Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840.der deutschen Schulwelt zur Ausbeutung zugekommen war, wie Mr. Cousin der Norden, und was er über Unterricht und Anstalten dafür, die er nicht gesehen hat, und, hätte er sie gesehen, die er nicht verstehen konnte, weil ihm die deutsche Sprache fehlte, was, sag' ich, er über sie seinen Landsleuten verkündigt hat, und was er bei dieser Gelegenheit über die Deutschen im Allgemeinen, und z. B. über München gesagt hat, wo nach ihm es nur zwei Classen von Leuten gibt: die eine, welche baut, meißelt und malt, und die andere, welche zusieht, wie man baut, meißelt und malt, aber keine, die denkt. München hat zwar die oberste Administration des Königreichs und abwechselnd die Ständeversammlungen; es verbindet der Akademie der Künste die Akademie der Wissenschaften, hat eine Universität mit 90 Docenten und 1500 Studirenden, die zahlreichsten mittlern Schulen des Landes mit 2000 Schülern - aber es bleibt dabei: a Munic on ne pense pas. On regarde. Voila Munic! - Sollten wir nach diesen Koryphäen noch der jungen Männer gedenken, die vor wenigen Jahren aus Frankreich zu uns kamen, um an der Quelle deutscher Wissenschaft auf den Universitäten zu schöpfen, und die nach einiger Zeit darauf ausgingen, durch Gründung einer Casse Andere zu solchem Aufenthalt in den Stand zu setzen mit der Aufforderung an ihre Landsleute, zu dem guten Werke beizusteuern, weil hier in den Bergwerken, Schachten und Stollen deutscher Studien und Wissenschaft in der That unter den Schlacken auch Gold- und Silberkörner zu finden wären, und es des französischen Geistes und der französischen Geschicklichkeit bedürfe, sie auszuschmelzen, zu gestalten und zu poliren? Diese Unverschämtheit ward gedruckt, und ihr die Krone dadurch aufgesetzt, daß man sie, Schwarz auf Weiß, selbst den ausgezeichneten Männern zuschickte, zu deren Füßen noch kurz vorher jene eitlen und bethörten Laffen gesessen hatten - Männern, durch deren edlen deutschen Geist sie sich von dem französischen "Esprit" hätten befreien, durch deren Behandlung wissenschaftlicher Probleme sie sich hätten bilden können, wenn ihr Geist nicht durch die beklagenswürdige Dressur des Noth- und Zwangscamisols der französischen glorreichen Universitäts-, Schul-, Unterrichts- und Disciplinarordnung und durch die Napoleon'sche Uniformitätsmacherei in ihr wäre geistig beengt, verschroben, verdrückt und der Spannkraft ebenso beraubt worden, wie der chinesische Fuß, wenn er lange genug in dem schmalen Maaße seines Leistens gepreßt gewesen ist. Ich weiß, daß es in Frankreich auch im öffentlichen Unterricht, wie auf dem freien Gebiete der Litteratur und des höhern wissenschaftlichen Betriebs, Männer gibt, die Deutschland besser kennen, die den beklagenswürdigen Zustand der französischen Verkommenheit auf dem Gebiete der Litteratur so gut wie der Politik und die Quellen derselben kennen, und darüber seufzen. Sie bilden die Elite, welche die Zukunft dieser an vielen und trefflichen Kräften reichen und einer bessern Zukunft so würdigen Nation vertreten, und die Keime derselben in sich tragen; aber ihrer sind zu wenige gegen die Sprecher, Schreiber und Wortführer französischer Afterweisheit, Afterpolitik und Aftermuse. Sie müssen dem Strome seinen Lauf und den Sturm wehen lassen, wohin er will, und ziehen sich auf sich und in ihr Cabinet zurück, wo ihr Unwille und ihr edelmüthiger Zorn in ihrer Brust oder in Gesprächen mit gleichgesinnten Freunden zwischen den vier Wänden verraucht. Daß Mr. Marmier nicht dieser heiligen Schaar, sondern der andern und größern zugehört, die aus ihren Vertretern de HH. Cousin, Lerminier, St. Marc-Girardin und zuletzt die jungen Amalgamirkünstler