungen von Original-Arbeiten auf dem Burgtheater überragt werden, geht daraus hervor, daß selbst nach der Angabe des Verfassers in sieben Jahren nur an 642 Abenden französische Uebersetzungen gegeben wurden, indessen man in jenem Zeitraume an mehr als 2200 Abenden spielte. Indessen mag jener Zorn gegen französische Uebersetzungen immer noch hingehen, er wäre nur dann etwa eben so abgeschmackt als possierlich, wenn das Publicum in dem Hrn. Verfasser selbst einen fruchtbaren Bearbeiter französischer Vaudevilles zu verehren hätte. *)*)

Er belegt Leistungen, welche Publicum und Kritik einstimmig als bedeutend anerkennen, mit den gemeinen Schmähungen: "jämmerlich, - Zeugs, - elend - hirnverbrannt!" Ist er denn wirklich der Meinung, daß jene guten Leistungen dadurch zu schlechten werden? daß sich irgend ein gebildeter Mensch dadurch imponiren, oder seine Ansicht irre leiten läßt? oder

*) Die Redaction versteht diese persönliche Anspielung nicht, die auf irriger Fährte zu seyn scheint.
Schluß-Beleuchtung des Aufsatzes „Wiener Briefe“ in der Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 54.

In Nr. 347 dieser Zeitung erschien ohne alle Veranlassung ein Aufsatz, welcher die Verwaltung des Hofburgtheaters ungerecht und ungegründet angriff, indem er die Behauptung aussprach: diese Bühne sey, besonders was das Repertoire betrifft, viel schlechter als ehedem bestellt, worauf in Nr. 12 eine ruhige, auf Beweise gestützte, von jeder Persönlichkeit entfernte, Erwiederung erfolgte.

Ohne nun die in jenem Aufsatze angeführten Thatsachen, nämlich: daß kein Stück von irgend einer Bedeutung, welches in früherer Zeit auf der Hofbühne war, davon entfernt wurde; daß kein bedeutendes Stück weder vollkommener, oder nur so vollkommen wie jetzt besetzt war; daß das Repertoire in seinem wesentlichen Bestandtheile aus den Werken der Classiker früherer, und der vorzüglichsten dramatischen Dichter neuerer Zeit bestehe; daß in den letzten zwei Jahren mehrere classische Producte der Hofbühne neu einverleibt und viele neu in die Scene gesetzt wurden – ohne alle diese Thatsachen, welche hier allein entscheiden können, und die erwiesen worden sind, nur mit Einem Worte zu berühren, schlägt der Verfasser in einer Ehrensache der Kunst die Seitenwege der Persönlichkeit ein, und sucht, um die Freunde der Wahrheit sich nicht bekümmernd, die Feinde des Beleidigten auf seine Seite zu bringen. Dabei gibt er summarisch comparativ die Zahlen der in den Jahren 1823 bis 1839 auf der Hofbühne gegebenen französischen Vaudevilles zu Gunsten der Behauptung an, daß die Zahl nun größer sey als vordem.

Man könnte die Prüfung jener Angabe ersparen und entgegnen, daß sie nichts beweist, da sie die in Frage gestellten Jahre 1830, 31 und 32 gar nicht berührt und dabei keine, in der Widerlegung des Angriffes vorkommenden, Thatsachen entkräftet. Was aber soll man dazu sagen, wenn man dem Verfasser, der dem Publicum kein X für ein U machen lassen will, und „falsche Münze an den Zahltisch genagelt zu haben“ vorgibt, entgegnet: daß sämmtliche, von ihm angegebene Ziffern unrichtig sind? Sollte er dieß in Abrede stellen, so wird ihm die genaueste Nachweisung mit Angabe der Titel der Uebersetzungen und des Tages, an dem sie gegeben wurden, öffentlich ertheilt werden.

