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Allgemeine Zeitung. Nr. 89. Augsburg, 29. März 1840.

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und sagte unter Anderm: "Das Ministerium gehört weder zu den 213 noch zu den 221." (Ausbruch des Lachens - Eine Stimme: er war nicht in der Kammer!) Der Redner nannte das Ministerium ein Ministerium des Fortschritts und des Triumphs eines großen parlamentarischen Princips und hält es für seine Pflicht, die Männer, welche das Staatsruder unter so schwierigen Umständen übernommen, zu unterstützen. Der übrige Theil der Rede des Hrn. Lacroix wurde wegen des Geräusches in der Kammer nicht verstanden. Hr. Bechard, ein Legitimist, bestieg nach ihm die Rednerbühne. Er sagte, er sey für das Ministerium ziemlich günstig gestimmt gewesen, nachdem es die geheimen Fonds vermindert und versprochen habe, keine Journale mehr zu besolden. Die Reden des Conseilpräsidenten und des Ministers des Innern hätten ihn aber nicht befriedigt. Er wünsche weitere Erklärungen, denn noch kenne man nicht die Bedingungen der Allianz des Ministeriums mit der Linken; der Ministerpräsident habe auch nichts von den Septembergesetzen, nichts von der Wahlreform gesagt. Der Redner verlangte vollständige Amnestie und das Aufhören des Beamtendespotismus (Murren), des Hofeinflusses (stärkeres Murren). Ein Deficit, meinte er, stehe bevor und diese schlimme Lage der Finanzen komme von der Masse der Beamten. "Wir leben, rief er, unter der kaiserlichen Organisation." Zuletzt kam er wieder auf die Wahlreform zu sprechen. Die Kammer schenkte ihm aber geringe Aufmerksamkeit. (Abgang der Post.)

(Journal des Debats.) Der constitutionelle Verein hat sich am 23 März eben so zahlreich und einig vereinigt, wie bei allen frühern Zusammenkünften. Die Commissarien haben angekündigt, daß die beiden Resultate, welche die Versammlung sich vorgesetzt hatte, erreicht worden, daß alle Fractionen der alten Majorität in der gleichen Gesinnung vereinigt seyen, und die Chefs dieser Fractionen sich verständigt hätten. Diese Erklärung ward durch einstimmigen Zuruf begrüßt. Die Versammlung vertagte sich, bevor sie auseinander ging, auf den Vorschlag ihrer Commissarien, auf Mittwoch (25) früh. Sie wollte, bevor sie ihre weitern Entschlüsse faßte, die Erläuterungen der Tribune abwarten.

Das Journal des Debats war in den letzten Tagen etwas schweigsam, und behandelte das Ministerium mit mehr Schonung, als anfangs; jetzt macht es wieder entschiedene Opposition und prophezeit dem Ministerium, daß es auf keinen Fall das Ende der Session erleben werde. Die Conservativen seyen jetzt stärker und zahlreicher, als unter dem vorhergehenden Ministerium und demnach im Stand, den "Napoleon des linken Centrums" zur Capitulation zu zwingen. Gleichwohl fordert das Journal des Debats seine Freunde auf, für die geheimen Fonds zu stimmen, um nicht in Widerspruch mit ihren Principien zu gerathen; dabei sollten sie aber erklären, daß sie der Staatsgewalt, nicht dem Ministerium ihre Stimmen bei dieser Gelegenheit geben.