deutscher Schlacken geschickt hat, daß er darum nichts Eigenes, sondern die Reden seiner Geistes- und Effectgenossen bringt, und insofern nicht eigentlich persönlich verantwortlich ist für das, was er Thörichtes sagt, möchte sofort wohl deutlich seyn; aber weil er der Vertreter jener ganzen eitlen Classe ist, mag er hier ein- für allemal eine etwas ernstere Entgegnung finden, damit, wenn man jenseits Lust hat, in diesem Tone fortzufahren, diesseits wenigstens jeder wissen kann, wofür er das Lied des gallischen Hahns zu halten hat. (Ein zweiter Artikel folgt.) Einführung der Theecultur in Frankreich. (Beschluß.) Diese Theestauden sollen im Frühjahr im Süden von Frankreich, in Corsica und in der Bretagne vertheilt werden. Guillemin glaubt, daß steifer Thonboden, auf einem leichten Abhang gelegen, der beste dafür sey; allein dieß ist wahrscheinlich ein Irrthum, denn in Assam, wo der Thee in zahllosen Stellen wild wächst, hat man ihn immer in einer leichten und porösen Erde gefunden, welche dem Wasser nicht erlaubt, auf ihr stehen zu bleiben, und dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum man die Staude in dem Thonboden von Brasilien auf Abhängen pflanzen muß. Er schlägt die Bretagne vor wegen der sehr milden Winter, denn diese Provinz hat etwa das Klima von England, und die Nähe des Meeres, verbunden mit der kleinen absoluten Höhe des Landes, erhält dort eine so mäßige Temperatur, daß die Camellia, das Rhododendron Arbutus und andere südliche Pflanzen im Freien gut überwintern. Uebrigens hat er sich wahrscheinlich durch das Klima von Brasilien verleiten lassen, vorauszusetzen, daß die Theestaude die Kälte nicht ertragen könne, während man aus China weiß, daß sie recht wohl in Provinzen, wo Schnee in Menge fällt, fortkommt, und Guillemin selbst hat bemerkt, daß sie in den höchsten Theilen der Gebirge in Brasilien weit üppiger wächst, als in dem heißen Klima von Rio-Janeiro. In China kommt sie als Culturpflanze nur im Norden der Gebirgsreihe vor, welche die südlichen von den nördlichen Provinzen trennt, und in Java hat man sich genöthigt gesehen, die Theegärten auf die höchsten Gebirge der Insel zu verlegen. Früher hielt man hier die Theestauden sorgfältig in Gewächshäusern, aber seitdem man den Plan gefaßt hat, sie zu cultiviren, setzt man sie ins Freie, und sie gedeihen weit besser. Die Schwierigkeit der Cultur liegt nicht in dem Klima, denn die geographische Ausdehnung der Pflanze ist sehr bedeutend, sondern an dem Boden und dem Preis. Nach allen Beobachtungen, die man in Assam an der wildwachsenden Staude gemacht hat, liebt sie nur eine gewisse Art von Boden, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Qualität des Products großentheils davon abhängt. Daß der brasilische Thee nicht gut ist, läßt sich daraus schließen, daß die Brasilianer glauben, die Chinesen geben dem ihrigen sein besonderes Aroma durch Blüthen der Olea fragrans und der Camellia sesanqua, was ein großer Irrthum ist, wie die Theeschmecker der ostindischen Compagnie längst entschieden haben, und bloß zeigt, daß der brasilische Thee nicht aromatisch ist. Der Preis ist eine andere und sehr große Schwierigkeit. In Brasilien kann man das Pfund nicht unter 6 Franken liefern. Daher fährt man, trotz der Menge von angelegten Theegärten, fort, den Thee aus China einzuführen. Nun kostet in Brasilien die Tagsarbeit eines Sklaven etwa 2 Franken, was mehr ist, als in Frankreich, wo dagegen der Boden so theuer ist, daß der Unterschied im Resultat nicht sehr groß seyn mag. Guillemin glaubt zwar, daß sich die Methode der Bereitung verbessern ließe, aber wer die Berichte der ostindischen Compagnie über die Methode ihrer chinesischen Theefabricanten in Assam gelesen