Als Beweis diene nur einstweilen die Berichtigung der ersten und letzten comparativ angegebenen Zahlen, wo es statt:
1823. - 36. 1833. - 86.
1823. - 57. 1833. - 74.
und statt: 1829. - 39. 1839. - 99.
1829. - 46. 1839. - 75.
heißen muß. Dabei käme noch in Rücksicht des Repertoires zu bemerken, daß im ersten, als normal angeführten, Jahre 1823: 17 mal Claurens „Bräutigam von Mexico,“ – 6 mal das „Hôtel von Wiburg,“ – 4 mal „Adelheit von Italien,“ – 3 mal ein Werk von Spieß und mehrmal „Bayard“ gegeben wurde, welches letztere Stück nur deßhalb berührt wird, weil der Verfasser darüber sich ereifert, daß die gegenwärtige Verwaltung „Zeugs“ wie Bayard gibt, welcher im Sommer des vergangenen Jahres Einmal, und zwar im Nothfalle, gegeben wurde.

Im Jahre 1829 erschienen wieder, außer den französischen Uebersetzungen, „der Bräutigam von Mexico, Hôtel von Wiburg, Erbvertrag u. dgl. zahlreich auf dem Repertoire. Diese Bemerkung kann übrigens durchaus nicht als Tadel gelten, sie soll nur anschaulich machen, daß die beste Direction, an Zeitverhältnisse, Krankheit der Schauspieler und dergleichen gebunden, Manches, was sie selbst als Lückenbüßer erkennt, nicht zu beseitigen vermag.

Dieser Brief könnte nun füglich mit der geschehenen Hinweisung auf unlängbare Daten schließen, wenn die merkwürdige Art jener Polemik nicht eine genauere Beleuchtung verdiente.

Von allen Kämpfen ist der der leichteste, wenn man mit einer Theater-Direction anbindet, deßhalb gehören solche Streite auch zu den täglichen Erscheinungen jeder Zeit. Aber gerade weil der Kampf so leicht war, mußte er mit größerem Tact, Ruhe und Sachkenntniß geführt werden, um ihm doch einige Bedeutung zu geben. Der Angreifer durfte keinen Groll zeigen, sich nicht in Widersprüche verwickeln, keine Unrichtigkeiten angeben; er mußte ungefähr wie Müllner vorgehen, der ein Meister in solchen Kämpfen war. Wie aber geht er vor? Er behauptet die Direction halte sich für beleidigt, daß sie an Schreyvogels Verdienste erinnert wird, und in der gedruckten Reclamation ist gerade das Gegentheil zu lesen. Er sagt, die im Jahre 1839 gegebenen Stücke zeigten von der erbärmlichsten Wahl, indeß darunter Stücke von Shakspeare, Goethe, Raupach, der Prinzessin Amalie vorkommen, und selbst die Lustspiele von Frau von Weissenthurn, Töpfer, Blum, nämlich: Alles aus Freundschaft, der reiche Mann, Ich bleibe ledig, die allgemeinste Theilnahme gefunden haben und auf den Repertoiren aller Hofbühnen sind. Er verwirft eine Bearbeitung des Faust, die nie statt gefunden hat, da in Goethe's Faust – (bis nun eines der besuchtesten Repertoirstücke), – nur die Translocirung einer Scene vorkommt. Er will, daß zur Ehre der Kunst diese Bearbeitung der frühern weiche, und vergißt, daß beide Arbeiten von einer Feder herrühren. – Er will von Bearbeitungen classischer Stücke nichts wissen, und nimmt die „Hamlets,“ wo die zum Verständniß des Ganzen nothwendigsten Scenen, wie z. B. die Todtengräberscene, weggelassen wurden, und die der „Heinriche,“ wo aus zwei Theilen ein Theil gemacht wurde, in Schutz; er erklärt in seinem frühern Aufsatze: das Burgtheater sey noch seines alten Ruhmes würdig, und in diesem, in komischem Widerspruche mit sich selbst: es sey desselben nicht würdig; er bezieht sich auf einen zu seinen Gunsten geschrieben seyn sollenden Aufsatz in der Preußischen Staatszeitung, indeß derselbe, aus wenigen Zeilen bestehend, zugleich die Hoftheater Direction in Schutz nimmt. Bei solchen Behauptungen kann sogar der Mangel logischer Verbindung, wie z. B. in der Stelle: „Molly fand in der Darstellung Beifall; diesem Stücke folgte ein Trauerspiel: „ein weibliches Herz, das gleichfalls mißfiel,“ kaum in die Rechnung kommen.