In seinem neuesten Blatte macht es das Journal des Debats wieder zweifelhaft, ob die Conservativen (so nennt es jetzt vorzugsweise die Partei der alten 221) auch nur in der vorliegenden Frage für das Ministerium stimmen werden. "Was (fragt es) hat Hr. Thiers gethan, sich die Stimmen der Conservativen zu verdienen? Das Ministerium hat der Linken Avancen und Coketterien gemacht, und die Linke, diese junge, unerschütterliche Tugend, ist plötzlich weich geworden. Die Linke verabscheut die geheimen Fonds, aber sie votirt sie - dieß ist das Resume des Berichts des Hrn. Berville. Das Ministerium seinerseits gebraucht zweideutige Worte, voll Für und Wider, häufig vermischt mit Drohungen gegen die Conservativen. Unaufhörlich ruft man ihnen zu: "Stimmt für uns, oder die Kammer wird aufgelöst." Dieß gleicht jenem großen Wort der Boulevardsmelodramen: la bourse ou la vie. Was die Handlungen des Ministeriums betrifft, so sprechen wir nur von der letzten, der Ernennung Bugeauds. Der General war ernannt, die Linke reclamirte, Hr. Thiers wurde unschlüssig, da befreite ihn der General durch eine offene Weigerung aus der Verlegenheit, entweder ihm oder der Linken sein Wort nicht halten zu können. Wird diese Gelehrigkeit für den Willen der Linken die Conservativen bestimmen, die geheimen Fonds zu votiren? Wir zweifeln stark. Wird deßwegen, weil Hr. Thiers es nicht wagt, die Ernennung des Generals Bugeaud zu verkünden, der Marschall Valee in seinem Gouvernement aufrecht erhalten? Nein - der Constitutionnel gesteht es offen - seine Rückberufung ist nur suspendirt. Wir sehen also einen Marschall von Frankreich, der an der Spitze unserer Truppen auszieht, den Feind zu bekämpfen, und der Abends in seinem Zelte erfährt, seine Absetzung sey nur suspendirt. Hoffentlich wird der Marschall die Vertagung benützen, um einen schönen Sieg davon zu tragen; dieser Sieg suspendirt dann vielleicht noch einmal seine Absetzung.... Die conservative Partei kennt den Ursprung, die Allianzen, die Worte, die Handlungen des Ministeriums: möge sie jetzt das Loos werfen über seine Zukunft."

Hr. Alban v. Villeneuve ist an die Stelle des Hrn. Hennequin von dem dritten Wahlcollegium des Norddepartements zum Deputirten ernannt.

Ein Beschluß des Marschalls Valee, den der Moniteur Algerien publicirt, erklärt die Districte von Buffarik, Hamiß und Philippeville in Kriegszustand.

Der Generalinspector des Gesundheitsdienstes in Aegypten, General Clot Bey, ist in Paris angekommen.

Der Gegenadmiral Baron Desaulse de Freycinet ist in Rochefort, wo er seit fünf Jahren Seepräfect gewesen, gestorben.

Belgien.

Ein Schreiben des Pariser Commerce aus Brüssel vom 22 März versichert, Hr. Lebeau habe auf die Mission, die ihm der König zur Bildung eines neuen Cabinets übertragen, bestimmt verzichtet. Es sollen wieder sechs Minister, wie früher, ernannt und die Portefeuilles des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten getrennt werden. Die wahrscheinlichste Combination sey folgende: Hr. de Theux soll das Innere, Hr. Nothomb die öffentlichen Arbeiten, Hr. Desmaizieres die Finanzen behalten; General Buzen soll zum Kriegsminister, Hr. Dumonceau oder Hr. Dollez zum Justizminister ernannt werden. Hrn. Meulenaere seyen die auswärtigen Angelegenheiten angeboten worden, doch habe er sich noch nicht zur Annahme entschlossen, weil zwischen ihm und Hrn. de Theux kein Einvernehmen herrsche.

Niederlande.

Die Regierung hat vor einigen Tagen einen Schritt gethan, der ihr manche Stimme in der Provinz Holland gewinnen wird. Schon lange war diese in zwei Abtheilungen, Nord- und Südholland, getheilt, allein beide hatten noch einerlei Verwaltung und Nordholland war auch dem Provincialgerichtshof im Haag unterworfen, was manche Unbequemlichkeit für eine so große Stadt nach sich zog und auch die Eigenliebe der Amsterdamer bitter kränkte. Die Vorstellungen, welche dem König auf seiner letzten Reise nach Amsterdam gemacht wurden, und wohl auch der Umstand, daß er sich diese Provinz damit wesentlich verpflichtet, hatte die Folge, daß in den fünf am 30 Dec. v. J. der Kammer übergebenen Entwürfen noch einige Veränderungen angebracht, und die Theilung der Provinz in Nord- und Südholland vollzogen

und sagte unter Anderm: „Das Ministerium gehört weder zu den 213 noch zu den 221.“ (Ausbruch des Lachens – Eine Stimme: er war nicht in der Kammer!) Der Redner nannte das Ministerium ein Ministerium des Fortschritts und des Triumphs eines großen parlamentarischen Princips und hält es für seine Pflicht, die Männer, welche das Staatsruder unter so schwierigen Umständen übernommen, zu unterstützen. Der übrige Theil der Rede des Hrn. Lacroix wurde wegen des Geräusches in der Kammer nicht verstanden. Hr. Bechard, ein Legitimist, bestieg nach ihm die Rednerbühne. Er sagte, er sey für das Ministerium ziemlich günstig gestimmt gewesen, nachdem es die geheimen Fonds vermindert und versprochen habe, keine Journale mehr zu besolden. Die Reden des Conseilpräsidenten und des Ministers des Innern hätten ihn aber nicht befriedigt. Er wünsche weitere Erklärungen, denn noch kenne man nicht die Bedingungen der Allianz des Ministeriums mit der Linken; der Ministerpräsident habe auch nichts von den Septembergesetzen, nichts von der Wahlreform gesagt. Der Redner verlangte vollständige Amnestie und das Aufhören des Beamtendespotismus (Murren), des Hofeinflusses (stärkeres Murren). Ein Deficit, meinte er, stehe bevor und diese schlimme Lage der Finanzen komme von der Masse der Beamten. „Wir leben, rief er, unter der kaiserlichen Organisation.“ Zuletzt kam er wieder auf die Wahlreform zu sprechen. Die Kammer schenkte ihm aber geringe Aufmerksamkeit. (Abgang der Post.)