hat, weiß, daß sie mit viel größerer Sorgfalt zu Werke gehen, und daß die Bereitungsart der Brasilianer weit unter der ihrigen steht; daß aber die chinesische mehr Zeit und geschicktere, der deutschen Schulwelt zur Ausbeutung zugekommen war, wie Mr. Cousin der Norden, und was er über Unterricht und Anstalten dafür, die er nicht gesehen hat, und, hätte er sie gesehen, die er nicht verstehen konnte, weil ihm die deutsche Sprache fehlte, was, sag' ich, er über sie seinen Landsleuten verkündigt hat, und was er bei dieser Gelegenheit über die Deutschen im Allgemeinen, und z. B. über München gesagt hat, wo nach ihm es nur zwei Classen von Leuten gibt: die eine, welche baut, meißelt und malt, und die andere, welche zusieht, wie man baut, meißelt und malt, aber keine, die denkt. München hat zwar die oberste Administration des Königreichs und abwechselnd die Ständeversammlungen; es verbindet der Akademie der Künste die Akademie der Wissenschaften, hat eine Universität mit 90 Docenten und 1500 Studirenden, die zahlreichsten mittlern Schulen des Landes mit 2000 Schülern – aber es bleibt dabei: à Munic on ne pense pas. On regarde. Voilà Munic! – Sollten wir nach diesen Koryphäen noch der jungen Männer gedenken, die vor wenigen Jahren aus Frankreich zu uns kamen, um an der Quelle deutscher Wissenschaft auf den Universitäten zu schöpfen, und die nach einiger Zeit darauf ausgingen, durch Gründung einer Casse Andere zu solchem Aufenthalt in den Stand zu setzen mit der Aufforderung an ihre Landsleute, zu dem guten Werke beizusteuern, weil hier in den Bergwerken, Schachten und Stollen deutscher Studien und Wissenschaft in der That unter den Schlacken auch Gold- und Silberkörner zu finden wären, und es des französischen Geistes und der französischen Geschicklichkeit bedürfe, sie auszuschmelzen, zu gestalten und zu poliren? Diese Unverschämtheit ward gedruckt, und ihr die Krone dadurch aufgesetzt, daß man sie, Schwarz auf Weiß, selbst den ausgezeichneten Männern zuschickte, zu deren Füßen noch kurz vorher jene eitlen und bethörten Laffen gesessen hatten – Männern, durch deren edlen deutschen Geist sie sich von dem französischen „Esprit“ hätten befreien, durch deren Behandlung wissenschaftlicher Probleme sie sich hätten bilden können, wenn ihr Geist nicht durch die beklagenswürdige Dressur des Noth- und Zwangscamisols der französischen glorreichen Universitäts-, Schul-, Unterrichts- und Disciplinarordnung und durch die Napoleon'sche Uniformitätsmacherei in ihr wäre geistig beengt, verschroben, verdrückt und der Spannkraft ebenso beraubt worden, wie der chinesische Fuß, wenn er lange genug in dem schmalen Maaße seines Leistens gepreßt gewesen ist. Ich weiß, daß es in Frankreich auch im öffentlichen Unterricht, wie auf dem freien Gebiete der Litteratur und des höhern wissenschaftlichen Betriebs, Männer gibt, die Deutschland besser kennen, die den beklagenswürdigen Zustand der französischen Verkommenheit auf dem Gebiete der Litteratur so gut wie der Politik und die Quellen derselben kennen, und darüber seufzen. Sie bilden die Elite, welche die Zukunft dieser an vielen und trefflichen Kräften reichen und einer bessern Zukunft so würdigen Nation vertreten, und die Keime derselben in sich tragen; aber ihrer sind zu wenige gegen die Sprecher, Schreiber und Wortführer französischer Afterweisheit, Afterpolitik und Aftermuse. Sie müssen dem Strome seinen Lauf und den Sturm wehen lassen, wohin er will, und ziehen sich auf sich und in ihr Cabinet zurück, wo ihr Unwille und ihr edelmüthiger Zorn in ihrer Brust oder in Gesprächen mit gleichgesinnten Freunden zwischen den vier Wänden verraucht. Daß Mr. Marmier nicht dieser heiligen Schaar, sondern der andern und