Er spricht beständig von Schreyvogel, als dem alleinigen Leiter der Hofbühne, was er nie gewesen. Warum verschweigt er das Verhältniß zu seinem Chef, der, durch die klarste, vollendetste Kunstkenntniß und durch energisches Bestimmen gleich anerkannt, als der eigentliche Gründer der bessern Periode des Burgtheaters erscheint und sich Schreyvogels nur consultativ bediente. Die Pietät für die Verstorbenen ist keine schickliche Maske für den Haß gegen die Lebenden.

Er erhitzt sich über das Vorhandenseyn französischer Uebersetzungen, und beweist damit nur den Mangel seiner Sach- und Terrain-Kenntniß. Es liegt am Tage, daß es am besten wäre, wenn auf der Hofbühne nur Original-Werke, und darunter möglichst classische Productionen gegeben würden; dazu gehört aber bei einer Bühne, die täglich recitirende Schauspiele geben muß, und dabei, ungeachtet eines bestimmten Zuschusses durch die Großmuth des Hofes, bei den bedeutenden Auslagen und den Anforderungen des Publicums gar sehr an die Einnahme der Casse gewiesen ist, eine gehörige Menge productiver classischer Dichter, die für den Wechsel sorgen, eine große Anzahl erster Schauspieler, damit keiner übermäßig angestrengt werde und durch Krankheiten keine Störung erfolge, ein Publicum, welches an nichts als an classischen Productionen Gefallen findet, und noch andere Kleinigkeiten. Daß aber bei diesen Verhältnissen jede Hofbühne mitunter zu französischen Uebersetzungen ihre Zuflucht nehmen muß, geht daraus hervor, daß die Dichter aller andern Nationen, die deutsche mit eingeschlossen, nicht genug productiv sind, das heißt: productiv in theatralisch Brauchbarem. Es erscheinen jährlich wohl bessere deutsche als französische Dramen, aber sie sind nicht bühnenwirksam. Wie bedeutend übrigens jene Uebersetzungen von Original-Arbeiten auf dem Burgtheater überragt werden, geht daraus hervor, daß selbst nach der Angabe des Verfassers in sieben Jahren nur an 642 Abenden französische Uebersetzungen gegeben wurden, indessen man in jenem Zeitraume an mehr als 2200 Abenden spielte. Indessen mag jener Zorn gegen französische Uebersetzungen immer noch hingehen, er wäre nur dann etwa eben so abgeschmackt als possierlich, wenn das Publicum in dem Hrn. Verfasser selbst einen fruchtbaren Bearbeiter französischer Vaudevilles zu verehren hätte. *)*)

Er belegt Leistungen, welche Publicum und Kritik einstimmig als bedeutend anerkennen, mit den gemeinen Schmähungen: „jämmerlich, – Zeugs, – elend – hirnverbrannt!“ Ist er denn wirklich der Meinung, daß jene guten Leistungen dadurch zu schlechten werden? daß sich irgend ein gebildeter Mensch dadurch imponiren, oder seine Ansicht irre leiten läßt? oder