(Journal des Débats.) Der constitutionelle Verein hat sich am 23 März eben so zahlreich und einig vereinigt, wie bei allen frühern Zusammenkünften. Die Commissarien haben angekündigt, daß die beiden Resultate, welche die Versammlung sich vorgesetzt hatte, erreicht worden, daß alle Fractionen der alten Majorität in der gleichen Gesinnung vereinigt seyen, und die Chefs dieser Fractionen sich verständigt hätten. Diese Erklärung ward durch einstimmigen Zuruf begrüßt. Die Versammlung vertagte sich, bevor sie auseinander ging, auf den Vorschlag ihrer Commissarien, auf Mittwoch (25) früh. Sie wollte, bevor sie ihre weitern Entschlüsse faßte, die Erläuterungen der Tribune abwarten.

Das Journal des Débats war in den letzten Tagen etwas schweigsam, und behandelte das Ministerium mit mehr Schonung, als anfangs; jetzt macht es wieder entschiedene Opposition und prophezeit dem Ministerium, daß es auf keinen Fall das Ende der Session erleben werde. Die Conservativen seyen jetzt stärker und zahlreicher, als unter dem vorhergehenden Ministerium und demnach im Stand, den „Napoleon des linken Centrums“ zur Capitulation zu zwingen. Gleichwohl fordert das Journal des Débats seine Freunde auf, für die geheimen Fonds zu stimmen, um nicht in Widerspruch mit ihren Principien zu gerathen; dabei sollten sie aber erklären, daß sie der Staatsgewalt, nicht dem Ministerium ihre Stimmen bei dieser Gelegenheit geben.

In seinem neuesten Blatte macht es das Journal des Débats wieder zweifelhaft, ob die Conservativen (so nennt es jetzt vorzugsweise die Partei der alten 221) auch nur in der vorliegenden Frage für das Ministerium stimmen werden. „Was (fragt es) hat Hr. Thiers gethan, sich die Stimmen der Conservativen zu verdienen? Das Ministerium hat der Linken Avancen und Coketterien gemacht, und die Linke, diese junge, unerschütterliche Tugend, ist plötzlich weich geworden. Die Linke verabscheut die geheimen Fonds, aber sie votirt sie – dieß ist das Resumé des Berichts des Hrn. Berville. Das Ministerium seinerseits gebraucht zweideutige Worte, voll Für und Wider, häufig vermischt mit Drohungen gegen die Conservativen. Unaufhörlich ruft man ihnen zu: „Stimmt für uns, oder die Kammer wird aufgelöst.“ Dieß gleicht jenem großen Wort der Boulevardsmelodramen: la bourse ou la vie. Was die Handlungen des Ministeriums betrifft, so sprechen wir nur von der letzten, der Ernennung Bugeauds. Der General war ernannt, die Linke reclamirte, Hr. Thiers wurde unschlüssig, da befreite ihn der General durch eine offene Weigerung aus der Verlegenheit, entweder ihm oder der Linken sein Wort nicht halten zu können. Wird diese Gelehrigkeit für den Willen der Linken die Conservativen bestimmen, die geheimen Fonds zu votiren? Wir zweifeln stark. Wird deßwegen, weil Hr. Thiers es nicht wagt, die Ernennung des Generals Bugeaud zu verkünden, der Marschall Valée in seinem Gouvernement aufrecht erhalten? Nein – der Constitutionnel gesteht es offen – seine Rückberufung ist nur suspendirt. Wir sehen also einen Marschall von Frankreich, der an der Spitze unserer Truppen auszieht, den Feind zu bekämpfen, und der Abends in seinem Zelte erfährt, seine Absetzung sey nur suspendirt. Hoffentlich wird der Marschall die Vertagung benützen, um einen schönen Sieg davon zu tragen; dieser Sieg suspendirt dann vielleicht noch einmal seine Absetzung.... Die conservative Partei kennt den Ursprung, die Allianzen, die Worte, die Handlungen des Ministeriums: möge sie jetzt das Loos werfen über seine Zukunft.“

Hr. Alban v. Villeneuve ist an die Stelle des Hrn. Hennequin von dem dritten Wahlcollegium des Norddepartements zum Deputirten ernannt.