größern zugehört, die aus ihren Vertretern de HH. Cousin, Lerminier, St. Marc-Girardin und zuletzt die jungen Amalgamirkünstler deutscher Schlacken geschickt hat, daß er darum nichts Eigenes, sondern die Reden seiner Geistes- und Effectgenossen bringt, und insofern nicht eigentlich persönlich verantwortlich ist für das, was er Thörichtes sagt, möchte sofort wohl deutlich seyn; aber weil er der Vertreter jener ganzen eitlen Classe ist, mag er hier ein- für allemal eine etwas ernstere Entgegnung finden, damit, wenn man jenseits Lust hat, in diesem Tone fortzufahren, diesseits wenigstens jeder wissen kann, wofür er das Lied des gallischen Hahns zu halten hat. (Ein zweiter Artikel folgt.) Einführung der Theecultur in Frankreich. (Beschluß.) Diese Theestauden sollen im Frühjahr im Süden von Frankreich, in Corsica und in der Bretagne vertheilt werden. Guillemin glaubt, daß steifer Thonboden, auf einem leichten Abhang gelegen, der beste dafür sey; allein dieß ist wahrscheinlich ein Irrthum, denn in Assam, wo der Thee in zahllosen Stellen wild wächst, hat man ihn immer in einer leichten und porösen Erde gefunden, welche dem Wasser nicht erlaubt, auf ihr stehen zu bleiben, und dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum man die Staude in dem Thonboden von Brasilien auf Abhängen pflanzen muß. Er schlägt die Bretagne vor wegen der sehr milden Winter, denn diese Provinz hat etwa das Klima von England, und die Nähe des Meeres, verbunden mit der kleinen absoluten Höhe des Landes, erhält dort eine so mäßige Temperatur, daß die Camellia, das Rhododendron Arbutus und andere südliche Pflanzen im Freien gut überwintern. Uebrigens hat er sich wahrscheinlich durch das Klima von Brasilien verleiten lassen, vorauszusetzen, daß die Theestaude die Kälte nicht ertragen könne, während man aus China weiß, daß sie recht wohl in Provinzen, wo Schnee in Menge fällt, fortkommt, und Guillemin selbst hat bemerkt, daß sie in den höchsten Theilen der Gebirge in Brasilien weit üppiger wächst, als in dem heißen Klima von Rio-Janeiro. In China kommt sie als Culturpflanze nur im Norden der Gebirgsreihe vor, welche die südlichen von den nördlichen Provinzen trennt, und in Java hat man sich genöthigt gesehen, die Theegärten auf die höchsten Gebirge der Insel zu verlegen. Früher hielt man hier die Theestauden sorgfältig in Gewächshäusern, aber seitdem man den Plan gefaßt hat, sie zu cultiviren, setzt man sie ins Freie, und sie gedeihen weit besser. Die Schwierigkeit der Cultur liegt nicht in dem Klima, denn die geographische Ausdehnung der Pflanze ist sehr bedeutend, sondern an dem Boden und dem Preis. Nach allen Beobachtungen, die man in Assam an der wildwachsenden Staude gemacht hat, liebt sie nur eine gewisse Art von Boden, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Qualität des Products großentheils davon abhängt. Daß der brasilische Thee nicht gut ist, läßt sich daraus schließen, daß die Brasilianer glauben, die Chinesen geben dem ihrigen sein besonderes Aroma durch Blüthen der Olea fragrans und der Camellia sesanqua, was ein großer Irrthum ist, wie die Theeschmecker der ostindischen Compagnie längst entschieden haben, und bloß zeigt, daß der brasilische Thee nicht aromatisch ist. Der Preis ist eine andere und sehr große Schwierigkeit. In Brasilien kann man das Pfund nicht unter 6 Franken liefern. Daher fährt man, trotz der Menge von angelegten Theegärten, fort, den Thee aus China einzuführen. Nun kostet in Brasilien die Tagsarbeit eines Sklaven etwa 2 Franken, was mehr ist, als in Frankreich, wo dagegen der Boden so theuer ist, daß der Unterschied im Resultat nicht sehr groß seyn mag. Guillemin glaubt zwar, daß sich die Methode der Bereitung verbessern