*) Die Redaction versteht diese persönliche Anspielung nicht, die auf irriger Fährte zu seyn scheint.
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Dabei gibt er summarisch comparativ die Zahlen der in den Jahren 1823 bis 1839 auf der Hofbühne gegebenen französischen Vaudevilles zu Gunsten der Behauptung an, daß die Zahl nun größer sey als vordem. Man könnte die Prüfung jener Angabe ersparen und entgegnen, daß sie nichts beweist, da sie die in Frage gestellten Jahre 1830, 31 und 32 gar nicht berührt und dabei keine, in der Widerlegung des Angriffes vorkommenden, Thatsachen entkräftet. Was aber soll man dazu sagen, wenn man dem Verfasser, der dem Publicum kein X für ein U machen lassen will, und „falsche Münze an den Zahltisch genagelt zu haben“ vorgibt, entgegnet: daß sämmtliche, von ihm angegebene Ziffern unrichtig sind? Sollte er dieß in Abrede stellen, so wird ihm die genaueste Nachweisung mit Angabe der Titel der Uebersetzungen und des Tages, an dem sie gegeben wurden, öffentlich ertheilt werden. Als Beweis diene nur einstweilen die Berichtigung der ersten und letzten comparativ angegebenen Zahlen, wo es statt: 1823. - 36. 1833. - 86. 1823. - 57. 1833. - 74. und statt: 1829. - 39. 1839. - 99. 1829. - 46. 1839. - 75. heißen muß. Dabei käme noch in Rücksicht des Repertoires zu bemerken, daß im ersten, als normal angeführten, Jahre 1823: 17 mal Claurens „Bräutigam von Mexico,“ – 6 mal das „Hôtel von Wiburg,“ – 4 mal „Adelheit von Italien,“ – 3 mal ein Werk von Spieß und mehrmal „Bayard“ gegeben wurde, welches letztere Stück nur deßhalb berührt wird, weil der Verfasser darüber sich ereifert, daß die gegenwärtige Verwaltung „Zeugs“ wie Bayard gibt, welcher im Sommer des vergangenen Jahres Einmal, und zwar im Nothfalle, gegeben wurde. Im Jahre 1829 erschienen wieder, außer den französischen Uebersetzungen, „der Bräutigam von Mexico, Hôtel von Wiburg, Erbvertrag u. dgl. zahlreich auf dem Repertoire. Diese Bemerkung kann übrigens durchaus nicht als Tadel gelten, sie soll nur anschaulich machen, daß die beste Direction, an Zeitverhältnisse, Krankheit der Schauspieler und dergleichen gebunden, Manches, was sie selbst als Lückenbüßer erkennt, nicht zu beseitigen vermag. Dieser Brief könnte nun füglich mit der geschehenen Hinweisung auf unlängbare Daten schließen, wenn die merkwürdige Art jener Polemik nicht eine genauere Beleuchtung verdiente. Von allen Kämpfen ist der der leichteste, wenn man mit einer Theater-Direction anbindet, deßhalb gehören solche Streite auch zu den täglichen Erscheinungen jeder Zeit. Aber gerade weil der Kampf so leicht war, mußte er mit größerem Tact, Ruhe und Sachkenntniß geführt werden, um ihm doch einige Bedeutung zu geben. Der Angreifer durfte keinen Groll zeigen, sich nicht in Widersprüche verwickeln, keine Unrichtigkeiten angeben; er mußte ungefähr wie Müllner vorgehen, der ein Meister in solchen Kämpfen war. Wie aber geht er vor? Er behauptet die Direction halte sich für beleidigt, daß sie an Schreyvogels Verdienste erinnert wird, und in der gedruckten Reclamation ist gerade das Gegentheil zu lesen. Er sagt, die im Jahre 1839 gegebenen Stücke zeigten von der erbärmlichsten Wahl, indeß darunter Stücke von Shakspeare, Goethe, Raupach, der Prinzessin Amalie vorkommen, und selbst die Lustspiele von Frau von Weissenthurn, Töpfer, Blum, nämlich: Alles aus Freundschaft, der reiche Mann, Ich bleibe ledig, die allgemeinste Theilnahme gefunden haben und auf den Repertoiren aller Hofbühnen sind. Er verwirft eine Bearbeitung des Faust, die nie statt gefunden hat, da in Goethe's Faust – (bis nun eines der besuchtesten Repertoirstücke), – nur die Translocirung einer Scene vorkommt. Er will, daß zur Ehre der Kunst diese Bearbeitung der frühern weiche, und vergißt, daß beide Arbeiten von einer Feder herrühren. – Er will von Bearbeitungen classischer