Ein Beschluß des Marschalls Valée, den der Moniteur Algérien publicirt, erklärt die Districte von Buffarik, Hamiß und Philippeville in Kriegszustand.

Der Generalinspector des Gesundheitsdienstes in Aegypten, General Clot Bey, ist in Paris angekommen.

Der Gegenadmiral Baron Desaulse de Freycinet ist in Rochefort, wo er seit fünf Jahren Seepräfect gewesen, gestorben.

Belgien.

Ein Schreiben des Pariser Commerce aus Brüssel vom 22 März versichert, Hr. Lebeau habe auf die Mission, die ihm der König zur Bildung eines neuen Cabinets übertragen, bestimmt verzichtet. Es sollen wieder sechs Minister, wie früher, ernannt und die Portefeuilles des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten getrennt werden. Die wahrscheinlichste Combination sey folgende: Hr. de Theux soll das Innere, Hr. Nothomb die öffentlichen Arbeiten, Hr. Desmaizières die Finanzen behalten; General Buzen soll zum Kriegsminister, Hr. Dumonceau oder Hr. Dollez zum Justizminister ernannt werden. Hrn. Meulenaere seyen die auswärtigen Angelegenheiten angeboten worden, doch habe er sich noch nicht zur Annahme entschlossen, weil zwischen ihm und Hrn. de Theux kein Einvernehmen herrsche.

Niederlande.

Die Regierung hat vor einigen Tagen einen Schritt gethan, der ihr manche Stimme in der Provinz Holland gewinnen wird. Schon lange war diese in zwei Abtheilungen, Nord- und Südholland, getheilt, allein beide hatten noch einerlei Verwaltung und Nordholland war auch dem Provincialgerichtshof im Haag unterworfen, was manche Unbequemlichkeit für eine so große Stadt nach sich zog und auch die Eigenliebe der Amsterdamer bitter kränkte. Die Vorstellungen, welche dem König auf seiner letzten Reise nach Amsterdam gemacht wurden, und wohl auch der Umstand, daß er sich diese Provinz damit wesentlich verpflichtet, hatte die Folge, daß in den fünf am 30 Dec. v. J. der Kammer übergebenen Entwürfen noch einige Veränderungen angebracht, und die Theilung der Provinz in Nord- und Südholland vollzogen