ließe, aber wer die Berichte der ostindischen Compagnie über die Methode ihrer chinesischen Theefabricanten in Assam gelesen hat, weiß, daß sie mit viel größerer Sorgfalt zu Werke gehen, und daß die Bereitungsart der Brasilianer weit unter der ihrigen steht; daß aber die chinesische mehr Zeit und geschicktere, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="0698"/> der deutschen Schulwelt zur Ausbeutung zugekommen war, wie Mr. Cousin der Norden, und was er über Unterricht und Anstalten dafür, die er nicht gesehen hat, und, hätte er sie gesehen, die er nicht verstehen konnte, weil ihm die deutsche Sprache fehlte, was, sag' ich, er über sie seinen Landsleuten verkündigt hat, und was er bei dieser Gelegenheit über die Deutschen im Allgemeinen, und z. B. über München gesagt hat, wo nach ihm es nur zwei Classen von Leuten gibt: die eine, welche baut, meißelt und malt, und die andere, welche zusieht, wie man baut, meißelt und malt, aber keine, die denkt. München hat zwar die oberste Administration des Königreichs und abwechselnd die Ständeversammlungen; es verbindet der Akademie der Künste die Akademie der Wissenschaften, hat eine Universität mit 90 Docenten und 1500 Studirenden, die zahlreichsten mittlern Schulen des Landes mit 2000 Schülern – aber es bleibt dabei: à Munic on ne pense pas. On regarde. Voilà Munic! – Sollten wir nach diesen Koryphäen noch der jungen Männer gedenken, die vor wenigen Jahren aus Frankreich zu uns kamen, um an der Quelle deutscher Wissenschaft auf den Universitäten zu schöpfen, und die nach einiger Zeit darauf ausgingen, durch Gründung einer Casse Andere zu solchem Aufenthalt in den Stand zu setzen mit der Aufforderung an ihre Landsleute, zu dem guten Werke beizusteuern, weil hier in den Bergwerken, Schachten und Stollen deutscher Studien und Wissenschaft in der That unter den Schlacken auch Gold- und Silberkörner zu finden wären, und es des französischen Geistes und der französischen Geschicklichkeit bedürfe, sie auszuschmelzen, zu gestalten und zu poliren? Diese Unverschämtheit ward gedruckt, und ihr die Krone dadurch aufgesetzt, daß man sie, Schwarz auf Weiß, selbst den ausgezeichneten Männern zuschickte, zu deren Füßen noch kurz vorher jene eitlen und bethörten Laffen gesessen hatten – Männern, durch deren edlen deutschen Geist sie sich von dem französischen „Esprit“ hätten befreien, durch deren Behandlung wissenschaftlicher Probleme sie sich hätten bilden können, wenn ihr Geist nicht durch die beklagenswürdige Dressur des Noth- und Zwangscamisols der französischen glorreichen Universitäts-, Schul-, Unterrichts- und Disciplinarordnung und durch die Napoleon'sche Uniformitätsmacherei in ihr wäre geistig beengt, verschroben, verdrückt und der Spannkraft ebenso beraubt worden, wie der chinesische Fuß, wenn er lange genug in dem schmalen Maaße seines Leistens gepreßt gewesen ist. Ich weiß, daß es in Frankreich auch im öffentlichen Unterricht, wie auf dem freien Gebiete der Litteratur und des höhern wissenschaftlichen Betriebs, Männer gibt, die Deutschland besser kennen, die den beklagenswürdigen Zustand der französischen Verkommenheit auf dem Gebiete der Litteratur so gut wie der Politik und die Quellen derselben kennen, und darüber seufzen. Sie bilden die Elite, welche die Zukunft dieser an vielen und trefflichen Kräften reichen und einer bessern Zukunft so würdigen Nation vertreten, und die Keime derselben in sich tragen; aber ihrer sind zu wenige gegen die Sprecher, Schreiber und Wortführer französischer Afterweisheit, Afterpolitik und Aftermuse. Sie müssen dem Strome seinen Lauf und den Sturm wehen lassen, wohin er will, und ziehen sich auf sich und in ihr Cabinet zurück, wo ihr Unwille und ihr edelmüthiger Zorn in ihrer Brust oder in Gesprächen mit gleichgesinnten Freunden zwischen den vier Wänden verraucht.