Stücke nichts wissen, und nimmt die „Hamlets,“ wo die zum Verständniß des Ganzen nothwendigsten Scenen, wie z. B. die Todtengräberscene, weggelassen wurden, und die der „Heinriche,“ wo aus zwei Theilen ein Theil gemacht wurde, in Schutz; er erklärt in seinem frühern Aufsatze: das Burgtheater sey noch seines alten Ruhmes würdig, und in diesem, in komischem Widerspruche mit sich selbst: es sey desselben nicht würdig; er bezieht sich auf einen zu seinen Gunsten geschrieben seyn sollenden Aufsatz in der Preußischen Staatszeitung, indeß derselbe, aus wenigen Zeilen bestehend, zugleich die Hoftheater Direction in Schutz nimmt. Bei solchen Behauptungen kann sogar der Mangel logischer Verbindung, wie z. B. in der Stelle: „Molly fand in der Darstellung Beifall; diesem Stücke folgte ein Trauerspiel: „ein weibliches Herz, das gleichfalls mißfiel,“ kaum in die Rechnung kommen. Er spricht beständig von Schreyvogel, als dem alleinigen Leiter der Hofbühne, was er nie gewesen. Warum verschweigt er das Verhältniß zu seinem Chef, der, durch die klarste, vollendetste Kunstkenntniß und durch energisches Bestimmen gleich anerkannt, als der eigentliche Gründer der bessern Periode des Burgtheaters erscheint und sich Schreyvogels nur consultativ bediente. Die Pietät für die Verstorbenen ist keine schickliche Maske für den Haß gegen die Lebenden. Er erhitzt sich über das Vorhandenseyn französischer Uebersetzungen, und beweist damit nur den Mangel seiner Sach- und Terrain-Kenntniß. Es liegt am Tage, daß es am besten wäre, wenn auf der Hofbühne nur Original-Werke, und darunter möglichst classische Productionen gegeben würden; dazu gehört aber bei einer Bühne, die täglich recitirende Schauspiele geben muß, und dabei, ungeachtet eines bestimmten Zuschusses durch die Großmuth des Hofes, bei den bedeutenden Auslagen und den Anforderungen des Publicums gar sehr an die Einnahme der Casse gewiesen ist, eine gehörige Menge productiver classischer Dichter, die für den Wechsel sorgen, eine große Anzahl erster Schauspieler, damit keiner übermäßig angestrengt werde und durch Krankheiten keine Störung erfolge, ein Publicum, welches an nichts als an classischen Productionen Gefallen findet, und noch andere Kleinigkeiten. Daß aber bei diesen Verhältnissen jede Hofbühne mitunter zu französischen Uebersetzungen ihre Zuflucht nehmen muß, geht daraus hervor, daß die Dichter aller andern Nationen, die deutsche mit eingeschlossen, nicht genug productiv sind, das heißt: productiv in theatralisch Brauchbarem. Es erscheinen jährlich wohl bessere deutsche als französische Dramen, aber sie sind nicht bühnenwirksam. Wie bedeutend übrigens jene Uebersetzungen von Original-Arbeiten auf dem Burgtheater überragt werden, geht daraus hervor, daß selbst nach der Angabe des Verfassers in sieben Jahren nur an 642 Abenden französische Uebersetzungen gegeben wurden, indessen man in jenem Zeitraume an mehr als 2200 Abenden spielte. Indessen mag jener Zorn gegen französische Uebersetzungen immer noch hingehen, er wäre nur dann etwa eben so abgeschmackt als possierlich, wenn das Publicum in dem Hrn. Verfasser selbst einen fruchtbaren Bearbeiter französischer Vaudevilles zu verehren hätte. *) *) Er belegt Leistungen, welche Publicum und Kritik einstimmig als bedeutend anerkennen, mit den gemeinen Schmähungen: „jämmerlich, – Zeugs, – elend – hirnverbrannt!“ Ist er denn wirklich der Meinung, daß jene guten Leistungen dadurch zu schlechten werden? daß sich irgend ein gebildeter Mensch dadurch imponiren, oder seine Ansicht irre leiten läßt? oder *) Die Redaction versteht diese persönliche Anspielung nicht, die auf irriger Fährte zu seyn scheint.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 94. Augsburg, 3. April 1840, S. 0749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_094_18400403/13>, abgerufen am 23.11.2024.