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Er wünsche weitere Erklärungen, denn noch kenne man nicht die Bedingungen der Allianz des Ministeriums mit der Linken; der Ministerpräsident habe auch nichts von den Septembergesetzen, nichts von der Wahlreform gesagt. Der Redner verlangte vollständige Amnestie und das Aufhören des Beamtendespotismus (Murren), des Hofeinflusses (stärkeres Murren). Ein Deficit, meinte er, stehe bevor und diese schlimme Lage der Finanzen komme von der Masse der Beamten. „Wir leben, rief er, unter der kaiserlichen Organisation.“ Zuletzt kam er wieder auf die Wahlreform zu sprechen. Die Kammer schenkte ihm aber geringe Aufmerksamkeit. (Abgang der Post.) (Journal des Débats.) Der constitutionelle Verein hat sich am 23 März eben so zahlreich und einig vereinigt, wie bei allen frühern Zusammenkünften. Die Commissarien haben angekündigt, daß die beiden Resultate, welche die Versammlung sich vorgesetzt hatte, erreicht worden, daß alle Fractionen der alten Majorität in der gleichen Gesinnung vereinigt seyen, und die Chefs dieser Fractionen sich verständigt hätten. Diese Erklärung ward durch einstimmigen Zuruf begrüßt. Die Versammlung vertagte sich, bevor sie auseinander ging, auf den Vorschlag ihrer Commissarien, auf Mittwoch (25) früh. Sie wollte, bevor sie ihre weitern Entschlüsse faßte, die Erläuterungen der Tribune abwarten. Das Journal des Débats war in den letzten Tagen etwas schweigsam, und behandelte das Ministerium mit mehr Schonung, als anfangs; jetzt macht es wieder entschiedene Opposition und prophezeit dem Ministerium, daß es auf keinen Fall das Ende der Session erleben werde. Die Conservativen seyen jetzt stärker und zahlreicher, als unter dem vorhergehenden Ministerium und demnach im Stand, den „Napoleon des linken Centrums“ zur Capitulation zu zwingen. Gleichwohl fordert das Journal des Débats seine Freunde auf, für die geheimen Fonds zu stimmen, um nicht in Widerspruch mit ihren Principien zu gerathen; dabei sollten sie aber erklären, daß sie der Staatsgewalt, nicht dem Ministerium ihre Stimmen bei dieser Gelegenheit geben. In seinem neuesten Blatte macht es das Journal des Débats wieder zweifelhaft, ob die Conservativen (so nennt es jetzt vorzugsweise die Partei der alten 221) auch nur in der vorliegenden Frage für das Ministerium stimmen werden. „Was (fragt es) hat Hr. Thiers gethan, sich die Stimmen der Conservativen zu verdienen? Das Ministerium hat der Linken Avancen und Coketterien gemacht, und die Linke, diese junge, unerschütterliche Tugend, ist plötzlich weich geworden. Die Linke verabscheut die geheimen Fonds, aber sie votirt sie – dieß ist das Resumé des Berichts des Hrn. Berville. Das Ministerium seinerseits gebraucht zweideutige Worte, voll Für und Wider, häufig vermischt mit Drohungen gegen die Conservativen. Unaufhörlich ruft man ihnen zu: „Stimmt für uns, oder die Kammer wird aufgelöst.“ Dieß gleicht jenem großen Wort der Boulevardsmelodramen: la bourse ou la vie. Was die Handlungen des Ministeriums betrifft, so sprechen wir nur von der letzten, der Ernennung Bugeauds. Der General war ernannt, die Linke reclamirte, Hr. Thiers wurde unschlüssig, da befreite ihn der General durch eine offene Weigerung aus der Verlegenheit, entweder ihm oder der Linken sein Wort nicht halten zu können. Wird diese Gelehrigkeit für den Willen der Linken die Conservativen bestimmen, die geheimen Fonds zu votiren? Wir zweifeln stark. Wird deßwegen, weil Hr. Thiers es nicht wagt, die Ernennung des Generals Bugeaud zu verkünden, der Marschall Valée in seinem Gouvernement aufrecht erhalten? Nein – der Constitutionnel gesteht es offen – seine Rückberufung ist nur suspendirt. 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Der Gegenadmiral Baron Desaulse de Freycinet ist in Rochefort, wo er seit fünf Jahren Seepräfect gewesen, gestorben. Belgien. Ein Schreiben des Pariser Commerce aus Brüssel vom 22 März versichert, Hr. Lebeau habe auf die Mission, die ihm der König zur Bildung eines neuen Cabinets übertragen, bestimmt verzichtet. Es sollen wieder sechs Minister, wie früher, ernannt und die Portefeuilles des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten getrennt werden. Die wahrscheinlichste Combination sey folgende: Hr. de Theux soll das Innere, Hr. Nothomb die öffentlichen Arbeiten, Hr. Desmaizières die Finanzen behalten; General Buzen soll zum Kriegsminister, Hr. Dumonceau oder Hr. Dollez zum Justizminister ernannt werden. Hrn. Meulenaere seyen die auswärtigen Angelegenheiten angeboten worden, doch habe er sich noch nicht zur Annahme entschlossen, weil zwischen ihm und Hrn. de Theux kein Einvernehmen herrsche. Niederlande. _ Vom Niederrhein, 22 März. Die Regierung hat vor einigen Tagen einen Schritt gethan, der ihr manche Stimme in der Provinz Holland gewinnen wird. Schon lange war diese in zwei Abtheilungen, Nord- und Südholland, getheilt, allein beide hatten noch einerlei Verwaltung und Nordholland war auch dem Provincialgerichtshof im Haag unterworfen, was manche Unbequemlichkeit für eine so große Stadt nach sich zog und auch die Eigenliebe der Amsterdamer bitter kränkte. Die Vorstellungen, welche dem König auf seiner letzten Reise nach Amsterdam gemacht wurden, und wohl auch der Umstand, daß er sich diese Provinz damit wesentlich verpflichtet, hatte die Folge, daß in den fünf am 30 Dec. v. J. der Kammer übergebenen Entwürfen noch einige Veränderungen angebracht, und die Theilung der Provinz in Nord- und Südholland vollzogen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 89. Augsburg, 29. März 1840, S. 0708. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_089_18400329/4>, abgerufen am 21.11.2024.