</p><lb/> <p>Daß Mr. Marmier nicht dieser heiligen Schaar, sondern der andern und größern zugehört, die aus ihren Vertretern de HH. 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Guillemin glaubt, daß steifer Thonboden, auf einem leichten Abhang gelegen, der beste dafür sey; allein dieß ist wahrscheinlich ein Irrthum, denn in Assam, wo der Thee in zahllosen Stellen wild wächst, hat man ihn immer in einer leichten und porösen Erde gefunden, welche dem Wasser nicht erlaubt, auf ihr stehen zu bleiben, und dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum man die Staude in dem Thonboden von Brasilien auf Abhängen pflanzen muß. Er schlägt die Bretagne vor wegen der sehr milden Winter, denn diese Provinz hat etwa das Klima von England, und die Nähe des Meeres, verbunden mit der kleinen absoluten Höhe des Landes, erhält dort eine so mäßige Temperatur, daß die Camellia, das Rhododendron Arbutus und andere südliche Pflanzen im Freien gut überwintern. Uebrigens hat er sich wahrscheinlich durch das Klima von Brasilien verleiten lassen, vorauszusetzen, daß die Theestaude die Kälte nicht ertragen könne, während man aus China weiß, daß sie recht wohl in Provinzen, wo Schnee in Menge fällt, fortkommt, und Guillemin selbst hat bemerkt, daß sie in den höchsten Theilen der Gebirge in Brasilien weit üppiger wächst, als in dem heißen Klima von Rio-Janeiro. In China kommt sie als Culturpflanze nur im Norden der Gebirgsreihe vor, welche die südlichen von den nördlichen Provinzen trennt, und in Java hat man sich genöthigt gesehen, die Theegärten auf die höchsten Gebirge der Insel zu verlegen. Früher hielt man hier die Theestauden sorgfältig in Gewächshäusern, aber seitdem man den Plan gefaßt hat, sie zu cultiviren, setzt man sie ins Freie, und sie gedeihen weit besser. Die Schwierigkeit der Cultur liegt nicht in dem Klima, denn die geographische Ausdehnung der Pflanze ist sehr bedeutend, sondern an dem Boden und dem Preis. Nach allen Beobachtungen, die man in Assam an der wildwachsenden Staude gemacht hat, liebt sie nur eine gewisse Art von Boden, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Qualität des Products großentheils davon abhängt. Daß der brasilische Thee nicht gut ist, läßt sich daraus schließen, daß die Brasilianer glauben, die Chinesen geben dem ihrigen sein besonderes Aroma durch Blüthen der Olea fragrans und der Camellia sesanqua, was ein großer Irrthum ist, wie die Theeschmecker der ostindischen Compagnie längst entschieden haben, und bloß zeigt, daß der brasilische Thee nicht aromatisch ist. Der Preis ist eine andere und sehr große Schwierigkeit. In Brasilien kann man das Pfund nicht unter 6 Franken liefern. Daher fährt man, trotz der Menge von angelegten Theegärten, fort, den Thee aus China einzuführen. Nun kostet in Brasilien die Tagsarbeit eines Sklaven etwa 2 Franken, was mehr ist, als in Frankreich, wo dagegen der Boden so theuer ist, daß der Unterschied im Resultat nicht sehr groß seyn mag. Guillemin glaubt zwar, daß sich die Methode der Bereitung verbessern ließe, aber wer die Berichte der ostindischen Compagnie über die Methode ihrer chinesischen Theefabricanten in Assam gelesen hat, weiß, daß sie mit viel größerer Sorgfalt zu Werke gehen, und daß die Bereitungsart der Brasilianer weit unter der ihrigen steht; daß aber die chinesische mehr Zeit und geschicktere,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0698/0010]
der deutschen Schulwelt zur Ausbeutung zugekommen war, wie Mr. Cousin der Norden, und was er über Unterricht und Anstalten dafür, die er nicht gesehen hat, und, hätte er sie gesehen, die er nicht verstehen konnte, weil ihm die deutsche Sprache fehlte, was, sag' ich, er über sie seinen Landsleuten verkündigt hat, und was er bei dieser Gelegenheit über die Deutschen im Allgemeinen, und z. B. über München gesagt hat, wo nach ihm es nur zwei Classen von Leuten gibt: die eine, welche baut, meißelt und malt, und die andere, welche zusieht, wie man baut, meißelt und malt, aber keine, die denkt. München hat zwar die oberste Administration des Königreichs und abwechselnd die Ständeversammlungen; es verbindet der Akademie der Künste die Akademie der Wissenschaften, hat eine Universität mit 90 Docenten und 1500 Studirenden, die zahlreichsten mittlern Schulen des Landes mit 2000 Schülern – aber es bleibt dabei: à Munic on ne pense pas. On regarde. Voilà Munic! – Sollten wir nach diesen Koryphäen noch der jungen Männer gedenken, die vor wenigen Jahren aus Frankreich zu uns kamen, um an der Quelle deutscher Wissenschaft auf den Universitäten zu schöpfen, und die nach einiger Zeit darauf ausgingen, durch Gründung einer Casse Andere zu solchem Aufenthalt in den Stand zu setzen mit der Aufforderung an ihre Landsleute, zu dem guten Werke beizusteuern, weil hier in den Bergwerken, Schachten und Stollen deutscher Studien und Wissenschaft in der That unter den Schlacken auch Gold- und Silberkörner zu finden wären, und es des französischen Geistes und der französischen Geschicklichkeit bedürfe, sie auszuschmelzen, zu gestalten und zu poliren? Diese Unverschämtheit ward gedruckt, und ihr die Krone dadurch aufgesetzt, daß man sie, Schwarz auf Weiß, selbst den ausgezeichneten Männern zuschickte, zu deren Füßen noch kurz vorher jene eitlen und bethörten Laffen gesessen hatten – Männern, durch deren edlen deutschen Geist sie sich von dem französischen „Esprit“ hätten befreien, durch deren Behandlung wissenschaftlicher Probleme sie sich hätten bilden können, wenn ihr Geist nicht durch die beklagenswürdige Dressur des Noth- und Zwangscamisols der französischen glorreichen Universitäts-, Schul-, Unterrichts- und Disciplinarordnung und durch die Napoleon'sche Uniformitätsmacherei in ihr wäre geistig beengt, verschroben, verdrückt und der Spannkraft ebenso beraubt worden, wie der chinesische Fuß, wenn er lange genug in dem schmalen Maaße seines Leistens gepreßt gewesen ist. Ich weiß, daß es in Frankreich auch im öffentlichen Unterricht, wie auf dem freien Gebiete der Litteratur und des höhern wissenschaftlichen Betriebs, Männer gibt, die Deutschland besser kennen, die den beklagenswürdigen Zustand der französischen Verkommenheit auf dem Gebiete der Litteratur so gut wie der Politik und die Quellen derselben kennen, und darüber seufzen. Sie bilden die Elite, welche die Zukunft dieser an vielen und trefflichen Kräften reichen und einer bessern Zukunft so würdigen Nation vertreten, und die Keime derselben in sich tragen; aber ihrer sind zu wenige gegen die Sprecher, Schreiber und Wortführer französischer Afterweisheit, Afterpolitik und Aftermuse. Sie müssen dem Strome seinen Lauf und den Sturm wehen lassen, wohin er will, und ziehen sich auf sich und in ihr Cabinet zurück, wo ihr Unwille und ihr edelmüthiger Zorn in ihrer Brust oder in Gesprächen mit gleichgesinnten Freunden zwischen den vier Wänden verraucht.
Daß Mr. Marmier nicht dieser heiligen Schaar, sondern der andern und größern zugehört, die aus ihren Vertretern de HH. Cousin, Lerminier, St. Marc-Girardin und zuletzt die jungen Amalgamirkünstler deutscher Schlacken geschickt hat, daß er darum nichts Eigenes, sondern die Reden seiner Geistes- und Effectgenossen bringt, und insofern nicht eigentlich persönlich verantwortlich ist für das, was er Thörichtes sagt, möchte sofort wohl deutlich seyn; aber weil er der Vertreter jener ganzen eitlen Classe ist, mag er hier ein- für allemal eine etwas ernstere Entgegnung finden, damit, wenn man jenseits Lust hat, in diesem Tone fortzufahren, diesseits wenigstens jeder wissen kann, wofür er das Lied des gallischen Hahns zu halten hat. (Ein zweiter Artikel folgt.)
Einführung der Theecultur in Frankreich.
(Beschluß.)
Diese Theestauden sollen im Frühjahr im Süden von Frankreich, in Corsica und in der Bretagne vertheilt werden. Guillemin glaubt, daß steifer Thonboden, auf einem leichten Abhang gelegen, der beste dafür sey; allein dieß ist wahrscheinlich ein Irrthum, denn in Assam, wo der Thee in zahllosen Stellen wild wächst, hat man ihn immer in einer leichten und porösen Erde gefunden, welche dem Wasser nicht erlaubt, auf ihr stehen zu bleiben, und dieß ist ohne Zweifel der Grund, warum man die Staude in dem Thonboden von Brasilien auf Abhängen pflanzen muß. Er schlägt die Bretagne vor wegen der sehr milden Winter, denn diese Provinz hat etwa das Klima von England, und die Nähe des Meeres, verbunden mit der kleinen absoluten Höhe des Landes, erhält dort eine so mäßige Temperatur, daß die Camellia, das Rhododendron Arbutus und andere südliche Pflanzen im Freien gut überwintern. Uebrigens hat er sich wahrscheinlich durch das Klima von Brasilien verleiten lassen, vorauszusetzen, daß die Theestaude die Kälte nicht ertragen könne, während man aus China weiß, daß sie recht wohl in Provinzen, wo Schnee in Menge fällt, fortkommt, und Guillemin selbst hat bemerkt, daß sie in den höchsten Theilen der Gebirge in Brasilien weit üppiger wächst, als in dem heißen Klima von Rio-Janeiro. In China kommt sie als Culturpflanze nur im Norden der Gebirgsreihe vor, welche die südlichen von den nördlichen Provinzen trennt, und in Java hat man sich genöthigt gesehen, die Theegärten auf die höchsten Gebirge der Insel zu verlegen. Früher hielt man hier die Theestauden sorgfältig in Gewächshäusern, aber seitdem man den Plan gefaßt hat, sie zu cultiviren, setzt man sie ins Freie, und sie gedeihen weit besser. Die Schwierigkeit der Cultur liegt nicht in dem Klima, denn die geographische Ausdehnung der Pflanze ist sehr bedeutend, sondern an dem Boden und dem Preis. Nach allen Beobachtungen, die man in Assam an der wildwachsenden Staude gemacht hat, liebt sie nur eine gewisse Art von Boden, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß die Qualität des Products großentheils davon abhängt. Daß der brasilische Thee nicht gut ist, läßt sich daraus schließen, daß die Brasilianer glauben, die Chinesen geben dem ihrigen sein besonderes Aroma durch Blüthen der Olea fragrans und der Camellia sesanqua, was ein großer Irrthum ist, wie die Theeschmecker der ostindischen Compagnie längst entschieden haben, und bloß zeigt, daß der brasilische Thee nicht aromatisch ist. Der Preis ist eine andere und sehr große Schwierigkeit. In Brasilien kann man das Pfund nicht unter 6 Franken liefern. Daher fährt man, trotz der Menge von angelegten Theegärten, fort, den Thee aus China einzuführen. Nun kostet in Brasilien die Tagsarbeit eines Sklaven etwa 2 Franken, was mehr ist, als in Frankreich, wo dagegen der Boden so theuer ist, daß der Unterschied im Resultat nicht sehr groß seyn mag. Guillemin glaubt zwar, daß sich die Methode der Bereitung verbessern ließe, aber wer die Berichte der ostindischen Compagnie über die Methode ihrer chinesischen Theefabricanten in Assam gelesen hat, weiß, daß sie mit viel größerer Sorgfalt zu Werke gehen, und daß die Bereitungsart der Brasilianer weit unter der ihrigen steht; daß aber die chinesische mehr Zeit und geschicktere,
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